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Wider die Wegwerfkultur und Ressourcenknappheit

Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie
Wider die Wegwerfkultur und Ressourcenknappheit

In diesem Herb­st legt die EU-Kom­mis­sion ihre Strate­gie für einen nach­halti­gen Tex­tilsek­tor vor. Denn die Tex­tilin­dus­trie gilt als eine der umweltschädlich­sten über­haupt. Ein Aspekt der EU-Strate­gie bet­rifft die Kreis­laufwirtschaft. Zeit, sich von der lin­earen hin zur zirkulären Tex­til­wirtschaft zu ori­en­tieren. Inno­v­a­tive Ideen und Pro­duk­te gibt es schon.

Kirsten Rein, Fachjour­nal­istin für tech­nis­che Tex­tilien und Arbeitsschutz

Dr. Rüdi­ger Fox, CEO Sym­pa­tex Tech­nolo­gies, ist rig­oros­er Vertreter der Kreis­laufwirtschaft. Für sein nach­haltigkeit­szen­tri­ertes Man­age­ment hat er schon mehrere Preise gewon­nen. „Kreis­laufwirtschaft ist die moralis­che Voraus­set­zung dafür, dass wir weit­er­hin syn­thetis­che Werk­stoffe benutzen dür­fen“, sagt Fox. Han­deln ist drin­gend nötig, das zeigen Zahlen der EU-Kom­mis­sion. Seit 1996 ist der Pro-Kopf-Ver­brauch an Bek­lei­dung um 40 Prozent gestiegen. Gle­ichzeit­ig sank die Nutzungs­dauer deut­lich. EU-weit wer­den jedes Jahr fast 26 Kilo­gramm Tex­tilien pro Ein­wohn­er gekauft und elf Kilo­gramm entsorgt, der größte Anteil davon ver­bran­nt oder deponiert. Das will nicht nur Fox ändern, die gesamte Branche sucht nach Lösun­gen. Es gibt bere­its viele Ini­tia­tiv­en und Net­zw­erke. Inner­halb des Tex­til­bünd­niss­es hat sich beispiel­sweise die Experten­gruppe „Kreis­laufwirtschaft“ geformt. Ende 2020 wur­den Vorge­hensweisen zur Bedarf­s­analyse und das Clus­tern der The­men angegangen.

„Um das The­ma Recy­clingtech­nolo­gien und Design to Recy­cle miteinan­der zu verknüpfen, wurde das Pro­jekt ‚Pro­duk­tk­lone‘ auf den Weg gebracht. Hier­bei hat­ten alle Unternehmen der Experten­gruppe die Möglichkeit, nicht recy­clingfähige Pro­duk­te einzure­ichen“, sagt Nicole Hühn, CSR Team­lead bei Sym­pa­tex. „Mit der Hochschule Niederrhein/Wuppertal Insti­tut wurde ein Part­ner gefun­den, der die nicht recy­clingfähi­gen Pro­duk­te unter­sucht. Die Ergeb­nisse wer­den genutzt, um Alter­na­tiv­en zu entwickeln.“

Recyclingquote optimieren

Mit dem opti­mierten Recy­cling von tex­tilen Pro­duk­tion­s­abfällen befasst sich beispiel­sweise auch das Net­zw­erk RE4TEX. Hier haben sich nicht nur Forschungsin­sti­tute und Textil‑, son­dern auch Umwelt- und Recy­clin­gun­ternehmen zusam­menge­tan. Ziel ist, die Recy­clingquote in der Tex­til­wirtschaft spür­bar zu erhöhen. Ein­er der Part­ner ist das Säch­sis­che Tex­til­forschungsin­sti­tut (Stfi) in Chem­nitz. Es errichtet ger­ade einen neuen Gebäudekom­plex als Zen­trum für Nach­haltigkeit. Schw­er­punk­te wer­den faser­basiertes mech­a­nis­ches Recy­cling von tex­tilen Flächen und Gar­nen sowie Forschungsar­beit­en zu deren Wiederver­wend­barkeit sein.

Was im Sport schon gelingt – Sym­pa­tex beispiel­sweise bietet eine Out­door­jacke mit Zip­per und Knöpfen aus 100 % aufgear­beit­eten PET-Flaschen –, gestal­tet sich für Arbeits­bek­lei­dung dur­chaus kom­pliziert. Denn Stra­pazier­fähigkeit und Far­bechtheit, aber auch Tragekom­fort sind essen­zielle Anforderun­gen, damit Klei­dung schützt und lange und gerne getra­gen wird. Dafür find­en heute in der Regel Mis­chgewebe Ver­wen­dung. „Aber“, so Fox, „man darf nichts mis­chen, denn dann pro­duziert man schon wieder Son­der­müll“. Die Hoff­nung ist, dass der Markt bei steigen­der Nach­frage schneller reagiert. „Wenn ich heute sage, dass ich Recy­cling will, antworten die meis­ten: ‚Oh das will son­st kein­er.‘ In dem Moment, wo es alle wollen, wird sich der Markt wahrschein­lich schnell drehen“, glaubt Fox.

Auch der Work­wear-Spezial­ist Fris­tads sieht den Kli­mawan­del und die Umweltzer­störung als eine Her­aus­forderung, zu deren Reduk­tion die Tex­tilin­dus­trie ihren Beitrag leis­ten muss. Das schwedis­che Unternehmen set­zt sich dafür ein, den ökol­o­gis­chen Fußab­druck von der Entwick­lung sein­er Pro­duk­te bis zum Lebensende zu ver­ringern. Anhand der Umwelt­pro­duk­t­dekla­ra­tion (EPD, siehe Kas­ten auf der Folge­seite) messen die Schwe­den die Umweltauswirkun­gen ihrer Klei­dungsstücke. Kon­tinuier­lich wer­den Mate­ri­alien durch nach­haltigere Alter­na­tiv­en erset­zt und das Port­fo­lio jedes Jahr um eine neue Green-Kollek­tion erweit­ert. Mar­cus Got­thardt, Dig­i­tal Sales Man­ag­er DACH bei Fris­tads, beobachtet, dass „der Nach­haltigkeits- und Kreis­laufgedanke bei den Einkauf­sentschei­dun­gen großer Unternehmen und bei öffentlichen Auss­chrei­bun­gen mit­tler­weile eine wesentliche Rolle spielt“. Für abgenutzte Klei­dung hat Fris­tads mehrere Pro­jek­te ges­tartet. In den Nieder­lan­den zum Beispiel hat man mit dem Verkehrsun­ternehmen Arri­va und dem Flughafen Schiphol ein Wiederver­w­er­tung­spro­gramm etabliert. Alte Klei­dungsstücke wer­den so repari­ert und über­holt, dass sie als „Sec­ond-Life-Bestand“ ver­wend­bar sind. Unbrauch­bare Teile wer­den gesam­melt, zerklein­ert und zu Kniepol­stern oder für die Fahrzeug­in­nenausstat­tung verarbeitet.

Kreisläufe fördern und Ressourcenverschwendung vermeiden

Fach­leute aus der Forschung oder wie Ger­hard Beck­er, Geschäfts­führer des Net­zw­erks Max­tex, sehen vielver­sprechende Ansätze in der Branche. Durch die Tex­til­forschung von 16 deutschen Tex­til­forschungsin­sti­tuten, unter­stützt durch das Forschungsku­ra­to­ri­um Tex­til des Gesamtver­bands tex­til + mode, kon­nten beispiel­sweise Ideen für die bessere Tren­nung von Alt­tex­tilien und sorten­reines Recy­cling entwick­elt wer­den. Aktuell entste­ht eine Prozess­kette, die die Qual­ität von Garn- oder Schnit­tabfällen analysiert, um die Pro­duk­tqual­ität von daraus hergestell­ten Recy­cling­tex­tilien vor­ab ein­schätzen zu kön­nen. Damit wird mehr Recy­cling von weit ver­bre­it­eten Kun­st­stof­fen zu hochw­er­ti­gen Pro­duk­ten möglich.

Zu Beck­ers Net­zw­erk gehört auch das öster­re­ichis­che Unternehmen Lenz­ing, das mit sein­er Tech­nolo­gie Refi­bra Erfahrung im Upcy­cling von Baum­woll­stof­fresten zum Beispiel aus der Bek­lei­dung­spro­duk­tion hat. Diese Reste wer­den mit Zell­stoff ver­mis­cht und zu Ten­cel Lyocell ver­ar­beit­et, um neue Stoffe herzustellen. Das Max­tex-Net­zw­erk arbeit­et daran, Nach­haltigkeit über die gesamte Liefer­kette möglich und wirtschaftlich umset­zbar zu machen. Beck­er sieht in der Weißwäsche großes Poten­zial, weil sie sich ein­fach und in riesi­gen Men­gen zurück­führen lässt. „Denn nicht nur die Tren­nung von Alt­tex­tilien und sorten­reines Recy­cling sind beson­ders anspruchsvoll. Auch die Logis­tik für die Rück­führung von Tex­tilien ist nicht ein­fach“, gibt er zu bedenken.

Green Deal für klimaneutrale, kreislauforientierte Wirtschaft

Mit dem europäis­chen Green Deal (Grün­er Deal) und dem Aktion­s­plan für die Kreis­laufwirtschaft will die EU-Kom­mis­sion der Tex­tilin­dus­trie aus der Phase der „Schwäche auf Nach­frage- und Ange­bots­seite“ her­aushelfen. „Diese Ini­tia­tive zielt darauf ab, den Über­gang zu ein­er kli­ma­neu­tralen, kreis­lau­fori­en­tierten Wirtschaft zu unter­stützen, in der die Pro­duk­te so konzip­iert wer­den, dass sie lan­glebiger, recy­clingfähiger sowie bess­er wiederver­wend­bar und reparier­bar sind.“ Das Poten­zial für die Kreis­laufwirtschaft stuft die EU im Tex­tilsek­tor als hoch ein.

Außer­dem: „Laut Kreis­laufwirtschafts­ge­setz sollen ab 2025 auch Tex­tilien flächen­deck­end getren­nt gesam­melt wer­den. Sie dür­fen nicht mehr in der Rest­müll­tonne entsorgt wer­den. In der öffentlichen Beschaf­fung sollen kreis­lauf­fähige Pro­duk­te bevorzugt wer­den“, sagt Nicole Hühn von Sym­pa­tex. Deshalb kann man nicht früh genug damit begin­nen, bere­its beim Design ans Recy­cling zu denken. Mate­ri­al­her­steller müssen zirku­lar­fähige Pro­duk­te anbi­eten. Kon­sumenten soll­ten ihre Klei­dung länger tra­gen und am Ende dem Recy­cling zuführen. Schließlich soll­ten Sortier­be­triebe und Recy­cler durch mit­gelieferte Infor­ma­tio­nen zu den Mate­ri­alien effek­tiv­er arbeit­en können.


Environmental Product Declaration

Die Envi­ron­men­tal Prod­uct Dec­la­ra­tion (Umwelt-Pro­duk­t­dekla­ra­tion), kurz EPD, ist eine Über­sicht über die Umweltauswirkun­gen von Mate­ri­alien, Pro­duk­ten und Kom­po­nen­ten. Die Zer­ti­fizierung basiert auf ISO 14025 und wird gemäß den Anforderun­gen des Inter­na­tion­al EPD Sys­tems kon­trol­liert und ver­i­fiziert. Etabliert ist sie vor allem in der Baubranche.
Fris­tads hat die EPD mit Hil­fe des staatlichen schwedis­chen Forschungsin­sti­tuts RISE entwick­elt, um die Trans­parenz der Bek­lei­dung­spro­duk­tion zu erhöhen. Das stan­dar­d­isierte Instru­ment ste­ht jet­zt der gesamten Tex­tilin­dus­trie zur Verfügung.

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