Der Begriff Arbeitsunfall bezieht sich auf Unfälle, die Beschäftigte während ihrer Arbeit erleiden. Das kann zum Beispiel der Staplerfahrer sein, der bei Transportarbeiten verunglückt, oder der Betriebsschlosser, der bei Wartungsarbeiten von der Leiter stürzt. Bei einem Arbeitsunfall erfolgt – wie bei einem privaten Unfall – die Notfallversorgung durch Rettungskräfte, einen Arzt oder im Krankenhaus. Grundsätzlich zahlt aber nicht die Krankenkasse die Behandlungskosten, sondern die Berufsgenossenschaft, denn jeder Beschäftigte in Deutschland ist gesetzlich unfallversichert.
Schnell handeln
Bei jedem medizinischen Notfall sollte die Rettungskette reibungslos ablaufen. Die Grafik veranschaulicht die fünf Schritte bei der Versorgung eines Verunglückten. Damit einem Verletzten bei einem Unfall im Betrieb schnellstmöglich geholfen werden kann, sollte jeder Beschäftigte wissen, wer Ersthelfer oder Ersthelferin im Betrieb ist, wo sich der Verbandkasten befindet und wie der Notruf abgesetzt wird.
Durchgangsarzt
Bei einem Arbeitsunfall übernimmt nicht der Hausarzt die Behandlung, sondern der sogenannte Durchgangsarzt (D‑Arzt). Als Facharzt für Unfallchirurgie oder Orthopädie ist er für die Behandlung nach Arbeitsunfällen besonders qualifiziert. Er oder sie entscheidet, ob eine allgemeine Behandlung ausreicht oder eine besondere Heilbehandlung notwendig ist. Bei leichten Verletzungen werden Unfallverletzte vom D‑Arzt zur weiteren Behandlung an den Hausarzt überwiesen. In diesen Fällen überwacht der D‑Arzt das Heilverfahren. Bei komplizierten Verletzungen erfolgt unter Umständen eine Verlegung in eine Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik oder ein anderes geeignetes Krankenhaus. Eine Ausnahme gibt es: Bei alleinigen Augen- oder HNO-Verletzungen darf sofort der entsprechende Facharzt aufgesucht werden. Die Adresse des nächstgelegenen D‑Arztes enthält der Erste-Hilfe-Aushang im Betrieb oder die Datenbank „Durchgangsärzte“ unter www.dguv.de.
Krankentransport
Darf der Verletzte im Pkw oder mit dem Taxi ins Krankenhaus transportiert werden? Diese Frage wird oft gestellt und lässt sich wie folgt beantworten: Bei einer leichten Verletzung – etwa einer Prellung – kann es ausreichen, wenn ein Kollege den Verletzten im Pkw ins Krankenhaus fährt oder ein Taxi gerufen wird. Aber Achtung! Bestehen Bedenken, dass sich der Gesundheitszustand kurzfristig verschlechtern könnte, sollte immer ein Rettungstransportwagen gerufen werden, denn er ist für Notfallpatienten eingerichtet. Generell gilt, dass bei Arbeitsunfällen die Kosten für Krankentransporte von der jeweiligen Berufsgenossenschaft übernommen werden.
Unfall melden
Jeder Arbeitsunfall, der voraussichtlich eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen zur Folge hat, muss an die zuständige Berufsgenossenschaft gemeldet werden. Der Unfalltag selbst zählt bei der Drei-Tage-Frist nicht, entscheidend ist die Zahl der Kalendertage der Arbeitsunfähigkeit. Es ist die Pflicht des Arbeitgebers den Unfall mit der Unfallanzeige an die Berufsgenossenschaft zu melden. Der Verunfallte und mögliche Unfallzeugen haben zur Aufklärung des Unfallhergangs beizutragen, indem sie den Hergang genau und wahrheitsgetreu schildern.
Zuständige Berufsgenossenschaft
In Deutschland gibt es für die gewerbliche Wirtschaft neun, nach Branchen gegliederte Berufsgenossenschaften. Für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, für Schüler, Studenten und Kinder in Tageseinrichtungen sind die 19 Unfallkassen zuständig. Des Weiteren gibt es vier Feuerwehr-Unfallkassen sowie die Unfallversicherung Bund und Bahn. Der Arbeitgeber ist verpflichtet seine Beschäftigten durch einen Mitgliedsaushang zu informieren, welche Berufsgenossenschaft für das Unternehmen zuständig ist. Ist dies nicht der Fall, kann die Personalabteilung entsprechende Auskunft erteilen. Verschiedene Berufsgenossenschaften bieten den Arbeitgebern für ihre Beschäftigten Versichertenkarten an, die alle nötigen Kontaktdaten enthalten. Damit haben die Beschäftigten nach einem Arbeitsunfall alle Angaben für den Arzt parat.
Kleine Verletzungen dokumentieren
Bagatellunfälle müssen der Berufsgenossenschaft nicht angezeigt werden, sind aber im Betrieb zu dokumentieren. Hierzu kann entweder das Verbandbuch (DGUV Information 204–020) oder der Meldeblock (DGUV Information 204–021) verwendet werden. Die Aufzeichnungen erbringen den Nachweis, dass die Verletzung bei einer beruflichen Tätigkeit eingetreten ist. Das ist besonders dann wichtig, wenn Spätfolgen, beispielsweise eine Blutvergiftung nach einer kleinen Schnittverletzung, eintreten sollten.
Daten vertraulich behandeln
Bei der Dokumentation von Erste-Hilfe-Leistungen handelt es sich um personenbezogene Daten, die gegen den Zugriff Unbefugter zu sichern sind. Das Verbandbuch sollte daher nicht für jeden zugänglich im Verbandkasten, sondern etwa in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt werden. Eine gleichwertige Möglichkeit besteht darin, den Meldeblock mit Dokumentationsbögen zu verwenden. Die ausgefüllten Vordrucke werden beispielsweise in einen dafür vorgesehenen Briefkasten zur Weiterleitung an die entsprechende Stelle, etwa den Ersthelfer geworfen. In beiden Fällen müssen die Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden.
Unfallanalyse – aus Unfällen lernen
Kurz vor Schichtende bekam Staplerfahrer Florian B. den Auftrag, eine Fertigungsanlage mit Kunststoffgranulat zu versorgen. Hastig nahm er die Palette auf und steuerte durch die Halle auf sein Ziel zu; in der Eile übersah er jedoch einen Kollegen. Mit der Palette traf er dessen Fuß – eine komplizierte Mittelfußfraktur war die Folge. Schon kurz nach dem Unfall begann der Produktionsleiter das Geschehen gemeinsam mit den Beteiligten aufzuarbeiten. Florian B. und der Verunfallte durften vor Ort schildern, welche Tätigkeiten sie zum Unfallzeitpunkt ausübten und welche Besonderheiten oder Schwierigkeiten es gab. Gleichzeitig wurden die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen kritisch hinterfragt. Wie sich herausstellte, waren zwar die Wege für Personen- und Lastverkehr durch gelbe Bodenmarkierungen optisch getrennt; diese wurden aber von den Fußgängern meist nicht beachtet. Folgerichtig wurden nach dem Unfall massive Verkehrsbarrieren installiert, um Zusammenstöße zukünftig zu verhindern.
Meldesystem für Beinahe-Unfälle
Mit dem Handhubwagen belud Markus F. einen an der Laderampe stehenden Lkw. Als er mit der letzten Palette in den Laderaum einfahren wollte, zog der Lkw plötzlich von der Rampe ab. Nur im letzten Moment konnte Markus F. seinen Absturz von der Laderampe samt Arbeitsgerät verhindern. Dieses Beispiel zeigt einen Beinahe-Unfall, wie er sich in Betrieben täglich ereignet. Auch wenn nichts passiert ist, sollten diese Vorfälle im Betrieb besprochen und daraus geeignete Maßnahmen abgeleitet werden. Mitarbeiter sollten ermuntert werden, Beinahe-Unfälle, unsichere Zustände oder versteckte Gefahren zu melden. Hierfür haben sich Meldeformulare bewährt, die im Betrieb zentral gesammelt und durch eine entsprechende Stelle ausgewertet werden. Mitarbeiter werden zur Mitwirkung motiviert, wenn die Auswertung und die ergriffenen Maßnahmen im Betrieb kommuniziert werden.
Checkliste: Erste Hilfe
- Ist für Notrufe ein Telefon oder Mobiltelefon zugänglich?
- Sind auf dem Erste-Hilfe-Aushang die Notrufnummern und die Anschrift des D‑Arztes angegeben und aktuell?
- Ist geregelt, wer die Verbandkästen regelmäßig auf Vollständigkeit kontrolliert?
- Sind die Standorte der Verbandkästen, gegebenenfalls der Defibrillatoren und der Erste-Hilfe-Raum mit dem weißen Kreuz auf grünem Grund gekennzeichnet?
- Stehen Ersthelfer in der vorgeschriebenen Anzahl zu Verfügung?
- Ist sichergestellt, dass auf allen Schichten eine ausreichende Anzahl an Ersthelfern anwesend ist?
- Werden die Ersthelfer alle zwei Jahre fortgebildet?
- Sind die Ersthelfer in den jeweiligen Arbeitsbereichen durch einen Aushang bekannt gemacht?
- Werden Erste-Hilfe-Maßnahmen dokumentiert und vertraulich behandelt?
- Werden die Beschäftigten regelmäßig zur Ersten Hilfe unterwiesen? Hierzu bieten die Berufsgenossenschaften Unterweisungshilfen zum richtigen Verhalten im Notfall an.
Ersthelfer im Betrieb
In Unternehmen muss es eine Mindestzahl von Ersthelfern geben. Sind zwei bis 20 Beschäftigte anwesend, ist ein Ersthelfer erforderlich. Bei mehr als 20 Personen müssen in Verwaltungs- und Handelsbetrieben fünf Prozent, in sonstigen Betrieben zehn Prozent der Anwesenden Ersthelfer sein.
- Die Ausbildung umfasst neun Unterrichtseinheiten, alle zwei Jahre müssen sich Ersthelfer fortbilden.
- Lehrgänge bieten Institutionen, wie Arbeiter-Samariter-Bund oder Deutsches Rotes Kreuz an. Ermächtigte Stellen für die Ersthelferausbildung finden sich unter www.bg-qseh.de.
- Die Berufsgenossenschaften übernehmen die Lehrgangsgebühren und rechnen direkt mit dem Veranstalter ab.