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„Wenn der Kollege mich plötzlich fürs Helmtragen lobt …“

Globales BBS-Programm für mehr sicherheitsgerechtes Verhalten im Team
„Wenn der Kollege mich plötzlich fürs Helmtragen lobt …“

„Wenn der Kollege mich plötzlich fürs Helmtragen lobt …“
Das Headquarter der Bayer AG in Leverkusen Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Bayer AG
Schon zu einem sehr frühen Zeit­punkt in der Unternehmensgeschichte spielte auch das The­ma „Arbeitssicher­heit“ eine wesentliche Rolle in der Bay­er AG. Meilen­steine waren unter anderem die erste Unfall­sta­tis­tik (1930), die erste com­put­ergestützte Daten­samm­lung über Unfall­ereignisse auf Lochkarten (1964) oder der erste Sicher­heitswet­tbe­werb für Mitar­beit­er (1975). Heute set­zt der Konz­ern auf Behav­ioral Safe­ty – was hat es damit auf sich?

Die Arbeitssicher­heit bei Bay­er lässt sich drei Epochen zuord­nen: Zu Beginn war der Fokus inner­halb der ersten Dekaden auss­chließlich reak­tiv und konzen­tri­erte sich auf das tech­nis­che Sys­tem. Hier ging es um die richti­gen Werkzeuge und Maschi­nen, mit denen nicht nur effizient, son­dern auch sich­er gear­beit­et wer­den kon­nte. In den 1970er und 80er Jahren wur­den neben der Opti­mierung des tech­nis­chen Sys­tems immer mehr auch organ­i­sa­tionale Schw­er­punk­te geset­zt: Sicher­heits­man­age­mentsys­teme, Human­isierung der Schichtar­beit, Arbeit­szeit­gestal­tung und auch schon erste Schritte in Rich­tung sicher­heit­sori­en­tierte Führung. Die dritte Epoche brach im Jahr 2014 an: Die Ereigniszahlen (Record­able Inci­dent Rate, RIR) hat­ten sich seit eini­gen Jahren auf einem guten Niveau sta­bil­isiert und man gelangte zu dem Schluss, dass die Verbesserungspoten­ziale im tech­nis­chen und organ­i­sa­tionalen Sys­tem aus­geschöpft waren. Das Bay­er Safe­ty Coun­cil beschloss im Jahr 2014, Behav­ioral Safe­ty als dritte Säule neben Tech­nik und Organ­i­sa­tion aufzubauen, das Konzept zu pilotieren und anschließend glob­al auszurollen.

„Sicher im Team“ – Vorgehen und Erfahrungen

Struk­tur

Von 2014 bis 2016 wurde das Pro­gramm „Sich­er im Team“ (SiT) geplant und vor­bere­it­et: Konzept­pla­nung, Pilotierung in repräsen­ta­tiv­en Sub­grup­pen mit cir­ca 100 aus­ge­bilde­ten inter­nen Train­ern und 1.700 involvierten Mitar­beit­ern, Konzep­tan­pas­sung und Vor­bere­itung des Roll-outs. Von 2017 bis 2019 fand der glob­ale Roll-out statt. Mit dem Ende der Imple­men­tierung plant man ab 2020 aus dem „Pro­jekt SiT“ einen fes­ten Bestandteil der Präven­tion­sar­beit bei Bay­er zu machen. Die hier­für notwendi­gen Kon­so­li­dierungsstrate­gien wer­den aktuell vor­bere­it­et. Die Frage nach den Zusam­men­hän­gen zwis­chen SiT und objek­tiv­en Kenn­zahlen wie RIR und sub­jek­tiv­en Kenn­zahlen wie Ein­stel­lungs- und Ver­hal­tenspa­ra­me­ter wer­den in einem beglei­t­en­den Eval­u­a­tion­spro­jekt mit­be­tra­chtet (vgl. Uhle & Treier, 2019).

Die Pro­jek­t­s­teuerung erfol­gt zen­tral, die Oper­a­tional­isierung vor Ort dezen­tral: In einem quar­tal­sweise tagen­den Steer­ing Com­mit­tee wer­den die strate­gis­che und inhaltliche Rich­tung nachver­fol­gt und gegebe­nen­falls korrigiert.

Inhalte

Der gewählte SiT-Ansatz entspricht einem sys­tem­a­tis­chen Vorge­hen. In fünf Schrit­ten wird SiT an jedem Stan­dort eingeführt:

  1. Safe­ty Cul­ture Assess­ment: Zu Beginn wird die vorhan­dene Präven­tion­skul­tur am Stan­dort über Assess­ments erfasst und bew­ertet. Method­isch kom­men hier Inter­views, Bege­hun­gen und Audits zum Ein­satz. Die Bew­er­tung find­et über elf Dimen­sio­nen statt – unter anderem Führungskul­tur, Ver­trauen­skul­tur oder die Erhe­bung proak­tiv­er Indika­toren. Das Bew­er­tungsergeb­nis der Präven­tion­skul­tur kann „in den Anfän­gen“, „in der Entwick­lung“ oder „voll aus­gereift“ laut­en, was entwed­er einen sofor­ti­gen Pro­gramm­start bedeutet oder erst die Erledi­gung einiger Auf­gaben zuvor verlangt.
  2. Design Work­shop: Der Stan­dortleitung, lokalen HSE-Akteuren und Arbeit­ge­ber- und Arbeit­nehmervertretern wer­den die Assess­mentergeb­nisse präsen­tiert und das weit­ere Vorge­hen wird gemein­sam disku­tiert und festgelegt.
  3. Qual­i­fizierung­spro­gramm: Für unter­schiedliche Ziel­grup­pen wer­den passende Infor­ma­tions- und Train­ing­spro­gramme ange­boten – unter anderem „Exec­u­tive & Senior Lead­er­ship“ für das Senior Lead­er­ship und „Behav­ioral Safe­ty Lone Work­ers“ für Beschäftigte, die ihre Arbeit­sauf­gabe größ­ten­teils in Einze­lar­beit erledi­gen. Zwis­chen 15 und 25 Prozent der Beschäftigten eines Stan­dorts wer­den für die konkrete Umset­zung des SiT qual­i­fiziert: Führungskräfte wer­den befähigt, das sichere Ver­hal­ten der Mitar­beit­er zu unter­stützen. In soge­nan­nten „Touch­points“ find­et täglich in nur 2–3 Minuten eine kurze Betra­ch­tung zuvor definiert­er Ver­hal­tensweisen statt und in wöchentlichen „Debrief Ses­sions“ wer­den gute Beispiele aus den Touch­points vorgestellt und im Feed­back pos­i­tiv ver­stärkt. Die involvierten Mitar­beit­er wer­den in Core Teams zusam­menge­fasst, in denen sicher­heit­srel­e­vante Ver­hal­tensweisen definiert wer­den und das pos­i­tive und kon­struk­tive Feed­back­geben trainiert wird, um aus riskan­tem Ver­hal­ten pos­i­tive Gewohn­heit­en zu machen.
  4. Umset­zung: Die Core Teams wählen zu Beginn max­i­mal drei sicher­heit­srel­e­vante Ver­hal­tensweisen aus – zum Beispiel „Trage beim Sta­pler­fahren Sicher­heits­gurte!“ oder „Bleibe ste­hen, wenn Du auf Dein Smart­phone schaust!“ –, deren Umset­zung dann täglich in Fremd- oder Selb­st­beobach­tung per Strich­liste oder App kon­trol­liert wer­den. Ziel ist es, sicher­heits­gerecht­es Ver­hal­ten durch pos­i­tives Feed­back zu ver­stärken und zu Gewohn­heit­srou­ti­nen zu machen.
  5. Eval­u­a­tion: Monatlich wer­den zen­tral der Train­ings­fortschritt sowie die Effek­te des SiT in Form der Safe-Habit-Rate erfasst.

Fazit und Erkenntnisse

Das SiT wurde in den Gesund­heits- und Sicher­heit­spro­gram­men fest ver­ankert. In den the­ma­tisch rel­e­van­ten Unternehmen­sreg­u­lar­ien wur­den klare Ver­hal­tenser­wartun­gen definiert, eben­so find­en sich Ver­hal­tensaspek­te in den Meth­o­d­en zur Gefährdungs­beurteilung. So wichtig die Ver­stärkung eines sicher­heits­gerecht­en Ver­hal­tens ist, was auch den Schw­er­punkt des SiT aus­macht, so wichtig ist es eben­so sicher­heitswidriges Ver­hal­ten kon­se­quent zu sank­tion­ieren. Ein rel­e­van­ter Erfol­gs­fak­tor ist die Flex­i­bil­ität in der Pro­gram­mum­set­zung: Auf­grund ver­schieden aus­geprägter Kul­turen, unter­schiedlich­er Arbeitss­chw­er­punk­te und lokaler Spez­i­fi­ka muss das SiT-Pro­gramm den Bedarf unter­schiedlich­er Ziel­grup­pen berücksichtigen.

Lit­er­atur

Uhle, T. & Treier, M. (4. Aufl.), (2019). Betrieblich­es Gesund­heits­man­age­ment. Hei­del­berg: Springer.


Foto: privat

Autor: Thorsten Uhle

Arbeits- und
Organisationspsychologe,

Bay­er AG, Leverkusen

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