Eine gesunde Belegschaft ist für ein Unternehmen ein sehr wichtiger Faktor, denn es ist nicht zu übersehen, dass gesunde, motivierte und leistungsfähige Mitarbeiter das Potential eines Unternehmens sind. Ist dieses Potential bedroht, läuft das Unternehmen Gefahr, nicht mehr produktiv zu sein.
Mit 109 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen steht die psychische Erkrankung auf Platz zwei hinter Muskel- und Skeletterkrankungen. Oft ist sie die Ursache für eine Frühverrentung. Die Menschen, die es betrifft sind jung, im Durchschnitt 48 Jahre alt. Für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bietet sich hier ein großer Handlungsauftrag. Das Thema „Gesundheit am Arbeitsplatz“ muss daher immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dem Thema angenommen hat sich unter anderem die Initiative Neue Qualität der Arbeit, sie hat das Projekt „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – psyGA“ in die Wege geleitet, wo Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter sich über diese wichtige Thematik informieren können.
Denn bis heute ist es für viele Betriebe leider nicht selbstverständlich auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu achten. Einer der Gründe ist, dass es den meisten Geschäftsführern an Expertise fehlt, um Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die einer psychischen Schwächung oder gar Erkrankung ihrer Mitarbeiter entgegenwirken können.
Viele Entscheider nehmen dieses Thema aber auch gar nicht wahr. Und wenn es wahrgenommen wird, scheitert eine Umsetzung häufig an der Angst, etwas loszutreten, das mit Forderungen und Kosten einhergeht. Oder auch mit Veränderungen, besonders im Bereich der Kommunikation, des Miteinanders.
Besonders die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) brauchen attraktive Gesundheitskonzepte, um neue Mitarbeiter anwerben zu können und vor allem auch die bestehenden Mitarbeiter weiterhin gesund und motiviert am Unternehmen zu binden. Nur ein guter Lohn spielt besonders bei der jungen Generation wie X, Y und Z keine Rolle mehr. Den meisten in dieser Generation geht es darum, ein gutes Betriebsklima vorzufinden, eine zukunftsorientierte Führung zu haben sowie flexible Arbeitszeiten nutzen zu können. Auch das Bewusstsein für den Körper, die Seele und die eigene Gesundheit ist dieser Generation wichtiger als vor einigen Jahren.
Das sind Punkte, auf die Arbeitgeber reagieren müssen. Tun sie es nicht, werden sie das junge, wertvolle Potential in ihrem Unternehmen nicht halten sowie keine neuen Mitarbeiter gewinnen können. Da versteht es sich von selbst, dass Anreize für Unternehmen geschaffen werden müssen, damit Maßnahmen ergriffen werden. Eine Problemanalyse ist dabei unabdingbar, um die psychische Gesundheit in der Arbeitswelt zukünftig besser zu schützen und zu stärken.
Wo liegt der Haken?
Wie schon erwähnt tun sich Geschäftsführer oft schwer mit dem Thema „psychische Gesundheit“. Meistens ist dabei eine starre Unternehmenskultur das Problem, sie ist wie eine Mauer, so dass erfolgreiche Maßnahmen nicht greifen können, weil diese quasi gegen eine Wand laufen. Viele Experten sehen das Problem auch darin, dass Unternehmen nicht mehr in Top-Down-Prozesse vertrauen sollten, sondern in Prozesse, in die alle Beteiligten im Unternehmen einbezogen werden. Denn das Wissen ist nicht mehr in der Spitze des Unternehmens konzentriert, sondern das Wissen ist in vielen Köpfen im Unternehmen verlagert und nicht nur auf die Führungsebene beschränkt.
Ein wesentlicher Grund ist auch die Kultur eines Unternehmens, eine agile Unternehmenskultur ist besser darauf vorbereitet, sich der Frage nach der „psychischen Gesundheit“ ihrer Mitarbeitenden zu stellen als konservative und traditionsbewusste Firmen. Außerdem sind viele Unternehmen oft verunsichert, welche Präventionsstrategien für eine gesunde Arbeit sinnvoll und praktikabel sind.
Für Dr. Julia Schröder, Abteilungsleiterin der Gesundheitsförderung bei der BKK, ist eine Erkenntnis sehr maßgebend: „Hier geht mir ein Satz durch den Kopf, der aufzeigt, was bei diesem Thema nicht funktioniert. Dieser lautet: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Damit meine ich, dass, wenn eine Firma ehrlich ist und sagt, ´wir wollen uns mit dem Thema psychische Gesundheit beschäftigen´, dann muss sie auch ´Ja´ sagen können zu tiefgreifenden Prozessen. Das ist auch eine Frage nach dem Reifegrad eines Unternehmens, der sogenannte Präventionsreifegrad, Unternehmen müssen im Kopf langsam dahin kommen, dass die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter langfristig nur ein Gewinn sein kann“.
Auch außerhalb eines Unternehmens muss eine Zusammenarbeit aller überbetrieblichen Akteure sichergestellt sein, damit eine Durchdringung dieser Thematik stattfinden kann. Es ist wichtig, dass alle Akteure mit dem gleichen Wording auf die Betriebe zugehen. Das überzeugt mehr. Denn eine neue Strategie ist hier wichtig, um die Bündelung aller überbetrieblichen Akteure voranzutreiben. Doch muss man sich auch fragen, wie überhaupt der Aspekt der Gesundheit in manchen Unternehmen behandelt wird. Hier ist im Vorfeld eine Studie relevant, die von der Unternehmensberaterin Kristine Dahlhaus von Great Place to Work durchgeführt wurde. „Ergebnis der Studie ist, dass wir unter dem Label Gesundheit über unterschiedliche Dinge sprechen. Wir haben zwei unterschiedliche Bilder von Gesundheit gefunden. Einmal Gesundheit im Sinne von Leistungskraft und einmal im Sinne von Lebendigkeit. Je nachdem, welches Bild im Vordergrund steht, handelt ein Unternehmen auf verschiedene Weise “, so Dahlhaus.
Das Thema der Studie ist in dem Sinne von Bedeutung, dass sie die große Diskrepanz beim Verständnis von Gesundheit in Unternehmen aufzeigt. Diese Diskrepanz sehen auch viele Beteiligte des BGMs, denn auf dem Feld des betrieblichen Gesundheitsmanagements und speziell im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung herrscht zwar große Aktivität und es gibt hier auch einen starken Imperativ, „man muss da etwas tun“ sowie ein Profilierungsstreben, „etwas Besonderes zu machen“. Die Ergebnisse aus der Praxis zeigen aber ein anderes Bild.
So ist nur der gute Wille von Personal-und Geschäftsführung sicherlich nicht ausreichend. Eine grundlegende Ursache ist, dass die Gesundheitsaktivitäten der Unternehmen zwar von Mitarbeitenden wohlwollend zur Kenntnis genommen werden, häufig aber kaum genutzt werden. Warum ist das so? Kristine Dahlhaus erklärt das anhand ihrer Studie so: „Mitarbeitende nehmen die Bemühungen der Unternehmen als Ausweis der Fürsorge gerne auf und nutzen, was ihnen dienlich erscheint. Wenn sie sich allerdings ausschließlich als Ressource adressiert sehen, wittern sie den Versuch der Bemächtigung und entwickeln alle bewussten und unbewussten Formen der Abwehr“.
Mensch und Strategie im Fokus
Ein Blickwinkel, der hier auch ins Spiel kommt, ist die Frage, ob es noch mehr Marketingmaßnahmen bedarf, um dieser Thematik gerecht zu werden. Markus Bär, Klinikleiter bei der Schön Klinik Bad Bramstedt hat hierzu eine ganz klare Position: „Ich glaube nicht, dass man noch mehr Marketing braucht. Wir arbeiten uns zu sehr ab an, „wir wollen griffige Begrifflichkeiten, wir wollen noch ein Logo, ein Konzept“. Ich glaube, dass da zu viel Energie in diese Dinge geht. Wir sollten einfach diese Dinge machen, einfach niederschwellig anfangen zu machen. Die beste Marketingmaßnahme ist, wenn man es macht und es funktioniert. Es geht nicht um die Steigerung der Leistungsfähigkeit, sondern auch um den Erhalt der Gesundheit und da ist es ein Ansporn für den Mitarbeiter selbst, daran teilzunehmen“.
An diesem Punkt kommt auch der Aspekt der Gefährdungsbeurteilung hinzu, sie ist für die Unternehmen ein gesetzliches Muss. Dennoch nehmen viele Unternehmen sie nicht ernst genug und müssen dann mit einem Ordnungsgeld rechnen oder machen sich im Schadensfall sogar strafbar. Der Gesetzgeber gibt hier einen breiten Spielraum zur Umsetzung vor. Wie aber genau die Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist, ist nicht detailliert festgeschrieben, es werden nur Grundsätze benannt. Das heißt, es gibt keinen „richtigen“ Weg für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Verschiede Vorgehensweisen sind demnach möglich. Das wirft die Frage auf, ob es für Unternehmen alleine mit einer Gefährdungsbeurteilung getan ist, um für eine gute Gesundheit am Arbeitsplatz zu sorgen? Wenn man sich die Praxis anschaut, haben gerade kleine und mittlere Unternehmen noch immer Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Dieser Faktor hängt für Markus Bär mit einem anderen Aspekt zusammen: „Hier ist es auch wichtig nicht nur zu sagen, wir wollen dass jedes Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung macht, sondern wir wollen erreichen, dass die Mitarbeiter gesünder sind“.
Wenn man sich den Aspekt des verpflichtenden Arbeitsschutzes genauer ansieht, ist vor allem wichtig, die richtigen Ansprechpartner im Unternehmen zu haben. Es müssen die passenden Fachkräfte für Arbeitssicherheit gefunden und richtig geschult werden. Ein Unternehmen kann die Chance nutzen, eine Kooperation mit einer Firma über den Zugang „Arbeitsschutz“ einzugehen. Somit ist auch der wichtige Aspekt der „Nachhaltigkeit“ gelöst. Denn Nachhaltigkeit kann nur im Interesse des Arbeitsschutzes sein, und dieses kann dann durch das systematische Vorgehen der Fachkraft für Arbeitssicherheit gewährleistet werden. Abschießend ist zu sagen, dass das BGM auf dem Prinzip der Ganzheitlichkeit beruht. Das heißt, dass das Betriebliche Gesundheitsmanagement nicht am Verhalten eines Mitarbeiters ansetzt, um die Leistungsfähigkeit und Gesundheit zu erhöhen, sondern an der expliziten Arbeitssituation.
Das bedeutet, es kommt hier auch zu einer Veränderung der Situation am Arbeitsplatz, das heißt dem Arbeitsverhältnis, in dem Mitarbeiter tätig sind. Es ist nicht zu übersehen, dass in diesem Zusammenhang Studien belegt haben, dass es einen Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen und der Belegschaft gibt. Schlechte Arbeitsbedingungen wirken sich negativ auf die psychische und physische Gesundheit eines Mitarbeiters aus. Daher muss BGM darauf abzielen, die Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen so zu gestalten, dass mit der nächsten Stufe eine Betriebliche Gesundheitsförderung bei den Mitarbeitern ermöglicht werden kann.
Daher ist es für ein erfolgreiches und nachhaltiges BGM unabdingbar, dass sich die Unternehmungen im Betrieb nicht nur auf Einzelaktionen beschränken, das heißt, diese isoliert in das Unternehmen hineingetragen werden, sondern als Gesamtstrategie begriffen werden. Hier ist es wichtig, dass diese Maßnahmen in die vorhandenen Prozesse eingebunden werden. Das heißt jedoch nicht, dass Unternehmen damit ein kompliziertes und ausgiebiges Managementsystem auf die Beine stellen müssen. Wichtig ist aber zu wissen, in welche Richtung das Ganze gehen soll. Die Gegebenheiten im Unternehmen sollten hier genutzt werden und die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht außer Acht gelassen werden – ein Schreinerbetrieb mit fünf Mitarbeitern ist etwas anderes als ein Automobilzulieferer mit 5.555 Mitarbeitern.
Auch hängt eine erfolgreiche Umsetzung davon ab, erreichbare Ziele zu formulieren und davon abzusehen, alles auf einmal bearbeiten zu wollen. Viele Baustellen gleichzeitig können zu Verwirrung und Chaos führen. Daher ist es wichtig, das Thema BGM Schritt für Schritt und alle Punkte systematisch nacheinander anzugehen. Somit kann eine Überforderung vermieden werden und im Nachgang dabei helfen, die personellen und finanziellen Ressourcen produktiv einzusetzen.
„Hier geht mir ein Satz durch den Kopf, der aufzeigt, was bei diesem Thema nicht funktioniert. Dieser lautet: Wasch mich, aber mach mich nicht nass.“
„Die beste Marketingmaßnahme ist, wenn man es macht und es funktioniert“