Verschiedene Zurrmittel für die Ladungssicherung
Jährlich ereignen sich schwere Unfälle im Straßenverkehr, weil das Ladegut nicht korrekt gesichert wird. Neben Sach- und Umweltschäden wird zusätzlich die Gesundheit der Verkehrsteilnehmer gefährdet. Das Fahr- und Ladepersonal ist betroffen, wenn unzureichend gesicherte Ladung beim Laden vom Lastkraftwagen herabzustürzen droht. Grundsätzlich sind gewerbliche Transporte vorausschauend zu planen. Hierzu gehört
- erstens ein geeignetes Fahrzeug, inklusive der erforderlichen Einrichtungen und Hilfsmittel zur Ladungssicherung sowie
- zweitens ein beförderungssicheres Ladegut.
Nicht ordnungsgemäß bereitgestellte Güter lassen sich nur bedingt sichern. Ein Grund dafür, dass auch Absender und Verlader für die Ladungssicherung (mit)verantwortlich sind. Schließlich besitzen sie die sogenannte „Warenkunde“.
Ist der Fahrzeugaufbau nicht in der Lage, die Ladung durch formschlüssiges Verstauen ausreichend zu sichern, müssen gemäß § 22 (1) der Unfallverhütungsvorschrift „Fahrzeuge“ (DGUV Vorschrift 70) Einrichtungen zur Ladungssicherung vorhanden sein. Dazu zählen beispielsweise Stirnwandverstärkungen, Rungen, Lademulden, Ankerschienen in Verbindung mit Zurrgurten, Sperr- oder Ladebalken sowie Planen und Netze. Eine herausragende Stellung nehmen Zurrmittel wie Gurte, Ketten und Drahtseile nach DIN EN 12195 Teile 2 bis 4 ein. Sie sind systemunabhängig und lassen sich bei verschiedenen Fahrzeugtypen individuell einsetzen, sofern geeignete Zurrpunkte auf der Ladefläche vorhanden sind.
Bei der Auswahl von Gurten, Ketten oder Drahtseilen ist deren Kennzeichnung besonders zu beachten. Die Hersteller der Produkte sind verpflichtet, die Leistungsfähigkeit der Zurrmittel für die Ladungssicherung zu kennzeichnen, entweder durch ein Etikett oder einen Metallanhänger. Neben anderen Angaben (z. B. Hersteller, Produktnorm) enthält die Kennzeichnung weitere Informationen, nämlich den STF-Wert und den LC-Wert, beides angegeben in daN (deka-Newton).
Die Angabe STF (Standard Tension Force) gibt Auskunft über die Vorspannkraft des Spannelementes, also zum Beispiel der Ratsche, des Spindel- oder des Ratschenspanners. Dieser Wert ist für das Niederzurren relevant, bei dem die Ladung auf die Ladefläche gepresst und dadurch am Rutschen gehindert wird. Beim Direktzurren wird die Ladung mithilfe von Zurrmitteln „festgehalten“, wobei die Angabe LC (Lashing Capacity) entscheidend ist.
Da die maximale Zugkraft (LC) des Zurrmittels deutlich größer ist als die Vorspannkraft (STF) des Spannmittels, ist das Direktzurren dem Niederzurren überlegen.
Merke: Das Niederzurren ist für leichte bis mittelschwere Güter geeignet. Schwere Güter wie Baumaschinen, Betonfertigteile usw. sind bevorzugt durch Direktzurrverfahren zu sichern. Dabei ist es unabhängig, welche Zurrmittelart eingesetzt wird.
Arbeitsmittel im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung
Im gewerblichen Bereich und auf zahlreichen Baustellen kann ein rauer Umgang mit Zurrmitteln für die Ladungssicherung nicht vermieden werden. Neben Witterungseinflüssen wie Sonne, Regen und Frost sind Zurrmittel starken Stößen und Schwingungen ausgesetzt. Die Betriebssicherheitsverordnung regelt in § 14 (2) ausdrücklich, dass Arbeitsmittel, die schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt sind, wiederkehrend durch eine befähigte Person zu prüfen sind. Dies betrifft besonders Zurrmittel nach DIN EN 12195, die übrigens kein CE-Zeichen besitzen, weil sie per Definition keine „Maschinen oder Sicherheitseinrichtungen“ im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie sind.
Merke: Rechtlich fallen Gurte, Ketten und Seile – die für die Sicherung von Ladegütern auf Fahrzeugen bestimmt sind – in den Anwendungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung und sind damit prüfpflichtig!
Vergleichbar sind die Prüfpflichten für Zurrmittel mit den Anforderungen für Anschlagmittel zum Heben von Lasten. Diese mit Kranen bewegten Lasten werden in den meisten Betrieben regelmäßig geprüft, anders sieht es bei Zurrmitteln aus. Hier sind die Defizite nach eigener Einschätzung deutlich größer, offensichtlich weil das Unfallrisiko vielerorts unterschätzt wird.
Interessant ist die Tatsache, dass sich nach Angaben der Berufsgenossenschaft Verkehr aus Hamburg die meisten Arbeitsunfälle im Güterkraftverkehr am stehenden Fahrzeug ereignen. Unfallschwerpunkte sind unter anderem
- Sturzunfälle vom Fahrzeugaufbau oder der Ladefläche,
- Angefahren werden von Flurförderzeugen beim Ladevorgang und
- das Getroffenwerden von unkontrolliert bewegten Ladegütern.
Die Gefahr durch herabfallende, kippende oder rollende Güter wird selten mit einer unzureichenden Sicherung oder defekten Zurrmitteln in Verbindung gebracht. In der Praxis ist hier noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Damit keine gefährlichen Situationen eintreten, müssen Zurrmittel für die Ladungssicherung arbeitstäglich durch den Anwender und wiederkehrend durch einen Sachkundigen (d.h. befähigte Person gemäß TRBS 1203) geprüft werden. Die Prüffrist ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung eigenständig festzulegen. Der Verein Deutscher Ingenieure e.V. aus Düsseldorf empfiehlt, Zurrmittel spätestens alle 12 Monaten prüfen zu lassen. Das Prüfergebnis ist zu dokumentieren.
Ablegereife Zurrmittel erkennen
Besitzen Zurrmittel für die Ladungssicherung Schäden, welche die Sicherheit des Produkts beeinträchtigen und deswegen zu gefährlichen Situationen bei der Arbeit führen können, sind sie der weiteren Benutzung dauerhaft zu entziehen. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, Zurrmittel einer Reparatur zuzuführen, beispielsweise für Zurrketten. Jedoch dürfen Instandsetzungen nur durch den Hersteller oder einen autorisierten Fachbetrieb durchgeführt werden. Zurrmittel dürfen nicht von Laien repariert werden, weil die Qualität des Produkts nach der Reparatur nicht zweifelsfrei beurteilt werden kann.
Für jedes Zurrmittel für die Ladungssicherung gilt: Die Verwendung ist nicht mehr zulässig, wenn die Produktkennzeichnung unlesbar ist oder das Etikett beziehungsweise der Anhänger fehlt. Darüber hinaus gelten für Zurrmittel gemäß VDI Richtlinie 2700 Blatt 3.1 „Gebrauchsanleitung für Zurrmittel“ folgende Ablegekriterien:
Zurrgurte:
- Beschädigungen des Gurtbandes größer als 10 Prozent bezogen auf die Breite oder Dicke sowie übermäßiger Verschleiß durch Abrieb
- beschädigte Nähte
- Verformungen des Gurtbandes durch Wärme
- sichtbare Versprödung des Gurtbandes durch Kontakt mit Säuren oder Laugen
- defekte Ratschen oder Klemmschlösser aufgrund von Verformungen, Kerben, Rillen, Risse, Brüchen oder Korrosionsnarben
- Verschleiß durch Abrieb, insbesondere der Zahnkränze und des Sperrschiebers
- sichtbare Deformationen oder Veränderungen an den Verbindungselementen
Zurrketten:
- Beschädigungen der Rundstahlkette (z.B. Kerben, Rillen, Risse, Brüche oder Korrosionsnarben)
- Verschleiß durch Abrieb um mehr als zehn Prozent der Nenndicke (d)
- Dehnung eines Kettengliedes um mehr als drei Prozent der Gliedlänge (5 x d)
- defekte Ratschen- oder Spindelspanner aufgrund von Verformungen, Kerben, Rillen, Rissen, Brüchen oder Korrosionsnarben
- fehlende oder defekte Spindelausdrehsicherung
- sichtbare Deformationen oder Veränderungen an den Verbindungselementen
- Aufweitung des Hakens um mehr als 10 Prozent
- Verschleiß im Hakengrund um mehr als fünf Prozent (Steghöhe)
Stahldrahtseile:
- Drahtbruchnester
- sichtbare Drahtbrüche von mehr als vier auf 3 x d, mehr als sechs bei 6 x d
- gebrochene Litze
- beschädigte Pressklemmen (z.B. Verringerung des Durchmessers der Pressklemme um fünf Prozent)
- starker Verschleiß des Seils um mehr als zehn Prozent des Nenndurchmessers (d)
- Quetschungen des Seils um mehr als 15 Prozent
- Knicke und Klanken
- defekte Spannmittel aufgrund von Verformungen, Kerben, Rillen, Rissen, Brüchen oder Korrosionsnarben
- sichtbare Deformationen oder Veränderungen an den Verbindungselementen
- Aufweitung des Hakens um mehr als 10 Prozent
- Verschleiß im Hakengrund um mehr als 5 Prozent (Steghöhe)
Als befähigte Person zur Prüfung von Zurrmitteln für die Ladungssicherung können eigene, qualifizierte Beschäftigte oder Prüfer von externen Dienstleistern beauftragt werden. Eigenes Prüfpersonal sollte durch den Arbeitgeber schriftlich bestellt werden. Die notwendigen Fachkenntnisse und Fertigkeiten können durch Teilnahme an einem entsprechenden Sachkunde-Seminar erworben werden. Außerdem ist zu gewährleisten, dass den mit der Prüfung beauftragten Personen die erforderlichen sachlichen und zeitlichen Ressourcen zur Verfügung stehen. In der Ausübung ihrer Prüftätigkeiten unterliegt das Prüfpersonal keinen Weisungen des Arbeitgebers beziehungsweise Auftraggebers.