„Eigentlich ist unser Job wie ein Abenteuerspielplatz“, sagt Jürgen Liebert. „Für einen Film über Kletterparks steigen wir den Protagonisten hinterher in die Bäume. Mit dem Unterwasserschweißer tauchen wir tief ab und mit der Feuerwehr stehen wir oben auf der Drehleiter.“ Kein Auftrag ist wie der andere. Wobei Liebert und seine Kollegen auch nicht jeden Tag einen Kunstflieger begleiten oder bei Aufnahmen der Höhenrettung dabei sind.
Als Oberbeleuchter und Tontechniker ist Jürgen Liebert ein Teil des Kamerateams. Er sorgt für die optimale Ausleuchtung und den guten Ton. Das gilt für Studioaufnahmen und Filme im Innenbereich ebenso wie für Außenaufnahmen bei Sturm auf der Wasserkuppe, beim Karneval in Baunatal, Sportveranstaltungen oder dem Porträt einer Blumenbinderin. Die meisten seiner 25 Licht‑, Ton- und Kamerakollegen sind wie Liebert auch als Drohnen-Piloten ausgebildet.
Lust auf Veränderung
Liebert ist seit 1998 beim Hessischen Rundfunk in Kassel. Dabei sah es zunächst gar nicht so aus, als würde er seinem Vater nachfolgen, der in der hr-Verwaltung tätig war. Nach der Lehre zum Elektrotechniker startete der gebürtige Kasselaner bei einer Firma, die für die elektrische Ausstattung in Krankenhäusern und Privathaushalten sorgte. Nach zwölf Jahren war ihm fad, er suchte nach Veränderung und bewarb sich als Beleuchter beim hr. Damals ging es um Studioproduktionen wie die Unterhaltungssendungen „Traumtänzer“ oder „Herrchen gesucht“. „Es war ein Lernberuf und kein Lehrberuf“, so Liebert. „Die Kollegen haben mir gezeigt, was man als Beleuchter und Tontechniker machen muss, und mich so eingearbeitet.“ Heute gibt es im hr-Studio Kassel, wo der Hessische Rundfunk mit rund 200 festen und freien Mitarbeitern unter anderem das Radioprogramm hr4 und Beiträge fürs hr-Fernsehen produziert, keine Fernseh-Studioproduktionen mehr. Diese sind zum größten hr-Standort nach Frankfurt
abgewandert.
Neben Beiträgen für die tagesaktuell produzierte „hessenschau“ und das
Reportageformat „Erlebnis Hessen“ begleitet Liebert hier nun Drehs für Magazine und Spielfilme. Im Rahmen des Lübcke-Prozesses fuhr er sogar mit zu Aufnahmen nach Frankreich. Dort hatte eine Mitarbeiterin den Kontakt zu Opfern eines Moscheeanschlags aufbauen können. Und wenn der hessische „Tatort“ in Kassel und Umgebung spielt, ist der 54-Jährige auch dabei.
Immer mehr Actiondrehs
Vor allem bei riskanteren Aufnahmen sieht Liebert ein wichtiges Betätigungsfeld als Sicherheitsbeauftragter. Insbesondere Fahraufnahmen bergen Gefahren. Muss plötzlich abgebremst werden, kann kein noch so kräftiger Mensch eine zehn Kilogramm schwere Kamera festhalten. Alternativ können kleinere Kameras mit Saugnäpfen an der Frontscheibe angebracht oder für einen „Tatort“ auch Straßen abgesperrt werden. Insgesamt wandelt sich der Fernseh‑, Kino- und Serienmarkt rasant. „Die Menschen wollen immer mehr Action sehen. Unser Tatort mit Ulrich Tukur, in dem es nach Tarantino-Manier 40 Tote gab, hat viele Preise bekommen.“
Sind wir richtig ausgerüstet?
Als vor zwei Jahren der bisherige Sicherheitsbeauftragte sein Amt abgeben wollte, war Jürgen Liebert sofort bereit, zu übernehmen und den Aufgabenbereich noch weiter zu fassen, als es zuvor praktiziert wurde. Sein Chef Jens Fischer und der damals neue Sicherheitsingenieur Sven Schmidt in Frankfurt unterstützen ihn dabei. In den zwei Seminaren für Sicherheitsbeauftragte der Berufsgenossenschaft wurden den aktuellen Amtsinhabern in Kassel –Jürgen Liebert sowie sein Kollege Andreas Emde von der Ausstattung (für die Bühne) – Vorschläge und Maßnahmen an die Hand gegeben, wie man zielführend agieren kann.
„Praktikanten mit Turnschuhen lasse ich zum Dreh im Schnee nicht mitfahren.“
Liebert, als Ansprechpartner für Sicherheitsbelange rund um Film-Produktionen, stellt sich seither regelmäßig die Frage: „Sind wir genügend ausgerüstet oder müssen andere Dinge angeschafft werden?“ Er ist erster Ansprechpartner, bevor die Teams zu Drehs in Ställen oder auf Dächern aufbrechen, aber auch, wenn Aufnahmen im Dannenröder Forst oder bei Demonstrationen mit Radikalen und Vermummten anstehen, die Kamerateams und Journalisten mitunter anfeinden. Auch hier lautet die Frage: Sind die Kollegen genügend gesichert mit Helmen und Schutzausrüstung, kennen sie die Verhaltensregeln?
Separates Akku-Lager eingeführt
Außerdem werden regelmäßig Sicherheitsunterweisungen durchgeführt und dokumentiert. Sukzessive nehmen feste und freie Mitarbeiter daran teil. Es wurden Sicherheitsschuhe für alle angeschafft. Für Drehs bei Matsch und Regen gibt es Gummistiefel in den Einsatzfahrzeugen. Wer klettern oder in der Höhe arbeiten muss, findet in der Kamerawerkstatt Sicherheitshelme und Gurte. Außerdem hat Liebert vorgeschlagen, ein separates Akku-Lager einzurichten. Das wurde sofort umgesetzt. Sollte ein Akku Feuer fangen, werden die Kameras und Film-Utensilien somit nicht in Mitleidenschaft
gezogen.
Arbeitsvorbereitung ist das A und O
Liebert ist ein Mensch, der die Dinge wohlüberlegt angeht. „Ich habe mein Haus selbst umgebaut und dabei immer wieder festgestellt, dass man aus reiner Bequemlichkeit seine Schutzbrille oder den Gehörschutz nicht nutzt. Ich habe mich dadurch auch schon in kritische Situationen gebracht“, erzählt er. Das kann zu schlimmen Unfällen führen, wie ihm heute bewusst ist. Deshalb plädiert er immer für eine gute Arbeitsvorbereitung – auch mit der nötigen Konsequenz: „Wenn ein Praktikant zu einem Dreh im Schnee in Turnschuhen erscheint, lasse ich ihn nicht mitfahren.“ Handschuhe, Mütze, Wärmeschutzkleidung und entsprechendes Schuhwerk gehören in der kalten Jahreszeit dazu. „Unerfahrene Mitarbeiter machen sich keine Vorstellung davon, wie lange man manchmal bei unwirtlichem Wetter ausharren muss und wie kalt es einem dann wird.“ Liebert fühlt sich verantwortlich dafür, dass dies niemand mehr passiert. „Wenn ich persönlich dabei bin, ist es einfach, darauf zu achten.“ Ansonsten müsse man gut argumentieren beziehungsweise Einsätze und Maßnahmen von längerer Hand vorbereiten. Oberstes Ziel ist, dass die Teams, die draußen sind, gesund bleiben und es nicht zu Unfällen kommt.
Sportlich unterwegs
Aber, so stellt Liebert klar, etwas Schlimmes ist noch nie passiert. Die Kollegen haben in der Regel alle ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Der Betriebsarzt Dr. André Dupin schaut sich immer wieder die Arbeitsplätze an – auch unter hygienischen Gesichtspunkten, da diese beim hr häufig von mehreren Personen genutzt werden. Weil die Filmteams viel unterwegs sind, wurde ihnen erst kürzlich ein Fahrtraining angeboten, das auf große Begeisterung gestoßen ist. Der hr hat zudem eine Betriebssportgruppe und bietet darüber hinaus Kurse von Achtsamkeitstraining bis hin zu Tennis, Laufen und Yoga an. Liebert selbst ist ein sportlicher Typ. „Der Job hält uns fit,“ sagt er. Privat fährt er viel Fahrrad, mit dem Hund an seiner Seite. Früher war er zudem leidenschaftlicher DLRG Rettungsschwimmer. Doch das ließ sich immer weniger mit seinem Beruf und der Familie vereinbaren. Heute reicht die Zeit nur noch für gelegentliche Schwimmausflüge.
Gut, dass du da bist!
Beim hr in Kassel herrscht eine familiäre Atmosphäre. Deshalb macht es Liebert solche Freude beziehungsweise ist es ihm persönlich ein Bedürfnis, daran mitzuwirken, dass seine Kollegen ihre Jobs sicher ausführen können. Noch lohnender wird sein Einsatz für die Sicherheit dadurch, dass diese ihn zu schätzen wissen: „Gut, dass du vorher mit der Redaktion gesprochen hast.“ „Gut, dass du dabei warst.“ Oder „Gut, dass du für eine zusätzliche Person und andere Mittel gesorgt hast.“ Das sind Sätze, die Liebert immer wieder hört und die ihn in seinen Bemühungen bestärken.
Steckbrief
- Jürgen Liebert
- 54 Jahre
- Lehrberuf: Elektrotechniker
- Aktuelle Position: Oberbeleuchter und Tontechniker beim Hessischen Rundfunk in Kassel
- Sicherheitsbeauftragter seit 2018
- Branche: Medien
Hessischer Rundfunk
Der Hessische Rundfunk (hr) ist seit über 70 Jahren die öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt in und für Hessen. Der hr ist Gründungsmitglied der ARD. Hauptsitz des hr ist das Frankfurter „Funkhaus am Dornbusch“.
- Mitarbeiter: 1.725 festangestellte sowie rund 850 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 26 Reporter für die regionale Berichterstattung plus 15 hr-Korrespondenten im Hauptstadtstudio Berlin und in den ARD-Studios weltweit.
- Standorte: Neben dem Funkhaus in Frankfurt gibt es hr-Studios in Kassel, Fulda, Gießen, Wiesbaden und Darmstadt und zusätzliche Korrespondentenbüros in allen Regionen Hessens.
- www.hr.de