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PSA zum Schutz vor Störlichtbögen (Teil 1)

Anwendung, Ausführung und Auswahl
PSA zum Schutz vor Störlichtbögen (Teil 1)

PSA zum Schutz vor Störlichtbögen (Teil 1)
Freischaltung einer Kabelstrecke an einem Kabelverteiler mit PSAgS Foto: M. Kauschke, BSD
Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung gegen die ther­mis­chen Auswirkun­gen eines Stör­licht­bo­gens (PSAgS) ist ein wichtiges Ele­ment des Schutzkonzeptes für elek­trotech­nis­ches Per­son­al. Diese Artikelserie soll für ein besseres Ver­ständ­nis im Umgang mit PSAgS in der Prax­is sor­gen. Teil 1 fasst Grund­la­gen des Stör­licht­bo­gen­schutzes und zuge­höriger Schutzaus­rüs­tun­gen zusam­men. Teil 2 lesen Sie hier.

Bei der Gefährdungs­beurteilung für das Arbeit­en an und in der Nähe elek­trisch­er Anla­gen müssen neben der Gefährdung durch elek­trische Kör­per­durch­strö­mung („elek­trisch­er Schlag“) und den Gefährdun­gen durch hohe elek­trische und mag­netis­che Felder die Gefährdun­gen durch Stör­licht­bö­gen berück­sichtigt wer­den. Der Anteil der Stör­licht­bo­ge­nun­fälle an den jährlich min­destens 650 im Ver­sicherungs­bere­ich der BG ETEM gemelde­ten Stro­mun­fällen liegt unter 20 Prozent.1 

Ein Stör­licht­bo­gen ist ein unbe­ab­sichtigtes beziehungsweise unge­wolltes Licht­bo­genereig­nis, das im Unter­schied zu tech­nis­chen Licht­bö­gen (zum Beispiel Schaltlicht­bo­gen) unkon­trol­lierte Auswirkun­gen hat. Von einem Stör­licht­bo­gen gehen ver­schiedene Effek­te aus, die zu ein­er Gefährdung von Per­so­n­en in unmit­tel­bar­er Nähe des Stör­licht­bo­gens führen. Das sind:

  • Kraftwirkun­gen auf die Umgebung,
  • Schall­wirkun­gen,
  • Pyrol­y­se­pro­duk­te,
  • extreme Licht­in­ten­sität,
  • ther­mis­che Wirkun­gen der Plas­masäule, heißer Gase und geschmolzen­er Metallpartikel.

Hin­sichtlich der per­sön­lichen Schutz­maß­nah­men hat man sich auf die ther­mis­chen Wirkun­gen des Stör­licht­bo­gens konzen­tri­ert, weil von diesen mit höher­er Wahrschein­lichkeit irre­versible bis tödliche Ver­let­zun­gen aus­ge­hen. Daher stammt auch die Def­i­n­i­tion von PSAgS:

  • per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung gegen die ther­mis­chen Auswirkun­gen eines Störlichtbogens.

Die Schwere der Auswirkun­gen eines Stör­licht­bo­gens ist prinzip­iell abhängig von der im Stör­licht­bo­gen umge­set­zten Licht­bo­genen­ergie sowie von der flächen­be­zo­ge­nen Ein­wirken­ergie des Stör­licht­bo­gens, die im Falle eines Stör­licht­bo­ge­nun­falls auf die zu schützende Per­son wirkt. Je größer diese Energien sind, desto größer ist die Gefahr schw­er­er Verbrennungen.

Daraus resul­tieren die TOP-Maß­nah­men zur Reduzierung der Stör­licht­bo­genge­fahr. Bei diesen Maß­nah­men muss unter­schieden wer­den zwischen:

  1. Maß­nah­men zur Ver­mei­dung der Entste­hung von Stör­licht­bö­gen (zum Beispiel Ein­satz mod­ern­er Anla­gen mit max­i­malem Berührungss­chutz, regelmäßige Prü­fung, Wartung und Reini­gung elek­trisch­er Anla­gen, Ein­satz von qual­i­fiziertem und regelmäßig unter­wiesen­em Personal)
  2. Maß­nah­men zur Ver­ringerung der Licht­bo­genen­ergie (Ver­ringerung von Kurz­schlussstrom und Kurzschlussdauer)
  3. Maß­nah­men zur Ver­ringerung der Ein­wirken­ergie (Ein­satz von Sys­te­men zur Licht­bo­gen­erken­nung und ‑abschal­tung, Ein­satz von geschot­teten und licht­bo­gen­sicheren Anla­gen, Ein­hal­tung von Schutz­ab­stän­den, Tra­gen von PSAgS)

Da ins­beson­dere die tech­nis­chen Maß­nah­men in vie­len Fällen kurz- und mit­tel­fristig nicht wirtschaftlich umge­set­zt wer­den kön­nen, ist der Ein­satz von PSAgS für den Großteil des elek­trotech­nis­chen Per­son­als von leis­tungsstarken Energiev­er­sorgungsan­la­gen relevant.

Einsatz von PSAgS

Prinzip­iell müssen bei der Beurteilung der Stör­licht­bo­genge­fährdung alle Arbeit­en berück­sichtigt wer­den, die an oder in der Nähe ein­er offe­nen Anlage, deren span­nungs­freier Zus­tand noch nicht her- oder sichergestellt wurde, mit direk­tem Kon­takt zur Anlage durchge­führt wer­den. Das kön­nen unter anderem

  • Schalthand­lun­gen,
  • Abdeckar­beit­en,
  • Arbeit­en unter Span­nung (AuS),
  • Messen und Prüfen beziehungsweise der Ein­bau von Mess- und Prüfein­rich­tun­gen oder der
  • Ein­bau von Erdungs- und Kurzschließgarnituren

sein.

Für den Ein­satz von PSAgS sind alle Anla­gen rel­e­vant, in denen ein sta­bil­er Fehler­licht­bo­gen entste­hen kann. Diese Bedin­gun­gen wer­den von dem Großteil der Niederspannungs-(NS)-Anlagen und von allen Mittelspannungs-(MS)-Anlagen in der öffentlichen und indus­triellen Energiev­er­sorgung erfüllt. Aber auch das Arbeit­en an leis­tungsstarken Bat­teriean­la­gen (zum Beispiel in der Elek­tro­mo­bil­ität) wird für PSAgS immer relevanter.

Auf­grund der oben aufge­führten Tätigkeit­en und Anla­gen wird deut­lich, dass jede Per­son, die diese Tätigkeit­en durch­führt, PSAgS benötigt. Der Per­so­n­enkreis ist dem­nach nicht nur auf das Per­son­al beschränkt, welch­es anweisungs- und aus­bil­dungspflichtige Arbeit­en unter Span­nung (AuS) durchführt!

Ausführung und Prüfung von PSAgS

PSAgS beste­ht grund­sät­zlich min­destens aus einem Gesichtss­chutz, Hand­schutz und der Bek­lei­dung. Um die Akzep­tanz von PSAgS durch den Nutzer zu erhöhen, soll­ten Her­steller neben den nor­ma­tiv­en und wirtschaftlichen Anforderun­gen ins­beson­dere die ergonomis­chen Anforderun­gen an die PSAgS umsetzen.

Die grund­sät­zlichen Anforderun­gen an die PSAgS und die Prü­fun­gen zum Nach­weis der Umset­zung der Anforderun­gen sind in den zuge­höri­gen Pro­duk­t­nor­men beschrieben. Der Infokas­ten (siehe unten) fasst die Anforderun­gen zusam­men, die an die PSAgS gestellt werden.

Die wichtig­ste Eigen­schaft ein­er PSAgS ist der Schutz des Nutzers vor den ther­mis­chen Gefahren des Stör­licht­bo­gens. Die Umset­zung dieser Anforderun­gen muss entsprechend der Pro­duk­t­norm oder dem Prüf­grund­satz in einem stan­dar­d­isierten Ver­such­sauf­bau nachgewiesen wer­den. Dabei sind grund­sät­zlich zwei Dinge nachzuweisen:

  1. Licht­bo­genbeständigkeit des Pro­duk­ts (kein Nach­bren­nen; keine Lochbil­dung; Funk­tion­al­ität der Schließmech­a­nis­men, zum Beispiel Reißverschluss)
  2. Begren­zung des Wärme­durch­gangs zur Ver­mei­dung von Ver­bren­nun­gen zweit­en Grades

Weltweit existieren zwei unter­schiedliche genormte Tests zur Bes­tim­mung des Schutzniveaus von PSAgS. Während in Europa und Deutsch­land der soge­nan­nte Box-Test zur Anwen­dung kommt, wird darüber hin­aus der Open-Arc-Test genutzt. Auf­grund der sich stark unter­schei­den­den Prüf­pa­ra­me­ter kön­nen die Ergeb­nisse bei­der Prüfver­fahren nicht ineinan­der umgerech­net wer­den.2 Für den Nutzer ist es wichtig zu erken­nen, dass das Ver­fahren zur Auswahl des Stör­licht­bo­gen­schutzniveaus der PSAgS direkt mit dem Prüfver­fahren verknüpft ist. Für das in Deutsch­land genutzte Auswahlver­fahren der DGUV Infor­ma­tion 203–077 „Ther­mis­che Gefährdung durch Stör­licht­bö­gen“ ist der Box-Test das grundle­gende Prüfverfahren.

Die Auswahl der Stör­licht­bo­gen­schutzk­lasse der PSAgS mit der DGUV Infor­ma­tion 203–077 ist Inhalt des zweit­en Teils dieses Fachbeitrags.

1 Vgl. www.bgetem.de, Web­code 12853537 (abgerufen am 05.03.2019) und Jüh­ling, J.: Elek­troun­fälle in Deutsch­land. FfE-Fach­ta­gung, 2005.

2 D. Borneb­urg, H. Wal­ter, F. Wach­holz, J. Vogler, H. Eichinger, „Betra­ch­tun­gen zu Prüfver­fahren zur Über­prü­fung der Schutzwirkung von PSA gegenüber Licht­bo­genein­wirkun­gen“, ICOLIM 2008.


Foto: privat

Autor: Dr.-Ing. Thomas Jordan
Forschung und Entwick­lung, BSD Bil­dungs- und Ser­vicezen­trum GmbH
t.jordan@bsd-dresden.de


Anforderungen an PSAgS

  1. Schutzbek­lei­dung
  2. Aus­führun­gen: zum Beispiel Bund­hose, Latzhose, Bund­jacke, Lan­garm-Shirt, Hemd, Over­all, Überziehbek­lei­dung (Jacke und Hose), Schalt­man­tel, Wetterschutzparka
  3. Nor­ma­tive Anforderun­gen: EN 61482–2:2009 (sehr häu­fig als Multi­norm­bek­lei­dung in Verbindung mit anderen Schutzfunktionen)
  4. Ergonomis­che Anforderun­gen: Tragekom­fort (Webart und Faserzusam­menset­zung, Gewicht), Atmungsak­tiv­ität, Nutzbarkeit (zum Beispiel Anzahl Taschen)
  5. Wirtschaftliche Anforderun­gen: Lebens­dauer, Waschbarkeit, Preis
  6. Gesichtss­chutz
  7. Aus­führun­gen: Gesichtss­chutz für Helm­mon­tage, Helm mit inte­gri­ertem Gesichtss­chutz, Gesichtss­chutzhaube (mit oder ohne Helm), Schutzbrille in Verbindung mit Kopf­schutzhaube (Bal­a­cla­va)
  8. Nor­ma­tive Anforderun­gen: EN 166:2001 in Verbindung mit GS-ET-29:2010
  9. Ergonomis­che Anforderun­gen: Tragekom­fort (Gewicht, Farb­wieder­gabe der Visier­scheibe, Luftaus­tausch bei Gesichtss­chutzhauben), Adap­tier­barkeit an ver­schiedene Helmtypen
  10. Wirtschaftliche Anforderun­gen: Lebens­dauer, Preis
  11. Hand­schutz
  12. Aus­führun­gen: Schalthand­schuh (Led­er- oder Led­er­tex­til­hand­schuh), tex­til­er Unterziehhand­schuh für isolierende Hand­schuhe, isolierende Hand­schuhe mit Störlichtbogenschutz
  13. Nor­ma­tive Anforderun­gen: EN 407:2004 oder EN 60903:2004 jew­eils in Verbindung mit GS-ET 42:2019
  14. Ergonomis­che Anforderun­gen: Tragekom­fort (Fein­füh­ligkeit, Feuchtigkeitsregulierung)
  15. Wirtschaftliche Anforderun­gen: Lebens­dauer, Preis
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