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Kommunikation im Notfall

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Kommunikation im Notfall

Kommunikation im Notfall
Gute Kommunikation ist im Notfall das A und O. Foto: © michaeljung - stock.adobe.com
Geht es um die gesund­heitliche Ver­sorgung von Men­schen in Deutsch­land, wird oft­mals viel in mod­erne und tech­nisch hochw­er­tige Geräte investiert. Die Rolle ein­er funk­tion­ieren­den Kom­mu­nika­tion im Not­fall sowohl inner­halb des Ärzte- und Pflegeteams als auch zwis­chen Arzt und Patient wird jedoch unter­schätzt. Der fol­gende Beitrag geht auf die beson­deren Her­aus­forderun­gen der Kom­mu­nika­tion in medi­zinis­chen Not­fall­teams ein. Außer­dem wer­den Ansätze zur Verbesserung von Not­fal­lkom­mu­nika­tion vorgestellt und disku­tiert. Dabei haben die dargestell­ten Aspek­te auch Gültigkeit für die Ret­tungsmedi­zin, die vorklin­is­che Not­fallmedi­zin und die Katas­tro­phen­medi­zin als Teil­bere­iche der Notfallmedizin.

Kommunikation in Notfallteams

Zwar gilt die akutmedi­zinis­che Versor‧gung in Deutsch­land als eine der besten weltweit, die oft ver­mei­d­baren Schä­den am Patien­ten trüben jedoch das Bild. Unter­suchun­gen haben ergeben, dass nach wie vor 70 Prozent der Ursachen von Zwis­chen­fällen im Bere­ich der Human Fac­tors, also durch men­schlich­es Ver­sagen, zu suchen sind. [2] Men­schliche Fak­toren sind im engeren Sinne Müdigkeit, Krankheit, Alter, Sehver­mö­gen, Sit­u­a­tion­saufmerk­samkeit und Wach­heits­grad der beteiligten Personen.

Aber auch die Qual­ität der Zusam­me­nar­beit in Teams, zum Beispiel Kom­mu­nika­tions- und Führungskom­pe­ten­zen spie­len eine entschei‧dende Rolle eben­so wie Aspek­te der Sicher­heit­skul­tur und die über­greifend­en Wert- und Zielvorstel­lun­gen eines Teams. Nicht zu ver­nach­läs­si­gen sind die kog­ni­tiv­en Aspek­te der Entschei­dungs­find­ung und des Mul­ti­task­ings. [3] Kom­mu­nika­tion als entschei­den­der Bestandteil der Human Fac­tors muss in sein­er gesamten Bedeu­tung und auch in sein­er Kom­plex­ität betra­chtet werden.

Hindernisse in der Kommunikation

Ärzte und Pflegeper­son­al, die in der Not­fallmedi­zin arbeit­en, tra­gen mit ihrem Han­deln und dessen Kon­se­quen­zen eine hohe Ver­ant­wor­tung für das Leben und die Gesund­heit ander­er. Sie zählen damit zur Gruppe der „High Respon­si­bil­i­ty Teams“ (HRTs), ähn­lich wie beispiel­sweise Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er der zivilen Luft­fahrt, der Polizei und der Feuer­wehr. Ange­hörige dieser Beruf­s­grup­pen müssen extrem zuver­läs­sig arbeit­en, beson­ders acht­sam und umsichtig entschei­den und han­deln, da dies unmit­tel­bare Konse‧quenzen für Men­sch und Umwelt haben kann. Störun­gen und Fehlhand­lun­gen, die nicht fehler­frei behoben wer­den, kön­nen fatale Auswirkun­gen haben. [4]

Im Gegen­satz zu klas­sis­chen Teams mit „nor­malem“ Arbeit­sall­t­ag kön­nen sie Ereignisse in der Regel nicht mehr rück­gängig machen, richt­en möglicher­weise mit ihrem Tun kör­per­liche und psy­chis­che Schä­den an, tra­gen die Last der Ver­ant­wor­tung für das Leben ander­er und kön­nen keine Pausen und Unter­brechun­gen machen, wenn es ihnen passt. Zusät­zlich sind sie häu­fig starkem Druck durch die Öffentlichkeit (Medi­en wie Fernse­hen, Inter­net etc.) aus­ge­set­zt. [5]

Das hohe Stress­niveau der Beteiligten lässt Kom­mu­nika­tion unter eine hohe Span­nung ger­at­en. Gle­ichzeit­ig entste­ht durch die Dichte und Kom­plex­ität von Not­fall­si­t­u­a­tio­nen eine erhe­bliche Infor­ma­tion­süber­las­tung inner­halb kürzester Zeit. Ein­her geht damit ein gesteigertes Erre­gungsniveau der Kom­mu­nika­tion­spart­ner, das sich höchst indi­vidu­ell auf den Einzel­nen auswirken kann. Stress­si­t­u­a­tio­nen haben außer­dem erhe­blichen Ein­fluss auf Moti­va­tion, Aufmerk­samkeit, Kreativ­ität und Spon­taneität, und nicht zulet­zt ist die Wahrnehmung deut­lich eingeschränkt („Tun­nel­blick“). [6]

Kleine Missverständnisse können schwerwiegenden Folgen haben

Unter diesen erschw­erten Bedin­gun­gen kom­men Missver­ständ­nisse und Kon­flik­te häu­figer vor als in All­t­agssi­t­u­a­tio­nen, wo Umge­bung und Sinnzusam­men­hang ein­er Hand­lung sowohl dem Empfänger als auch dem Sender ver­traut sind. Das bedeutet, dass ger­ade in Hochrisiko­branchen, in denen schwierige und anspruchsvolle Auf­gaben mit hoher Ambi­gu­i­tät und Zeit­druck bewältigt wer­den müssen, kleine Missver­ständ­nisse und Kom­mu­nika­tion­sstörun­gen zu schw­er­wiegen­den Kon­se­quen­zen führen kön­nen. [7]

Darüber, wie Anweisun­gen und Infor­ma­tio­nen gemeint sind, kön­nen die Beteiligten von Not­fall­teams naturgemäß nicht lange nach­denken. Auf­grund sprach­lich­er Mehrdeutigkeit von For­mulierun­gen kön­nen unangemessene Inter­pre­ta­tio­nen erfol­gen, die nicht kor­rigiert und richtiggestellt wer­den kön­nen. Eben­so ist es möglich, dass Missver­ständ­nisse kom­plex­er­er Art entste­hen, wenn Team­mit­glieder ihre Beobach­tun­gen, Bew­er­tun­gen und Erwartun­gen bezüglich des weit­eren Ver­laufs in ein­er Not­fall­si­t­u­a­tion nicht mit­teilen kön­nen oder auch wollen. Nicht zulet­zt wird die Kom­mu­nika­tion ganz erhe­blich bee­in­flusst durch unter­schiedliche Kom­mu­nika­tion­sstile (zum Beispiel Schnellred­ner, zurück­hal­tende oder abwartende Red­ner oder auch ungeduldiges Gesprächsver­hal­ten). Häu­fig kommt es auch in Teams zur Begeg­nung unter­schiedlich­er Kom­mu­nika­tion­skul­turen, bei denen Herkun­ft, sozialer Sta­tus, Geschlecht und ähn­lich­es eine Rolle spielen.[7]

Neben diesen all­ge­mein verur­sacht­en Störun­gen spie­len soziale und indi­vidu­elle Beziehungsmuster im Kom­mu­nika­tion­s­geschehen eine große Rolle. Prä­gend ist hier die Art des Ver­hält­niss­es der Per­so­n­en untere­inan­der. Im Beruf­sleben und somit auch in der Not­fallmedi­zin kom­men „sym­metrische Beziehun­gen“ (die Per­so­n­en sind gle­ich gestellt) und „kom­ple­men­täre Beziehun­gen“ (unter­schiedliche Augen­höhe auf­grund unter­schiedlich­er Hier­ar­chi­estufen) vor. Inner­halb dieser Beziehungsstruk­turen ord­nen Men­schen im Kon­takt ihr Gegenüber sehr rasch in ein „Mod­ell“ ein und lassen sich dann von den daraus entwick­el­ten Erfahrun­gen in ihrem Ver­hal­ten leit­en. [7]

Die Kom­mu­nika­tion in hier­ar­chis­chen Teams, so auch in der Not­fallmedi­zin, wird unter anderem entschei­dend durch den „Autoritäts­gra­di­en­ten“ geprägt. Der Begriff stammt aus der Luft­fahrt und beschreibt den gefährlichen Ein­fluss, den ein zu großer oder nich­tex­is­ten­ter hier­ar­chis­ch­er Unter­schied zwis­chen Co-Pilot und Pilot auf die Flugsicher­heit haben kann. Er stellt keine abstrak­te Größe dar, son­dern beruht auf grundle­gen­den Annah­men der Kom­mu­nika­tion­spart­ner, die dazu führen, dass Bedenken nicht geäußert wer­den. Zu diesen Grun­dan­nah­men gehören vor allem das Bild von der eige­nen Rolle inner­halb der Hier­ar­chie des Teams, aber auch per­sön­liche Befürch­tun­gen ganz unter­schiedlich­er Art. Der Autoritäts­gra­di­ent kann zudem nicht nur dann wirk­sam wer­den, wenn die Autorität der Führungsper­son als neg­a­tiv erlebt wird (zum Beispiel arro­gant und unnah­bar), son­dern auch, wenn Vorge­set­zte auf­grund ihrer Klarheit und charis­ma­tis­chen Art beson­ders geachtet werden.

Notfallkommunikation nach dem Crew Ressource Management

Mit der Erken­nt­nis, dass die Human Fac­tors einen sehr wichti­gen Beitrag zum Gelin­gen oder Ver­sagen in HRTs leis­ten, suchte man in der Medi­zin­nach Verbesserungsmöglichkeit­en. Hier betra­chtete man in erster Lin­ie das pro­fes­sionelle Man­age­ment ander­er Hochrisikobere­iche, wie beispiel­sweise das der Luft­fahrt, die in dieser Rich­tung Pio­nier­sar­beit leis­teten. In den 60er Jahren wur­den in den USA die ersten Ver­suche zur Verbesserung der Zusam­me­nar­beit bei Flugzeugbe­satzun­gen in Not­si­t­u­a­tio­nen unter­nom­men. Die Beson­der­heit­en dieser Tea­mar­beit wur­den seit 1979 unter dem Begriff „Crew Ressource Man­age­ment“ (CRM) in der zivilen Luft­fahrt her­aus­gear­beit­et (siehe Abb. 1).

Auf­grund der Ähn­lichkeit der Arbeitssi­t­u­a­tio­nen ergaben sich Über­tra­gungsan­sätze auf den Bere­ich der Medi­zin, denn sowohl für die Luft­fahrt als auch für den medi­zinis­chen Bere­ich sind Zeitk­nap­pheit, Stress und eine hohe Ver­ant­wor­tung für Men­schen­leben kennze­ich­nend. CRM wurde von David Gaba erst­mal in Form des „ACRM“ (Anes­the­sia Cri­sis Resource Man­age­ment) in die Medi­zin einge­führt. Es bein­hal­tet Tech­niken und Ver­fahren, die die Ein­flüsse des Human Error erken­nen und es möglich machen, diesem zu ent­ge­hen. Dazu bein­hal­tet es Ver­hal­tensprinzip­i­en, die die Sicher­heit durch Präven­tion und Bewäl­ti­gung von kri­tis­chen Sit­u­a­tio­nen (Not­fall, Zwis­chen­fall) erhöhen sollen. [8]

  • Kenne Deine Arbeitsumgebung
  • Antizip­iere und plane voraus
  • Fordere Hil­fe an, lieber früh als spät
  • Übern­imm die Führungsrolle oder sei ein gutes Team­mit­glied mit Beharrlichkeit
  • Verteile die Arbeitsbelastung
  • Mobil­isiere alle ver­füg­baren Ressourcen
  • Kom­mu­niziere sich­er und effektiv
  • Beachte und ver­wende alle vorhan­de­nen Informationen
  • Ver­hin­dere und erkenne „Fix­ierungs­fehler“ (eine Diag­nose ohne weit­ere Reflex­ion auf­greifen und diese als Arbeit­shy­pothese weit­er­ver­fol­gen. Wichtige Umstände und Befunde wer­den auf diese Weise angenom­men und unter­stellt beziehungsweise inner­lich abgehakt)
  • Habe Zweifel und über­prüfe genau („dou­ble check“, nie etwas vermuten)
  • Ver­wende Merkhil­fen und schlage nach
  • Reevaluiere die Sit­u­a­tion immer wieder
  • Achte auf gute Tea­mar­beit – andere unter­stützen und sich koordinieren
  • Lenke deine Aufmerk­samkeit bewusst
  • Set­ze Pri­or­itäten dynamisch. [2]

Nach Rall ist die Kom­mu­nika­tion das Bindeglied zwis­chen den anderen Kom­po­nen­ten der Human Fac­tors im Kon­text von Hand­lungssicher­heit in kom­plex­en Situationen.[2] Im Kon­text der Human Fac­tors ist sie für die anderen wichti­gen nicht-medi­zinis­chen Fähigkeit­en wie sit­u­a­tion aware­ness, Auf­gaben­man­age­ment, Team­work und Entschei­dungs­find­ung unabdingbar.

Fallstricke erkennen und vermeiden

Die geschilderten all­ge­meinen Beein­träch­ti­gun­gen ein­er guten und pro­fes­sionellen Kom­mu­nika­tion führen zu der Frage, auf welche Weise diese im Vor­feld schnell und zuver­läs­sig erkan­nt und ver­mieden wer­den kön­nen. Voraus­set­zung dafür ist, dass sich alle Beteiligten im Team im Klaren über die Bedeu­tung gelin­gen­der Kom­mu­nika­tion sind, und dass sie daher ihr eigenes Kom­mu­nika­tionsver­hal­ten stets kri­tisch hin­ter­fra­gen und verbessern wollen.

Eine grundle­gende Voraus­set­zung für gelin­gende Tea­mar­beit nach St. Pierre ist, dass „Ver­ant­wor­tungs­d­if­fu­sion“ ver­mieden wird.

Sprach­liche Botschaften, die aus­ge­sendet wer­den, müssen klar und ein­deutig ein­er Per­son zuge­ord­net wer­den. Ist dies nicht der Fall, kann die entste­hende Unsicher­heit dazu führen, dass sich die falsche Per­son beziehungsweise mehrere falsche Per­so­n­en ange­sprochen fühlen oder auch sog­ar nie­mand im Team reagiert.

Unklare Adressierun­gen entste­hen durch For­mulierun­gen wie „kön­nte jemand…“ oder „hat irgendw­er“. Eben­falls für Kon­fu­sion kön­nen Aus­sagen sor­gen wie „ich würde gerne…“ „sollte ich vielle­icht…“, die Vorschub für eine zeitraubende Diskus­sion leis­ten kön­nen. [7]

Unter Zeit­druck schwindet häu­fig die Aufmerk­samkeit der Kom­mu­nika­tion­spart­ner für ihre jew­eils eige­nen sprach­lichen Schwächen. Unbe­d­ingt sollte jedoch stets darauf geachtet wer­den „schlecht­es Sprechen“ zu ver­mei­den. Dazu zählt zum Beispiel, dass nicht zu leise, zu laut oder undeut­lich gesprochen wer­den darf. Zudem sollte stets Wert auf gram­matikalisch richtige Sätze und die all­ge­mein anerkan­nte Fach­sprache gelegt wer­den. [7]

Weit­er­hin ist es laut St. Pierre unab­d­ing­bar, in der Kom­mu­nika­tion die Über­las­tung mit Infor­ma­tio­nen zu ver­mei­den. Dies bedeutet, dass die Kom­mu­nizieren­den nicht zu viele Anweisun­gen hin­tere­inan­der geben, um Raum zum Ver­ste­hen zu geben. Kurze Pausen hin­ter den Sätzen sind wichtig, damit die Han­del­nden auch alle Anweisun­gen aufnehmen und umset­zen kön­nen. Ein­fache Sätze, die nicht mehr als ein Verb und ein Objekt haben, vere­in­fachen dies. Lange Lis­ten mit Zahlen oder Dosierungsan­weisun­gen in einem Zug weit­erzugeben sollte unbe­d­ingt auch ver­mieden wer­den. Eben­so kon­trapro­duk­tiv kön­nen sich mehrere Fra­gen in einem Satz auswirken. [7]

Häu­fig neigen Men­schen, die unter hohem Ver­ant­wor­tungs­druck agieren, dazu, einen aggres­siv­en Ton­fall anzunehmen, den sie selb­st nicht wahrnehmen. Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er beziehungsweise Kol­legin­nen und Kol­le­gen kön­nen sich dadurch häu­fig per­sön­lich ange­grif­f­en und in ihrer nöti­gen Kom­pe­tenz nicht gew­ertschätzt fühlen. Aber auch lange und umständliche Erk­lärun­gen hem­men pro­fes­sionelles Agieren in Notfallsituationen.[7]

Passivität ist genauso schlecht wie Aggressivität

Ein ander­er häu­figer Fehler in Kom­mu­nika­tion­ssi­t­u­a­tio­nen ist, dass Vorge­set­zte unter Druck wortkarg wer­den. Die Sprache darf nicht auf das allernötig­ste beschränkt wer­den, da son­st kein Teamge­fühl mehr möglich ist („doc goes solo“). Ver­mieden wer­den sollte also, auf Erk­lärun­gen zu verzicht­en, keine Antworten auf Fra­gen der Team­mit­glieder zu geben, Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen nicht mitzuteilen, geschlossene Fra­gen zu ver­wen­den, ein-Wort-Antworten zu geben und lange zu schweigen. [7] Treten Kon­flik­te im Team auf, sollte die Lösung wed­er durch Pas­siv­ität noch durch Aggres­siv­ität gekennze­ich­net sein.[7]

Genau­so wie das exak­te For­mulieren von Infor­ma­tio­nen und Anweisun­gen wichtig für die Kom­mu­nika­tion ist, so ist auch das richtige und angemessene Zuhören für die Kom­mu­nika­tion in Not­fall­teams sehr wichtig. [7] Der US-amerikanis­che Psy­chologe und Psy­chother­a­peut Carl Rogers hat ein Mod­ell des „aktiv­en Zuhörens“ entwick­elt, das die beson­dere Rolle von Wertschätzung in der Kom­mu­nika­tion betont. Die beschriebe­nen Grund­sätze des Zuhörens fördern gegen­seit­i­gen Respekt und Anerken­nung der Team­mit­glieder untere­inan­der und gewährleis­ten, dass selb­st unter Zeit- und Hand­lungs­druck eine wertschätzende und damit erfol­gre­iche Kom­mu­nika­tion gelingt.

Nach Rogers kann Zuhören gelin­gen, wenn man

  • sich auf das Gegenüber ein­lässt, sich konzen­tri­ert und dies durch die eigene Kör­per­hal­tung ausdrückt,
  • mit der eige­nen Mei­n­ung zurück­hal­tend umgeht,
  • Fra­gen bei Unklarheit­en stellt,
  • deut­lich macht, dass Zuhören nicht gutheißen meint,
  • Pausen aushält (diese kön­nen ein Zeichen für Unklarheit­en, Angst oder Rat­losigkeit sein),
  • auf die eige­nen Gefüh­le achtet,
  • die Gefüh­le des Part­ners erken­nt und anspricht,
  • bestäti­gende kurze Äußerun­gen tätigt,
  • Geduld hat und den Sprech­er nicht unter­bricht, ihn ausre­den lässt,
  • Blick­kon­takt hält,
  • sich durch Vor­würfe und Kri­tik nicht aus der Ruhe brin­gen lässt,
  • ver­sucht, sich in die Gefühlslage der Kom­mu­nika­tion­spart­ner hineinzu­ver­set­zen und dies auch zu artikulieren und damit zu respek­tieren. [8]

Als zen­traler Bestandteil gelin­gen­der Kom­mu­nika­tion in Not­fall­teams gilt das „10-Sekun­den für 10-Minuten-Prinzip“. Mit dem Gedanken, dass die Sicher­heit des Patien­ten ober­stes Gebot ist, soll dem Fehler verur­sachen­den Zeit­druck ent­ge­gengewirkt wer­den. Rall weist darauf hin, dass die Ursache für die Nich­tan­wen­dung des the­o­retisch vorhan­de­nen Wis­sens häu­fig in einem sub­jek­tiv zu stark emp­fun­de­nen Zeit­druck zu liegen scheine. Bed­ingt durch die Not­fall­si­t­u­a­tion entste­he der Ein­druck, man müsse sofort reagieren und intu­itiv das Richtige tun.[3] Beim Auftreten von Prob­le­men oder bei ein­er neuen Diag­nose soll das Team zu ein­er kurzen Unter­brechung sein­er Tätigkeit­en aufge­fordert wer­den, alle soll­ten kurz zuhören, alle Infor­ma­tio­nen wer­den zusam­menge­tra­gen, Ideen kom­mu­niziert und Bedenken geäußert. Dann wird ein Plan aufgestellt, Ressourcen verteilt und weit­er koor­diniert gehan­delt. Während des 10-für-10 müssen alle Team­mit­glieder einan­der zuhören und ihre Aktiv­itäten unterbrechen.

Der Ein­satz des 10-für10-Prinzips erfol­gt nach Rall

  • zu Beginn ein­er Behand­lung oder beim Stellen ein­er „Arbeits­di­ag­nose“,
  • immer, wenn das Not­fall­team das Gefühl hat, im Ablauf festzusteck­en oder die Behand­lung nicht den erwarteten Erfolg zeigt, und
  • wenn man das Gefühl hat, Chaos ist aus­ge­brochen. [3]

Eine gute Hil­fe, um die Kom­mu­nika­tion in Not­fall­si­t­u­a­tio­nen in klare und pro­fes­sionelle Bah­nen zu lenken, stellen SOP-Lis­ten dar. SOP (Stan­dard Oper­at­ing Pro­ce­dure) bildet ein stan­dar­d­isiertes Vorge­hen ab und ist eine verbindliche textliche Beschrei­bung der Abläufe von Vorgän­gen ein­schließlich der Prü­fung der Ergeb­nisse und deren Doku­men­ta­tion. Ein möglich­es Beispiel ein­er SOP-Liste enthält der Kas­ten weit­er unten.

Kommunikation nach Notfallsituationen

Feed­back und kon­struk­tive Gespräche nach Not­fall­si­t­u­a­tio­nen sind sehr wichtig, da hier mit Ruhe und Zeit an der Verbesserung der kom­mu­nika­tiv­en Zusam­me­nar­beit gear­beit­et wer­den kann. [7] Feed­back ermöglicht, frühzeit­ig Missver­ständ­nisse aus dem Weg zu räu­men und eine Lern­gele­gen­heit wahrzunehmen.[7] Damit Feed­back frucht­bar ist und zu ein­er Verbesserung des Kom­mu­nika­tion­sstils führt, soll­ten fol­gende Regeln beachtet wer­den. Feed­back sollte

  • eher beschreibend als wer­tend sein, denn Wer­tung set­zt den Empfänger unter Druck,
  • eher spez­i­fisch, als generell sein, da im all­ge­meinen generelle Äußerun­gen schwieriger zu ver­ar­beit­en sind,
  • von einem echt­en Bemühen um die Bedürfnisse des anderen geleit­et sein,
  • sich auf Ver­hal­tensweisen beziehen, die der andere kon­trol­lieren kann, son­st entste­ht Frustration,
  • eher ein­ladend als aufgezwun­gen sein,
  • zeitlich so unmit­tel­bar wie möglich erfol­gen und
  • die Absicht ver­fol­gen, Kom­mu­nika­tion zu klären. [9]

Zeitk­nap­pheit und Druck, schnell zu han­deln, zwin­gen Mit­glieder des Not­fall­teams sach­liche Prob­leme, aber auch Beziehungskon­flik­te hin­te­nan zu stellen. Nach der kri­tis­chen Zeit kön­nen diese Kon­flik­te in Ruhe und an der Sache ori­en­tiert aus­ge­tra­gen und Beziehungskon­flik­te ange­sprochen wer­den. Dafür sollte sich das Team bewusst Zeit nehmen und das Sprechen über Kon­flik­te in den täglichen Arbeitsablauf in regelmäßi­gen Abstän­den inte­gri­ert wer­den. So bietet sich die Chance, dass Entschei­dun­gen reka­pit­uliert wer­den kön­nen, Kon­flik­t­stoff offen ange­sprochen wird und jedes Team­mit­glied die Möglichkeit hat, sein Erleben der Sit­u­a­tion darzustellen.

Es ist allerd­ings ver­gle­ich­sweise ein­fach­er, Kon­flik­te auf der Sachebene zu lösen und einen gemein­samen Kom­pro­miss zu find­en, als Beziehungskon­flik­ten angemessen zu begeg­nen. Ursachen kön­nen Antipathien und gehegte Feind­schaften von Team­mit­gliedern untere­inan­der sein, aber auch Vor­fälle und Ver­hal­tensweisen im Miteinan­der, die zu per­sön­lichen Ver­let­zungs­ge­fühlen führen.

Beziehungskon­flik­te kön­nen unter Umstän­den schon eine lange, unbeachtete Vorgeschichte haben, in der per­sön­liche Auseinan­der­set­zun­gen offen aus­ge­tra­gen wur­den oder im Hin­ter­grund schwe­len. Bei­de Vari­anten kön­nen sich als äußerst schwierig zu lösende Prob­lem­la­gen her­ausstellen, die nach­haltig das Betrieb­skli­ma stören und die Atmo­sphäre in großem Aus­maß vergiften kön­nen. [11]

Bricht ein solch­er Beziehungskon­flikt in ein­er Not­fall­si­t­u­a­tion auf, sollte immer eine gute Lösung für den Patien­ten im Vorder­grund ste­hen. Maxi­men der Kon­flik­tlö­sung kön­nen sein:

  • gut zuhören
  • nicht das Gegenüber angreifen, son­dern das Prob­lem behandeln
  • der Patient soll der Gewin­ner sein
  • Gemein­sames und Tren­nen­des nach der bewältigten Not­fall­si­t­u­a­tion zur Sprache brin­gen [7]

Die eigene Mei­n­ung und die Wahrnehmung soll­ten stets behar­rlich mit gle­ichzeit­iger Empathie und Ein­füh­lungsver­mö­gen gegenüber den anderen Team­mit­gliedern geäußert wer­den. Um eine effek­tive Tea­mar­beit zu gewährleis­ten, soll­ten Unklarheit­en nach St. Pierre sofort und jed­erzeit ange­sprochen wer­den, damit die Hand­lun­gen jedes Mit­glieds des Not­fall­teams hin­ter­fragt wer­den kön­nen. Zudem müssen auch die jew­eili­gen Bedenken und Anliegen jedes Team­mit­glieds so lange aktiv vor­ge­tra­gen wer­den dür­fen, bis sie sich­er sind, dass sie von den Führungskräften gehört und ver­standen wur­den. Dabei sollte Behar­rlichkeit nicht gle­ichge­set­zt wer­den mit Aggres­siv­ität. Denn Behar­rlichkeit bedeutet, dass Empfind­un­gen, Ideen, Anliegen und Sor­gen in ein­er klaren und deut­lichen Weise kom­mu­niziert wer­den sollen, ohne mit der Inten­tion, den Gesprächspart­ner zu erniedri­gen oder zu ver­let­zen. [7]

Maßnahmen und Trainings

Pro­fes­sionelle Kom­mu­nika­tion in Not­fall­si­t­u­a­tio­nen kann von medi­zinis­chen und Pflegeteams nur erwartet wer­den, wenn diese kri­tis­che Sit­u­a­tio­nen regelmäßig trainieren. Nach Rall kön­nen pro­fes­sionelle Leis­tun­gen nur von jenen Teams auf höch­stem Niveau erfol­gen, die regelmäßig kri­tis­che Sit­u­a­tio­nen im Team trainieren. Alles andere sei Glück und Zufall. [2] Als sehr wirkungsvoll habe sich dazu das real­ität­sna­he Sim­u­la­tion­strain­ing (mit Video­e­val­u­a­tion) erwiesen. Auch wenn ein flächen­deck­endes Sim­u­la­tion­strain­ing in der Medi­zin noch nicht vorhan­den sei, gäbe es mehrere Mod­elle, nach denen Not­fall­si­t­u­a­tio­nen trainiert wer­den kön­nen. Die Train­ings förderten nach Rall nicht nur die Behand­lungssicher­heit, son­dern sorgten auch für mehr Ver­ständ­nis und ein besseres Miteinan­der im Team. Des Weit­eren soll­ten nach Mei­n­ung Ralls als Basis ein­er verbesserten Kom­mu­nika­tion ganz umfassende und dezi­dierte CRM-Train­ings und Schu­lun­gen mit Übungen

  • zum Ler­nen von Entschei­dungs­find­ung in kom­plex­en Sit­u­a­tio­nen und unter Unsicherheit,
  • für besseren Trans­fer kri­tis­ch­er Infor­ma­tio­nen und effek­tiv­er Kommunikation,
  • zum pro­fes­sionellen Umgang mit Fix­ierungs­fehlern und
  • zu Team­work

verpflich­t­end einge­führt werden.

Nach wie vor gäbe es im medi­zinis­chen Bere­ich in Aus­bil­dung und Studi­um sehr sel­ten Ele­mente aus dem Bere­ich „Human Fac­tors“ und kaum verpflich­t­ende CRM-Kurse. Zudem führten die wenig­sten Kliniken und Ret­tungs­di­en­stor­gan­i­sa­tio­nen real­ität­sna­h­es Sim­u­la­tions-Team-Train­ing für typ­is­che Kom­p­lika­tio­nen und Zwis­chen­fälle durch.

 

Lit­er­atur

  1. Inv­ernizzi, F.: „Man kann Qual­ität auch herbeireden“-Zur Bedeu­tung der Kom­mu­nika­tion zwis­chen Arzt und Patient, Qual­itäts­man­age­ment im Gesund­heitswe­sen, 2015.
  2. Rall, M., Lack­n­er C.K., Cri­sis Resource Man­age­ment, Der Fak­tor Men­sch in der Akutmedi­zin, Not­fall Ret­tungsmed, 2010.
  3. Rall, M., Kop­pen­berg, J., Hell­mann, L., Hen­ninger, M.: Crew Resource Man­age­ment (CRM) und Human Fac­tors, ‧Prax­is­hand­buch Qual­itäts- und Risiko‧management im Ret­tungs­di­enst, 2013.
  4. Hage­mann, V.: Train­ingsen­twick­lung für High Respon­si­bil­i­ty Teams, 2011.
  5. Flen­t­je, M.: Kom­mu­nika­tion im Not­fall – was ist wichtig für eine effek­tive Not­fal­lver­sorgung?, archiv euromed­ica, 2015.
  6. Lasog­ga, F., Gasch, B.: Not­fallpsy­cholo­gie, Lehrbuch für die Prax­is, 2008.
  7. St. Pierre, M., Hofin­ger, G.: Risiko­fak­tor Men­sch? Human Fac­tors und Fehler in der Akutmedi­zin, 2014.
  8. Rogers, C. R.: Die nicht-direk­tive ‧Beratung, 1985.
  9. Del­hees, K. H.: Soziale Kom­mu­nika­tion, 1993.

 

Abb. 1: Die Ele­mente des Crew Ressource Man­age­ments (CRM)

Kommunikationsregeln bei Notfällen (SOP)

Der Team­leit­er gibt Anweisun­gen in möglichst knap­pen und deut­lichen Worten:

  • WAS soll getan werden?
  • WER soll es tun?

Mitar­beit­er bestätigt Infor­ma­tio­nen dem Team­leit­er und set­zt ihn über die Umset­zung in Kenntnis:

  • Bestä­ti­gung
  • Umset­zung
  • Cave (die Bestä­ti­gung ein­er Anweisung und die der Umset­zung ist essen­ziell für den Team­leit­er, nur so weiß er, dass seine Infor­ma­tio­nen angekom­men sind, nur so kann er sich auf den Patien­ten konzentrieren)

Diskus­sio­nen, Vorschläge, Uneinigkeiten:

  • Vorschläge aus dem Team und aus dem Kreis weit­er­er Beteiligter sind gut und erwün­scht, sie müssen knapp gehal­ten werden
  • Der Team­leit­er stimmt zu oder lehnt ab, Begrün­dun­gen erfol­gen jedoch nicht während der Notfallbehandlung
  • Diskus­sio­nen und Uneinigkeit­en haben in der Not­fall­be­hand­lung nichts ver­loren, sie müssen unter allen Umstän­den warten, bis der Not­fall abgear­beit­et ist

Nachbe­sprechung:

Jedes Team­mit­glied erhält Gele­gen­heit, Unstim­migkeit­en, Fra­gen oder auch Emo­tio­nen mit den anderen Team­mit­gliedern abzusprechen.

Die SOP gilt gemein­sam für den ärztlichen und pflegerischen Dienst.


Lesen Sie auch zu den Themen Notfall und Erste Hilfe:


Autorin

Friederike Inv­ernizzi, M.A.
Redak­teurin, Kom­mu­nika­tion­strainer­in und ‑bera­terin

E‑Mail: f.invernizzi@web.de

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