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Absturzunfall bei Reinigungsarbeiten: Transportöffnung unzureichend gesichert

Transportöffnung unzureichend gesichert
Absturzunfall bei Reinigungsarbeiten

Absturzunfall bei Reinigungsarbeiten
Bei Grundreinigungsarbeiten in einem Nahrungsmittelbetrieb kam es zu einem folgenschweren Unfall. Foto: © ETAP - stock.adobe.com
Wartungs- und Reini­gungsar­beit­en sind meist mit beson­deren Gefährdun­gen ver­bun­den, weil es hier zu nicht vorherse­hbaren Sit­u­a­tio­nen kom­men kann. Daher müssen neben den tech­nis­chen und organ­isatorischen Schutz­maß­nah­men sehr konkrete Anforderun­gen an das sichere Ver­hal­ten der Aus­führen­den gestellt und diese auch kon­se­quent umge­set­zt wer­den, wie das nach­fol­gende Unfall­beispiel zeigt.
 

Hin­weis: Am 21. Sep­tem­ber 2021 ver­anstal­ten wir ein kosten­los­es Webi­nar von 10.00 bis 11.00 Uhr zusam­men mit MSA Safe­ty zum The­ma Absturzsicherung: “Wie man die Sicher­heit bei Arbeit­en in der Höhe erhöht und gle­ichzeit­ig die Kosten im Blick behält”.
Weit­ere Infos und die Anmeldemöglicheit find­en Sie hier.

In einem Unternehmen der Nahrungsmit­tel­her­stel­lung waren die regelmäßi­gen Grun­dreini­gungsar­beit­en durchzuführen. Dabei wer­den unter anderem alle Ober­flächen wie Wände und Fußbö­den mit Reini­gungsmit­teln einge­sprüht und dann mit einem war­men Wasser­strahl abge­spritzt. Zusät­zlich sind auch alle Ein­bauteile entsprechend zu reinigen.

Zum Trans­port von Erzeug­nis­sen über eine Trans­port­bahn befind­et sich zwis­chen dem Obergeschoss und dem Erdgeschoss eine Öff­nung. Die Absturzkante ist mit einem Gelän­der gesichert, das eine bedarf­sweise ver­schließbare Öff­nung enthält. Sie wird aus trans­port­tech­nol­o­gis­chen Grün­den benötigt und kann mit­tels ein­er ver­schieb­baren Gelän­der­stange geschlossen wer­den. Vor der Öff­nung im Gelän­der gibt es eine zusät­zliche Zugangssicherung in Form ein­er Ket­ten­ab­span­nung. Die mögliche Absturzhöhe vom Ober- zum Erdgeschoss beträgt cir­ca fünf Meter.

Während der Reini­gungsar­beit­en war die Öff­nung im Gelän­der mit­tels der ver­schieb­baren Stange ver­schlossen. Die zusät­zlichen Ket­ten­ab­span­nun­gen waren jedoch ent­fer­nt wor­den. Der Beschäftige, der die Reini­gungsar­beit­en aus­führte, spritzte mit dem Wasser­schlauch den Fuß­bo­den ab und bewegte sich dabei mit dem Rück­en in Rich­tung Absturzkante. Wahrschein­lich auf­grund sein­er Bewe­gun­gen ver­schob sich die Gelän­der­stange und er stürzte ab. Die Fol­gen des Unfalls waren schw­er­ste Ver­let­zun­gen des Beschäftigten, die zu dauer­haften Schädi­gun­gen führten und die Beruf­sauf­gabe notwendig machten.

Was waren die Unfallursachen?

Bei der Ermit­tlung der Unfal­lur­sachen wurde fest­gestellt, dass die vorhan­dene Absturzsicherung nicht den dafür gel­tenden Anforderun­gen nach der Tech­nis­chen Regel für Arbeitsstät­ten ASR A 2.1 „Schutz vor Absturz und her­ab­fal­l­en­den Gegen­stän­den, Betreten von Gefahrbere­ichen“ genügte. So war die Gelän­der­stange nicht gegen zufäl­liges Ver­schieben gesichert und zudem so gelagert, dass sie bei einem zufäl­li­gen Ver­schieben die kom­plette Öff­nung freigab.

Den im Unternehmen täti­gen Beschäftigten und auch dem mit den Reini­gungsauf­gaben betraut­en Mitar­beit­er war dieser Umstand bekan­nt. Er wurde aber wed­er den zuständi­gen Vorge­set­zten noch der Unternehmensleitung als Man­gel gemeldet. Auch waren keine Warn­hin­weise ange­bracht, um auf die Absturzge­fahr aufmerk­sam zu machen.

Folgerungen aus dem Ereignis

Es ist aus pro­duk­tion­stech­nol­o­gis­chen Grün­den immer wieder erforder­lich, dass es zwis­chen ver­schiede­nen Ebe­nen eines Gebäudes Trans­portöff­nun­gen gibt. Diese müssen allerd­ings so gestal­tet wer­den, dass in jedem denkbaren Fall für in diesem Bere­ich tätige Beschäftigte ein umfassender Schutz vor möglichen Abstürzen gegeben ist. Die Tech­nis­che Regel für Arbeitsstät­ten ASR A 2.1 „Schutz vor Absturz und her­ab­fal­l­en­den Gegen­stän­den, Betreten von Gefahrbere­ichen“ fordert hierzu in Abschnitt 4.2 „Rang­folge der Maß­nah­men zum Schutz vor Absturz“:

Bauliche und tech­nis­che Maß­nah­men haben Vor­rang vor organ­isatorischen und indi­vidu­ellen Schutz­maß­nah­men. Sie sind entsprechend der nach­fol­gen­den Rang­folge zu treffen.

  1. Absturzsicherun­gen
  2. Lassen sich aus betrieb­stech­nis­chen Grün­den (zum Beispiel Arbeitsver­fahren, zwin­gende tech­nis­che Gründe) Absturzsicherun­gen nicht ver­wen­den, müssen an deren Stelle Auf­fangein­rich­tun­gen vorhan­den sein.
  3. Lassen sich keine Absturzsicherun­gen oder Auf­fangein­rich­tun­gen ein­richt­en, sind Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tun­gen gegen Absturz (PSAgA) als indi­vidu­elle Schutz­maß­nahme zu ver­wen­den. Die geeignete PSAgA muss sich aus der Gefährdungs­beurteilung ergeben. Voraus­set­zung für die Ver­wen­dung von PSAgA ist das Vorhan­den­sein geeigneter Anschlagein­rich­tun­gen. Die Beschäftigten müssen in der Benutzung der PSAgA eingewiesen und über die Durch­führung der erforder­lichen Ret­tungs­maß­nah­men, zum Beispiel über den Auf­fangvor­gang, unter­wiesen wer­den (Erste Hil­fe und Ret­tungs­geräte siehe ASR A4.3 „Erste-Hil­fe-Räume, Mit­tel und Ein­rich­tun­gen zur Ersten Hilfe“).
  4. Lassen die Eige­nart und der Fort­gang der Tätigkeit und Beson­der­heit­en des Arbeit­splatzes die vor­ge­nan­nten Schutz­maß­nah­men nicht zu, darf auf die Anwen­dung von PSAgA im Einzelfall (zum Beispiel Boden- und Wandöff­nun­gen von Szenen­flächen bei Büh­nen) nur dann verzichtet wer­den, wenn:
  • die Arbeit­en von fach­lich qual­i­fizierten und kör­per­lich geeigneten Beschäftigten aus­ge­führt werden
  • der Arbeit­ge­ber für den begrün­de­ten Aus­nah­me­fall eine beson­dere Unter­weisung durchge­führt hat und
  • die Absturzkante für die Beschäftigten deut­lich erkennbar ist.

Im vor­liegen­den Fall hätte das Gelän­der so gestal­tet wer­den müssen und kön­nen, dass der Zugang zur Absturzkante immer durch eine feste Sicherung, die nicht auf ein­fache Weise ent­fer­nt wer­den kann, gesichert ist. Dabei kön­nen mech­a­nis­che oder elek­tro­mag­netis­che Ver­riegelun­gen oder auch Kom­bi­na­tio­nen aus bei­dem zur Anwen­dung kom­men. Zudem sollte auf eine nicht geschlossene Sicherung durch geeignete Warn­sys­teme aufmerk­sam gemacht werden.

Es wäre zum Beispiel möglich gewe­sen, die Öff­nung im Gelän­der mit ein­er mech­a­nisch beweg­baren Tür, die sich nur bei Annäherung des Trans­portgutes öffnet und danach wieder schließt, zu verse­hen. Zusät­zlich kann die Öff­nung mit ein­er Vorhal­tung zum Anbrin­gen eines Vorhängeschloss­es zur Sicherung nach der LOTO-Meth­ode (Lock­out-Tagout) zum Beispiel für Reini­gungsar­beit­en verse­hen wer­den. Die LOTO-Meth­ode ist eine ins­beson­dere im Wartungs- und Instand­hal­tungs­bere­ich bewährte Sicherung, um das verse­hentliche Inbe­trieb­nehmen, Ein­schal­ten oder Öff­nen von Sys­te­men durch unbefugte Per­so­n­en zu ver­hin­dern. Die ange­bracht­en Schlöss­er kön­nen nur durch den Berechtigten selb­st wieder ent­fer­nt werden.

Tipp: Gezielt mit dem The­ma Lock­out-Tagout befasst sich der Beitrag “Instand­hal­tungsar­beit­en an Maschi­nen: Mit Lock­out-Tagout auf der sicheren Seite”.


Foto: © Foto­stu­dio City Col­or Mun­schke, Weimar

Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann

Sicher­heitsin­ge­nieur VDSI

SIMEBU Thürin­gen GmbH


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