Gleich am Anfang stellt Herr Dr. Frenzel einen Zusammenhang zwischen der Zunahme der AU-Tage Psychischer Störungen und der Unzulänglichkeit der Methodik zur Erfassung psychischer Belastungen her. Das trifft nicht zu, weil hier Grundverschiedenes (Psychische Störungen und Psychische Belastungen) miteinander vermischt wird. Es gibt auch keine wissenschaftliche Evidenz zum (mono)kausalen Entstehungszusammenhang zwischen psychischen Belastungen bei der Arbeit und der Entwicklung psychischer Störungen. Meines Wissens behauptet das auch kein seriöser Arbeitswissenschaftler.
Weiterhin schreibt Dr. Frenzel: „Fragebögen erfassen summarisch das individuelle Beanspruchungserleben der Beschäftigten.“ Das ist völlig richtig. Psychische Belastungsfaktoren wirken sich auf den Menschen als Beanspruchung interindividuell unterschiedlich aus. D.h. über das summarisch individuelle psychische Beanspruchungserleben wird ein Rückschluss auf die objektive Belastung geschlossen. Psychische Belastungen sind nur indirekt messbar (also über die Beanspruchungen der Beschäftigten) und nicht direkt mit einem Messgerät. (Indirekte Messungen sind qualitativ nicht minderwertiger als direkte Messungen. Über 90% der Erkenntnisse der extraterrestrischen Physik über Sterne, Planeten und Monde sind indirekt gemessen.)
Er schreibt, dass die Antworten in einem Fragebogen abhängig sind von Erwartung, Tagesform, Wetter, eigenen Zielen, Ereignissen vor dem Ausfüllen des Fragebogens. Dies gilt allerdings genauso für Beobachtungsinterviews und ein Analyseteam. Anzunehmen, dass man durch den Multiplikatoreffekt mehrerer Experten in einem Analyseteam eine Quasiobjektivität herstellen kann, ist absurd (siehe Hawthorne-Experimente etc.).
Selbstverständlich verlangt die Fragebogenkonstruktion eine inhaltliche und methodische Kompetenz. Es muss eine bedingungsbezogene (und nicht eine personenbezogene) Messung der psychischen Beanspruchung erfolgen. Bspw. ist die Frage „Fühlen Sie sich durch Ihre Arbeit gestresst?“ nicht bedingungsbezogen. Wie sich jemand fühlt, ist völlig unerheblich. Einen bedingungsbezogenen Fragebogen zu konstruieren, ist gar nicht so einfach. Mehr als 50% der auf dem Markt kursierenden Fragebögen sind suboptimal. Das ist eher das Problem als generell die schriftliche Befragung als ungeeignet und unzulässig darzustellen.
Prof. Dr. habil. Thomas Langhoff,
HS Niederrhein, Krefeld
Professor für Arbeitswissenschaft und Human Resources