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Sichere Schneeräumung auf dem Dach organisieren

Erfahrungen und Konsequenzen aus einem schneereichen Winter
Sichere Schneeräumung auf dem Dach

Leise rieselt der Schnee. Was schein­bar leicht daherkommt, kann zum gewichti­gen Prob­lem wer­den: Ins­beson­dere auf Flachdäch­ern erre­icht die Schnee­last bei starkem Nieder­schlag nicht sel­ten eine kri­tis­che Größe. Wie schwierig die Beräu­mung im Akut­fall sein kann, zeigte sich im Win­ter 2010 in der Liegen­schaft der DGUV Akademie in Dres­den. Welche Erfahrun­gen damals gesam­melt wur­den und wie man jet­zt für weit­ere Schneemassen gerüstet ist, zeigt dieser Bericht.

Wenn im Win­ter in kurz­er Zeit große Schneemen­gen fall­en, haben die Win­ter­di­en­ste alle Hände voll zu tun: Ein­er­seits müssen die Verkehrs­flächen schnell­st­möglich beräumt wer­den, damit Zugänge, Wege und Straßen wieder sich­er sind. Ander­seits gibt es in vie­len Liegen­schaften Gebäude mit größeren Flach­dachbere­ichen, die von kri­tis­chen Schnee­las­ten befre­it wer­den müssen. Meis­tens sind die örtlichen Feuer­wehren oder das Tech­nis­che Hil­f­swerk im Ein­satz. Im schlimm­sten Fall sind die Gebäude ein­sturzge­fährdet und müssen ges­per­rt wer­den. Darüber hin­aus kön­nen während der eigentlichen Beräu­mung auch Gefährdun­gen durch die kri­tis­chen Wet­ter­ver­hält­nisse und „Arbeit­en in Höhen“ entstehen.

Mit schwerem Gerät im Einsatz

Im Win­ter 2010 war in Sach­sen in kürzester Zeit uner­wartet viel Schnee gefall­en. Die Beräu­mung der Schneemassen in der Liegen­schaft der DGUV Akademie kon­nte nur noch mit schw­erem Gerät erfol­gen. Darüber hin­aus musste der Schnee trans­portiert und auf geson­derten Flächen gelagert wer­den. Beson­ders schwierig gestal­tete sich die Beräu­mung der zahlre­ichen Flachdäch­er. Eine Risikobe­w­er­tung ergab, dass solche Wet­ter­ereignisse zwar sel­ten sind, ihr Schaden­saus­maß aber hoch ist. Im Ergeb­nis kon­nte zu diesem Zeit­punkt nie­mand kri­tis­che Las­ten auf den Flachdäch­ern bew­erten und insofern auch keine geeigneten Maß­nah­men zur Beräu­mung veranlassen.

Externe Unterstützung gefragt

In der weit­eren Diskus­sion wurde schnell deut­lich, dass der Betreiber der Liegen­schaft diese Auf­gaben nicht alleine lösen kann. Eine erste fach­liche Beratung wurde über ein Dres­d­ner Architek­tur­büro organ­isiert. In einem Anlaufge­spräch und bei einem anschließen­den Rundgang wur­den dann weit­ere Schritte erörtert. Diese bestanden in der Prü­fung der Genehmi­gungs­pla­nung und Sta­tik sowie in der bau­fach­lichen Bew­er­tung des Flachdachbestandes.

Zur Sich­tung der Trag­w­erk­s­pla­nung sowie zur Prü­fung der Grund­schnee­las­ten und der kri­tis­chen Schnee­las­ten wurde ein Sta­tik­er hinzuge­zo­gen. Als ein Schw­er­punkt wurde auch die Bestand­sauf­nahme der Flachdäch­er auf Basis der Fachregeln für Abdich­tun­gen (Flach­dachrichtlin­ie des Deutschen Dachdeck­er­handw­erks) gese­hen. Für diese Bew­er­tung des Auf­baus und des jew­eili­gen Pflege- beziehungsweise Instand­set­zungszu­s­tands der Däch­er wurde ein Dres­d­ner Dachdeckerun­ternehmen gewonnen.

Erste Schritte zur Prävention

Nach der Auf­nahme und Bew­er­tung des Bestandes waren die Voraus­set­zun­gen für die eigentliche Organ­i­sa­tion des Win­ter­di­en­stes gegeben. In Übere­in­stim­mung mit allen Beteiligten sollte präven­tiv vorge­gan­gen werden.

Die Ziele waren somit: die Wet­ter­la­gen zu beobacht­en, die Lasten/Schneemengen möglichst exakt zu ermit­teln und die Däch­er vor dem Erre­ichen der kri­tis­chen Las­ten sich­er zu beräu­men. Konkret ergaben sich daraus fol­gende Fragen:

  • Wer beräumt das Dach?
  • Ab welch­er Schnee­last wird beräumt?

und vor allem:

  • Wie wird beräumt und unter welchen Sicherheitsvorkehrungen?

Bei der Diskus­sion, wer neben Feuer­wehr und Tech­nis­chem Hil­f­swerk Erfahrun­gen im Bere­ich „Arbeit­en in Höhen“ und bei kri­tis­chen Wet­ter­la­gen hat, fiel der Blick auf Dachdeckerun­ternehmen: Mitar­beit­er dieser Betriebe ver­fü­gen augen­schein­lich über die meis­ten Erfahrun­gen im Bere­ich von Dachkon­struk­tio­nen und kön­nen im Win­ter in aus­re­ichen­der Anzahl und kurzfristig zur Ver­fü­gung stehen.

Ermittlung der Schneelast

Eine exak­te Ermit­tlung der Schnee­las­ten gestal­tet sich schwierig. Die Mes­sung auf dem Dach per Meter­maß und Annahme des Schneegewicht­es ist nicht aus­re­ichend, da diese Annahme die eigentliche Schneedichte und Vereisung nicht berück­sichtigt. Aus diesem Grund wurde nochmals der Sta­tik­er hinzugezogen.

Nach dessen Empfehlung ist auf den Flachdäch­ern eine Schnee­lastüberwachung durchzuführen und ab 68 kg/m² Schnee­last eine Beräu­mung präven­tiv zu organ­isieren, um Tra­gre­ser­ven für Neuschnee zu schaf­fen. Ab 100 kg/m² Schnee­last muss immer beräumt wer­den, damit die Stand­sicher­heit der Dachtrag­w­erke gewährleis­tet ist. Diese Werte kön­nen von Stan­dort zu Stan­dort abwe­ichen und müssen in Abhängigkeit der jew­eili­gen Gegeben­heit­en (unter anderem Kon­struk­tion, geo­graphis­che Lage) im Einzelfall geprüft werden.

Für eine kon­tinuier­liche Schnee­lastüberwachung wurde eine Schnee­last­waage beschafft, die über Solaren­ergie betrieben wird und im Ern­st­fall eine automa­tis­che Alarmierung per SMS auf das Ruf­bere­itschaft­stele­fon der Haustech­nik sendet.

Sichere Schneeräumung

Der Grund­satz der Beräu­mung lautet: Per­so­n­en­schutz geht vor Sach­w­ertschutz! Vor der eigentlichen Beräu­mung müssen generell eine Gefährdungs­beurteilung und eine Sicher­heit­sun­ter­weisung erstellt und die Arbeit­skräfte entsprechend unter­wiesen wer­den. Das Räu­men von Däch­ern ist eine kör­per­lich schwere Arbeit, auch in Hin­blick auf die Gefahr von Unterküh­lun­gen und Dehydration.

Nicht unter­schätzt wer­den sollte die Arbeitsvor­bere­itung zur Beräu­mung. Art und Funk­tion der Absturzsicherun­gen (dauer­hafte Umwehrung), Kennze­ich­nung von Sicher­heit­sein­rich­tun­gen und weit­eren Kon­struk­tion­se­le­menten (zum Beispiel Lichtkup­peln, Seku­ran­ten, Lüf­tungsaus­lässe), win­ter­feste Klei­dung sowie Arbeits- und Räum­mit­tel sind eben­so wichtig wie die Anzahl der Arbeit­skräfte und aus­re­ichende Pausen. Der Ein­satz von PSA gegen Absturz ist auf einem Flach­dach während der Räu­mar­beit­en hinge­gen nicht zweck­mäßig. Des Weit­eren muss ein geeigneter Zugang zum betr­e­f­fend­en Dach beste­hen und gesichert sein, um die benötigten Gerätschaften zu transportieren.

Eine Stei­gleit­er ist bei diesen Wit­terungsver­hält­nis­sen nicht geeignet. Auf­grund der kürz­eren Tage im Win­ter ist zudem eine aus­re­ichende Beleuch­tung zu gewährleis­ten. Die Beräu­mung eines Flach­daches stellt keine alltägliche Auf­gabe dar und sollte manuell mit entsprechen­der Absturzsicherung und ohne schw­eres Gerät erfolgen.

Darüber hin­aus ist es erforder­lich, eine Beräu­mungsskizze zu nutzen, um durch den Schnee verdeck­te Hin­dernisse zu ken­nen und die Dachkon­struk­tion nicht durch das Gewicht der einge­set­zten Arbeit­skräfte zu über­las­ten. Die Schneemen­gen sind, begin­nend mit­tig zwis­chen den Achsen, möglichst immer nach außen zu beräu­men. Anschließend sind die seitlichen Nach­barstreifen vom Schnee zu befreien.

Vor­ab muss zudem geprüft wer­den, welche Bere­iche unter­halb des Daches betrof­fen sind und wohin die Schneemen­gen ver­bracht wer­den kön­nen. Es ist notwendig, diese Bere­iche abzu­sich­ern. Auf Grund der kom­plex­en Auf­gaben­stel­lung wurde mit dem beauf­tragten Unternehmen eine Proberäu­mung durchge­führt. Dabei zeigte sich auch, wie schnell die Arbeit­skräfte erschöpft sind und wie wichtig daher die Arbeitsvor­bere­itung ist.

Gewusst-wie

Durch die kon­struk­tive Zusam­me­nar­beit und das präven­tive Vorge­hen der beteiligten Architek­ten, Sta­tik­er, Fach­ber­ater und Unternehmen mit dem Betreiber kann eine sichere Schneeräu­mung ermöglicht wer­den. Grund­lage ist eine Bestand­sauf­nahme der Flachdäch­er, um deren Auf­bau, Funk­tion und Zus­tand zu bew­erten. Eine sta­tis­che Bew­er­tung der Dachlas­ten ist wichtig, um die kri­tis­chen Schnee­las­ten zu ermit­teln und deren Beräu­mung zu sich­ern. Der wichtig­ste Punkt ist jedoch, die Sicher­heit der Arbeit­skräfte bei der Beräu­mung zu gewährleis­ten und ihre Gesund­heit zu schützen.

Lit­er­aturhin­weis:

  • Die DGUV Infor­ma­tion 212–002 „Schneeräu­mung auf Dachflächen“ bietet Unter­stützung bei der Pla­nung, Ver­gabe und Aus­führung von Arbeit­en zur Besei­t­i­gung der Schnee­last; www.dguv.de/publikationen.
  • Die „Regeln für Abdich­tun­gen“ enthal­ten sämtliche Fachregeln, Merk­blät­ter, Hin­weise und Pro­duk­t­daten­blät­ter aus dem Gesamtregel­w­erk des Deutschen Dachdeck­er­handw­erks, die für Dachab­dich­tungsar­beit­en rel­e­vant sind. Stand Dezem­ber 2011;
    www.baufachmedien.de.

Autor: Enri­co Fori M.Sc.

Deutsche Geset­zliche Unfallversicherung

Foto: © IAG

Praxis-Tipp

Zu diesen The­men soll­ten fol­gende Experten in die Bew­er­tung ein­be­zo­gen werden:

  • Genehmi­gungs- und Bestand­spla­nun­gen: Architek­ten, Bauin­ge­nieure, staatlich geprüfte Techniker
  • Tragwerksplanung/Standsicherheit: Sta­tik­er (staatlich anerkan­nter Sachverständiger)
  • Anzahl, Größe, Auf­bau und Funk­tion der Flachdäch­er sowie der Sicher­heit­sein­rich­tun­gen: Fachin­ge­nieur und ‑unternehmen
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