1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Organisation » Prävention »

Staub – je kleiner umso gefährlicher

Spezial Teil 1
Staub – je kleiner umso gefährlicher

Er ist lästig und löst Nies­reiz aus. Mit Staub­saugern und Staubtüch­ern gehen wir gegen ihn vor. Doch was im pri­vat­en Umfeld eher ein ästhetis­ches Prob­lem darstellt, kann am Arbeit­splatz zu ein­er ern­sten Bedro­hung wer­den. Neben den viel disku­tierten Asbest­stäuben oder Diesel­ruß­par­tikeln bet­rifft dies auch einige Staubfrak­tio­nen, die auf den ersten Blick harm­los wirken.

Jed­er weiß, was Staub ist – oder vielle­icht doch nicht? Es fällt gar nicht leicht, den Begriff spon­tan zu erk­lären. Staub ist fein verteil­ter Schmutz, Staub trübt die Luft und Staub lässt die Augen trä­nen. Solche Antworten gehen in die richtige Rich­tung, eine exak­tere Def­i­n­i­tion kön­nte etwa so laut­en: Stäube sind winzige Par­tikel fes­ter Stoffe, die so leicht sind, dass sie mehr oder weniger lange in der Luft schweben, bevor sie zu Boden sinken. Sind die Par­tikel flüs­sig, spricht man nicht von Stäuben, son­dern von Nebeln, Dämpfen oder den in der Coro­na-Pan­demie häu­fig genan­nten Aerosolen.

Aus was besteht eigentlich Staub?

Zunächst ste­ht der Begriff Staub lediglich für die Klein­heit von Par­tikeln. Größere Teilchen würde man Pul­ver oder Gran­u­lat nen­nen, ohne dass es für die Abgren­zung jew­eils fest­gelegte Par­tikel­maße gäbe. Eine für das Arbeitss­chutzrecht maßge­bliche Def­i­n­i­tion find­et sich in Anhang I.2 der Gefahrstof­fverord­nung (Gef­Stof­fV). Danach sind Stäube „dis­perse Verteilun­gen fes­ter Stoffe in der Luft, die ins­beson­dere durch mech­a­nis­che, ther­mis­che oder chemis­che Prozesse oder durch Aufwirbelung entstehen.“

Welch­er Art diese Stoffe sind, bleibt hier völ­lig offen und das ist ein wichtiger Punkt für den betrieblichen Arbeitss­chutz. Denn die Gef­Stof­fV unter­schei­det nicht zwis­chen organ­is­chen Stäuben wie Blüten­pollen, Mehl oder Schim­melpilzs­poren und Staub aus anor­gan­is­chen Par­tikeln wie Met­all- oder Asbest­stäube. Eben­so uner­he­blich ist es, ob ein Staub natür­lichen Ursprungs ist oder durch einen Pro­duk­tion­sprozess entste­ht. Wenn let­zteres der Fall ist und die Par­tikel aus chemis­chen oder ther­mis­chen Vorgän­gen wie etwa beim Schweißen her­vorge­hen, spricht man meist von Rauch, zum Beispiel von Schweißrauch oder Zigaret­ten­rauch. Auch die TRGS 900 unter­schei­det zwis­chen Staub und Rauch sowie Nebel, hier kom­pakt definiert:

  • Staub = fein verteilte feste Stoffe in Luft, die durch mech­a­nis­che Prozesse oder durch Aufwirbeln ent­standen sind
  • Rauch = fein verteilte feste Stoffe in Luft, die durch ther­mis­che und/oder chemis­che Prozesse ent­standen sind
  • Nebel = fein verteilte flüs­sige Stoffe in Luft

Aus Sicht eines Chemik­ers oder Gefahrstof­f­ex­perten kann Staub alles Mögliche sein. Dazu kommt, dass im pri­vat­en wie betrieblichen All­t­ag die meis­ten Stäube Mis­chun­gen aus ganz unter­schiedlichen Sub­stanzen sind. Das reicht von Ruß­par­tikeln, Reifenabrieb, Tex­til­fusseln und Blüten­pollen bis zu Hautschup­pen oder den Auss­chei­dun­gen von Insek­ten. Neben diesen uner­wün­scht­en Stäuben kann die Eigen­schaft staubför­mig dur­chaus gewollt sein. Das ist bei den soge­nan­nten Nutzstäuben in der Met­al­lurgie, Phar­mazie oder Kos­metik der Fall. In den meis­ten Branchen gehören die durch eine Tätigkeit freige­set­zten Stäube jedoch eher zu den uner­wün­scht­en, aber unver­mei­d­baren Abfall­stof­fen. Nicht vergessen wer­den darf, dass Stäube auch im Explo­sion­ss­chutz einen zen­tralen Risiko­fak­tor darstellen. Die Beiträge in diesem Spezial fokussieren jedoch auf die Gesundheitsaspekte.

Besonders gefährliche Stäube

Wenn Beschäftigte bei der Arbeit Stäuben aus­ge­set­zt sind, hat der Arbeit­ge­ber – im Rah­men der Gefährdungs­beurteilung – zunächst zu klären, um welche Art von Staub es sich han­delt. Denn Staub ist nicht gle­ich Staub und je nach Herkun­ft und Zusam­menset­zung kön­nen andere Schutz­maß­nah­men notwendig wer­den. Die fol­gen­den Staubfrak­tio­nen treten häu­fig auf oder sind typ­isch für bes­timmte Branchen.

  • Holzstäube

Bei Kreb­s­ge­fahren am Arbeit­splatz denkt man an Asbest oder giftige Chemikalien. Doch auch das Einat­men von Holzstäuben kann zu bösar­ti­gen Tumoren der Nase, der Nasen­neben­höhlen oder anderen Tumoren in den Atemwe­gen führen. Soge­nan­nte Ade­nokarzi­nome der Nasen­haupt- und Nasen­neben­höhlen durch Stäube von Eichen- oder Buchen­holz kom­men bei Holzarbei­t­erin­nen und Holzarbeit­ern um ein Vielfach­es häu­figer vor als im Rest der Bevölkerung und sind als Beruf­skrankheit Nr. 4203 anerkan­nt. Beson­ders gefährdet sind Bau- und Möbelschrein­er, Par­ket­tleger, Trep­pen­bauer sowie die sel­ten gewor­de­nen Küfer und Stell­mach­er. Die TRGS 906 nen­nt mehr als 30 Arten von Harthölz­ern, deren Stäube als beson­ders gefährlich gel­ten. Neben heimis­chen Holzarten wie Buche, Birke, Eiche, Esche, Kirsche oder Wal­nuss befind­en sich auch exo­tis­che Hölz­er wie Teak oder Pal­isander darunter. Bei stauben­den Tätigkeit­en mit solchen Hölz­ern darf deshalb nicht auf Atem­schutz verzichtet werden.

  • Min­er­alis­che Stäube

Dazu gehören Stäube, die beim Bear­beit­en von Min­er­alien und Gesteinen entste­hen, zum Beispiel Gran­it, Sand­stein, Basalt oder Kalk­stein. Solche Gesteinsstäube treten typ­is­cher­weise auf Baustellen beim Innenaus­bau auf. Hier sind ins­beson­dere Ange­hörige von Elek­troberufen gefährdet, wenn sie Wände und Deck­en bohren und auf­stem­men, um Leitun­gen und Verteil­er­dosen zu set­zen. Als beson­ders gefährlich gel­ten Quarzfe­in­stäube, die beim ungeschützten Arbeit­en tief in die Lunge ein­drin­gen. Es dro­hen chro­nis­che Bron­chi­tis, Silikose (Staublunge) und Lungenkrebs.

  • Met­all­stäube

Auch beim Bear­beit­en von met­allis­chen Werk­stück­en beispiel­sweise aus Eisen, Zinn oder Alu­mini­um kön­nen winzige Par­tikel freige­set­zt wer­den. Gelan­gen diese beim Einat­men in die Lunge, kann dies zu ein­er Lun­genentzün­dung oder ein­er soge­nan­nten gutar­ti­gen Staublunge führen.

  • Asbest­stäube

Asbesthaltige Mate­ri­alien sind und bleiben eine Alt­last im Baube­stand. Der Nieder­gang von der Wun­der­fas­er zum Killer­staub ist bekan­nt und die Zahl der Asbest­toten über­steigt die Zahl der Opfer tödlich ver­laufend­er Arbeit­sun­fälle. Asbe­strisiken müssen stets beachtet wer­den bei allen Abbruch‑, Sanierungs- oder Instand­hal­tungsar­beit­en an Gebäu­den, die vor 1993 errichtet wurden.

  • Faser­stäube

Beim Umgang mit Min­er­al­wolle-Dämm­stof­fen kön­nen gesund­heits­ge­fährliche Faser­stäube freige­set­zt wer­den. Auf­grund ver­schärfter Kri­te­rien gel­ten zwar viele neuere Dämm­stoffe nicht mehr als kreb­serzeu­gend, von ein­er pauschalen Ent­war­nung kann jedoch keine Rede sein. Zudem muss bei Abbruch‑, Sanierungs- und Instand­hal­tungsar­beit­en damit gerech­net wer­den, dass Mitar­bei­t­ende den Stäuben aus „alten“ Min­er­al­wollepro­duk­ten aus­ge­set­zt sind. Für diese Fälle wurde eine eigene Tech­nis­che Regel erstellt (siehe Kas­ten Rechtsgrundlagen).

  • Infek­tiöse Stäube

Stäube mit Infek­tion­srisiken kom­men nicht nur im Gesund­heitswe­sen vor, son­dern auch bei Abbruchar­beit­en, in der Abfall­wirtschaft oder in Archiv­en. Die hier auftre­tenden Bio-Stäube sind oft alles andere als gesund­heits­fre­undlich, sie kön­nen Krankheit­ser­reger enthal­ten oder aller­gis­che Reak­tio­nen aus­lösen. Typ­is­che Quellen sind Taubenkot, Mäuse­dreck oder Schim­melpilze. Zu den Bio-Stäuben gehören auch die Blüten­stäube, die sich aus Blüten­pollen zusam­menset­zen und vor allem bei Allergik­ern gefürchtet sind.

Die Prob­lematik der verkehrs­be­d­ingten Luftver­schmutzung durch Ruß­par­tikel und Diesel“stäube“ wird im Zusam­men­hang mit dem Diesel­skan­dal bre­it disku­tiert und soll hier nicht wieder­holt wer­den. Darüber hin­aus treten an spez­i­fis­chen Arbeit­splätzen oder in bes­timmten Branchen weit­ere gesund­heit­srel­e­vante Staubfrak­tio­nen auf. Mit eini­gen dieser Spezialfälle wie Mehlstäube, Ton­er­stäube oder Nanos­täube wer­den sich die kom­menden Aus­gaben des „Sicher­heits­beauf­tragten“ geson­dert befassen.

Stäube im Arbeitsschutzrecht

Wer sich mit den Arbeitss­chutzvor­gaben zum Schutz vor gesund­heits­ge­fährlichen Stäuben befasst, kommt um die Begriffe E‑Staub und A‑Staub nicht herum. Diese Ein­teilung hat einen medi­zinis­chen Hin­ter­grund. Denn während sich größere Staubteilchen in Nase, Hals oder Rachen abset­zen, drin­gen kleinere bis tief in das Lun­gengewebe und die Alve­olen (Lun­gen­bläschen) vor. Arbeitsmedi­zin­er beze­ich­nen den Stauban­teil, den wir beim Atmen einat­men, als E‑Staub (einatem­bar­er Staub). Mit A‑Stäuben sind dage­gen die feineren alve­olengängi­gen Stäube gemeint. Der A‑Staub ist somit der Anteil des E‑Staubs, bei dem die Staub­par­tikel so winzig sind, dass sie tief in die Alve­olen eindringen.

Je kleiner umso gefährlicher

Wenn von den beson­ders gesund­heits­ge­fährlichen Fein­stäuben die Rede ist, ist meist die A‑Staubfraktion gemeint. Manch­mal wird der Fein­staub auch als PM 10 beze­ich­net, das ste­ht für „par­tic­u­late mat­ter“ und umfasst alle Staub­par­tikel, deren Durchmess­er klein­er als 10 µm (Mikrom­e­ter = 1 mil­lion­s­tel Meter) sind (ver­gle­iche Tabelle oben). Entschei­dend zu wis­sen für den Gesund­heitss­chutz im Betrieb ist, dass fast jed­er Stoff zu einem Gesund­heit­srisiko wer­den kann, wenn er in dieser Winzigkeit – als Fein­staub – vor­liegt, so harm­los die Sub­stanz als „größer­er Brock­en“ anson­sten sein mag.

Maßge­blich für den Arbeitss­chutz an stauben­den Arbeit­splätzen ist der soge­nan­nte All­ge­meine Staub­gren­zw­ert (ASGW). Dieser beste­ht genau genom­men aus zwei Werten, einem Gren­zw­ert für die einatem­bare Frak­tion (E‑Fraktion) und einem Gren­zw­ert für die alve­olengängige Frak­tion (A‑Fraktion). Die Gren­zw­erte sind Schicht­mit­tel­w­erte. Der ASGW für die A‑Fraktion wurde vor eini­gen Jahren von 3 auf 1,25 mg / m³ gesenkt und spätestens 2019 sind alle Über­gangs­fris­ten abgelaufen.

Wichtig ist an dieser Stelle zu wis­sen, dass der ASGW unab­hängig von der Art und Herkun­ft des Staubes gilt. Er hat die Funk­tion ein­er all­ge­meinen Ober­gren­ze. Darüber hin­aus kön­nen im Tech­nis­chen Regel­w­erk (TRGS 900, TRGS 910) für bes­timmte Sub­stanzen eigene Beurteilungs­maßstäbe oder spez­i­fis­che Arbeit­splatz­gren­zw­erte genan­nt sein. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn von einem stauben­den Stoff gefährliche Eigen­schaften wie tox­isch, erbgutverän­dernd oder kreb­serzeu­gend bekan­nt sind.


Foto: privat

Autor: Dr. Fried­helm Kring

Freier Jour­nal­ist, Redak­teur und Referent


Wichtige Rechtsgrundlagen zum Umgang mit Staub

  • TRGS 553 „Holzs­taub“
  • TRGS 559 „Quarzhaltiger Staub“
  • TRGS 521 „Abbruch‑, Sanierungs- und Instand­hal­tungsar­beit­en mit alter Mineralwolle“
  • TRGS 500, Kap. 9 „Schutz­maß­nah­men bei Tätigkeit­en mit Expo­si­tion gegenüber Staub“
  • DGUV Infor­ma­tion 209–044 „Holzs­taub“
  • DGUV Infor­ma­tion 209–084 „Indus­tri­es­taub­sauger und Entstauber“

Staub – eine unterschätzte Gefahr

Die Gesund­heit­srisiken, die von Staub aus­ge­hen, wer­den oft unter­schätzt. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Stäube sind uns aus dem All­t­ag ver­traut. Sie wirken lästig, aber harm­los. Bei den Stäuben in den eige­nen vier Wän­den oder auf dem Dachbo­den mag das zutr­e­f­fen, doch je nach Branche und Tätigkeit kann ein Staub am Arbeit­splatz hochgr­a­dig gesund­heits­ge­fährlich sein.
  2. Auch unverdächtige Mate­ri­alien, die wed­er giftig sind noch ein Gefahrstoff­sym­bol tra­gen – wie etwa ein Holzstück –, kön­nen Gesund­heit­srisiken bergen, sobald sie beim Bear­beit­en Stäube freisetzen.
  3. Stäube sind über­all und unver­mei­d­bar. Ein biss­chen Staub gibt es – abge­se­hen von Rein­räu­men – über­all, in jed­er Branche und an jedem Arbeit­splatz. Ab wann dieses „biss­chen Staub“ zu ein­er Gesund­heits­ge­fahr wird, kön­nen unsere Sin­nesor­gane nicht erken­nen. Nase und Augen melden uns zwar Staub, aber auch der Nies­reiz ist kein ver­lässlich­er Sen­sor, um die Gefährlichkeit des Reizur­sprungs einzuschätzen.

Lesen Sie auch:

Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de