Auch die Arbeitswelt wurde im Laufe der Geschichte immer wieder durch bahnbrechende Erfindungen revolutioniert. Das Rad war eine solche, ebenso wie die Druckkunst mit beweglichen Lettern, die Dampfmaschine und der elektrische Strom. Sie haben die Arbeit leichter und wirksamer gemacht.
Mailen von Tür zu Tür
Fernkommunikation gibt es seit den Fahnen- und Leuchtsignalen der Römer und noch effizienter seit Erfindung des Telefons. Aber jetzt haben wir es mit einer täglich wachsenden Vermehrung der digitalen Ausstattung an nahezu allen Arbeitsplätzen zu tun. Würden wir diese nicht fördern, verlören wir im globalen Wettbewerb bald den Anschluss.
Wie bei vielen sinnvollen Dingen gibt es aber auch hier ein Aber. Wir werden immer schneller durch Online-Kommunikation. An vielen Arbeitsplätzen ist sie der Hauptbestandteil der täglichen Arbeit. Wo früher im direkten Kontakt Informationen ausgetauscht wurden, geschieht dies heute oft, manchmal sogar von Tür zu Tür, online. Es werden viele E‑Mails ausgetauscht, aber man sieht sich nicht mehr.
Internetsucht
Nach einer Studie der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung sind in Deutschland derzeit gut 500.000 Menschen als internetsüchtig zu bezeichnen.
Viele davon sind Jugendliche. Darüber, wie viele Menschen in der Arbeitswelt ebenfalls als online-süchtig bezeichnet werden müssten, liegen bis jetzt keine Zahlen vor. Es sind aber viele, die – obwohl verboten – mit Computerspielen und arbeitsfremder Computer-Kommunikation große Teile ihrer Arbeitszeit verbringen; moderne Smartphones sind auch Computer. Der Verlust an Arbeitseffizienz hierdurch ist die eine Seite. Die andere ist die Rückwirkung auf die Gesundheit der Betroffenen. Denn selbst für diejenigen, die Online-Recherche und ‑Kommunikation ausschließlich zum Arbeitszweck einsetzen, besteht das Risiko negativer Folgen für die Gesundheit.
Nicht alle Risiken erfasst
Diesem Risiko soll mit der Bildschirmarbeitsplatzverordnung entgegengewirkt werden. Aber durch sie werden nicht alle Risiken hinreichend erfasst! Der Zusammenhang zwischen zu langem Sitzen vor dem Computer und psychischen Erkrankungen wie Schlafstörungen, Essstörungen und Antriebslosigkeit und weiteren ist naheliegend.
Hierbei müssen wir uns immer wieder die Entwicklung der Menschen bis heute in Erinnerung rufen. Weil das Überleben in der Gruppe besser gelang, war und ist bis heute der direkte zwischenmenschliche Kontakt von entscheidender Bedeutung. Der kann in der digitalen Welt aber leicht zu kurz kommen oder gar verloren gehen.
Facebook riecht nicht
Mit „Krank durch PC & Co“ betitelte
die Computerwoche einen entsprechenden Artikel Ende Januar 2014 (www.computerwoche.de/a/krank-durch-pc-und-co,2350242, 14.06.2017). Falsche Sitzhaltung, die Tastatur als Bakterien- und Virenschleuder, Schädigung der Augen und Kopfschmerzen sind Beispiele direkter Gesundheitsgefahren. Die indirekten und längerfristig eintretenden sind aber noch bedeutender. Selbst wenn alles technisch, ergonomisch und hygienisch in Ordnung ist, kann der Online-Dauerbetrieb krank machen. E‑Mail, SMS, MMS, Facebook, Twitter. Messenger und Skype können vortäuschen mit anderen Menschen in Kontakt zu sein, ja sogar Freunde zu haben. Aber stimmt das wirklich?
Einfach ausgedrückt: Wir kommunizieren immer mehr und entfernen uns gleichzeitig immer weiter voneinander. E‑Mails haben keine Körpersprache, Facebook riecht nicht, und bei der SMS ist die Stimme nicht belegt.
In der Psychologie gab es vielfach Untersuchungen darüber, was passiert, wenn Menschen weitgehend isoliert aufwachsen und leben. Ein Ergebnis: Auch gesundheitlich sind die Betroffenen weniger stabil. Ein weiteres Argument:
Es gibt introvertierte und extrovertierte Menschen. Aber auch die Introvertierten kommen ganz ohne Sozialkontakte nicht aus. Nun könnte man sagen, dass diejenigen, die während ihrer Arbeitszeit weitgehend isoliert sind, in ihrer Freizeit Ausgleich finden können. Aber auch das ist nicht so einfach. Sozialverhalten will gelernt sein.
Konsequenzen für die Arbeitswelt
Für die Arbeitswelt heißt das, sie kann nicht einfach auf die Freizeit verweisen, sondern muss Arbeitsabläufe so organisieren, dass ein gutes Sozialverhalten am Arbeitsplatz möglich ist. Dieses müsste im Unternehmensleitbild enthalten sein, soweit es ein solches gibt; ab einer gewissen Betriebsgröße wird es empfohlen.
Hilfreich sind auch Gemeinschaftsveranstaltungen im Bereich Sport und Kultur. Aber das alles ist noch nicht genug. Die Arbeitswelt muss sich mit den zunehmenden Fällen psychischer Störungen durch unverhältnismäßig intensive PC-Tätigkeit auseinandersetzen!
Übermäßiges Computerspielen kann zu Suchterkrankungen führen. Weitere internetbezogene Verhaltensweisen wie die Nutzung sozialer Netzwerke, Chatten oder übermäßige Suche nach irgendwelchen Neuigkeiten tragen das Potenzial dazu ebenfalls in sich. Es kommt hier sehr stark auf die Dauer an, und ob reale Kontakte dadurch vernachlässigt werden.
Benötigt wird eine Lernoffensive für einen guten Umgang mit allen Online-Angeboten und ‑Möglichkeiten, damit deren unbestreitbare riesige Vorteile nicht von vielen Nachteilen überlagert werden.