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Anforderungen der Reisesicherheit für Frauen

Sensibilisierung, Gefährdungen und Tipps
Reisesicherheit – speziell für Frauen?!

Warum brauchen wir Reis­esicher­heit­strain­ings speziell für Frauen? Sind die Gefahren denn nicht für alle Geschlechter gle­ich? Die Antwort hier­auf lautet: Ja und nein!

Frauen haben allein dadurch zusät­zliche Her­aus­forderun­gen, dass sie Brüste, Hin­tern und Vagi­nen haben und der eine oder andere Mann auf dieser Welt denkt, diese stün­den zur freien Ver­fü­gung. Interkul­turelle Geschlechter­rollen und unter­schiedliche Ansicht­en darüber, wie eine „anständi­ge“ Frau sich zu klei­den und zu ver­hal­ten hat, kom­men noch erschw­erend hinzu.

Beispiel Diebstahl

Als Aus­län­der ist man generell ein beliebtes Ziel für Krim­inelle, da die Täter wis­sen, dass man in der Regel das Land schnell wieder ver­lässt, die Sprache nicht gut beherrscht oder das Rechtssys­tem nicht ken­nt. Dies ist für bei­de Geschlechter gle­ich. Eine teure Uhr ist genau­so schnell vom Handge­lenk gestreift oder das Smart­phone vom Tisch gestohlen, wie die Hals­kette vom Hals geris­sen. Der Ring durch den höflichen Kof­fer­träger vom Fin­ger gestreift oder das Porte­mon­naie mit Waf­fenge­walt entwen­det. Frauen haben dies­bezüglich den Nachteil, dass sie sta­tis­tisch gese­hen mehr Schmuck tra­gen als Män­ner und meist Hand­taschen mit sich führen, die durch einen vor­beifahren­den Motor­rad­fahrer abgeris­sen wer­den könnten.

Gesundheitsrisiken

Auf­grund ander­er anatomis­ch­er Gegeben­heit­en haben Frauen auch andere Gesund­heit­srisiken. Zum Beispiel beson­dere Hygiene- und Gesund­heit­san­forderun­gen während der Peri­ode. Auch die erhöhte Gefahr von Harn­wegsin­fek­ten oder Pilz­in­fek­tio­nen darf nicht uner­wäh­nt bleiben. Schon die Erwäh­nung der Blu­tung oder Tam­pons mit Ein­führhil­fe lässt viele Män­ner vor Scham oder Ekel erstarren.

Sexuelle Übergriffe

Was den meis­ten Män­nern erspart bleibt ist die Erfahrung eines sex­uellen Über­griffs. Sie haben die Erfahrung nicht, wie es ist, wenn sie jemand begrap­scht, mit Blick­en auszieht, kör­per­lich oder ver­bal sex­uell belästigt. Den meis­ten Frauen sind diese Szenar­ien sehr wohl bekan­nt und nicht nur auf Aus­land­sreisen beschränkt. Die Angst ein­er Frau in ein­er dun­klen Unter­führung, in einem Parkhaus oder vor dem ver­schlosse­nen Hotel nachts in ein­er frem­den Stadt kann ein Mann ver­mut­lich nicht in voller Gänze nachvol­lziehen. Da mache ich den Män­nern auch keinen Vor­wurf. Woher sollen sie es auch wis­sen? Sie waren noch nie eine Frau und Nachricht­en wie „Joggen­der Stu­dent nachts im Park verge­waltigt“ sind auch eher selten.

Ein Mann: kein Garant für Sicherheit

Daher ist ein mitreisender Mann auch kein Garant für Sicher­heit. Viele Unternehmen sagen, dass ihre Mitar­bei­t­erin­nen nicht allein reisen. Das heißt in der Prax­is aber hin und wieder wenig. Denn oft herrscht eine gewisse Hil­flosigkeit und Über­forderung, was man denn tun soll. So ist das auch bei Über­grif­f­en: „Am Ende mache ich etwas falsch oder meine Hil­fe ist nicht erwün­scht, also mache ich lieber gar nichts“. Oder der Kol­lege nimmt gar nicht wahr, dass seine Kol­le­gin ger­ade belästigt wird oder sich belästigt fühlt. Weil eine Sit­u­a­tion, die für sie bedrohlich ist, auf ihn harm­los wirkt. Beson­ders dann, wenn sie ver­sucht, „keine Szene zu machen“. Und ja: Manch­mal sind die Kol­le­gen auch selb­st die Täter. Etwas, das dann gerne bagatel­lisiert wird: „Paul, ach du kennst doch Paul. Der ist halt so, wenn er etwas getrunk­en hat. Darf man alles nicht so ernst nehmen“.

Die Liebmädchenfalle

Generell tun sich Frauen mit Auseinan­der­set­zun­gen – egal ob kör­per­lich oder ver­bal – schw­er­er. Selb­st dann, wenn es abso­lut ange­bracht ist, sich mas­siv zur Wehr zu set­zen. Das geht so weit, dass manche Frauen im Unternehmen nicht mal erzählen, dass sie Kampf­s­port machen, um „keinen falschen Ein­druck zu erweck­en“ und als „stre­it­süchtige Emanze“ oder ähn­lich­es ange­se­hen zu wer­den. Zudem wollen sie nicht als schwach gel­ten, wenn sie zu Train­ings gehen. Man kön­nte das als „Unfähigkeit“ ausle­gen und gegen sie verwenden.

Ich nenne das die „Lieb­mäd­chen­falle“. Die Erziehung, die uns Frauen einre­det, wir sollen lieb, nett, brav und verbindlich sein. Immer. Bloß keine eige­nen Bedürfnisse haben. Dann kön­nte man als überempfind­lich daste­hen. Bloß nicht laut wer­den. Schon gar nicht schreien oder schla­gen. Das sei „unweib­lich“ und „hys­ter­isch“. Hat eine Frau dann noch Über­griffe in ihrer Biografie – durch Onkel, Stief­vater, Nach­bar oder Opa – weiß sie oft sowieso nicht, was eigentlich adäquates Han­deln in über­grif­fi­gen Sit­u­a­tio­nen ist.

Ein Beispiel, dass mir eine Frau im ver­gan­genen Jahr erzählte: Sie war in Frankre­ich zu einem Event und nahm ein Taxi zurück zum Bahn­hof. Der Fahrer – sie saß auf dem Beifahrersitz – begrap­schte sie völ­lig unver­mit­telt. Was sie dann gemacht habe, fragte ich sie. „Ich habe ihm höflich gesagt, er möge das lassen“.

An alle männlichen Leser: Wer von Ihnen hätte zu dem Fahrer „höflich gesagt, er möge das lassen“?!? Auf die Idee wären Sie ver­mut­lich gar nicht gekommen.

Ja und dann? „Dann hat er an sich selb­st rumge­fum­melt“. Sie sagte das so, als würde sie über´s Wet­ter reden. „Ich habe dann gebetet, dass wir bald am Bahn­hof sind. Wo sollte ich denn hin, mit­ten auf ein­er franzö­sis­chen Auto­bahn?“ – sie hat nicht reagiert, ihn auch nicht angezeigt — und zudem noch bezahlt. Ich mache ihr keinen Vor­wurf – der­ar­tige Beispiele sind kein Einzelfall. Sie spiegeln die Lieb­mäd­chen­falle wider. Oft erzählen mir ger­ade Frauen diese Geschicht­en, die vorher noch fra­gen, wozu man Reis­esicher­heits-Train­ings für Frauen denn über­haupt bräuchte. Für genau so etwas!

Das Warrior-Mindset

Um in ein­er Gefahren­si­t­u­a­tion adäquat reagieren zu kön­nen, ist das „Lieb­sein-Mind­set“ sehr hin­der­lich. Da braucht es schon ein War­rior-Mind­set. Die Bere­itschaft, sich mit Gefahren auseinan­derzuset­zen und dann eben niemals neben dem Fahrer zu sitzen. Egal, ob er das doof find­et. Sicher­heit hat sehr viel mit „Atti­tude“ zu tun. Was für Män­ner, die eine mil­itärische oder polizeiliche Aus­bil­dung haben, völ­lig nor­mal ist, ist für viele Frauen völ­liges Neu­land: Gefahren­szenar­ien durch­spie­len, vorzeit­ig und früh genug reagieren, auch mal laut wer­den. Sich zu über­legen, von wo ein möglich­er Angreifer kom­men kön­nte, wo man sich daher nicht aufhält oder wie man dann am Besten reagiert. „Wenn ich mich mit Gefahren auseinan­der­set­ze bekomme ich ja Angst“ ist dafür der falsche Ansatz. Das Gegen­teil ist der Fall. Nur was ich kenne, kann ich er-ken­nen. Wenn es zu ein­er Notwehrsi­t­u­a­tion kommt, ist vorher oft schon ganz viel schiefgelaufen.

Der vielz­i­tierte „gesunde Men­schen­ver­stand“ ist dabei ein denkbar schlechter Berater. Die Welt ist kom­plex und Men­schen tun komis­che Dinge. Beson­ders Men­schen, die unter Dro­gen ste­hen, nichts mehr zu ver­lieren oder Hor­monüber­schuss haben.

Täter lieben leichte Opfer

Täter wollen so wenig Arbeit und Risiko wie möglich, sie lieben leichte Opfer. Frauen, die zum Beispiel durch hohe Schuhe nicht in der Lage sind zu ren­nen, sich auf­grund einen­gen­der Klei­dung selb­st in der Bewe­gungs­frei­heit ein­schränken, die abge­lenkt sind durch Kopfhör­er oder den Blick aufs Handy. Die sich in Hotels der­art in Sicher­heit wiegen, dass sie sich per­ma­nent in einem schlafwan­d­lerischen Bewusst­sein­szu­s­tand befind­en. Die nicht damit rech­nen, dass jemand sich Zutritt zu ihrem Zim­mer ver­schaf­fen und dort schon auf sie warten kön­nte. „Mir ist noch nie etwas passiert“ ist als Sicher­heit­state­gie ein­fach nicht gut genug.

Spie­len Sie doch lieber mal das Spiel „Was kön­nte der Fremde neben mir im Fahrstuhl oder hin­ter mir im Gang des Hotels möglicher­weise tun, wie reagiere ich am besten“. Ein­fach so, weil’s Spaß macht.

Schuld, Scham, Depression

Wenn dann doch etwas passiert, „mit dem man nie im Leben gerech­net hätte“, schä­men sich lei­der viele Frauen. Sie fühlen sich kaputt, beschmutzt, eklig und suchen die Schuld bei sich. Oder bekom­men sie von anderen – oft auch Frauen! – übergestülpt, mit Worten wie „sowas zieht man doch selb­st an“. War der Rock zu kurz, der Blick zu aufreizend, das Lächeln zu auf­fordernd etc. Hier muss klar gesagt wer­den: Das Opfer hat nie Schuld! Die Schuld liegt allein beim Täter, der sich nicht im Griff hat und das „Nein“ ein­fach nicht ver­ste­hen oder akzep­tieren will.

Ich kenne das Beispiel ein­er jun­gen Frau, die im toten Winkel ein­er Kam­era von einem Hote­langestell­ten fast verge­waltigt wor­den wäre, wären nicht zufäl­lig Hotel­gäste vor­beigekom­men. Die junge Frau hat sich davon bis heute nicht wieder richtig erholt.

So etwas ist kein „Kava­liers­de­likt“ – wie so oft dargestellt. Um das zu verdeut­lichen habe ich mir ein Män­ner-kom­pat­i­bles Beispiel über­legt. Der Porsche ste­ht dabei für den weib­lichen Kör­p­er: Stellen Sie sich vor, Sie hät­ten einen nigel­nagel­neuen Porsche. Jemand würde im Vor­beige­hen mit dem Schlüs­sel einen lan­gen, tiefen Kratzer in den Lack machen. Obwohl sie laut „Nein!“ rufen, als sie die Warnsignale erken­nen. Hier meine Fra­gen an Sie: Würde es Ihnen leicht­fall­en, sofort laut zu wer­den? Denken sie, der­jenige würde Ihr „Nein“ für ein „Ja“ hal­ten? Die Frage, ob Sie den­jeni­gen anzeigen und am besten noch vor Ort meucheln, stellt sich Ihnen ver­mut­lich gar nicht erst.

Wür­den Sie sich hin­ter­her fra­gen, ob Sie selb­st schuld an dem Vor­fall sind, weil der Lack zu glänzend und die rote Farbe zu aufreizend war? Ob Sie den Porsche bess­er nicht dort geparkt und das Ganze damit provoziert hät­ten? Wür­den Sie sich hin­ter­her schä­men, dass aus­gerech­net Ihnen sowas passiert ist oder vor Zorn rot­glühend Ihrem Ärg­er Luft machen? Hand aufs Herz!

Fazit – wofür Reisesicherheits-Trainings für Frauen

  • Um ein Bewusst­sein für mögliche Risiken zu bekom­men, mit denen der „gesunde Men­schen­ver­stand“ nicht rech­nen würde, und Gefahren frühzeit­ig zu erkennen.
  • Um ein Früh­warn­sys­tem zu entwick­eln und zu schulen, in dem man sich
    mit den Merk­malen eines Über­griffs – soge­nan­nte Pre-Inci­dent-Indi­ca­tors – auseinandersetzt.
  • Um über eigene Erfahrun­gen im geschützten Rah­men reden zu kön­nen. Aus der Prax­is, für die Prax­is. Denn davon lebt Sicherheit.
  • Um die eige­nen Hand­lungsmuster bess­er ein­schätzen zu können.
  • Um sich mit der eige­nen Hal­tung gegenüber Gewalt auseinanderzusetzen.
  • Um zu wis­sen, dass es ver­schiedene Bewusst­seinssta­di­en gibt und wie man sie trainiert.
  • Um der eige­nen Intu­ition zu ver­trauen und Gefahren­si­t­u­a­tio­nen frühzeit­ig zu verlassen.
  • Um ein War­rior-Mind­set zu entwick­eln und somit nicht in die Lieb­mäd­chen­falle zu tappen.
  • Um es Tätern so schw­er wie möglich zu machen.
  • Um reale Gefahren-Sit­u­a­tio­nen im geschützten Rah­men durchzus­pie­len und damit unbe­wusstes Wis­sen bewusst und schnell abruf­bar zu machen.
  • Um sich mit Din­gen wie Schuld und Scham auseinan­derzuset­zen und damit eine neue Hal­tung in diese Gesellschaft zu bringen.

Foto: © Fer­nan­da Rudloff

Autorin: Ute Schneider

Reise-Sicher­heit­strain­ings für Frauen, Inhouse-Schu­lun­gen für Unternehmen

E‑Mail: mail@uteschneider.international
www.uteschneider.international

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