Geklagt hatte eine Witwe, deren verstorbener Ehemann im Juni 2014 abends auf einer Bundesstraße einen tödlichen Verkehrsunfall erlitten hatte. Der in einem Reifenwerk beschäftigte Mann hatte ohne ersichtlichen Grund vorzeitig seine Arbeit beendet und dabei die Maschinen weiter laufenlassen. Er hatte weder seine Kollegen über sein vorzeitiges Arbeitsende informiert, noch ausgestempelt. Seine Sachen hatte er aber mitgenommen.
Auf seinem üblichen Nachhauseweg scherte er Zeugenaussagen zufolge mit seinem Fahrzeug vor einem vorausfahrenden Lkw plötzlich und ohne zu bremsen nach links aus. Dabei stieß er mit einem entgegenkommenden Lkw zusammen und verstarb.
Auf dem Heimweg?
Der Unfallversicherungsträger verweigerte die Anerkennung als Arbeitsunfall, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der unfallbringenden Autofahrt bestanden habe. Es sei letztlich nicht feststellbar, dass der Verstorbene seine Arbeitsstelle verlassen habe, um nach Hause zu fahren. Allein daraus, dass sich der Unfall auf dem üblichen Arbeitsweg ereignete, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit darauf geschlossen werden, dass der Verstorbene sich auf dem Heimweg befand. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf die besonderen Umstände des Verlassens des Arbeitsplatzes. Fehle es an dem geforderten sachlichen Zusammenhang zur eigentlichen versicherten Tätigkeit, sei das Zurücklegen des Weges auch dann nicht versichert, wenn der Versicherte die gewöhnliche Strecke benutzt.
Das LSG bestätigte die Entscheidung. Grundsätzlich sei maßgeblich, mit welcher „Handlungstendenz” ein Versicherter den Arbeitsweg zurücklegt. Denn nur dann, wenn die Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet sei, die Haupttätigkeit aufzunehmen oder nach deren Beendigung in seinen Privatbereich zurückzukehren, bestehe ein Zusammenhang zur versicherten betrieblichen Tätigkeit.
Handlungstendenz bleibt unklar
Mit welcher Handlungstendenz der Verstorbene seinen Arbeitsplatz verlassen hat, sei in diesem Fall aber unklar. Dabei war für das Gericht insbesondere von Bedeutung, dass der Mann zu völlig untypischer Zeit seine Beschäftigung beendete und entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten seiner Ehefrau auch keine Nachricht geschickt hat, dass er sich auf den Heimweg begebe.
In solchen Fällen mit „typischer Beweisnot” dürfe bei einem regelhaften Ablauf der Geschehnisse von einem versicherten Wegeunfall ausgegangen werden. So gäbe es bei einem Unfall auf dem üblicherweise genutzten Weg nach Ende der regulären Arbeitszeit keinen vernünftigen Zweifel an der Zurücklegung eines versicherten Weges.
Kein typischer Ablauf
Im vorliegenden Fall sei ein typischer Ablauf aber gerade nicht gegeben. Der Versicherte habe ohne klaren Grund seine Arbeitsstelle vorzeitig verlassen, die Maschinen nicht abgestellt, nicht ausgestempelt und weder seine Kollegen noch seine Ehefrau informiert. Es stehe daher nicht im Vollbeweis fest, ob sich der Verstorbene tatsächlich auf dem versicherten Heimweg befand. Die Zweifel gingen zulasten der Klägerin, so das LSG.
(Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 28.11.2018, Az. L 6 U 103/17)