Die Arbeitssysteme unterliegen einem steten Veränderungsprozess, wie auch die Anforderungen an die darin Beschäftigten und die Erwartungen dieser an den Schutz und die Gesunderhaltung bei der Arbeit. Ein langfristiges Ergebnis dieser Entwicklungen sind geringere Ereigniszahlen, z. B. die Häufigkeit meldepflichtiger Arbeitsunfälle pro 1 Mio. geleisteter Arbeitsstunden, gegenüber früheren Jahrzehnten in Deutschland [1].
Allgemein betrachtet, zeigen die Ereignisstatistiken einen erfreulichen Rückgang der Unfallhäufigkeit. Fokussiert man jedoch die Unfallstatistiken der DGUV auf betriebliche Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, so ist festzustellen, dass die Entwicklung der Unfallzahlen seit 2010 nicht für alle in der Statistik erfassten Stoffgruppen rückläufig ist, was die zu Beginn angestellte Betrachtung der allgemeinen Unfallzahlen zwangsläufig nach sich ziehen würde [1, 9]. Hier stellt sich die Frage nach den Ursachen für die verbleibende Anzahl an Arbeitsunfällen mit Gefahrstoffen.
Ähnlich stellt sich die Lage in der Entwicklung der bestätigten Verdachtsfälle bei berufsbedingten Erkrankungen mit stofflicher Relevanz dar. Die Zahl berufsbedingter Erkrankungen mit bestätigtem Verdacht betrug pro Jahr 25.570 im Jahre 2009 und ist bis 2018 ununterbrochen auf ca. 38.000 angestiegen [1, 9]. Die chronische Wirkung von schädigenden Einflüssen durch Gefahrstoffe zeigt über die Häufigkeit des Auftretens berufsbedingter Erkrankungen eine hohe Relevanz für den Arbeitsschutz in Deutschland [1, 9].
Bei arbeitsbedingten Erkrankungen durch chemische Einwirkungen ist ein Anstieg zwischen 12 Prozent in 2013 und 51 Prozent in 2016 im Vergleich zu 2009 als Referenzjahr zu verzeichnen. Im Jahr 2018 betrug der Anstieg 41 Prozent. Bei den Hauterkrankungen ist der Anstieg der bestätigten Verdachtsfälle noch deutlicher. Er überschritt seit 2011 in jedem Jahr die 100 Prozent Anstiegsmarke im Vergleich zu 2009 [1, 9].
Gemäß Gefährdungsmodell [3] sind mehrere Variablen von Relevanz, um Gefährdungen und in der Folge arbeitsbedingte Erkrankungszahlen zu reduzieren. Dabei ist die gezielte Beeinflussung des sicherheitsgerechten Verhaltens durch Unterweisung der Beschäftigten eine rechtlich verankerte Vorgehensweise, um Arbeitsbedingungen sicher zu gestalten. Die Frage nach dem Nachweis der Wirksamkeit dieser Kategorie von willensabhängigen Schutzmaßnahmen stellt sich im Rahmen dieser Veröffentlichung und dem gestarteten Promotionsvorhaben.
Schutzmaßnahmen sind erforderlich, um die einem Gefahrstoff (-gemisch) inhärente physikalisch-chemische, chemische und toxische Wirkung so zu minimieren, dass die Tätigkeit mit einem vertretbaren Restrisiko durchgeführt werden kann.
Betrachtet man den Lebenszyklus eines Stoffes, als klassisches Beispiel für ein chemisches Produkt, so wird in Europa durch REACH [6] bereits vor dem ersten möglichen Kontakt mit einem Verwender der Lebenszyklus reguliert. Es bestehen Registrierungspflichten und Vorgaben zu Risikobetrachtungen sowie Stoffsicherheitsberichten, um die Eigenschaften des Stoffes, inkl. ihrer Auswirkungen bei potenziellen Verwendungen des Stoffes in der Lieferkette (beim sog. Downstream Use) sicherheitstechnisch bewerten und an die Verwender standardisiert kommunizieren zu können.
Primäres Ziel von REACH ist es, inhärent sichere Chemikalien in Verkehr zu bringen. In den Fällen, in denen Restrisiken nicht zu vermeiden sind, hat der Hersteller bzw. der Inverkehrbringer die Restrisiken ausführlich zu beschreiben und im Sicherheitsdatenblatt an den Verwender zu kommunizieren.
Der Verwender ist gemäß Gefahrstoffrecht verpflichtet, Gefährdungen bei der Verwendung von gefährlichen Stoffen zu beurteilen. Dabei sind u.a. auch die Arbeitsumgebung, die Qualifikation und die Zuverlässigkeit seiner Beschäftigten zu berücksichtigen [7]. Die Gefährdungen sowie die erforderlichen Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln werden über Betriebsanweisungen an die Beschäftigten kommuniziert. Auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung und der Betriebsanweisung hat der Unternehmer seine Beschäftigten einmal pro Jahr mündlich zu unterweisen [7]. Die Schutzmaßnahmen sind zudem auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen.
Damit schließt sich der Handlungskreis von der Entwicklung eines inhärent sicheren chemischen Produktes über die Kommunikation der verbliebenen Gefährdung über die Gefährdungsbeurteilung und Gestaltung des Arbeitssystems bis zum Unfall- und Berufskrankheitengeschehen, soweit die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen die Anforderungen nicht erfüllt, und / oder die Maßnahmen nicht hinreichend umgesetzt werden.
Es wird also direkte und indirekte Prädiktoren geben, die die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen beeinflussen, die aber im Rahmen der allgemeinen Wirksamkeitsprüfung ggf. nicht oder nur ungenügend berücksichtigt werden.
Forschungsfeld und ‑fragen
Diese, die Wirksamkeit einer Maßnahme beeinflussenden Faktoren gilt es im Rahmen des Forschungsvorhabens zu identifizieren, zu überprüfen und in die Entwicklung und Evaluation einer Methode zur Abschätzung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen einzubeziehen.
Bevor ein Verfahren zur Abschätzung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen entwickelt und evaluiert werden kann, ist eine grundlegende fachliche Auseinandersetzung darüber erforderlich, wie Wirksamkeit definiert ist und über welche Parameter sie in der Abhängigkeit von der Art der Maßnahme erreicht werden kann.
Die Überprüfung der Wirksamkeit kann als Nachweis dafür aufgefasst werden, dass die im Rahmen der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse prognostizierte Schutzwirkung vollumfänglich eingetreten ist, vgl. [3] und das geforderte Schutzniveau eingehalten wird.
Die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen kann u. a. verhaltensbezogen klassifiziert werden, d. h. unter Bezugnahme auf die erforderliche Mitwirkung der Beschäftigten. Danach kann u. a. zwischen willensabhängigen und willensunabhängigen Maßnahmen unterschieden werden. Die Abschätzung der Wirksamkeit von willensunabhängigen Schutzmaßnahmen erfolgt in der Regel durch technische Funktionsprüfungen, die zum Beispiel das Saugvolumen eines Industriestaubsaugers, der zwangsweise mit dem Netzschalter einer Bohrmaschine verbunden ist, mit den Herstellervorgaben abgleichen. Die Wirksamkeit ist dabei kein digitales Kriterium, sondern wird in der Praxis zum Beispiel über einen Control-Banding Ansatz bewertet, da über die Nutzungsdauer einer Maschine immer ein gewisser Verschleiß eintritt, der nur bis zu einem definierten Maß akzeptabel ist.
Die Wirksamkeit willensabhängiger Schutzmaßnahmen wird durch andere Einflussfaktoren bewirkt, die in der Methode der Abschätzung der Wirksamkeit berücksichtigt werden müssen. Dabei ist die aktive Mitwirkung der Beschäftigten erforderlich, um das Sicherheitsziel, vorrangig durch sicherheitsgerechtes Verhalten (Compliance), zu erreichen, vgl. [3].
Das sicherheitsgerechte Verhalten ist von jedem einzelnen Beschäftigten bei jedem Arbeitsvorgang Voraussetzung einer sicher durchgeführten Tätigkeit. Im Umkehrschluss folgen aus nicht sicherheitsgerechten Verhaltensweisen zwangsweise auch Einschränkungen bei der Wirksamkeit willensabhängiger Schutzmaßnahmen. Auch an dieser Stelle kann ein Control-Banding Ansatz Sinn machen.
Das Ziel muss darauf ausgerichtet sein, dass die festgelegten willensabhängigen Schutzmaßnahmen von den Beschäftigten nachhaltig akzeptiert werden, um dauerhaft die notwendige Wirksamkeit der Schutzmaßnahme zu erreichen.
Es ist daher methodisch nicht ausreichend, sich singulär mit der Schutzmaßnahme an sich zu beschäftigen, und sich ergänzend dem sicheren Verhalten zu widmen.
Eine genauere Betrachtung des Akzeptanzprozesses ist unerlässlich. In der Akzeptanzforschung hat sich die Unterscheidung der Akzeptanz in Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz etabliert [10].
Die Einstellungskomponente wird als Einstellung zur Handlung aufgefasst und schließt die subjektive Norm, also Erwartungen an das Verhalten anderer relevanter Personen, ein [11]. Relevante Personen können im Bereich der Arbeitssicherheit Vorgesetzte, Führungskräfte und Kolleginnen und Kollegen sein.
Die Verhaltensakzeptanz kann in der Praxis als tatsächlich erfolgte Nutzung beobachtet werden [10].
Über die erwähnten relevanten Personen und die Erwartungen an ihr Verhalten wird eines deutlich: Nicht nur die Schutzmaßnahme selbst, sondern auch die Umgebung, also der Kontext, hat einen Einfluss auf das Verhalten der Beschäftigten und über die Akzeptanz gegenüber der Schutzmaßnahme auch einen indirekten Einfluss auf ihre Wirksamkeit. Die Willensabhängigkeit der Schutzmaßnahme natürlich vorausgesetzt.
In der Akzeptanzforschung wurden Einflüsse durch Kontextvariablen in der Durchführung von Interventionen in verschiedenen Fachgebieten untersucht, z. B. in der betrieblichen Gesundheitsförderung und der Implementierung von E‑Learning Werkzeugen, und verschiedene Modelle entwickelt [16, 17].
Die Modelle zur Beschreibung des Akzeptanzbegriffes helfen in der Arbeits- und Organisationspsychologie, Interventionen in Arbeitssystemen lenken und gestalten zu können, so dass sich die Akzeptanz gegenüber der neu implementierten Maßnahme schrittweise entwickelt und Reaktanz ausbleibt.
Ziele der Modelle sind die begrifflichen Bestimmungen der Akzeptanz, die Beschreibung der relevanten Einflussfaktoren sowie die Wirkung dieser Faktoren auf die Akzeptanz der Betroffenen, z. B. von erforderlichen betrieblichen Veränderungsprozessen.
Eines dieser Modelle ist das Technology Acceptance Model 2 (TAM 2), welches u. a. Einflussmöglichkeiten sozialer und kognitiv-instrumenteller Prozessvariablen auf die Einstellungs- und die Nutzungsakzeptanz fokussiert [12].
Das Modell TAM 2 greift u. a. den wahrgenommenen Nutzen, die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit sowie soziale Prozessvariablen auf [12]. Soziale Prozessvariablen können die subjektive Norm, die freiwillige Nutzung und das Image des implementierten Systems darstellen. Die Variable Freiwillige Nutzung spielt vor allem bei der Verpflichtung zur Nutzung von Schutzmaßnahmen eine Rolle.
Die Variable Image beschreibt den Einfluss bedeutender Mitglieder des sozialen Umfeldes des Beschäftigten, sofern diese die Nutzung des implementierten Schutzsystems für wichtig erachten.
Weitere relevante Einflussfaktoren sind u. a. die Relevanz für das berufliche Arbeitsumfeld, dazu zählt auch der Grad der Integration in den Arbeitsablauf, sowie Interrelationen zwischen den einzelnen hier genannten Faktoren.
Zusammenfassend können die Einflussfaktoren auf die Durchführung von Interventionen in drei Gruppen eingeteilt werden:
Organisatorische Rahmenbedingungen
- Integration der Interventionsinhalte in bestehende Arbeitsprozesse
- Relevanz der vermittelten Inhalte für den beruflichen Alltag der Beschäftigten
- Zusammenhang zu der Einstellungs-akzeptanz der MA
- Schaffung entsprechender Freiräume am Arbeitsplatz
Merkmale der Intervention
- Inhaltliche Funktionalität der Intervention
- Einfache Bedienbarkeit
Technische Rahmenbedingungen
- Technische Ausstattung der Mitarbeiter für den Umgang mit dem Gegenstand der Intervention
- Technische Funktionalität der Intervention
Die aus der Fachliteratur eruierten Forschungsergebnisse zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen den untersuchten Faktoren Personale Maßnahmen (Information, Partizipation, Betreuung) bzw. organisatorische Rahmenbedingungen, wie oben beschrieben und der Einstellungsakzeptanz auf. Ebenso lässt sich ein indirekter Zusammenhang zwischen den untersuchten Faktoren und der Verhaltensakzeptanz, also der Nutzung der eingeführten Intervention, erkennen [13]. In den benannten Studien wird weiterer Forschungsbedarf adressiert.
Die im zweiten Abschnitt aufgeführte fachliche Auseinandersetzung, wie Wirksamkeit definiert ist und über welche Parameter sie in Abhängigkeit von der Art der Maßnahme erreicht werden kann, grenzt gemeinsam mit den o. g. Aspekten der Akzeptanz das Forschungsfeld ab. Die Ansätze für die konkrete Untersuchung des Forschungsfeldes bilden die in Tabelle 1 aufgeführten Hypothesen.
Im dritten Schritt soll zum einen die Möglichkeit der indirekten positiven Beeinflussung der Wirksamkeit willensabhängiger Schutzmaßnahmen über die oben genannten Kontextvariablen untersucht werden; zum anderen soll die Abschätzbarkeit der Wirksamkeit willensab-hängiger Schutzmaßnahmen Gegenstand der Untersuchung sein.
Methodisches Vorgehen
Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens soll am Beispiel der Unterweisung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die Akzeptanz der Beschäftigten untersucht und geprüft werden. Es ist die Frage zu klären, ob Zusammenhänge zwischen der Beschäftigtenakzeptanz und der Wirksamkeit von ausgewählten Schutzmaßnahmen bestehen. Im Anschluss daran soll aus den Zusammenhängen eine Methode zur Abschätzung der Wirksamkeit entwickelt und anschließend evaluiert werden.
In einem ersten Schritt ist der Zusammenhang zwischen Akzeptanz und der Wirksamkeit willensabhängiger Schutzmaßnahmen zu untersuchen.
Um den Einfluss von Kontextvariablen auf die Wirkung der Intervention beurteilen zu können, sind die Kontextvariablen und ihr Zusammenhang zur Intervention zu identifizieren, zu beschreiben und ggf. zu gewichten. Kontextvariablen können dabei organisatorische und technische Rahmenbedingungen sowie die Bedienbarkeit und Funktionalität der Intervention sein. Als Untersuchungsgegenstand dient die Intervention am Beispiel der Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen.
Die Wichtung des Einflusses auf die Intervention erfolgt semi-quantitativ auf Basis von Bändern. Diese Bänder stellen Bereiche mit einer ähnlichen Wirksamkeit dar. Die Bewertung anhand einzelner absoluter Zahlenwerte ist sehr aufwändig, ohne den Anwendungsnutzen zu erhöhen.
Grundlage der Wichtung ist die subjektive Einschätzung der Mitarbeiter, die wiederum ausschlaggebend für die Einstellungsakzeptanz ist [13]. Die Verhaltensakzeptanz wird ebenfalls semi-quantitativ über die tatsächliche Nutzung [13] erhoben.
Ergänzend soll die Sicht der operativ tätigen Mitarbeiter*innen sowie die der verantwortlichen Führungskräfte erhoben und dargestellt werden.
Es ist zu untersuchen, ob die Funktionen im Unternehmen als Mitarbeiter bzw. Führungskraft die wahrgenommene Wirksamkeit willensabhängiger Schutzmaßnahmen beeinflussen können.
Eine Herausforderung liegt u. a. darin begründet, dass die Einstellungsakzeptanz nicht direkt beobachtbar ist [23, 24, 28 über 13]. Daher muss die Einstellungsakzeptanz über einen anderen, indirekten Weg ermittelt werden. Bisherige Modelle und Befunde aus der Akzeptanzforschung wiesen einen signifikanten Einfluss der Einstellungsakzeptanz auf die Verhaltensakzeptanz aus [18]. Daher ist es in jedem Fall lohnenswert, auch die Einstellungsakzeptanz zu untersuchen.
Ajzen & Fishbein sehen in der Einstellungsakzeptanz die hauptsächliche Vorhersagevariable der Verhaltensakzeptanz. Danach kommt die tatsächliche Nutzung als Symptom einer Verhaltensakzeptanz aufgrund einer positiven Einstellungsakzeptanz zustande [15]. Diese These soll ebenfalls im Rahmen der Datenerhebung überprüft werden.
Von Bedeutung für den Erfolg einer Intervention ist die Wahrnehmung des realisierten Nutzens durch die betroffenen Mitarbeiter*innen. Stellt sich diese Wahrnehmung nicht ein, besteht die Gefahr, dass die Betroffenen die Intervention als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit verstehen, und Reaktanz entsteht [26]. Als personale Maßnahmen werden die Information der Betroffenen [25, 26], die Partizipation während der Implementation [17, 22, 27] sowie die Betreuung der Mitarbeiter (durch Verfügbarkeit von Ansprechpartnern) bei inhaltlichen und technischen Fragen angesehen [16, 29].
Es besteht ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen der Information der Beschäftigten und der tatsächlichen Nutzung der Intervention [20]. Die Autoren konnten jedoch keine Erkenntnisse über die Auswirkung auf die Einstellungsakzeptanz ableiten.
Die Partizipation der Mitarbeiter*innen ist wichtig, um die Akzeptanz der Mitarbeiter für die Intervention zu sichern. Zentral ist dabei die Einbindung der Mitarbeiter*innen von Beginn des Implementationsprozesses an, um nicht am Bedarf vorbei zu entscheiden [17, 21].
Möglichkeiten, die Partizipation der Beschäftigten in der Praxis zu gewährleisten bestehen darin, zu Beginn des Implementationsprozesses den Bedarf der Mitarbeiter*innen zu erheben, oder die Mitarbeiter*innen durch Pilotphasen an der Einführung zu beteiligen [19, 22, 29].
Ebenso wichtig ist die Betreuung der Mitarbeiter*innen während der Implementierung [16, 22]. Mangelnde Betreuung wird [22, 30, 31] als Grund für mögliche Akzeptanzprobleme gesehen. Als besonders wichtig wird die Verfügbarkeit eines Ansprechpartners bei den ersten Kontakten mit der Neuerung und damit verbundenen Problemen gesehen [16, 21, 29]. Harhoff & Küpper stellten fest, dass Personen, denen bei einer Intervention ein Ansprechpartner zur Verfügung stand, eine höhere Verhaltensakzeptanz aufwiesen, als Personen, denen kein Ansprechpartner zur Verfügung stand. Der Zusammenhang zur Einstellungsakzeptanz blieb dabei unberücksichtigt [20].
Im Rahmen organisationaler Maßnahmen muss die Intervention in die bestehenden Geschäftsprozesse eingebettet werden. Geschieht dieses nicht, können Interventionsvorhaben daran scheitern [36]. Auch die Relevanz der Intervention für den Arbeitsalltag hat zudem indirekten Einfluss auf die Einstellungsakzeptanz [12].
Ebenso von Bedeutung ist die Schaffung von Freiräumen für die Integration der zu implementierenden Maßnahme [36] und damit die Vermeidung von erheblichem Mehraufwand [16]. Das Vorhandensein von zeitlichen und organisatorischen Freiräumen stellt eine organisatorische Maßnahme dar.
Eine Intervention bedarf auch geeigneter technischer Rahmenbedingungen, um von den Beschäftigten akzeptiert zu werden. Die Technik muss den Anforderungen des Arbeitssystems und der darin arbeitenden Mitarbeiter entsprechen und ohne Probleme funktionieren [21, 31]. Die Schaffung geeigneter technischer Rahmenbedingungen wird als Maßnahme zur Akzeptanzsicherung gesehen. Goodhue (1995) fand einen signifikanten Zusammenhang zwischen den technischen Rahmenbedingungen und der Einstellungsakzeptanz.
Untersuchungen aus der Akzeptanzforschung wiesen für die Bedienbarkeit einen Einfluss auf die Einstellungsakzeptanz aus [12, 18, 32, 33, 34, 35].
In ihren Untersuchungsfragen definierten Bürg, Kronburger und Mandl [13] den jeweiligen Zusammenhang zwischen personalen Maßnahmen, organisationalen Maßnahmen, den technischen Rahmenbedingungen und der Einstellungsakzeptanz sowie den Zusammenhang zwischen der Einstellungs- und der Verhaltensakzeptanz.
Insgesamt wurde eine hohe Interkorrelation zwischen den o.g. Einflussfaktoren festgestellt. Somit können die Faktoren nur schwer getrennt voneinander betrachtet werden und üben einen gemeinsamen Einfluss auf die Einstellungsakzeptanz aus.
Der Einfluss der hier aufgeführten Faktoren auf die Intervention wird am Beispiel einer Unterweisung für eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen durch Befragung der beteiligten Beschäftigten und Führungskräfte in Form von Interviews oder mittels Fragebögen untersucht. In Abhängigkeit von der Zahl verfügbarer Probanden wird das Erhebungsverfahren ausgewählt.
Um eine möglichst große Zahl an Probanden für statistisch aussagekräftige Ergebnisse gewinnen zu können, liegt der Fokus auf Chemie- und Industrieparks, in denen eine große potenzielle Probandenzahl in mehreren Unternehmen täglich Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausführt und zudem eine ebenso große Zahl an Unterweisungen durchgeführt werden.
Im Zuge der Vorarbeiten zum Forschungsvorhaben wurde eine umfangreiche Literaturrecherche zum Themenfeld Akzeptanz von Handlungen, sicherheitsgerechtes Verhalten (Compliance) und zur Abhängigkeit des Erfolgs von Interventionen von der Akzeptanz der eingeführten Maßnahme durchgeführt.
Die Erkenntnisse zum Forschungsstand bilden eine Grundlage für das Konzept zur Datenerhebung. Ziel ist es, die Kausalität von Kontextfaktoren über die Akzeptanz von Interventionen bis zur Wirksamkeit willensabhängiger Schutzmaßnahmen aufzuzeigen.
Ein langfristiges Ziel ist es, die Wirksamkeit willensabhängiger Schutzmaßnahmen bereits im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung (Gestaltungskonzept) gezielt abschätzen und somit einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen leisten zu können.
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Prof. Dr.-Ing. Anke Kahl
Leiterin des Lehrstuhls Sicherheitstechnik/
Arbeitssicherheit
Bergische Universität Wuppertal,
Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik, Fachgebiet Sicherheitstechnik / Arbeitssicherheit