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Personensicherung mit Kranen - Abweichende Verwendung bei Absturzgefahr

Abweichende Verwendung bei Absturzgefahr
Personensicherung mit Kranen

Krane sind vor­rangig zum Befördern von Las­ten konzip­iert. In begrün­de­ten Einzelfällen jedoch dür­fen Per­so­n­en mit Kra­nen gegen Absturzge­fahren gesichert wer­den. Voraus­set­zung hier­für ist ein umfan­gre­ich­es Schutzkonzept, das auf der Grund­lage der Gefährdungs­beurteilung zu erar­beit­en ist.

Krane sind für das Heben und Bewe­gen schw­er­er Las­ten bes­timmt. Viele betriebliche Trans­portauf­gaben wären ohne Kranan­la­gen nicht möglich. Auf Baustellen helfen ortsverän­der­liche Krane wie zum Beispiel Fahrzeugkrane oder Tur­m­drehkrane bei der Errich­tung von Bauwerken.

Praxisbeispiel Flugzeugbau

Dass Krane aber auch anders einge­set­zt wer­den kön­nen, zeigt fol­gen­des Beispiel: Bei der Fer­ti­gung von Seg­menten und Flügeln im Flugzeug­bau ist das Arbeit­en in großen Höhen erforder­lich. Für Mon­tagear­beit­en müssen die großen Baukör­p­er teil­weise von Mon­teuren betreten wer­den, da die Arbeits­bere­iche für Gerüste und Hubar­beits­büh­nen nicht zugänglich sind oder diese aus Qual­itäts­grün­den (Gefahr der Ober­flächenbeschädi­gung) nicht einge­set­zt wer­den kön­nen. Da in den Fer­ti­gung­shallen meist Krane vorhan­den sind, wer­den diese zur Per­so­n­en­sicherung genutzt. Die Mon­teure kön­nen so die Mon­tagear­beit­en in der Höhe sich­er durchführen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Betreiben von Kra­nen unter­liegt der Betrieb­ssicher­heitsverord­nung (Betr­Sich V) und der Umfal­lver­hü­tungsvorschrift „Krane“ (DGUV Vorschrift 52). Dem­nach dür­fen Krane nur bes­tim­mungs­gemäß, das heißt gemäß der Bedi­enungsan­leitung des Her­stellers, ver­wen­det wer­den. Die Per­so­n­en­sicherung mit Kra­nen stellt keine bes­tim­mungs­gemäße Ver­wen­dung dar. Besten­falls kön­nen Beschäftigte mit Arbeit­skör­ben befördert wer­den, was jedoch hier nicht betra­chtet wer­den soll.

Um Gefährdun­gen bei der Arbeit zu ver­mei­den, hat der Arbeit­ge­ber eine Gefährdungs­beurteilung zu erstellen. Zudem muss er zur Abwehr von Gesund­heits­ge­fahren geeignete Schutz­maß­nah­men ergreifen.

Höhenar­beit­en sind mit einem deut­lichen Unfall­risiko ver­bun­den und set­zen ein hohes Maß an Ver­ant­wor­tung voraus. Bei Tätigkeit­en mit Absturzge­fahren sind durch den Arbeit­ge­ber geeignete Arbeitsmit­tel wie Hubar­beits­büh­nen oder Gerüste zur Ver­fü­gung zu stellen. Trotz­dem kann es vorkom­men, dass

  • der­ar­tige Arbeitsmit­tel nicht genutzt wer­den kön­nen und
  • geeignete Anschlagein­rich­tun­gen für die Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung gegen Absturz (PSAgA) fehlen.

Und genau hier set­zen die Empfehlun­gen des Sachge­bi­ets „Hütten‑, Walzw­erk­san­la­gen, Gießereien und Hebetech­nik“ der DGUV an, die eine Per­so­n­en­sicherung mit Kra­nen im begrün­de­ten Einzelfall erlauben.

Personensicherung mit Kranen – wie geht das?

„Krane sind Hebezeuge, die Las­ten mit einem Trag­mit­tel heben und zusät­zlich in eine oder mehrere Rich­tun­gen bewe­gen kön­nen“ (zitiert nach § 2 (1) DGUV Vorschrift 52). Die Per­so­n­en­sicherung kann in begrün­de­ten Fällen beispiel­sweise mit

  • Schienen­laufkatzen,
  • Brück­enkra­nen,
  • Schwenkarmkra­nen,
  • Wand­laufkra­nen oder
  • Portalkra­nen

erfol­gen. Der ver­wen­dete Kran muss für die Höhen­sicherung von Per­so­n­en grund­sät­zlich stillge­set­zt wer­den (siehe Abbil­dung 3). Das Betäti­gen des Hauptschal­ters beziehungsweise des Not-Halt-Tasters stellen hier­für geeignete Möglichkeit­en dar. Gegen verse­hentlich­es Widere­in­schal­ten schützt außer­dem ein Vorhängeschloss, welch­es den Hauptschal­ter zuver­läs­sig verriegelt.

Abb. 3: Schema­tis­che Darstel­lung der Per­so­n­en­sicherung an der Krankon­struk­tion, Grafik: Tischendorf

Sofern der Kran für die Höhenar­beit­en nachge­set­zt wer­den muss, darf dies nur langsam erfol­gen. Die max­i­mal zuläs­si­gen Geschwindigkeit­en der Fahr- und Hub­w­erke des Krans betra­gen 0,40 m/s. Zudem gilt: Während des Nach­set­zens des Krans sind die Höhenar­beit­en zu unter­brechen. Die Tragfähigkeit muss in jed­er Kranstel­lung min­destens 600 Kilo­gramm betra­gen. Zu erken­nen ist die max­i­male Tragfähigkeit an der Kennze­ich­nung des Krans oder dem Tra­glast­di­a­gramm des Her­stellers. Zur Befes­ti­gung der PSAgA ste­hen ver­schiedene Möglichkeit­en zur Ver­fü­gung – Krankon­struk­tion, Unter­flasche oder Lasthak­en. Wichtig: Die opti­male Sicherung erfordert eine lotrechte Posi­tion des Anschlag­punk­tes für die PSAgA ober­halb der zu sich­ern­den Per­son. Dadurch wird ein Pen­del­sturz vermieden.

Als Verbindungsmit­tel zwis­chen Kran und PSAgA dienen dauer­haft oder zeitlich befris­tet ange­brachte (tem­poräre) Anschlagein­rich­tun­gen. Die dauer­hafte Befes­ti­gung ist möglich mithilfe

  • eines beweglichen Anschlag­punk­tes an ein­er hor­i­zon­tal­en Führung­sein­rich­tung oder
  • einem fest ange­bracht­en Einze­lan­schlag­punkt (direkt an der Krankonstruktion).

Solche Nachrüs­tun­gen am Kran stellen eine prüf­pflichtige und gegebe­nen­falls wesentliche Verän­derung gemäß den genan­nten Recht­snor­men dar. Das bedeutet: Prü­fun­gen durch einen Kran-Sachver­ständi­gen sind zu ver­an­lassen. Für die Nachrüs­tung von Kra­nen müssen sta­tis­che Nach­weise vorhan­den sein. Sind Schweißar­beit­en am Kran notwendig, sollte zuvor der Her­steller befragt werden.

Alter­na­tiv kön­nen auch tem­poräre Anschlagein­rich­tun­gen für die PSAgA einge­set­zt wer­den (siehe Abbil­dung 2). Bei ihrer Ver­wen­dung ist die Gebrauch­san­leitung des Her­stellers zu beacht­en. Für die Mon­tage und Doku­men­ta­tion von tem­porären Anschlagein­rich­tun­gen ist der Kran­be­treiber verantwortlich.

Schrägstellung vermeiden

Wird die PSAgA am Lasthak­en befes­tigt, ist Fol­gen­des zu beacht­en: Sowohl Einzel­hak­en wie auch Dop­pel­hak­en müssen mit ein­er Sicherungs­falle aus­gerüstet sein. Beim Ein­satz eines Dop­pel­hak­ens ist dieser gle­ich­mäßig zu beanspruchen. Die ein­seit­ige Belas­tung führt zu ein­er gefährlichen Schräg­stel­lung des Dop­pel­hak­ens. Anschlagverbindungsmit­tel wie Rund­schlin­gen, Anschlag­seile mit Stahlein­lage oder Band­schlin­gen müssen den Anforderun­gen der DIN EN 795 „Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tun­gen – Anschlagein­rich­tun­gen“ entsprechen. Wer­den Band­schlin­gen einge­set­zt, sind diese im soge­nan­nten „Anker­stich“ am Lasthak­en zu befes­ti­gen. Als Verbindungsmit­tel dür­fen auss­chließlich Stahlka­ra­bin­er nach DIN EN 362 „Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung gegen Absturz – Verbindungse­le­mente“ mit ein­er Triple-Lock-Funk­tion ver­wen­det wer­den. Achtung: Die Per­so­n­en­sicherung bei gle­ichzeit­iger Befes­ti­gung ein­er Last am Kran­hak­en ist verboten!

Zu 1: Bei ortsverän­der­lichen Kra­nen kön­nen sich zusät­zliche Risiken auf­grund der Arbeit­sumge­bung ergeben. In der Regel sind erweit­erte Schutz­maß­nah­men erforder­lich.
Zu 2: Bei Tur­m­drehkra­nen auf Baustellen kann eine län­gere Ein­satz­dauer unter­stellt wer­den. Meis­tens sind andere Arbeitsver­fahren möglich.

Besonderheiten bei ortsveränderlichen Kranen

Beim Ein­satz von ortsverän­der­lichen Kra­nen beste­hen weit­ere Gefährdun­gen, ins­beson­dere durch schädliche Umge­bung­se­in­flüsse und eine man­gel­hafte Auf­stel­lung. Manuelle oder hydraulis­che Auslegerver­längerun­gen dür­fen nicht ver­wen­det wer­den. Anbauteile wie beispiel­sweise Greifer oder Zan­gen sind für die Per­so­n­en­sicherung vor­ab zu demontieren.

Auch bei mobilen Kra­nen muss der Lasthak­en eine Sicherungs­falle besitzen, die Gefährdungslage ist aber anders zu bew­erten: Bei Fahrzeugkra­nen und Lkw-Ladekra­nen führt der Fangsturz ein­er Per­son zu ein­er Pen­del­be­we­gung des Auslegers. Weil die Sicherungs­falle hier­für nicht aus­gelegt ist, kön­nte sich das Verbindungsmit­tels aus dem Lasthak­en lösen. Eine zweite Per­so­n­en­sicherung, aus­ge­führt als Rund­schlinge mit ein­er Stahlein­lage, ist deshalb zusät­zlich erforder­lich. Die Rund­schlinge wird dabei ober­halb der Unter­flasche um das Hub­seil angeschla­gen. Dabei gilt fol­gende Aus­nahme: Eine zusät­zliche (redun­dante) Per­so­n­en­sicherung ist nicht notwendig, wenn die Hak­en­sicherung mech­a­nisch ver­riegelt wer­den kann!

Risiko Wind

Bei ein­er Windgeschwindigkeit von mehr als acht m/s sind Kra­nar­beit­en im Freien einzustellen. Das entspricht ein­er frischen Brise, beispiel­sweise „kleine Laub­bäume begin­nen zu schwanken“ (ver­gle­iche Beaufort-Skala).

Ver­lässlich­er als sub­jek­tive Beobach­tun­gen sind allerd­ings Mes­sun­gen am Ein­sat­zort. Mit kom­pak­ten Handmess­geräten (soge­nan­nte Aneome­ter) lässt sich die Windgeschwindigkeit leicht ermit­teln. Außer­dem ist eine gute Sicht des Kran­führers auf sein Arbeitsmit­tel unverzicht­bar. Sein Abstand zur abzu­sich­ern­den Per­son sollte nach Möglichkeit zwanzig Meter nicht über­schre­it­en. Keines­falls darf sich der Kran­führer selb­st sichern!

Rettungskonzept vermeidet Hängetrauma

Ohne eine angemessene Gefährdungs­beurteilung ist die Per­so­n­en­sicherung mit Kra­nen nicht zuläs­sig – beson­ders wegen offen­sichtlich­er Abwe­ichun­gen von der üblichen Kran­nutzung (ver­gle­iche Bedi­enungsan­leitung des Her­stellers). Um verun­fallte Per­so­n­en möglichst schnell aus ihrer Zwangslage zu befreien, ist ein betrieblich­es Ret­tungskonzept notwendig. Dieses muss schriftlich vor­liegen. Den Beschäftigten müssen die Inhalte bekan­nt sein. Unter­weisun­gen der Mitar­bei­t­en­den soll­ten zudem prak­tis­che Übun­gen zur Ret­tung verun­fall­ter Per­so­n­en beinhalten.

Pen­del­stürze sind möglichst zu ver­mei­den, da die Gefahr des Anschla­gens von Per­so­n­en an Gegen­stände beste­ht. Das Tra­gen eines Schutzhelms mit Kin­nriemen sollte selb­stver­ständlich sein.

Gefährlich ist außer­dem das soge­nan­nte Hänge­trau­ma. Dieses kann durch län­geres, bewe­gungslos­es Hän­gen ein­er Per­son im Auf­fang­gurt ein­treten. Die großen Blut­ge­fäße der Beine wer­den eingeschnürt, wodurch der Blutkreis­lauf ins Stock­en gerät. Wer­den das Gehirn und andere lebenswichtige Organe nicht aus­re­ichend mit Sauer­stoff ver­sorgt, beste­ht Lebens­ge­fahr. Das Hänge­trau­ma ist immer ein medi­zinis­ch­er Not­fall – Notarzt rufen!

Achtung: Eine verun­fallte Per­son sollte nach ihrer Befreiung niemals flach gelagert wer­den. Das ges­taute Blut kön­nte son­st schla­gar­tig zurück­fließen und zum Herzver­sagen führen. Richtig ist, die Per­son mit aufrechtem Oberkör­p­er zu lagern!


Foto: Dägling

Autor: Markus Tischendorf
Auf­sichtsper­son der BG ETEM
Präven­tion­szen­trum Hamburg


Das Wichtigste in Kürze

Die gegen­wär­tige Arbeitss­chutzge­set­zge­bung ermöglicht Abwe­ichun­gen von der bes­tim­mungs­gemäßen Ver­wen­dung eines Arbeitsmit­tels, wenn die gle­iche Sicher­heit auf andere Weise erre­icht wird. Grund­lage für die jew­eilige Bew­er­tung des Einzelfall­es ist die Gefährdungs­beurteilung des Kran­be­treibers. Sollte diese ergeben, dass die geplanten Höhenar­beit­en sich­er durchzuführen sind, darf die Per­so­n­en­sicherung mit­tels Kra­nen erfol­gen. Dafür gibt es aus der Prax­is gute Gründe, wie Beispiele aus dem Flugzeug­bau zeigen. Jedoch ist stets ein hoher Sicher­heits­maßstab für diese Arbeitsweise anzulegen.


Vertiefende Informationen

Das Sachge­bi­et „Hütten‑, Walzw­erk­san­la­gen, Gießereien und Hebetech­nik“ der DGUV hat die Frage, ob Krane zur Per­so­n­en­sicherung genutzt wer­den kön­nen, schriftlich beant­wortet. Die Stel­lung­nahme der Arbeitss­chutzex­perten ist nachzule­sen in der Pub­lika­tion Fach­bere­ich AKTUELL „Per­so­n­en­sicherung am Kran – Hand­lung­shil­fe für Betreiber“ (FBHM-100, Stand: 22.03.2019).

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