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Warum klappt die Umsetzung viel zu oft nicht?

BGM sowie Gefährdungsbeurteilung psychische Belastungen
Warum klappt die Umsetzung viel zu oft nicht?

Warum klappt die Umsetzung viel zu oft nicht?
Gut gemeint heißt noch lange nicht gut gemacht. In allzu vielen Unternehmen sterben gute Ideen aus verschiensten Gründen. Foto: © patpitchaya – stock.adobe.com
Viele Unternehmen bemühen sich, geeignete Maß­nah­men im Umfeld von Sicher­heit und Gesund­heit einzuführen, doch die Aus­fal­lzeit­en von Mitar­beit­ern sprechen eine andere Sprache. Worin liegen die Gründe und was ist zu tun?

Eine gesunde Belegschaft ist für ein Unternehmen ein sehr wichtiger Fak­tor, denn es ist nicht zu überse­hen, dass gesunde, motivierte und leis­tungs­fähige Mitar­beit­er das Poten­tial eines Unternehmens sind. Ist dieses Poten­tial bedro­ht, läuft das Unternehmen Gefahr, nicht mehr pro­duk­tiv zu sein.

Mit 109 Mil­lio­nen Arbeit­sun­fähigkeit­sta­gen ste­ht die psy­chis­che Erkrankung auf Platz zwei hin­ter Muskel- und Skelet­terkrankun­gen. Oft ist sie die Ursache für eine Frühver­ren­tung. Die Men­schen, die es bet­rifft sind jung, im Durch­schnitt 48 Jahre alt. Für das Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales (BMAS) bietet sich hier ein großer Hand­lungsauf­trag. Das The­ma „Gesund­heit am Arbeit­splatz“ muss daher immer mehr an Bedeu­tung gewin­nen. Dem The­ma angenom­men hat sich unter anderem die Ini­tia­tive Neue Qual­ität der Arbeit, sie hat das Pro­jekt „Psy­chis­che Gesund­heit in der Arbeitswelt – psy­GA“ in die Wege geleit­et, wo Unternehmen, Führungskräfte und Mitar­beit­er sich über diese wichtige The­matik informieren können.

Denn bis heute ist es für viele Betriebe lei­der nicht selb­stver­ständlich auf die Gesund­heit ihrer Mitar­beit­er zu acht­en. Ein­er der Gründe ist, dass es den meis­ten Geschäfts­führern an Exper­tise fehlt, um Maß­nah­men zu entwick­eln und umzuset­zen, die ein­er psy­chis­chen Schwächung oder gar Erkrankung ihrer Mitar­beit­er ent­ge­gen­wirken können.

Viele Entschei­der nehmen dieses The­ma aber auch gar nicht wahr. Und wenn es wahrgenom­men wird, scheit­ert eine Umset­zung häu­fig an der Angst, etwas loszutreten, das mit Forderun­gen und Kosten ein­herge­ht. Oder auch mit Verän­derun­gen, beson­ders im Bere­ich der Kom­mu­nika­tion, des Miteinanders.

Beson­ders die kleinen und mit­tleren Unternehmen (KMU) brauchen attrak­tive Gesund­heit­skonzepte, um neue Mitar­beit­er anwer­ben zu kön­nen und vor allem auch die beste­hen­den Mitar­beit­er weit­er­hin gesund und motiviert am Unternehmen zu binden. Nur ein guter Lohn spielt beson­ders bei der jun­gen Gen­er­a­tion wie X, Y und Z keine Rolle mehr. Den meis­ten in dieser Gen­er­a­tion geht es darum, ein gutes Betrieb­skli­ma vorzufind­en, eine zukun­ft­sori­en­tierte Führung zu haben sowie flex­i­ble Arbeit­szeit­en nutzen zu kön­nen. Auch das Bewusst­sein für den Kör­p­er, die Seele und die eigene Gesund­heit ist dieser Gen­er­a­tion wichtiger als vor eini­gen Jahren.

Das sind Punk­te, auf die Arbeit­ge­ber reagieren müssen. Tun sie es nicht, wer­den sie das junge, wertvolle Poten­tial in ihrem Unternehmen nicht hal­ten sowie keine neuen Mitar­beit­er gewin­nen kön­nen. Da ver­ste­ht es sich von selb­st, dass Anreize für Unternehmen geschaf­fen wer­den müssen, damit Maß­nah­men ergrif­f­en wer­den. Eine Prob­le­m­analyse ist dabei unab­d­ing­bar, um die psy­chis­che Gesund­heit in der Arbeitswelt zukün­ftig bess­er zu schützen und zu stärken.

Wo liegt der Haken?

Wie schon erwäh­nt tun sich Geschäfts­führer oft schw­er mit dem The­ma „psy­chis­che Gesund­heit“. Meis­tens ist dabei eine starre Unternehmen­skul­tur das Prob­lem, sie ist wie eine Mauer, so dass erfol­gre­iche Maß­nah­men nicht greifen kön­nen, weil diese qua­si gegen eine Wand laufen. Viele Experten sehen das Prob­lem auch darin, dass Unternehmen nicht mehr in Top-Down-Prozesse ver­trauen soll­ten, son­dern in Prozesse, in die alle Beteiligten im Unternehmen ein­be­zo­gen wer­den. Denn das Wis­sen ist nicht mehr in der Spitze des Unternehmens konzen­tri­ert, son­dern das Wis­sen ist in vie­len Köpfen im Unternehmen ver­lagert und nicht nur auf die Führungsebene beschränkt.

Ein wesentlich­er Grund ist auch die Kul­tur eines Unternehmens, eine agile Unternehmen­skul­tur ist bess­er darauf vor­bere­it­et, sich der Frage nach der „psy­chis­chen Gesund­heit“ ihrer Mitar­bei­t­en­den zu stellen als kon­ser­v­a­tive und tra­di­tions­be­wusste Fir­men. Außer­dem sind viele Unternehmen oft verun­sichert, welche Präven­tion­sstrate­gien für eine gesunde Arbeit sin­nvoll und prak­tik­a­bel sind.

Für Dr. Julia Schröder, Abteilungslei­t­erin der Gesund­heits­förderung bei der BKK, ist eine Erken­nt­nis sehr maßgebend: „Hier geht mir ein Satz durch den Kopf, der aufzeigt, was bei diesem The­ma nicht funk­tion­iert. Dieser lautet: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Damit meine ich, dass, wenn eine Fir­ma ehrlich ist und sagt, ´wir wollen uns mit dem The­ma psy­chis­che Gesund­heit beschäfti­gen´, dann muss sie auch ´Ja´ sagen kön­nen zu tief­greifend­en Prozessen. Das ist auch eine Frage nach dem Reife­grad eines Unternehmens, der soge­nan­nte Präven­tion­sreife­grad, Unternehmen müssen im Kopf langsam dahin kom­men, dass die psy­chis­che Gesund­heit ihrer Mitar­beit­er langfristig nur ein Gewinn sein kann“.

Auch außer­halb eines Unternehmens muss eine Zusam­me­nar­beit aller über­be­trieblichen Akteure sichergestellt sein, damit eine Durch­dringung dieser The­matik stat­tfind­en kann. Es ist wichtig, dass alle Akteure mit dem gle­ichen Word­ing auf die Betriebe zuge­hen. Das überzeugt mehr. Denn eine neue Strate­gie ist hier wichtig, um die Bün­delung aller über­be­trieblichen Akteure voranzutreiben. Doch muss man sich auch fra­gen, wie über­haupt der Aspekt der Gesund­heit in manchen Unternehmen behan­delt wird. Hier ist im Vor­feld eine Studie rel­e­vant, die von der Unternehmens­ber­a­terin Kris­tine Dahlhaus von Great Place to Work durchge­führt wurde. „Ergeb­nis der Studie ist, dass wir unter dem Label Gesund­heit über unter­schiedliche Dinge sprechen. Wir haben zwei unter­schiedliche Bilder von Gesund­heit gefun­den. Ein­mal Gesund­heit im Sinne von Leis­tungskraft und ein­mal im Sinne von Lebendigkeit. Je nach­dem, welch­es Bild im Vorder­grund ste­ht, han­delt ein Unternehmen auf ver­schiedene Weise “, so Dahlhaus.

Das The­ma der Studie ist in dem Sinne von Bedeu­tung, dass sie die große Diskrepanz beim Ver­ständ­nis von Gesund­heit in Unternehmen aufzeigt. Diese Diskrepanz sehen auch viele Beteiligte des BGMs, denn auf dem Feld des betrieblichen Gesund­heits­man­age­ments und speziell im Bere­ich der betrieblichen Gesund­heits­förderung herrscht zwar große Aktiv­ität und es gibt hier auch einen starken Imper­a­tiv, „man muss da etwas tun“ sowie ein Pro­fil­ierungsstreben, „etwas Beson­deres zu machen“. Die Ergeb­nisse aus der Prax­is zeigen aber ein anderes Bild.

So ist nur der gute Wille von Per­son­al-und Geschäfts­führung sicher­lich nicht aus­re­ichend. Eine grundle­gende Ursache ist, dass die Gesund­heit­sak­tiv­itäten der Unternehmen zwar von Mitar­bei­t­en­den wohlwol­lend zur Ken­nt­nis genom­men wer­den, häu­fig aber kaum genutzt wer­den. Warum ist das so? Kris­tine Dahlhaus erk­lärt das anhand ihrer Studie so: „Mitar­bei­t­ende nehmen die Bemühun­gen der Unternehmen als Ausweis der Für­sorge gerne auf und nutzen, was ihnen dien­lich erscheint. Wenn sie sich allerd­ings auss­chließlich als Ressource adressiert sehen, wit­tern sie den Ver­such der Bemäch­ti­gung und entwick­eln alle bewussten und unbe­wussten For­men der Abwehr“.

Mensch und Strategie im Fokus

Ein Blick­winkel, der hier auch ins Spiel kommt, ist die Frage, ob es noch mehr Mar­ket­ing­maß­nah­men bedarf, um dieser The­matik gerecht zu wer­den. Markus Bär, Klinikleit­er bei der Schön Klinik Bad Bram­st­edt hat hierzu eine ganz klare Posi­tion: „Ich glaube nicht, dass man noch mehr Mar­ket­ing braucht. Wir arbeit­en uns zu sehr ab an, „wir wollen grif­fige Begrif­flichkeit­en, wir wollen noch ein Logo, ein Konzept“. Ich glaube, dass da zu viel Energie in diese Dinge geht. Wir soll­ten ein­fach diese Dinge machen, ein­fach nieder­schwellig anfan­gen zu machen. Die beste Mar­ket­ing­maß­nahme ist, wenn man es macht und es funk­tion­iert. Es geht nicht um die Steigerung der Leis­tungs­fähigkeit, son­dern auch um den Erhalt der Gesund­heit und da ist es ein Ans­porn für den Mitar­beit­er selb­st, daran teilzunehmen“.

An diesem Punkt kommt auch der Aspekt der Gefährdungs­beurteilung hinzu, sie ist für die Unternehmen ein geset­zlich­es Muss. Den­noch nehmen viele Unternehmen sie nicht ernst genug und müssen dann mit einem Ord­nungs­geld rech­nen oder machen sich im Schadens­fall sog­ar straf­bar. Der Geset­zge­ber gibt hier einen bre­it­en Spiel­raum zur Umset­zung vor. Wie aber genau die Gefährdungs­beurteilung durchzuführen ist, ist nicht detail­liert fest­geschrieben, es wer­den nur Grund­sätze benan­nt. Das heißt, es gibt keinen „richti­gen“ Weg für die Durch­führung ein­er Gefährdungs­beurteilung. Ver­schiede Vorge­hensweisen sind dem­nach möglich. Das wirft die Frage auf, ob es für Unternehmen alleine mit ein­er Gefährdungs­beurteilung getan ist, um für eine gute Gesund­heit am Arbeit­splatz zu sor­gen? Wenn man sich die Prax­is anschaut, haben ger­ade kleine und mit­tlere Unternehmen noch immer Schwierigkeit­en bei der Umset­zung. Dieser Fak­tor hängt für Markus Bär mit einem anderen Aspekt zusam­men: „Hier ist es auch wichtig nicht nur zu sagen, wir wollen dass jedes Unternehmen eine Gefährdungs­beurteilung macht, son­dern wir wollen erre­ichen, dass die Mitar­beit­er gesün­der sind“.

Wenn man sich den Aspekt des verpflich­t­en­den Arbeitss­chutzes genauer ansieht, ist vor allem wichtig, die richti­gen Ansprech­part­ner im Unternehmen zu haben. Es müssen die passenden Fachkräfte für Arbeitssicher­heit gefun­den und richtig geschult wer­den. Ein Unternehmen kann die Chance nutzen, eine Koop­er­a­tion mit ein­er Fir­ma über den Zugang „Arbeitss­chutz“ einzuge­hen. Somit ist auch der wichtige Aspekt der „Nach­haltigkeit“ gelöst. Denn Nach­haltigkeit kann nur im Inter­esse des Arbeitss­chutzes sein, und dieses kann dann durch das sys­tem­a­tis­che Vorge­hen der Fachkraft für Arbeitssicher­heit gewährleis­tet wer­den. Abschießend ist zu sagen, dass das BGM auf dem Prinzip der Ganzheitlichkeit beruht. Das heißt, dass das Betriebliche Gesund­heits­man­age­ment nicht am Ver­hal­ten eines Mitar­beit­ers anset­zt, um die Leis­tungs­fähigkeit und Gesund­heit zu erhöhen, son­dern an der expliziten Arbeitssituation.

Das bedeutet, es kommt hier auch zu ein­er Verän­derung der Sit­u­a­tion am Arbeit­splatz, das heißt dem Arbeitsver­hält­nis, in dem Mitar­beit­er tätig sind. Es ist nicht zu überse­hen, dass in diesem Zusam­men­hang Stu­di­en belegt haben, dass es einen Zusam­men­hang zwis­chen den Arbeits­be­din­gun­gen und der Belegschaft gibt. Schlechte Arbeits­be­din­gun­gen wirken sich neg­a­tiv auf die psy­chis­che und physis­che Gesund­heit eines Mitar­beit­ers aus. Daher muss BGM darauf abzie­len, die Arbeits­be­din­gun­gen in einem Unternehmen so zu gestal­ten, dass mit der näch­sten Stufe eine Betriebliche Gesund­heits­förderung bei den Mitar­beit­ern ermöglicht wer­den kann.

Daher ist es für ein erfol­gre­ich­es und nach­haltiges BGM unab­d­ing­bar, dass sich die Unternehmungen im Betrieb nicht nur auf Einze­lak­tio­nen beschränken, das heißt, diese isoliert in das Unternehmen hineinge­tra­gen wer­den, son­dern als Gesamt­strate­gie begrif­f­en wer­den. Hier ist es wichtig, dass diese Maß­nah­men in die vorhan­de­nen Prozesse einge­bun­den wer­den. Das heißt jedoch nicht, dass Unternehmen damit ein kom­pliziertes und aus­giebiges Man­age­mentsys­tem auf die Beine stellen müssen. Wichtig ist aber zu wis­sen, in welche Rich­tung das Ganze gehen soll. Die Gegeben­heit­en im Unternehmen soll­ten hier genutzt wer­den und die Bedürfnisse der Mitar­beit­er nicht außer Acht gelassen wer­den – ein Schreiner­be­trieb mit fünf Mitar­beit­ern ist etwas anderes als ein Auto­mo­bilzulief­er­er mit 5.555 Mitarbeitern.

Auch hängt eine erfol­gre­iche Umset­zung davon ab, erre­ich­bare Ziele zu for­mulieren und davon abzuse­hen, alles auf ein­mal bear­beit­en zu wollen. Viele Baustellen gle­ichzeit­ig kön­nen zu Ver­wirrung und Chaos führen. Daher ist es wichtig, das The­ma BGM Schritt für Schritt und alle Punk­te sys­tem­a­tisch nacheinan­der anzuge­hen. Somit kann eine Über­forderung ver­mieden wer­den und im Nach­gang dabei helfen, die per­son­ellen und finanziellen Ressourcen pro­duk­tiv einzusetzen.


Autorin:

Dalia El Gowhary

Freie Jour­nal­is­ten, Köln

Foto: privat

Dr. Julia Schröder, BKK

„Hier geht mir ein Satz durch den Kopf, der aufzeigt, was bei diesem The­ma nicht funk­tion­iert. Dieser lautet: Wasch mich, aber mach mich nicht nass.“


Markus Bär, Schön Klinik

„Die beste Mar­ket­ing­maß­nahme ist, wenn man es macht und es funktioniert“

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