Fußschutz ist das Ergebnis der tätigkeitsbezogenen Gefährdungsbeurteilung. Als Hilfestellung hierzu wurde eine Beispielsammlung (Tabelle 1) entwickelt, welche für ausgewählte Tätigkeiten verschiedener Gewerbezweige einen geeigneten Fußschutz nebst den sicherheitstechnischen Zusatzanforderungen empfiehlt. Hier sind auch die jahrzehntelangen Erfahrungen der Unfallversicherungsträger eingeflossen. Die Liste wird bei Bedarf aktualisiert.
Ein Blick auf die 100 Prozent-Statistik der DGUV e.V. zu den meldepflichtigen Arbeitsunfällen und neuen Rentenfällen der letzten Jahre (Tabelle 2) zeigt, dass sich jährlich etwa 150.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle mit Fußverletzungen ereignen. Dabei sind zwei deutliche Schwerpunkte erkennbar: Verletzungen „Oberes Sprunggelenk, Knöchel und Bänder“ sowie „Fersenbein“. Hierauf entfallen etwa 60 Prozent der meldepflichtigen Unfälle sowie etwa 75 Prozent der neuen Renten. Grund genug für intensive Aktivitäten.
Für den verbesserten Schutz gegen das Umknicken bieten einzelne Schuhhersteller Lösungen an. Normtechnische Regelungen gibt es bis dato hierzu nicht. Es handelt sich um Schuhe der Form B oder C. In einem Feldversuch wurde gemeinsam mit den Schuherstellern für ausgewählte Tätigkeitsbereiche Schuhe bereitgestellt. Das Tragen wurde von Probanden entsprechend bewertet. Den positiven Einfluss auf die Stabilität des Fußgelenks sowie ein sicheres Gefühl beim Gehen wurde überwiegend genannt. In einem nächsten Schritt prüfen wir in Zusammenarbeit mit Prüfinstituten, wie dies technisch belegbar ist.
Fersenbeinbrüche müssen kein Ergebnis von extremen Ereignissen sein. Bereits aus geringen Höhen, wie beispielsweise dem Abrutschen von einer unteren Leiterstufe (Abbildung 1) oder einem Tritt (Abbildung 2), kann dies eintreten.
Der Schutz des Fersenbeins kann durch eine entsprechende Dämpfung im Schuh verbessert werden. Dies wurde auch in zwei Forschungsprojekten im Auftrag der DGUV belegt. Neben menschlichem Leid sind Fersenbeinbrüche für die Unfallversicherungsträger eine nicht unerhebliche Belastung. Gesamtunfallkosten in Höhe von 250.000 Euro sind keine Seltenheit.
Die Norm legt Anforderungen für die Dämpfung im Fersenbereich von ≥20 Joule fest. Dies gilt für Fußschutz der Kategorie S1 bis S5 bzw. für Schuhe, die das Symbol „E“ tragen. Das Sachgebiet empfiehlt grundsätzlich die Bereitstellung von Schuhen mit geprüfter Dämpfung im Fersenbereich. In diesem Bereich sind auch deutliche Weiterentwicklungen der Schuhindustrie zu erkennen sowohl was die Dämpfung angeht als auch die Materialeigenschaft „Dauerelastizität“. Darüber hinaus gibt es auch Entwicklungen, gewichtsabhängige Dämpfungselemente im Schuh einzulegen.
Von besonderer Bedeutung für sicheres Gehen und Stehen ist auch die Fixierung des Schuhs am Fuß. Die Norm macht hierzu keine konkreten Vorgaben. Schnallen und Schnürrungen sind bei Sicherheitsschuhen die am meisten verbreiteten Varianten. In den letzten Jahren kamen zunehmend Schuhe mit dem BOA-Schnürsystem auf den Markt. Eine Vielzahl von Anfragen erreichten das Sachgebiet, verbunden mit Fragestellungen wie: „Ist das zulässig?“, „Welche Erfahrungen gibt es?“, „Ist die Fixierung zuverlässig?“. Auch hier wurde mit Schuhherstellern ein Feldversuch durchgeführt. Darüber hinaus wurde das Fixierungssystem technischen Prüfungen beim Institut für Arbeitsschutz (IFA) unterzogen. In der Gesamtbetrachtung konnte ein positives Ergebnis gezogen werden. Die Ergebnisse wurden in einem Fachartikel veröffentlicht.
Eine maßgebliche Änderung ist bei der sicherheitstechnischen Funktionalität „Schutz gegen Durchstich“ zu erwarten. Trotz Benutzung von Schuhen mit der Schutzfunktion „Durchtrittsicherheit“ waren steigende Zahlen von Arbeitsunfällen infolge von Durchstich dünner Gegenstände (in der Regel Nägel) durch die Schuhsohle zu beobachten. Im Zuge umfangreicher Versuche und Weiterentwicklungen erfolgt nun eine Spezifizierung in der Norm für diese optionale Zusatzanforderung. Die Prüfung erfolgt zukünftig
je nach Material der Einlage mit einem Prüfnagel Ø 4,5 mm oder 3 mm. Eine Information zum Material der Einlage soll zudem in der Kennzeichnung erfolgen.
Von wachsender Bedeutung ist auch der orthopädische Fußschutz. Hier sind die Versorgungen mittels industriell gefertigter Schuhe durch den Einbau von orthopädischen Einlagen oder Zurichtungen bis hin zu individuell gefertigten orthopädischen Maßschuhen zu nennen. Grundsätzlich kann jede Veränderung an einem Schuh negative sicherheitstechnische Auswirkungen haben. Daher sind Veränderungen des Baumusters generell unzulässig, die Konformität wäre nicht mehr gegeben. In Deutschland wurden unter Beachtung der PSA-Richtlinie beziehungsweise der PSA-Verordnung sowie der Normen hervorragende Möglichkeiten zur rechtssicheren individuellen orthopädischen Versorgung geschaffen. Diese haben sich bewährt und finden umfassende Akzeptanz. Nun werden im Rahmen der Normrevision entsprechende Regelungen zum orthopädischen Fußschutz aufgenommen.
Um die Versorgungsmöglichkeit in diesem Bereich noch zu erweitern, wurde auf Grundlage der revidierten Schnittschutznorm auch die Kombination eines orthopädischen Maßschuhs mit einer Schnittschutzgamasche geprüft. Diese sollen die Bereiche abdecken, in denen nur sehr temporär ein Schnittschutz erforderlich ist bzw. in denen keine Versorgung mit einem orthopädischen Schnittschutzstiefel erfolgen kann.
Zunehmend kommen auch während der betrieblichen Tätigkeit Orthesen zur Anwendung. Das Sachgebiet hat sich zu ausgewählten Orthesen mit der Frage beschäftigt, ob diese in Sicherheitsschuhen getragen werden dürfen. Orthesen können sicherheitstechnische Funktionen des Schuhs, wie beispielsweise die Fersenbeindämpfung, negativ beeinflussen. Für einen Feldversuch konnten auf freiwilliger Basis Hersteller gewonnen werden. Im Ergebnis steht nun eine erste Positivliste zur Verfügung, aus der entsprechende Kombinationen hervorgehen. Darüber hinaus haben bereits weitere Hersteller die Prüfung von Orthesen in die Baumusterprüfung von „Schuhfamilien“ integriert.
Auf dem Markt werden Überzieher/Überschuhe unterschiedlicher Materialien und Fertigungsweisen zum betrieblichen Einsatz angeboten. Aber: Ist dies aus sicherheitstechnischer Sicht überhaupt akzeptabel? Welche berechtigten Bedenken bestehen? Was zeigen entsprechende Kombinationsprüfungen? Wann ist der Einsatz von Überziehern/Überschuhen sicherheitstechnisch nicht zu beanstanden?
Anhand der konkreten Situation „Kombination von Überschuhen mit Sicherheitsschuhen für Schornsteinfegerarbeiten in Innenräumen“ hat sich das Sachgebiet mit dieser Fragestellung beschäftigt. Für einen Feldversuch konnten auf freiwilliger Basis Hersteller gewonnen werden. Der Fokus wurde insbesondere auf die Rutschhemmung sowie die Antistatik gelegt. Im Ergebnis steht nun eine erste Positivliste zur Verfügung, aus der entsprechende Kombinationen hervorgehen.
Der Feldversuch hat auch deutlich gezeigt, dass grundsätzlich nur durch eine Kombinationsprüfung eine verbindliche sicherheitstechnische Aussage getroffen werden kann.
Trotz Zehenkappe (Abbildung 3) kommt es mitunter zu Verletzungen des Kleinzehs. Er ist bei der herkömmlichen Form der Zehenkappe nicht vollständig abgedeckt. Mit einer seitlichen Verlängerung der Zehenkappe (Abbildung 4) kann diese Gefährdung reduziert werden. Die Zehenkappe nach Abbildung 3 erfüllt die Anforderungen der Norm!
Die Schuhhersteller gehen auch stetig innovative neue Wege. Wer die Messe A+A besucht, kann sich hier in der Regel einen sehr guten Überblick verschaffen. Natürlich bieten hier auch neuen Medien und Techniken neue Möglichkeiten.
So haben zwei namhafte Hersteller beheizbare Sicherheitsschuhe auf den Markt gebracht, insbesondere für den Baubereich oder für Arbeiten in kalter Umgebung ein klarer Zugewinn. Durch RFID-Transponder kann die Sicherheit deutlich positiv beeinflusst werden. Fahrzeuge oder Maschinen können so zum Beispiel bei ihren gefahrbringenden Bewegungen gestoppt oder eingeschränkt werden. Ebenso sind Rescue-Systeme in der Entwicklung. Sie können beispielsweise in Verbindung mit einem Smartphone zur Erhöhung der Sicherheit von Alleinarbeitsplätzen dienen. Aktuell befinden sich sogar derartige Systeme in der Prüfung als Personennotfallanlage. Aber auch so einfache Dinge wie „Ausleuchtung von Verkehrswegen“ oder „Besser gesehen werden“ sind positiv zu bewerten, erhöhen diese doch tätigkeitsbezogen die Sicherheit von Menschen, insbesondere auch bei den Gefahren im Straßenverkehr.
Bei all diesen zuvor genannten Entwicklungen gibt es eine „neue“ Gefährdung im bzw. am Schuh in Form Elektrische Energie bzw. Strom. Auch dies muss natürlich sicherheitstechnisch geprüft und bewertet werden.
Aber welcher Schuh ist denn nun der passende? Anprobieren ist eine praktikable und zielführende Möglichkeit. Sie beschränkt sich allerdings auf Schuhe und Modelle, die vor Ort verfügbar sind. Beim Onlinekauf, der in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat, besteht diese Möglichkeit im Vorfeld gar nicht. Um insbesondere diesem Problem zu begegnen, wurden neue Möglichkeiten zur digitalisierten Auswahl von Schuhen entwickelt. Damit kann bereits vor dem Anprobieren eine auf den Träger zugeschnittene Vor-Auswahl von geeigneten Modellen erfolgen.
Sachgebiet Fußschutz der DGUV
Das Sachgebiet Fußschutz orientiert sich sowohl an den aktuellen Entwicklungen und gestaltet diese nach Möglichkeit aktiv mit als auch an den Unfallzahlen. Darüber hinaus wird in unterschiedlicher Form Hilfestellung gegeben. Die Internetseite des Sachgebiets bietet neben aktuellen Informationen und Fachartikeln auch Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQS):
www.dguv.de/fb-psa/sachgebiete/sachgebiet-fussschutz
Autor: Andreas Vogt
Leiter des Sachgebiets Fußschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
andreas.vogt@bgbau.de