Herr Tintrup, bevor wir uns an die Kostenfrage begeben: Woher weiß ich als Träger, ob ich orthopädische Einlagen benötige?
Sobald ich in meinem Schuh Schmerzen verspüre, sollte ich unmittelbar einen Orthopäden aufsuchen. Eine Alternative sind orthopädische Vermessungen, die Fußschutzhersteller ihren Kunden anbieten. Ich besuche für Elten beispielsweise regelmäßig Betriebe und vermesse die Füße der Beschäftigten mit einem speziellen Scanner. Anhand der Bilder kann ich erkennen, ob Fehlstellungen oder andere Probleme vorliegen. In dem Fall berate ich die Mitarbeiter und empfehle ihnen entsprechende Maßnahmen. Oftmals können orthopädische Einlagen Fehlstellungen entgegenwirken, in manchen Fällen muss der Schuh von einem Orthopädie-Schuhmacher zugerichtet werden – etwa mit Abrollhilfen oder Erhöhungen. Den Bedarf festzustellen ist letztlich ärztliche Aufgabe – sei es der Betriebsarzt, Orthopäde oder Hausarzt.
Und wer zahlt im Fall, dass eine orthopädische Anpassung benötigt wird? Der Arbeitnehmer selbst?
Nein. Für orthopädische Zurichtungen und Einlagen gilt generell, dass Krankenkassen die Kosten dafür nur bei Privat‑, nicht aber bei Sicherheitsschuhen übernehmen. Hier tritt die gesetzliche Unfallversicherung ein, sofern eine Fußschädigung die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist. Hat der Träger mindestens 15 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt, zahlt die Rentenversicherung. Andernfalls kommt die Arbeitsagentur in der Regel für die Kosten auf (Anm. d. Red.: siehe Kasten Seite 37). Inzwischen beteiligen sich aber auch viele Unternehmen, in Absprache mit dem Sicherheitsbeauftragten, selbst an den Kosten. Aus gutem Grund. Denn Arbeitgeber möchten den Krankheitsausfall ihrer Mitarbeiter minimieren, da dieser besonders für kleinere Betriebe wirtschaftliche Verluste zur Folge haben kann. Die Übernahme der Kosten für einen orthopädisch veränderten Schuh ist für einen Arbeitgeber somit günstiger als der Ausfall eines Angestellten für einen längeren Zeitraum aufgrund verletzter Füße.
An wen muss sich ein Arbeiter wenden, und was muss er beachten?
Die Ansprechpartner variieren je nach Unternehmen. In manchen Betrieben läuft die Abwicklung über den Betriebsarzt, in manchen über das Gesundheitsmanagement oder den Einkauf. Für den Fall, dass die Rentenversicherung die Kosten für den orthopädischen Fußschutz übernimmt, werden einige Formulare benötigt. Dazu zählt etwa der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe für Versicherte, kurz G0100. Neben diesem Rehabilitationsantrag sind auch die Anlage zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, kurz Berufliche Rehabilitation G0130, und daraus resultierende Folgeanträge erforderlich. Zudem sind ein Kostenvoranschlag vom Orthopädie-Schuhmacher, ein ärztliches Attest und ein Befundbericht des Facharztes sowie eine Notwendigkeitsbestätigung vom Arbeitgeber nötig. Darin wird festgehalten, welche Sicherheitsklasse und Schuhart benötigt wird – sei es ein Halbschuh, ein Stiefel oder eine Sandale.
Gibt es Regeln, die bei orthopädischen Anpassungen beachtet werden müssen?
Die orthopädische Zurichtung von Sicherheits- und Berufsschuhen ist aus versicherungstechnischer Sicht fest geregelt: 2007 wurde die Berufsgenossenschaftliche Regel (BGR) 191 geändert und schreibt seitdem verbindlich vor, wann der Fußschutz auch nach einer orthopädischen Zurichtung im Arbeitsalltag weitergetragen werden darf. Kern der geänderten BGR 191, die seit 2014 DGUV-Regel 112– 191 heißt: Für jeden orthopädischen Fußschutz muss eine Baumusterprüfungsbescheinigung vorliegen.
Zur Umsetzung muss der Schuhhersteller eine Fertigungsanweisung konzipieren und im Anschluss für das Baumusterprüfverfahren Prototypen des orthopädischen Fußschutzes fertigen – ein zeit- und kostenaufwendiges Verfahren, denn das Schuhmodell wird nun nicht mehr nur in der regulären Version einer Baumusterprüfung unterzogen. Auch wird es jeweils gesondert mit unterschiedlichen orthopädischen Zurichtungen geprüft. So wird zum Beispiel das Modell schrittweise mit verschiedenen abgestuften Schuherhöhungen im Ballenbereich, mit eingearbeiteten Abrollhilfen sowie mit diversen Innen- und Außenranderhöhungen kontrolliert. Aus Perspektive der Prüfnorm handelt es sich dabei jedes Mal um ein anderes Produkt, das vorgelegt wird und überprüft werden muss, ob es weiterhin den Sicherheitsanforderungen der einschlägigen Norm EN ISO 20345 gemäß Zertifikat entspricht.
Und mit einer solchen Fertigungsanweisung können die Sicherheitsschuhe dann anpasst werden?
Genau. Sie ermöglicht die sachgemäße Umarbeitung der Schuhmodelle durch externe Orthopädie-Schuhtechniker. Bei Elten beispielsweise ist ein Großteil der mehr als 300 Sicherheitsschuhmodelle für eine orthopädische Zurichtung zugelassen. Insgesamt gilt: je kleinschrittiger das Zertifizierungsverfahren, desto größer später das Angebot an möglichen Zurichtungsvarianten. Und das ist gut für die stets sehr individuellen Fußprobleme der Träger.
Dürfen private Einlagen in Sicherheitsschuhen verwendet werden?
Nein, private Einlagen sind nicht erlaubt. Denn laut DGUV-Regel 112–191 verliert der Fußschutz seine Zertifizierung, wenn er nicht sachgemäß verändert wird. Mit dem Verlust der Zertifizierung erlischt auch der gesetzliche Unfallversicherungsschutz. Wer also in seinen Freizeitschuhen Einlagen trägt und diese einfach gegen die Standardeinlagen in seinen Sicherheitsschuhen austauscht, muss mit bösen Folgen rechnen. Denn möglicherweise verkleinert sich durch die nicht zertifizierte Einlage der Freiraum unter der Zehenschutzkappe oder der Sicherheitsschuh verliert seine antistatischen Eigenschaften. Bei einem Unfall kann es dann trotz Fußschutz zu Verletzungen kommen – und die Versicherung zahlt nicht.
Wer trägt in welchem Fall die Kosten für den orthopädischen Fußschutz?
- Gesetzliche Unfallversicherungsträger, zum Beispiel Gewerbliche Berufsgenossenschaften: Fußschädigung als Folge eines Arbeits- oder Wegeunfalls oder einer Berufskrankheit
- Gesetzliche Rentenversicherung: Erwerbstätigkeit ist wegen körperlicher Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert und kann durch die Rehabilitationsleistung erhalten werden; Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit kann abgewendet werden
- Bundesagentur für Arbeit: angeborene oder erworbene Fußbehinderung
- Träger der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben: Anerkennung als Schwerbehinderter; angeborene oder erworbene Fußbehinderung
- Träger der Sozialhilfe: nicht nur vorübergehende Fußbehinderung,
angeboren oder erworben - Träger der Kriegsopferversorgung und ‑fürsorge: Fußschädigung durch militärische oder militärähnliche Dienstverrichtungen, durch Kriegseinwirkung oder durch Ausübung des Wehr- oder Zivildienstes