Asbest ist ein Sammelbegriff für eine große Gruppe natürlich vorkommender Mineralien aus Magnesium-Silikaten, deren Besonderheit eine eingelagerte OH-Gruppe ist. Durch diese Hydrogruppe entstehen besondere Eigenschaften, denn sie lässt im Entstehungsprozess das Mineral nicht kristallin, sondern faserförmig ausbilden.
Krankmachende Wirkung
Asbestfasern sind nur in ihrer einatembaren, lungengängigen Form, das heißt, wenn ihr Durchmesser kleiner 3 µm, die Faserlänge größer 5 µm und das Länge-Durchmesser-Verhältnis mindestens 3 : 1 ist (WHO-Faserdefinition), als krebserzeugend beim Menschen (Canc. Cat. 1A, früher K1) eingestuft. Die Fasern können von den „Reinigungskommandos der Zellen“, den Makrophagen, nicht eingekapselt und vernichtet werden, vielmehr werden die Makrophagen zerstört, die Fasern dringen auf Grund ihrer nadelförmigen Struktur in die Zellen ein, zerstören diese und führen zu Vernarbungen oder zur Bildung von Zellwucherungen. Auch Wanderungen der Fasern im Körper sind möglich.
Bisher sind vier Berufskrankheiten, die im Umgang mit Asbest ausgelöst werden können, anerkannt: Asbestose, Karzinome der Lungen und des Kehlkopfes, der Eierstöcke und des Bauch‑, Zwerch‑, Rippenfells und Herzbeutels (Mesotheliom). Keine dieser Erkrankungen ist heilbar. Die Todesraten insbesondere des Mesotheliums liegen immer noch im vierstelligen Bereich. Hinzu kommt, dass Kombinationen aus Lungenbelastungen mit Tabakrauch oder PAK- und Asbestfasern zu einer wesentlich erhöhten Erkrankungsrate führen können.
Wo Asbest eingesetzt wurde
Der Einsatzbereich von asbesthaltigen Materialien ist nahezu unbegrenzt. So findet man Asbestzementplatten als Trägerplatten in Gewächshaustischen oder als Tragelement in Platten von Labortischen mit Säureschutzfliesenbelag. Aber auch in Glas-Isoliergefäßen, wie Thermoskannen und Thermophoren kann Asbest enthalten sein. In Haushalten wurden Bügeleisenunterlagen und Topfuntersetzer aus Asbestpappen gefunden.
Die vielseitigen Einsatzbereiche des Asbests ergaben sich aus seinen Eigenschaften: Er ist nicht brennbar, chemisch und biologisch beständig, elektrisch nicht leitend und durch seine Faserstruktur gut als Stabilisator für unterschiedliche Materialien einsetzbar.
Es besteht also überall in der Umwelt die Möglichkeit, mit asbesthaltigen Materialien in Kontakt zu kommen und Umgang mit Asbest zu haben. Eine Gefährdung entsteht aber nur dann, wenn durch unsachgemäße Arbeiten Feinstfasern in größeren Mengen freigesetzt und diese dann eingeatmet werden.
Rechtliche Regelungen zum Umgang mit Asbest
Seit 1993 gibt es in Deutschland ein Herstellungs- und Verwendungsverbot für alle Arten asbesthaltiger Materialien. Dieses Verbot ist im Anhang II Nr. 1 Gefahrstoffverordnung fixiert und gilt nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für private Haushalte.
Verboten sind alle Arbeiten an Asbesterzeugnissen mit Arbeitsgeräten, die deren Oberfläche abtragen, wie zum Beispiel Abschleifen, Hoch-/Niederdruckreinigen oder Abbürsten und Bohren. Ebenso sind Überdeckungs‑, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und ‑wandverkleidungen sowie Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an umgeschichteten Asbestzementdächern und Wandverkleidungen verboten.
Die Weitergabe oder der Wiedereinsatz asbesthaltiger Materialien ist ebenso verboten und stellt einen Straftatbestand nach § 222 StGB dar.
Vorgehen bei Verdacht auf asbesthaltige Materialien
Es muss praktisch in fast jedem Bauwerk oder technischem Gerät aus dem Zeitraum von 1950 bis 1993 mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass dort asbesthaltiges Material in unterschiedlicher Form vorhanden ist. Das Problem ist, dass selbst Fachleute asbesthaltige Materialien oder Produkte nur sehr schwer direkt erkennen können. Hilfe bieten hier Veröffentlichungen des Bayrischen Landesamtes für Umwelt, des Freistaats Sachsen, der BG der Bauwirtschaft und besonders der SUVA (siehe Kasten „Weitere Informationen“).
Sollte es einen Verdacht auf asbesthaltiges Material geben, so ist vor dem Umgang mit Asbest immer eine sachkundige Fachperson mit der Erkundung und Probennahme zu beauftragen. Denn es kann bereits hierbei zu einer Kontamination mit gefährlichen Faserstäuben kommen – was unter allen Umständen vermieden werden sollte. Bei der Probennahme ist deshalb darauf zu achten, dass zum Beispiel durch den Einsatz von faserbindenden Mitteln, wie entspanntem Wasser, eine Faserfreisetzung minimiert wird. Die Proben sind staubdicht zu verpacken und sachgerecht zu kennzeichnen.
Notwendige Maßnahmen
Aufbauend auf dem Untersuchungsergebnis kann dann eine Strategie zum Rückbau der asbesthaltigen Materialien auf der Grundlage des technischen Regelwerks festgelegt werden. Die notwendigen Leistungen werden an sachkundige Unternehmen vergeben.
Die wichtigste Schutzmaßnahme bei einem Rückbau asbesthaltigen Materials ist die Vermeidung beziehungsweise mindestens die Minimierung der Freisetzung asbesthaltiger Feinstfaserstäube. Dafür muss der Arbeitsbereich in einen Weiß- und einen Schwarzbereich eingeteilt werden. Der Schwarzbereich ist gegen Zutritt von Unbefugten zu sichern und wie in der TRGS 519 vorgeschrieben zu kennzeichnen. Er muss, soweit möglich und sinnvoll, eingehaust werden und der Zugang über Schleusen erfolgen.
Die rückzubauenden asbesthaltigen Materialien sind mit faserbindenden Mitteln, wie Restfaserbindemittel, Steinverfestiger oder entspanntem Wasser zu befeuchten. Für den Rückbau dürfen nur solche Verfahren eingesetzt werden, die es erlauben, die Materialien ohne oder mit nur geringer Erzeugung von Feinststaub zu lösen.
Persönliche Schutzausrüstung
Beschäftigte, die mit Tätigkeiten zum Rückbau asbesthaltigen Materials beschäftigt werden, müssen eine Persönliche Schutzausrüstung, insbesondere Atemschutz, Schutzkleidung und bei Bedarf Schutzhandschuhe und Augenschutz, erhalten und benutzen. Als Atemschutz sind im Bereich zwischen 10.000 Faser/m³ und 100.000 Faser/m³ nur noch Halbmasken mit Partikelfilter des Typs P2 oder P3 zugelassen, bei höheren Faserkonzentrationen müssen Vollmasken mit Gebläseunterstützung eingesetzt werden.
Die bisher insbesondere im Rückbau von Asbestzementprodukten im Außenbereich eingesetzten filtrierenden Halbmasken der Typen FFP2 beziehungsweise FFP3 sind nur noch für einen Einsatz bis maximal zwei Stunden pro Arbeitsschicht zugelassen. Als Schutzkleidung sind Einwegschutzanzüge der Kategorie III Typ 5 beziehungsweise 5–6 oder 4–5–6 zu verwenden.
Weiterhin ist eine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge vorgeschrieben. Vor Beginn der Tätigkeiten sind die Beschäftigten auf der Grundlage der für die Arbeitsstelle zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung und der daraus abgeleiteten Betriebsanweisung zu unterweisen.
Die Entsorgung von asbesthaltigen Materialien darf nur in staubdichten Verpackungen auf dafür zugelassenen Abfallentsorgungsanlagen unter Beachtung der Vorgaben der Entsorger erfolgen.
Sehr hohe Gesundheitsgefahr
Tätigkeiten mit asbesthaltigen Materialien sind Tätigkeiten mit einer sehr hohen Gesundheitsgefahr, die nicht unmittelbar wirksam ist. Deshalb müssen die vorgegebenen Schutzmaßnahmen in jedem Fall eingehalten werden. Auftraggeber, Planer und ausführende Unternehmen, aber auch private Bauherrn und Heimwerker sind gut beraten, sich vor der Vergabe und Durchführung solcher Arbeiten sachkundig beraten zu lassen.
Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
SIMEBU Thüringen GmbH
Themenseite Asbest
Ein fachlich hochwertiges Kompendium für die Praxis bietet die Themenseite Asbest der Zeitschriften Sicherheitsingenieur und Sicherheitsbeauftragter.
Weitere Informationen
- Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefstoffV) vom 26.11.2010 (BGBl. I s. 1643), zuletzt geändert durch Artikel 1 der VO vom 15. November 2016 (BGBl. I S. 2549).
- Technische Regeln für Gefahrstoffe 519: Asbest – Abbruch‑, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten (TRGS 519). Ausgabe Januar 2014 (GMBl. 2014 S. 164–201 vom 20.1.2014 [Nr. 8/9], zuletzt geändert und ergänzt: GMBl. 2015 S. 136–137 vom 2.3.2015 [Nr. 7].
- LAGA: Mitteilung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 23: Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle. Überarbeitung: Stand Juni 2015.
- BAuA, UBA, BBSR: Leitfaden für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden.
1. Auflage 2020 - Bayrische Landesanstalt für Umwelt: UmweltWissen – Praxis: Asbest. Aktualisierung 2013.
www.lfu.bayern.de, Suchwort ‚Asbest‘. - 6. SUVA Prävention: Asbest erkennen – richtig handeln. Bestell-Nr. 84024.d
www.suva.ch, (Prävention Sachthemen Asbest)
Das können Sie als Sicherheitsbeauftragter tun
- Kontrollieren Sie regelmäßig, ob die für den Arbeitsplatz geltenden Betriebsanweisungen und Schutzmaßnamen eingehalten werden.
- Sprechen Sie Mitarbeiter auf Fehlverhalten an. Weisen Sie darauf hin, wie gefährlich dieses Verhalten ist, indem Sie die Schwere möglicher Verletzungen aufzeigen. Unwissenheit schützt nicht vor gesundheitlichem Schaden!
- Machen Sie mit praktischen Demonstrationen die Gefahr
erkennbar und begreifbar. - Thematisieren Sie die Gefahr zusammen mit der/dem Vorgesetzten im Rahmen von Unterweisungen und Sicherheitskurzgesprächen und tragen so dazu bei, dass sich richtiges Verhalten einprägt und durchsetzt.
- Prüfen Sie, ob die notwendigen Mittel zum Brandschutz und zur Ersten Hilfe vorhanden und gebrauchsfähig sind und ob die Mitarbeiter in deren Nutzung geschult sind.