Die bisherigen Maßnahmen können mittels einer fachkundigen Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz mit der neuen ASR2.2 abgeglichen werden. Der Arbeitgeber kann dabei auch die bisher nach der Ausgabe November 2012 der ASR A2.2 getroffenen Maßnahmen beibehalten, was feststellend zu dokumentieren ist.
Mit Bekanntmachung vom 2. Mai 2018 fasste das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.2 „Maßnahmen gegen Brände“ neu. Veröffentlicht wurde die reformierte Arbeitsstättenregel in der Ausgabe Mai 2018 im Gemeinsamen Ministerialblatt 2018, Seite 446. Sie ersetzt die frühere Ausgabe November 2012 und ist umfangreicher, um Praktikern einerseits mehr Spielraum und andererseits die gebotene Anwendersicherheit für technisch und organisatorisch angemessene Maßnahmen zu geben.
Wesentliche Neuerungen der ASR2.2 Mai 2018
Die Grundausstattung mit Feuerlöscheinrichtungen für alle Arbeitsstätten erfolgt nun klarstellend im Regelfall mit der Bereitstellung von Feuerlöschern nach DIN EN 3–7:2007–10 „Tragbare Feuerlöscher – Teil 7: Eigenschaften, Leistungsanforderungen und Prüfungen“. Anhang 1 enthält ein allgemeines Lösungsschema zur Festlegung der Ausstattung der Arbeitsstätte; Ausführungsbeispiele für die Grundausstattung sind im Anhang 2 beschrieben und neuerdings für die Abweichung von der Grundausstattung im Anhang 3 (Beispiel 3.1 bei normaler Brandgefährdung) dargestellt.
Unverändert gilt der bisherige Grundsatz, dass für die Grundausstattung aller Arbeitsstätten im Regelfall nur Feuerlöscher angerechnet werden, die als Löschleistungsvermögen jeweils über mindestens sechs Löschmitteleinheiten (LE) verfügen. Neu ist die Möglichkeit bei normaler Brandgefährdung in Ausnahmefällen Feuerlöscher anrechnen zu lassen, die jeweils nur über mindestens zwei LE verfügen, wenn
- sich hierdurch eine Vereinfachung in der Bedienung ergibt, zum Beispiel durch mindestens 25 Prozent Gewichtsersparnis je Feuerlöscher,
- die Zugriffszeit, zum Beispiel durch Halbierung der maximalen Entfernung zum nächstgelegenen Feuerlöscher nach Punkt 5.3, reduziert wird und
- die Anzahl der Brandschutzhelfer nach Punkt 7.3 verdoppelt wird.
Das Ausführungsbeispiel einer Kindertagesstätte (Kita) mit 538 m² verdeutlicht das Voranstehende (Beispiel 2.2 des Anhangs 2 der ASR A2.2). Im Ergebnis werden dort insgesamt sechs Wasserlöscher mit drei Litern Wasser für die Brandklasse A und einem Löschvermögen von 13A je Gerät (vier LE nach Tabelle 2) vorgesehen und in den vorhandenen Kita-Gruppen, im Büro und in der Aufwärmküche positioniert. Alle Beschäftigten sind als Brandschutzhelfer ausgebildet. Durch die Auswahl und Positionierung der genannten Feuerlöscher sind die Kriterien Gewichtsersparnis und Reduzierung der Entfernung zum nächstgelegenen Feuerlöscher erfüllt.
Ein weiteres Beispiel für einen Abweichungsfall bei normaler Brandgefährdung ist eine Verwaltung mit einer eingeschossigen Grundfläche mit 600 m² und dem Vorhandensein eines weiterbetriebenen Wandhydranten (Anhang 2, Beispiel 3.1). Hier ist zu beachten, dass die frühere Wandhydranten-Anrechnungsregelung bei der Feuerlöscher-Grundausstattung (Punkt 5.2.2 der früheren ASR A2.2, Ausgabe November 2012) in der neuen ASR A2.2 weggefallen ist. In diesem Beispiel wird indes weiter an der grundsätzlichen Anrechenbarkeit von bis zu 27 LE für einen Wandhydranten festgehalten. Im Ergebnis werden auf Basis der Gefährdungsbeurteilung für den Wandhydranten allerdings nur acht LE angerechnet. Für die übrige Grundausstattung sind Pulverfeuerlöscher mit jeweils sechs LE vorgesehen.
Das für die Ermittlung zusätzlicher Brandschutzmaßnahmen wichtige Kriterium der „erhöhten Brandgefährdung“ ist begrifflich umfassender bestimmt worden. Nach Punkt 3.3 der ASR A2.2 liegt eine erhöhte Brandgefährdung vor, wenn
- entzündbare beziehungsweise oxidierende Stoffe oder Gemische vorhanden sind,
- die örtlichen und betrieblichen Verhältnisse für eine Brandentstehung günstig sind,
- in der Anfangsphase eines Brandes mit einer schnellen Brandausbreitung oder großen Rauchfreisetzung zu rechnen ist,
- Arbeiten mit einer Brandgefährdung durchgeführt werden (zum Beispiel Schweißen, Brennschneiden, Trennschleifen, Löten) oder Verfahren angewendet werden, bei denen eine Brandgefährdung besteht (zum Beispiel Farbspritzen, Flammarbeiten) oder
- erhöhte Gefährdungen vorliegen, zum Beispiel durch selbsterhitzungsfähige Stoffe oder Gemische, Stoffe der Brandklassen D und F, brennbare Stäube, extrem oder leicht entzündbare Flüssigkeiten oder entzündbare Gase.
Zu beachten ist, dass die erhöhte Brandgefährdung im Sinne dieser ASR die erhöhte und hohe Brandgefährdung nach der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 800 „Brandschutzmaßnahmen“ einschießt.
In diesem Kontext ist die beispielhafte Aufzählung von Bereichen und Tätigkeiten in Arbeitsstätten mit erhöhter Brandgefährdung um die technischen und naturwissenschaftlichen Bereiche in Bildungs- und Forschungseinrichtungen und Werkstätten mit Behinderungen ergänzt worden (Tabelle 4, Ziffer 2. Dienstleistungen zu Punkt 6.1 der ASR A2.2).
Um eine schnelle und wirksame Bekämpfung von Entstehungsbränden bei Arbeitsbereichen oder Arbeiten mit erhöhter Brandgefährdung sicherzustellen, wurden die zusätzlichen Maßnahmen bei erhöhter Brandgefährdung konkretisiert. Für Feuerlöscheinrichtungen ist nach Punkt 6.2 (2) der ASR A2.2 insbesondere sicherzustellen, dass:
- das Löschmittel der Brandklasse angepasst ist,
- die Löschmittelmenge ausreichend ist, um einen Entstehungsbrand dieser Gefährdung abzudecken und
- die gleichmäßig verteilten Feuerlöscheinrichtungen so positioniert sind, dass sie im Falle eines Brandausbruchs in Bereichen mit erhöhter Brandgefährdung noch ohne Gefährdung von Beschäftigten schnell (in der Regel nicht größer als 5 m, maximal 10 m tatsächliche Laufweglänge) erreicht werden kann.
Neben der Ausrüstung mit Brandmeldeeinrichtungen zur frühzeitigen Erkennung von Entstehungsbränden können ortsfeste Brandbekämpfungsanlagen (zum Beispiel Sprinkleranlagen, Sprühwasserlöschanlagen, Feinsprühlöschanlagen, Schaum‑, Pulver- oder Gaslöschanlagen) zusätzliche, also über die Grundausstattung hinaus gehende Maßnahmen des Brandschutzes sein. Punkt 6.2 der neuen ASR2.2 konkretisiert dies nun. Ortsfeste Brandbekämpfungsanlagen sind vorrangig zum Beispiel dann erforderlich, wenn
- eine Brandbekämpfung mit Feuerlöscheinrichtungen wegen der Eigengefährdung nicht möglich ist oder
- die Bereiche nicht zugänglich sind.
Präziser gefasst ist die Organisation des betrieblichen Brandschutzes (Punkt 7 der ASR A2.2):
- Festlegung der notwendigen Maßnahmen einschließlich Verhaltensregeln im Brandfall durch den Arbeitgeber und deren Dokumentation, etwa durch Aushang einer Brandschutzordnung (DIN 14096:2014–05 „Brandschutzordnung – Regeln für das Erstellen und das Aushängen) oder „Regeln für das Verhalten im Brandfall“ als grafischer Teil des Flucht- und Rettungsplans nach ASR A1.3 „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung“.
- Zweckmäßige Benennung eines Brandschutzbeauftragten, wenn eine erhöhte Brandgefährdung festgestellt wurde.
Der Brandschutzbeauftragte ist damit erstmalig in einer staatlichen Arbeitsschutzregel festgeschrieben (Punkte 3.10 und 7.4 der ASR A2.2). Brandschutzbeauftragte sind Personen, die vom Arbeitgeber bestellt werden und ihn zu Themen des betrieblichen Brandschutzes beraten und unterstützen. Ihre Benennung kann bei Arbeitsstätten mit erhöhter Brandgefährdung zweckmäßig sein.
Zu bedenken ist, dass die Anforderung der Bestellung eines Brandschutzbeauftragten sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben kann. Das ist beispielsweise durch landesbaurechtliche Sonderbauvorschriften wie etwa in der Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau geregelt.
Weiter empfiehlt Punkt 7.3 der neuen ASR A2.2, dass Brandschutzhelfer praktische Löschübungen in Abständen von drei bis fünf Jahren wiederholen. Dies entspricht der bisher gängigen Empfehlung der gesetzlichen Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften, Unfallkassen).
Zu den abweichenden/ergänzenden Anforderungen für Baustellen der neuen ASR2.2 (Punkt 8 (2) und (3)) gehört, dass für jedes der eingesetzten Arbeitsmittel jetzt eine erhöhte Brandgefährdung gegeben sein muss. Bisher war bereits ein geeigneter Feuerlöscher mit mindestens sechs LE vorgeschrieben; nun ist er in unmittelbarer Nähe der eingesetzten Arbeitsmittels breitzuhalten.
Die Bekanntgabe der neuen ASR A2.2 ist also Anlass, die bestehenden festgelegten Maßnahmen gegen Brände auf Anpassungsbedarf durch eine fachkundige Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers zu überprüfen. Hierzu kann dieser interne wie auch externe Fachleute wie zum Beispiel Brandschutzbeauftragte, Brandschutz-Fachberater oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu Rate ziehen.
Autor: Carsten Wege
Geschäftsführer
Bundesverband Brandschutz Fachbetriebe e.V.
info@bvbf.de
„Mit der neuen ASR2.2 ist der Brandschutzbeauftragte erstmalig in einer staatlichen Arbeitsschutzregel festgeschrieben.“