1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Arbeitssicherheit » Gefahrstoffe / Ex-Schutz » Asbest »

Sanierung von Bestandsgebäuden: Staub und in der Bausubstanz

Sanierung von Bestandsgebäuden
Verborgene Gefahren im Staub und in der Bausubstanz

Die Nutzung von Bestands­ge­bäu­den ist nicht nur aus städte­baulich­er Sicht oder in Hin­blick auf den Denkmalschutz sin­nvoll, son­dern schont auch Ressourcen und fördert die Leben­squal­ität. Allerd­ings muss bei der Sanierung von Bestands­ge­bäu­den immer mit nicht erkan­nten oder nicht erkennbaren Gefahren gerech­net wer­den. Dass sich diese son­st schnell zum Prob­lem auswach­sen kön­nen, zeigt das fol­gende Praxisbeispiel.

Gefahren bei Sanierungsar­beit­en kön­nen sich zum einen aus baulichen Gegeben­heit­en wie sta­tis­chen Prob­le­men und unsachgemäßer Bauaus­führung, zum anderen aus äußeren Ein­flüssen auf das Bauw­erk wie dem Bau­grund oder Nach­barob­jek­ten ergeben. Sie kön­nen sich aber auch aus den vorhan­de­nen Bau­ma­te­ri­alien oder im Laufe der Nutzung in das Gebäude einge­bracht­en Stof­fen oder Ablagerun­gen entwickeln.

Ein Risiko stellen ins­beson­dere chemis­che Gefährdun­gen dar. Bekan­nt für ihr großes gesund­heitss­chädi­gen­des Poten­zial sind:

  • Holzschutzmit­tel (Lin­dan, DDT, PCB, PCP),
  • Kohlen­wasser­stoffe (zum Beispiel Min­er­alöle, Ben­zin, Teer-PAK, Bitumen)
  • Far­ben und Lacke (blei­haltige Anstrich­stoffe, Formaldehyde),
  • Schw­er­met­al­lablagerun­gen aus der Gebäu­de­nutzung (Arsen, Queck­sil­ber, Blei und andere),
  • sowie kün­stliche Min­er­al­fasern und Asbest.

Hinzu kom­men biol­o­gis­che Gefährdun­gen durch

  • tierische Hin­ter­lassen­schaften (Taubenkot, Kadaver),
  • Insek­ten (Mil­ben, Zeck­en, Wespen, Hor­nissen und Bienen),
  • und Klein­nag­er (Mäuse und Ratten.

Sanierung von Bestandsgebäuden

Solche poten­ziellen Risiken müssen schon vor Beginn der Arbeit­en erkan­nt wer­den beziehungsweise bekan­nt sein, um ihnen mit geeigneten Schutz­maß­nah­men begeg­nen zu kön­nen. Das fol­gende Prax­is­beispiel zeigt, was für Prob­leme sich andern­falls ein­stellen kön­nen: In ein­er Kle­in­stadt mit einem wertvollen his­torischen Stadtk­ern sollte ein aus dem 16. Jahrhun­dert stam­mendes und für die Stadt­geschichte bedeut­sames Fach­w­erkhaus ein­er neuen Nutzung als muse­ales Objekt zuge­führt wer­den. Als erste Arbeit wurde das Gebäude von dem ein­ge­lagerten Taubenkot gere­inigt, um danach Arbeit­en am Dachstuhl und den anderen Holzein­baut­en aus­führen zu können.

Beschäftigte leiden unter Kopfschmerzen und Übelkeit

Bei den Arbeit­en an den Altholzteilen der Dachgauben stell­ten sich bei den im Gebäude täti­gen Beschäftigten zeitweise Kopf­schmerzen und Übelkeit ein. Da diese Beschw­er­den aber nach kurz­er Zeit wieder abklan­gen, suchte kein­er von ihnen einen Arzt auf. Als in den fol­gen­den Wochen weit­ere Arbeit­en an den Holzkon­struk­tio­nen aus­ge­führt wur­den – beispiel­sweise an den Fußbö­den und Deck­en­balken in den Geschossen – trat­en zwar vere­inzelt wieder Beschw­er­den auf, aber auch diese wur­den nicht ärztlich abgeklärt.

In der fün­ften Arbeitswoche am Gebäude soll­ten umfan­gre­iche Arbeit­en an den Deck­en sowie im Dachgeschoss aus­ge­führt wer­den, wozu das Unternehmen weit­ere Beschäftigte auf die Baustelle schick­te. Diese klagten bere­its unmit­tel­bar nach dem Betreten des Objek­tes über gesund­heitliche Prob­leme wie Schwächege­füh­le, Übelkeit und Schwinde­lat­tack­en. Sie nah­men aber trotz­dem die Arbeit­en auf.

Stärkere gesundheitliche Probleme

Bei den Arbeit­en, bei denen an der Holzkon­struk­tion des Dachge­bälks Balken aus­ge­tauscht wer­den soll­ten und dazu mit Hand­mas­chine gesägt und gebohrt wurde, kam es zur Ver­stärkung der gesund­heitlichen Prob­leme; ein­er der Beschäftigten bekam zusät­zlich noch Nasen­bluten. Daraufhin wur­den die Arbeit­en eingestellt und die Beschäftigten sucht­en ihre Hausärzte an den jew­eili­gen Wohnorten auf. Diese stell­ten im Rah­men der Behand­lung unter anderem Arbeit­sun­fähigkeits­bescheini­gun­gen aus.

Durch die Fir­men­leitung wur­den sofort der Bauherr und die Bauüberwachung sowie die zuständi­ge BG BAU informiert. Im Rah­men eines Vor-Ort-Ter­mins wurde die Ein­stel­lung der Arbeit­en ange­ord­net und die Unter­suchung der Holzkon­struk­tion durch einen Sachver­ständi­gen ver­an­lasst. Die Ver­mu­tung war, dass die gesund­heitlichen Beschw­er­den durch auf das Holz aufge­brachte Holzschutzmit­tel beziehungsweise im Lieges­taub abge­lagerte Schim­melpilze verur­sacht wor­den waren.

Dachreinigung unter Atemschutz

Laut dem Sachver­ständi­gengutacht­en kon­nten keine Holzschutzmit­tel nachgewiesen wer­den, es wurde lediglich eine hohe Belas­tung des Staubs mit Schim­melpilz fest­gestellt. Daraufhin erfol­gte eine Reini­gung des Dachbere­ich­es mit Per­sön­lich­er Schutzaus­rüs­tung, ins­beson­dere unter Ein­satz von Atem­schutz, in diesem Fall Halb­masken mit P2-Fil­ter. Dabei trat­en bei den einge­set­zten Beschäftigten wieder die bere­its bekan­nten gesund­heitlichen Prob­leme auf. Die Arbeit­en wur­den erneut eingestellt.

Durch die Messtelle der BG BAU erfol­gten daraufhin ergänzende Mes­sun­gen und Unter­suchun­gen. So wur­den Proben zur Fest­stel­lung von Gefahrstof­fen in der Luft und in den Mate­ri­alien genom­men. Zusät­zlich wur­den auch Unter­suchun­gen beim Schnei­den der Holzbalken auf entste­hende Sägestäube durchge­führt. Diese Unter­suchun­gen ergaben aber keine Anhalt­spunk­te für eine Gefahrstoff­be­las­tung im Gebäude.

Belastung durch Schimmelpilze

Als mögliche Ursache für die gesund­heitlichen Beein­träch­ti­gun­gen wurde daher die Belas­tung des Staubs mit Schim­melpilzen angenom­men. Die Schutz­maß­nah­men wur­den daher an den Vor­gaben des Sachver­ständi­gengutacht­ens aus­gerichtet. Es erfol­gte nochmals eine umfassende Absaugung der Liegestäube. Alle einge­set­zten Arbeitsmit­tel wur­den nur mit geeigneter Absaugung der anfal­l­en­den Stäube betrieben und es erfol­gte eine tech­nis­che Belüf­tung der Arbeits­bere­iche. Zudem wur­den die Beschäftigten ange­hal­ten, kon­se­quent die bere­it­gestellte PSA zu benutzen.

Lehren aus diesem Vorfall

Ins­beson­dere bei der Sanierung von Bestands­ge­bäu­den ist es notwendig, im Vor­feld der Pla­nung, Auss­chrei­bung und Ver­gabe von Bauleis­tun­gen eine umfassende Erkun­dung nicht nur auf bauliche Män­gel, son­dern auch auf mögliche chemis­che und biol­o­gis­che Gefahren durchzuführen. Gemäß § 15 Absatz 5 ist der Auf­trag­nehmer – das aus­führende Unternehmen – verpflichtet, sich vom Auftraggeber/Bauherrn umfassende Infor­ma­tio­nen über mögliche aus der Nutzungs- oder Baugeschichte des Objek­tes resul­tierende chemis­che Gefahren einzu­holen, um eine sachgerechte Gefährdungs­beurteilung erstellen zu können.

Umdenken erforderlich

Dies gilt im Übri­gen auch für alle anderen möglichen Gefahren, zum Beispiel mech­a­nis­che oder elek­trische. Dazu muss der Auftraggeber/Bauherr jedoch über die entsprechen­den Infor­ma­tio­nen ver­fü­gen, da er diese son­st nicht weit­ergeben kann. Hier bedarf es eines Umdenkens sowohl bei Auf­tragge­bern (Bere­it­stel­lungsverpflich­tung) als auch Auf­trag­nehmern (Ein­hol­ungsverpflich­tung). Generell gilt: Nur wer umfassend über die möglichen Gefahren Bescheid weiß, kann sach­lich und fach­lich richtige und geeignete Schutz­maß­nah­men bei der Sanierung von Bestands­ge­bäu­den fes­tle­gen und umset­zen. Hil­festel­lun­gen bieten hierzu viele Infor­ma­tio­nen der BG BAU.


Foto: © Foto­stu­dio City Col­or Mun­schke, Weimar

Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann

Sicher­heitsin­ge­nieur VDSI

SIMEBU Thürin­gen GmbH


Weitere Informationen

  • Gefahrstof­fverord­nung
  • TRGS 505 „Blei“
  • TRGS 519 „Abbruch‑, Sanierungs- und Instand­hal­tungsar­beit­en – Asbest“
  • TRGS 521 „Abbruch‑, Sanierungs- und Instand­hal­tungsar­beit­en mit alter Mineralwolle“
  • TRGS 524 „Arbeit­en in kon­t­a­minierten Bereichen“
  • TRGS 551 „Teer und andere Pyrol­y­se­pro­duk­te aus organ­is­chem Material“
  • DGUV Infor­ma­tion 201–028 (bish­er BGI 858) Gesund­heits­ge­fährdun­gen durch biol­o­gis­che Arbeitsstoffe bei der Gebäudesanierung
  • DGUV Infor­ma­tion 201–031 (bish­er BGI 892) Gesund­heits­ge­fährdun­gen durch Taubenkot
  • DGUV Infor­ma­tion 209–043 (bish­er BGI 736) Holzschutzmit­tel – Hand­habung und sicheres Arbeiten
  • DGUV Infor­ma­tion 212–019 (bish­er BGI/GUV‑I 8685) Chemikalien­schutzk­lei­dung bei der Sanierung von Alt­las­ten, Deponien und Gebäuden
  • DGUV Infor­ma­tion 213–031 Tätigkeit­en mit Min­er­al­wolle-Dämm­stof­fen (Glas­wolle, Steinwolle)
  • Abbruch und Asbest – Infor­ma­tio­nen und Arbeit­shil­fen für Pla­nung und Auss­chrei­bung (BG BAU Abrufnum­mer: 622)
  • Sanierung PAK-haltiger Kleb­stoffe – Hand­lungsan­leitung zum Ent­fer­nen PAK-haltiger Kleb­stoffe für Holz­fußbö­den (BG BAU – nur als PDF-Download)
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de