Der Kläger ist bei der beklagten Arbeitgeberin als technischer Sachbearbeiter beschäftigt. Einsatzort ist eine Liegenschaft des Bundesnachrichtendienstes. Auf das Arbeitsverhältnis finden die tarifvertraglichen Regelungen des TVöD Anwendung.
Laut Arbeitsvertrag ist die Arbeitgeberin berechtigt, dem Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuzuweisen. Die Beklagte informierte den Kläger schriftlich darüber, dass sie ihn zur verantwortlichen Elektrofachkraft (vEFK) bestellt und ihm die Fach- und Aufsichtsverantwortung sowie Rechte und Pflichten hinsichtlich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei elektronischen Arbeiten überträgt. Der Kläger wurde unter anderem angewiesen, Niederspannungseinrichtungen zu schaffen und zu erhalten, Anordnungen und Maßnahmen zu treffen, um das Arbeiten und Betreiben entsprechend der einschlägigen elektrotechnischen Vorschriften und Normen sicherzustellen, Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen und die daraus resultierenden Prüfungen für elektrische Betriebsmittel sowie die ordnungsgemäße Ausrüstung von Maschinen zu organisieren.
Der Kläger erhielt hierfür jedoch keine Schulungen oder Fortbildungen, insbesondere auch nicht für die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung.
Obwohl der Kläger der Bestellung widersprach, führte er die Aufgaben der verantwortlichen Elektrofachkraft aufgrund der Weisung zunächst durch.
Der Kläger wollte jedoch die ihm von der Beklagten einseitig auferlegten Aufgaben nicht akzeptieren. Er erhob Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin mit dem Ziel, die Unwirksamkeit der Weisung feststellen zu lassen. Die Tätigkeit sei ihm nicht zuzumuten. Eine derartige Erweiterung des Aufgabenbereichs sei nur einvernehmlich möglich. Die Beklagte hingegen war der Meinung, sie habe den Kläger wirksam zur verantwortlichen Elektrofachkraft bestellt. Er verfüge über die nötige Zuverlässigkeit und Sachkunde. Eine einseitige Bestellung sei ohne weiteres möglich. In vergleichbaren Fällen aus dem Beamtenrecht sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Einvernehmen mit dem jeweiligen Beamten nötig.
Delegation nur im Einvernehmen
Nachdem das Arbeitsgericht Berlin zugunsten des Klägers entschieden hatte, legte die Beklagte Berufung ein. Aber auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab dem Kläger Recht. Rechtsgrundlage für die streitige einseitige Anordnung sei § 13 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz. Danach kann der Arbeitgeber zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Gesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Zwar sei nach dem Wortlaut der Vorschrift eine einvernehmliche Übertragung nicht nötig. Dies ergebe sich jedoch aus der im Unfallverhütungsrecht enthaltenen vergleichbaren Vorschrift des § 12 VBG 1.
Auch § 13 der heute maßgeblichen Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 1 habe einen vergleichbaren Wortlaut. Dort heißt es: „Der Unternehmer kann zuverlässige fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm nach Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterzeichnen.“ Gefordert sei damit nach der Auffassung des Gerichts immer das Einverständnis des Mitarbeiters. Daher müsse das Einverständnis auch im vorliegenden Fall der Übertragung nach § 13 Abs. 2 ArbSchG vorliegen.
Zudem verwies das Landesarbeitsgericht auf Parallelen zur Bestellung eines Beauftragten für schwerbehinderte Menschen. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer die Übernahme der Aufgabe verweigern, es sei denn, dass arbeitsvertraglich eine Verpflichtung zur Übernahme dieser Aufgabe besteht. Gleiches gelte laut den Vorschriften für Immissionsschutzbeauftragte und Beauftragte für den Datenschutz. Hintergrund des Zustimmungserfordernisses sei nach Ansicht des Gerichts, dass der Arbeitnehmer Aufgaben des Arbeitgebers ausüben soll und damit sogar auch strafrechtlich haften kann, wenn Dritte zu Schaden kommen. Dies erfordere eine einvernehmliche Absprache und beschränke insoweit das Direktionsrecht des Arbeitgebers.
Das Landesarbeitsgericht führt als weiteren Zweck der Übertragung arbeitsschutzrechtlicher Pflichten an, dass die Arbeitsschutzbehörde einen eigenständigen Ansprechpartner neben dem Arbeitgeber haben soll. Früher konnten Anordnungen nur gegenüber dem Arbeitgeber erlassen werden. Dies führte dazu, dass sich die Suche nach den verantwortlichen Personen für die Behörden mitunter schwierig gestaltete. Daher wurden die gesetzlichen Vorschriften angepasst. Letztlich dienten die Regelungen aus dem Arbeitsschutzgesetz einem effektiven betrieblichen Arbeitsschutz. Sie sollen aber gerade nicht zur Folge haben, dass der Arbeitgeber seine Verantwortung einseitig abschieben kann.
Zudem ergaben sich nach Ansicht der Berliner Richter die Aufgaben einer Elektrofachkraft im vorliegenden Fall auch nicht aus dem Inhalt des Arbeitsvertrags des Klägers. Die Parteien hatten einen typischen Standardvertrag für den öffentlichen Dienst vereinbart. Dem war nicht zu entnehmen, dass der Kläger die Aufgaben eines vom Arbeitgeber Beauftragten nach § 13 Abs. 2 ArbSchG wahrzunehmen habe.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist zutreffend und praxisgerecht, auch wenn der Wortlaut des § 13 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz nur die Zuverlässigkeit und Sachkunde, aber eben keine Zustimmung des Arbeitnehmers voraussetzt. Aber es ist folgerichtig, mit der Rechtsprechung auch auf den Sinn und Zweck der Vorschrift sowie auf die Belange des Arbeitnehmers abzustellen. Auch wenn dieser grundsätzlich dem Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, gilt dieses bei der Übertragung von Arbeitsschutzaufgaben wegen der damit verbundenen weitreichenden Folgen eben nicht uneingeschränkt.
Eine ordnungsgemäße Delegation nach dem Arbeitsschutzgesetz bedarf daher einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer und kann nicht ohne seine Zustimmung erfolgen. Eine abweichende Beurteilung ist insbesondere mit Blick auf die weitreichenden Haftungsfolgen nicht interessengerecht.
Matthias Klagge ist Referent beim „2. Praxiskongress Recht“ am 10. Dezember in Heidelberg. Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter