Sie haben 2016 den VISION ZERO Förderpreis für Ihr Projekt „Auszubildende schaffen Sicherheit“ gewonnen. Wie sieht es heute damit aus?
Wir führen das Projekt konsequent weiter. Das ist eine stehende Institution bei uns im Haus geworden.
Aus welcher Motivation heraus haben Sie Ihr Projekt gestartet?
Der Grundgedanke ist, dass wir junge Leute gleich in der Ausbildung mit dem Thema Arbeitssicherheit vertraut machen wollen. Arbeitssicherheit kommt ja in der Ausbildung gar nicht direkt vor. Und so haben wir 2015 mit unserer Ausbildungsabteilung das Projekt „Auszubildende schaffen Sicherheit“ gestartet, das wir mit AsS abkürzen.
Wie funktioniert das genau?
Alle Beschäftigten aus der Produktion sind aufgerufen, Verbesserungswünsche für sicheres und gesundes Arbeiten über eine Intranetseite zu melden. Diese werden anschließend bewertet und unsere Auszubildenden entwickeln und realisieren entsprechende Lösungen. Dabei unterstützt sie unser Ausbildungsleiter Herr Christian Mitteregger, der ja gleichzeitig seine Lehrinhalte vermitteln muss.
Welche Vorarbeiten mussten Sie leisten?
Als „Projektteam AsS“ haben wir vor fünf Jahren zunächst den Prozess entwickelt und definiert – und halten bis heute daran fest, weil er sich bewährt hat.
Was sind die Aufgaben des Projektteams?
Wir sondieren die Projekte mit dem Ausbildungsleiter und berichten an den Arbeitssicherheitsausschuss. Teilweise laden wir auch die Auszubildenden ein, die uns ihre Lösungen vorstellen.
Welche Effekte beobachten Sie?
Die jungen Leute können auf der einen Seite ihr Fachwissen ausprobieren und üben gleichzeitig, andere für ihre Ideen zu begeistern. Im Dialog mit den Kollegen gilt es dann, eine Lösung zu finden, die draußen im Betrieb auch
akzeptiert wird.
Wie viele Projekte können Sie jährlich umsetzen?
Angepasst an die Größe unserer Ausbildungsabteilung setzen wir im Durchschnitt zwei bis drei Projekte entsprechend der Aufgabenstellung und Ausbildungsinhalte um.
Wie reagieren Sie, wenn ein Vorschlag nicht mit den aktuellen Ausbildungsinhalten korreliert?
Das passiert natürlich immer wieder – auch wenn gerade Zwischenprüfungen oder Ferien anstehen, können von den Auszubildenden in der Lehrwerkstatt keine solchen Projekte umgesetzt werden. Wenn es sich nicht nur um eine Optimierung handelt, sondern um eine erkannte Gefahr, müssen wir natürlich trotzdem reagieren und gegebenenfalls unabhängig vom AsS-Projekt eine Lösung finden.
Welche aktuellen Verbesserungen konnten die Auszubildenden im Rahmen des Projekts realisieren?
In einem Fall ging es um eine unübersichtliche Stelle in unserer Produktion, von der für Fußgänger eine Gefahr durch den Staplerverkehr ausgeht. Es erfordert einiges an Erfahrung, die fünf Meter langen Vliesstoffrollen handzuhaben – sodass der Fahrer alleine schon mit seinem Transportvorgang fast ausgelastet ist. Die Auszubildenden wurden also vor die Aufgabe gestellt, eine Lösung zu erarbeiten, um die Fußgänger vor einem nahenden Stapler frühzeitig zu warnen.
Sicher herrscht in diesem Bereich ein gewisser Lärmpegel.
Genau. Also hat das Team eine optische Lösung entwickelt und umgesetzt: ein Lichtschrankensystem mit einem Blinklicht. Wenn der Stapler kommt und eine Lichtschranke durchfährt, warnt am Fußgängerweg ein Lichtzeichen „Achtung Staplerverkehr“ davor, dass gleich ein Stapler um die Ecke kommt.
Wie lief die Umsetzung?
Dies war ein schönes Projekt mit vielen unterschiedlichen Anforderungen: Die Auszubildenden lernten mit einer Lichtschranke zu arbeiten und sie zu installieren. Sie mussten programmieren, sie mussten die optimale Position für das Blinklicht und die Lichtschranke
berechnen und lernen, mit LEDs zu
arbeiten. Und das erhöht die Sicherheit für Fußgänger und Staplerfahrer.
Die Auszubildenden konnten also praktische Erfahrungen sammeln und etwas Sinnvolles bauen, das nicht in einer Schublade verstaubt.
Ich habe früher auch U‑Schienen mehr als ausgiebig gefeilt, die anschließend weggeworfen wurden. Wir befestigen meist ein kleines Schild an den umgesetzten Projekten: „Diese Installation wurde von Herrn XY angefertigt.“ Das motiviert natürlich auch und die Auszubildenden können stolz sein.
Gab es weitere Projekte?
Ein weiteres Beispiel ist eine Schulungswand mit dem Freischaltequipment, das wir in unserem Haus einsetzen. Dazu zählen etwa Hauptschalter, die mittels Schloss gesichert werden, aber auch Kugelhähne, Drehschieber oder Ventile und so weiter, für die spezielles Sicherungsequipment richtig eingesetzt werden muss.
Welche Aufgabe haben Sie den Auszubildenden gestellt?
Sie mussten im Werk recherchieren, welches Equipment eingesetzt wird und Muster auf eine fahrbare Wand montieren, sodass wir sie im Rahmen der jährlichen Sicherheitsunterweisungen für interne Schulungszwecke einsetzen können. Sie mussten sich also Gedanken machen, wie wir unsere Maschinen freischalten und gegen unbeabsichtigtes Anschalten sichern.
Können Sie sagen, wie sich Ihr AsS-Projekt auf die Sicherheit auswirkt?
Das Projekt ist ein Baustein unseres Sicherheitskonzepts. Inzwischen sind wir fast 1.000 Tage ohne meldepflichtigen Unfall. Mit den Unfallzahlen sind wir also schon auf einem sehr guten Niveau – das gilt es zu halten. Daher ist das Beständige und Nachhaltige so wichtig. Und das trägt zur Akzeptanz bei den Mitarbeitern bei, weil sie merken, dass wir der Arbeitssicherheit einen hohen Stellenwert beimessen. So läuft das Auszubildenden-Projekt AsS jetzt bereits seit fünf Jahren.
Kann man sagen, dass das Projekt Teil Ihrer Sicherheitskultur ist?
Ja. Es ist ein Baustein, der direkt auf die jungen Mitarbeiter zielt. Es handelt sich ja meist um Jugendliche, die mit 16 oder 17 Jahren bei uns beginnen, denen wir eine gute Basis für ihr späteres Berufsleben geben wollen. Und wenn man das verinnerlicht hat, lebt man auch im privaten Bereich sicherer.
Vielen Dank für das Gespräch!
Eines von 3.400 Projekten
Seit 2002 motiviert die bereichsübergreifende interne Freudenberg-Initiative „We all take care“ weltweit Mitarbeiter dazu, ihre Arbeit und ihre Arbeitsplätze sicherer, gesünder und umweltfreundlicher zu gestalten, sich gesellschaftlich zu engagieren und die Standortsicherheit zu fördern. Bisher wurden über 3.400 Projekte eingereicht – auch das Projekt „Auszubildende schaffen Sicherheit“ zählt dazu.
Freudenberg Performance Materials
Am Standort Kaiserslautern produziert, entwickelt und vermarktet Freudenberg mit rund 300 Beschäftigten technische – zum Teil patentierte – Spinnvliesstoffe für die Automobil‑, Bau‑, und Teppichindustrie sowie für Filteranwendungen.
Im technischen Bereich bildet das Unternehmen am Standort pro Jahrgang zwischen drei und vier junge Menschen zum Beispiel zu Mechatronikern, Industriemechanikern oder Industrieanlagenfahrern aus.