Seit dem 31.12.2018 ist nun erstmalig das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG)2 mit einer neuen Fassung der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)3 als ein einziger Komplex von Rechtsvorschriften in Kraft getreten. Diese setzen die EURATOM-Richtlinie 2013/594 vom 5.12.2013 in nationales Recht um. Dabei wurden neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission berücksichtigt.
Allgemeiner Strahlenschutz
Strahlenschutz begegnet uns überall dort, wo zum Schutz des Menschen und – soweit es um den langfristigen Schutz der menschlichen Gesundheit geht – der Umwelt Regelungen vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung notwendig sind. Jedem geläufig ist praktizierter Strahlenschutz in der Medizin (Röntgendiagnostik, Strahlentherapie), mit seinen grundlegenden Wirkungsweisen: Abschirmung, Abstand und begrenzte Aufenthaltszeiten in Strahlungsfeldern.
Hingegen sind die vielfältigen Anwendungen in der Industrie, wie Füllstandsmessungen in Großbehältern, Schichtdickenmessungen in Papier- und Folienproduktion, Qualitätsprüfung von massiven Werkstücken, Schienen, Schweißnähten oder Brücken mittels Röntgenstrahlung weniger bekannt. Auch hier sind Strahlenschutzmaßnahmen unerlässlich.
Im Gegensatz zu Arbeiten in/mit Strahlungsfeldern ist der Umgang mit radioaktiven Stoffen durch noch umfangreichere Strahlenschutzmaßnahmen zu begleiten. Denn technisch erzeugte Strahlungsfelder (z. B. Röntgenstrahlen) lassen sich gut abschirmen und können jederzeit abgeschaltet werden. Radioaktive Stoffe zerfallen dagegen unter Aussendung von Strahlung ausschließlich mit ihrer Halbwertszeit und lassen sich somit zeitlich nicht weiter begrenzen.
Das Gefahrenpotential ist bei den vielen hundert verschiedenen Radionukliden dabei höchst unterschiedlich. Es hängt von der Menge der Nuklide, der Zerfallsart (z. B. α, β, γ), Energie der ausgesendeten Strahlung, Häufigkeit des Zerfalls (Länge der Halbwertszeit) und Toxizität ab. Für das Gefahrenpotential spielt hingegen keine Rolle, ob das Radionuklid künstlich erzeugt wurde oder bereits in der Natur vorkommt.
Besonderes im Strahlenschutzrecht
Im neuen Strahlenschutzgesetz werden nun grundsätzlich drei Situationsbedingungen unterschieden.
- Geplante Exposition (Teil 2 im StrlSchG, § 6 – § 91): In diesem Teil werden alle Tätigkeiten geregelt, die mit Beaufschlagung einer Strahlendosis (sog. Expositionen) von Mensch und Umwelt verbunden ist und vorab planbar ist. Er basiert auf der langen Tradition, den der Strahlenschutz in Deutschland bereits im Rechtswesen und in der Praxis besitzt.
- Notfallexposition (Teil 3 im StrlSchG): In § 92 – § 117 wird das Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder, sowie der Schutz der Einsatzkräfte geregelt. Darüber hinaus beziehen sich die Paragrafen auf Notfälle, wie sie zum Bespiel durch havarierte Reaktoren oder eingesetzte Kernwaffen überregional entstehen können.
- Bestehende Expositionssituation (Teil 4 im StrlSchG, § 118 – § 160): Zu einer bestehenden Expositionssituation kann es nach Notfällen kommen, wenn sich die radiologische Lage im Wesentlichen stabilisiert hat (Kapitel 1, § 118 – § 120). Besonders hervorzuheben sind im gesamten Strahlenschutzgesetz jedoch die mit Kapitel 2 erlassen Regelungen zum natürlich vorkommenden radioaktiven Gas Radon.
Erstmalig hat der Gesetzgeber in den §§ 121 bis 132 StrlSchG mit dem „Schutz vor Radon“ allgemeingültige Vorgaben für dieses Edelgas im deutschen Recht eingeführt. Dies ist einerseits auf die Häufigkeit des Vorkommens dieses Gases in Gebäuden und andererseits auf die Relevanz auf die Gesundheit zurückzuführen.
Radon
Radon ist ein natürlich vorkommendes radioaktives Edelgas. Es entsteht in Gesteinen sowie im Erdreich als Zerfallsprodukt der beiden Elemente Uran und Thorium. Radon zerfällt in die (ebenso radioaktiven) sieben Tochternuklide wie beispielsweise Polonium, Blei und Wismut. Die Zerfallsreihe endet mit dem stabilen, nicht radioaktiven Blei-206.
Wenn Radon aus der Bodenluft durch Fugen oder Risse im Fundament in Keller- oder Erdgeschossräume eines Gebäudes eindringt, kann es sich in der Raumluft anreichern. Die Radonkonzentration ist üblicherweise in bodenberührenden Gebäudebereichen (Keller und nicht unterkellerte Räume) am höchsten und nimmt dann von Stockwerk zu Stockwerk ab.
Der Mensch nimmt Radon und seine Zerfallsprodukte über die Atmung auf. Der größte Teil der jährlichen Strahlendosis ( 50%), der die Bevölkerung aus natürlichen Strahlenquellen in Deutschland ausgesetzt ist, ist auf Radon zurückzuführen.5 Radon und seine Zerfallsprodukte sind nachgewiesenermaßen ein nicht zu unterschätzendes Karzinogen für Menschen. Tausende von Lungenkrebsfälle wurden bereits als Folge hoher Radon-Expositionen bei Bergarbeitern dokumentiert. Dass auch in Wohn- und Aufenthaltsräumen die Inhalation von Radon und seinen Zerfallsprodukten zu einem erhöhten Lungenkrebsrisiko bei Nichtrauchern, in vermehrtem Ausmaß bei Rauchern führt, konnte nun auch in großen Populationen nachgewiesen werden (Daby et al., 20056)
Aussagen der ICRP (Internationalen Strahlenschutzkommission, 20107) zu Radon haben über die neuen EU-Grundnormen (EC 2013/59) nun Eingang ins deutsche Strahlenschutzrecht gefunden — insbesondere in § 126 „Referenzwert“. Er enthält nun diesen Satz: „Der Referenzwert für die über das Jahr gemittelte Radon-222-Aktivitätskonzentration in der Luft an Arbeitsplätzen beträgt 300 Becquerel je Kubikmeter.“
Wichtig ist hier
- zu erkennen, dass es sich um einen Referenzwert und nicht um einen Grenzwert handelt. Ich erkläre den Unterschied gerne anhand einer Ampelschaltung.
- Ein Referenzwert kann hier zum Beispiel als der Schaltzeitpunkt einer Ampel von der Grün-Phase zur Gelb-Phase dargestellt werden. Dann sind Schutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen und anzuwenden. Wohingegen ein Grenzwert der Zeitpunkt wäre, bei dem die Ampel von Gelb auf Rot umschaltet. Dann ist es gesetzlich vorgeschrieben, ein Muss, Prozesse anzuhalten und zu ändern.
- dass die Messung der Radon-222-Aktivitätskonzentration in der Luft mindestens einen Zeitraum von einem Jahr umfassen muss: Sei es als einzelner Messwert eines sogenannten (Kernspur-) Exposimeters (passiv, siehe Abb. 1 „Langzeitexposimeter“) oder als gemittelter Messwert aus vielen Kurzzeitmessungen eines elektronischen Messsystems (aktiv). Der Grund für den langen Zeitraum der Messung liegt darin, dass sich Messwerte in den Wintermonaten um einen Faktor 2 bis 10 von Messwerten in den Sommermonaten unterscheiden können. (siehe Abb. 2).
- dass dieser Paragraph für alle Arbeitsplätze und damit für jeden Arbeitnehmer im Bundesgebiet Gültigkeit besitzt.
Ein Referenzwert von 300 Becquerel je Kubikmeter ist in § 126 festgelegt. Wer nun einer Messpflicht unterliegt ist in § 127 geregelt. Darin heißt es: „Wer für einen Arbeitsplatz in einem Innenraum verantwortlich ist, hat innerhalb der Frist nach Satz 2 Messungen der Radon-222-Aktivitätskonzentration in der Luft zu veranlassen, wenn
- sich der Arbeitsplatz im Erd- oder Kellergeschoss eines Gebäudes befindet, das in einem nach § 121 Absatz 1 Satz 1 festgelegten Gebiet liegt, oder
- die Art des Arbeitsplatzes einem der Arbeitsfelder nach Anlage 8 zuzuordnen ist. …“
In § 121 StrlSchG werden die Bundesländer verpflichtet, bis Ende 2020 die sogenannten Radonvorsorgegebiete festzulegen. In erster Linie werden Bundesländer diese Gebiete auf Landkreisebene und nach fortlaufender Datengrundlage (§ 153 StrlSchV) des Bundesamtes für Strahlenschutz (siehe Grafik „BfS-Karte“8,) festlegen. Das heißt, dass eine Messpflicht für Unternehmen mit Arbeitsplätzen in
- untertägigen Bergwerken, Schächten und Höhlen, einschließlich Besucherbergwerken,
- Radonheilbädern und Radonheilstollen,
- Anlagen der Wassergewinnung, ‑aufbereitung und ‑verteilung
seit dem 31.12.2018 besteht und für Unternehmen in den noch festzulegenden Radonvorsorgegebieten mit dem Tag der Bekanntgabe beginnt. Die Frist, bis zu der die über das Jahr gemittelte Messung erfolgt sein muss, beträgt 18 Monate nach Beginn der Messpflicht.
Dabei kann von geschätzt weit über 340.000 betroffenen Arbeitsplätzen ausgegangen werden, die im Bundesgebiet einer Messpflicht unterliegen werden.9
Ein Unternehmen kann auf zwei Wegen einen Nachweis der Messungen führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorlegen:
- Durchführung eigener Messungen/Radonbewertungen: Passive Radon-Messgeräte inklusive Anleitung können bei Messlaboren bestellt werden. Hierbei sind Anbieter auszuwählen, die als anerkannte Stelle gemäß § 155 StrlSchV durch das Bundesamt für Strahlenschutz geführt werden.10
- Beauftragung einer Radonfachperson: Zertifizierte Radonfachpersonen bieten über eine gesetzeskonforme Messung hinaus auch Beratung, Bewertung und weitere Dienstleistungen zur Radon-Thematik an. Eine Liste von Radonfachpersonen kann zum Beispiel auf den Seiten des Bayerischen Landesamtes für Umwelt abgerufen werden.11
Fazit und Ausblick
Mit der Aufnahme von Regelungen bezüglich Radon im neuen Strahlenschutzrecht ergeben sich für eine Vielzahl von Unternehmen, die bislang nicht mit Strahlenschutz konfrontiert waren, neue Verpflichtungen. Hinsichtlich des Ausmaßes und des Gefahrenpotentials für die Gesundheit ist das ein längst notwendiges Vorgehen. Die Umsetzung des Schutzes vor Radon wird jedoch einen sehr langen Zeitraum beanspruchen, da sich schon eine rechtssichere Einzelmessung über zwölf Monate erstreckt.
1 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66338075
2 https://offenegesetze.de/veroeffentlichung/bgbl1/2017/42
3 [https://offenegesetze.de/veroeffentlichung/bgbl1/2018/41
4 https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2014:013:0001:0073:DE:PDF
5 Deutscher Bundestag – Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2016, https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/053/1905350.pdf
6 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15613366
7 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22108246
9 Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11241, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/112/1811241.pdf
10 https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/schutz/messen.html
11 https://www.lfu.bayern.de/strahlung/radon_in_gebaeuden/doc/liste_fachpersonen.pdf
Autor: Robert Hofmann
Dipl.-Ing. Strahlenschutz, Strahlenschutzbeauftragter, Radonfachperson
B A D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH
Kompetenzfeld Strahlenschutz
E‑Mail: robert.hofmann@bad-gmbh.de