Unter elektrischen „Stromunfällen“ versteht man:
- die gefährliche elektrische Körperdurchströmung und
- den Störlichtbogenunfall, der vorrangig mit Verbrennungen verbunden ist.
Die Anzahl der tödlichen Stromunfälle im Erfassungsbereich der Berufsgenossenschaft ETEM (Quelle: Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle der BG ETEM) lag in den letzten 20 Jahren zwischen einem und 13 Unfällen je Jahr. Daneben existiert eine hohe dreistellige Zahl von meldepflichtigen Stromunfällen. Der Einsatz von PSA zum Schutz vor Körperdurchströmung und Störlichtbögen ist also eine unbedingte Notwendigkeit für sicheres Arbeiten an und in der Nähe von elektrischen Anlagen.
PSA zum Schutz vor Körperdurchströmung
Bei der PSA zum Schutz vor Körperdurchströmung handelt es sich vorrangig um elektrisch isolierende PSA. Sie findet ihren Einsatz hauptsächlich beim anweisungspflichtigen Arbeiten unter Spannung (AuS) an allen Niederspannungs-(NS)-Anlagen und an Mittelspannungs-(MS)-Freileitungen. Aber auch beim Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Anlagen und auch für Schalthandlungen wird isolierende PSA verwendet.
Unter elektrisch isolierender PSA versteht man folgende Produkte:
- Isolierende Handschuhe (gemäß EN 60903)
- Isolierende Ärmel (EN 60984)
- Isolierende Schutzbekleidung (EN 50286)
- Isolierendes Schuhwerk (EN 50321)
- Isolierende Helme (EN 50365)
Welche PSA für welche Tätigkeit benötigt wird, hängt von der ausgewählten AuS-Technologie ab. Bei den meisten Arbeiten im NS-Bereich werden nur der isolierende Handschuh und der Helm verwendet. Die isolierende Schutzbekleidung kommt hauptsächlich bei Arbeiten an NS-Freileitungen zur Anwendung, während isolierende Ärmel beim Arbeiten an MS-Freileitungen benutzt werden.
Elektrisch isolierende PSA muss mit dem Doppeldreieck und einer zusätzlichen Klassenangabe gekennzeichnet werden. Die Klassenangabe kennzeichnet den Anwendungsbereich der PSA hinsichtlich der maximal zulässigen Nennspannung der Anlagen, an denen die PSA eingesetzt werden kann. Der Anwendungsbereich beginnt bei
- Klasse 00 (bis 500 V Wechselspannung und 750 V Gleichspannung) und endet bei
- Klasse 4 (bis 36 kV Wechselspannung und 54 kV Gleichspannung).
Höhere Schutzklassen sind aus ergonomischen Gründen aktuell nicht möglich. Die Auswahl der erforderlichen Isolationsschutzklasse der PSA erfolgt dementsprechend anhand der Nennspannung der Anlage, an der gearbeitet werden soll.
PSA zum Schutz vor Störlichtbögen (PSAgS)
Von einem Störlichtbogen gehen verschiedene Effekte aus, die zu einer Gefährdung von Personen in unmittelbarer Nähe des Störlichtbogens führen. Hinsichtlich der persönlichen Schutzmaßnahmen hat man sich auf die thermischen Wirkungen des Störlichtbogens konzentriert, weil von diesen mit höherer Wahrscheinlichkeit irreversible bis tödliche Verletzungen ausgehen (Definition von PSAgS: Persönliche Schutzausrüstungen zum Schutz vor den thermischen Gefahren des Störlichtbogens).
Prinzipiell müssen bei der Beurteilung der Störlichtbogengefährdung alle Arbeiten berücksichtigt werden, die an oder in der Nähe einer offenen Anlage, deren spannungsfreier Zustand noch nicht her- oder sichergestellt wurde, mit direktem Kontakt zur Anlage durchgeführt werden. Das kann unter anderem die Umsetzung der fünf Sicherheitsregeln oder das Arbeiten unter Spannung (AuS) sein. Energiereiche und gefährliche Störlichtbögen können bei einem Großteil der NS-Anlagen und an allen MS-Anlagen in der öffentlichen und industriellen Energieversorgung sowie an leistungsstarken Batterieanlagen (zum Beispiel in der Elektromobilität) auftreten. PSAgS ist somit für fast jede Elektrofachkraft relevant.
Die PSAgS selbst besteht grundsätzlich mindestens aus einem
- Gesichtsschutz (gemäß EN 166 und GS-ET 29),
- Handschutz (EN 60903 oder EN 407 in Verbindung mit GS-ET 42–1/2) und der
- Bekleidung (EN 61482–2).
Das in Europa genutzte, so sogenannte Box-Test-Prüfverfahren der PSAgS führt in der Typprüfung zu einer Schutzeinteilung der PSAgS in die zwei Schutzklassen:
- Klasse 1 (APC 1) und
- Klasse 2 (APC 2).
Die Schwere der Auswirkungen eines Störlichtbogens ist prinzipiell abhängig von der im Störlichtbogen umgesetzten Lichtbogenenergie, die im Falle eines Störlichtbogenunfalls an der Anlage auftritt. Je größer diese Energie ist, desto größer ist die Gefahr schwerer Verbrennungen. Die Auswahl der erforderlichen PSA-Schutzklasse erfolgt demnach nach der im Fehlerfall zu erwartenden Lichtbogenenergie am Arbeitsplatz und nicht anhand der Kurzschlussleistung oder der Nennspannung der Anlage. Die Auswahl der Störlichtbogenschutzklasse der PSAgS erfolgt dann auf der Grundlage des in der DGUV Information 203–077 (siehe Linktipp oben) beschriebenen Berechnungsalgorithmus´. Die im Jahr 2020 veröffentlichte neue Version dieses Dokuments wird neben der Störlichtbogenenergieberechnung für Wechselspannungsanlagen zusätzlich auch einen Berechnungsalgorithmus für Gleichspannungsanlagen beinhalten. Weiterhin werden erstmalig konkrete Aussagen zu den unteren Grenzen der Anwendung von PSAgS gemacht und es ist eine Risikobetrachtung hinzugefügt worden, um die Lichtbogengefahr an Anlagen mit hohen Kurzschlussenergien einschätzen zu können.