1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Recht »

CE - nachträglich kennzeichnen

Die Rechtslage in Deutschland und Österreich Teil 1
Muss ein Betreiber nachträglich CE-kennzeichnen, wenn der Hersteller es nicht tat?

Muss ein Betreiber nachträglich CE-kennzeichnen, wenn der Hersteller es nicht tat?
Die nachträgliche CE-Kennzeichnung spaltet ein wenig die Geister. Ja? Nein? Muss? Kann? Foto: © BillionPhotos.com – stock.adobe.com
Helmut Frick; Prof. Dr. Thomas Wilrich
Wenn Maschi­nen nicht CE gekennze­ich­net – und zuvor nicht die Kon­for­mitäts­be­w­er­tungs- und Sicher­heit­spflicht­en erledigt wor­den – sind, stellt sich die Frage, ob nicht nur der Her­steller, son­dern auch der Betreiber zur Kor­rek­tur dieses Fehlers gemäß Inverkehrbrin­gen­srecht verpflichtet ist – also die Umset­zung der EG-Maschi­nen­richtlin­ie, Erstel­lung der EG-Kon­for­mität­serk­lärung und CE-Kennze­ich­nung nach­holen muss.

Beiträge zur vierteili­gen Serie in der Zeitschrift “Sicher­heitsin­ge­nieur”:

Muss ein Betreiber nachträglich CE-kennze­ich­nen, wenn der Her­steller es nicht tat?

Dür­fen Auf­sichts­be­hör­den Betreiber verpflicht­en, die vom Her­steller ver­säumte CE-Kennze­ich­nung nachzuholen?

Dür­fen Auf­sichts­be­hör­den beim Betreiber eine Mas­chine allein wegen fehlen­der CE-Kennze­ich­nung stilllegen?

 
 

Eine vor dem 31. Dezem­ber 1994 erst­ma­lig in Verkehr gebrachte Mas­chine musste nicht CE-gekennze­ich­net wer­den  [1]. „Voll­ständig ange­wandt wer­den muss die Maschi­nen­richtlin­ie erst ab dem 1. Jan­u­ar 1995“[2]. Eine fehlende CE-Kennze­ich­nung für diese „Alt-Maschi­nen“ muss nicht nachge­holt werden.

Wenn ab dem 1. Jan­u­ar 1995 eine Mas­chine ohne CE-Kennze­ich­nung (und ohne Durch­führung des erforder­lichen Kon­for­mitäts­be­w­er­tungsver­fahrens und ohne Umset­zung der erforder­lichen Sicher­heit) in Verkehr gebracht wurde, hat der Her­steller einen Fehler gemacht. Das Inverkehrbrin­gen war gesetzeswidrig.

Wenn eine Mas­chine geset­zeswidrig nicht CE-gekennze­ich­net ist, kann der Betreiber die Her­stellerver­ant­wor­tung übernehmen. Wenn er dabei tat­säch­lich umbaut, wird er – bei wesentlich­er Verän­derung – zum Her­steller. Wenn er nur seinen Namen oder sein Kennze­ichen anbringt, wird er Qua­si-Her­steller (siehe unten IV.2. und VI.1).


Stre­it­ig ist, ob ein Betreiber ein­er Mas­chine, der nicht Her­steller ist, die fehlende Kon­for­mitäts­be­w­er­tung, EG-Kon­for­mität­serk­lärung und CE-Kennze­ich­nung gemäß EG-Maschi­nen­richtlin­ie von Rechts wegen nach­holen muss beziehungsweise kann. Diese Frage beant­worten wir mit „Nein“.


Strikte Trennung von Herstellerpflichten und Betreiberpflichten

Es sind sich alle einig, dass die europäis­chen Rechtsvorschriften – und damit natür­lich auch die nationalen Umset­zun­gen – strikt zwis­chen Inverkehrbrin­gen­spflicht­en des Her­stellers und Arbeitss­chutzpflicht­en des Betreibers trennen.

  • Für den Her­steller gel­ten das Pro­duk­t­sicher­heits­ge­setz[3] und die EG-Maschi­nen­richtlin­ie 2006/42 (dazu II.).
  • Für den Betreiber gel­ten das Arbeitss­chutzrecht[4] und in Deutsch­land die Betr­SichV beziehungsweise in Öster­re­ich die AM-VO (dazu VI. und im übernäch­sten Heft).

Der Betreiber hat nur in drei Aus­nahme­si­t­u­a­tio­nen Her­stellerpflicht­en – beim Import ein­er Mas­chine aus einem Drit­t­land, bei wesentlich­er Verän­derung ein­er Mas­chine und bei Her­stel­lung für den Eigenge­brauch (dazu IV.). Zen­traler Aus­gangspunkt ist, dass Pflicht­en gemäß EG-Maschi­nen­richtlin­ie nur Her­steller haben – beziehungsweise soge­nan­nte Wirtschaft­sak­teure, zu denen aber nicht Betreiber/Arbeitgeber oder Verbraucher/Konsumenten gehören.

CE-Kennzeichnung nur für den Hersteller verpflichtend

Die Grund­vorschrift Art. 5 EG-Maschi­nen­richtlin­ie 2006/42 wen­det sich nur an Her­steller und ihre Bevollmächtigten. Sie müssen „vor dem Inverkehrbrin­gen und/oder der Inbe­trieb­nahme“ ein­er Mas­chine die CE-Kennze­ich­nung anbrin­gen [5] – und natür­lich zuvor die anderen Kon­for­mitäts­be­w­er­tungs- und Sicher­heit­spflicht­en erfüllen. Ver­ant­wortlich ist also nur der Her­steller vor Inverkehrbrin­gen, nicht aber der Betreiber, nach­dem in Verkehr gebracht wor­den ist. Die Ver­ant­wor­tung „liegt ein­deutig beim Her­steller“[ 6]. Ob und wann Betreiber zum Her­steller wer­den (kön­nen oder müssen), ist eine andere Frage (siehe unten IV. und im näch­sten Heft VI.).

Art. 2 Nr. 20 der EG-Verord­nung 765/2008 über Akkred­i­tierung und Mark­tüberwachung [7] definiert die CE-Kennze­ich­nung als „Kennze­ich­nung, durch die der Her­steller erk­lärt, dass das Pro­dukt den gel­tenden Anforderun­gen genügt, die in den Har­mon­isierungsrechtsvorschriften der Europäis­chen Union, die ihre Anbringung vorschreiben, fest­gelegt sind“. Daher „ergibt sich aus dieser Def­i­n­i­tion, dass auss­chließlich der Her­steller für die CE-Kennze­ich­nung zuständig ist“ [8].

Andere grundle­gende europäis­che Pro­duk­t­sicher­heitsvorschriften nehmen zwar etwas weit­er „Wirtschaft­sak­teure“ in den Blick – das sind Her­steller, Bevollmächtigte, Ein­führer und Händler (ver­gle­iche Art. 2 Nr. 7 der EG-Verord­nung 765/2008 [9]). Aber die „All­ge­meinen Grund­sätze der CE-Kennze­ich­nung“ in der genan­nten EG-Verord­nung fassen in Art. 30 Abs. 1 und 3 zusam­men: „Die CE-Kennze­ich­nung darf nur durch den Her­steller oder seinen Bevollmächti­gen ange­bracht wer­den. Indem er die CE-Kennze­ich­nung anbringt oder anbrin­gen lässt, gibt der Her­steller an, dass er die Ver­ant­wor­tung für die Kon­for­mität des Pro­duk­ts mit allen in den ein­schlägi­gen Har­mon­isierungsrechtsvorschriften der Gemein­schaft enthal­te­nen für deren Anbringung gel­tenden Anforderun­gen übernimmt.“

Der Betreiber dage­gen hat nach Produktsicherheitsrecht/Maschinenrichtlinie keine Pflicht­en in Bezug auf Kon­for­mitäts­be­w­er­tung, EG-Kon­for­mität­serk­lärung und CE-Kennze­ich­nung. „Im Gegen­satz zu Wirtschafts­beteiligten unter­liegen End­be­nutzer in den Har­mon­isierungsrechtsvorschriften der Union keinen Verpflich­tun­gen.“[10] End­nutzer in diesem Sinne sind nicht nur Pri­vate, son­dern auch Unternehmen, also Arbeitgeber/Betreiber.

EG-Maschinenrichtlinie gilt nur für neue Produkte

Die europäis­chen Har­mon­isierungsrichtlin­ien erfassen nur das Inverkehrbrin­gen neuer Pro­duk­te [11]. „Wird eine Mas­chine nach dem ersten Inverkehrbrin­gen erneut in Verkehr gebracht, gilt die Maschi­nen­richtlin­ie nicht mehr.“[12] Eben­so ist es, wenn eine gebrauchte Mas­chine nicht verkauft, son­dern schlicht weit­er­be­trieben wird: Die CE-Kennze­ich­nung „gilt“ dann nicht mehr, sie hat nach dem erst­ma­li­gen Inverkehrbrin­gen keine Bedeu­tung (mehr). Der „Sinn“ der CE-Kennze­ich­nung „erschöpft sich im Zusam­men­hang mit dem Vor­gang des Inverkehrbrin­gens, so dass sie danach eigentlich von Rechts wegen über­flüs­sig ist“[13]. Sie muss nur „vor“ dem Inverkehrbrin­gen ein­er Mas­chine ange­bracht wer­den (Art. 5 EG-Maschi­nen­richtlin­ie) – und nicht auch irgend­wann später.

Nun muss man klarstellen, dass die CE-Kennze­ich­nung aus Betreiber­sicht dur­chaus eine Bedeu­tung haben kann – sie schafft einen gewis­sen (allerd­ings nicht zu über­schätzen­den) „Ver­trauenss­chutz“: Der Betreiber kann grund­sät­zlich (also im Aus­gangspunkt, nicht aber „blind“) auf die Pro­duk­t­sicher­heit ein­er CE-gekennze­ich­neten Mas­chine ver­trauen [14]. Öster­re­ich stellt dies aus­drück­lich klar in § 33 Abs. 4 ASchG: „Wer­den von Arbeit­ge­bern Arbeitsmit­tel erwor­ben, die nach den für sie gel­tenden Rechtsvorschriften gekennze­ich­net sind, kön­nen Arbeit­ge­ber, die über keine anderen Erken­nt­nisse ver­fü­gen, davon aus­ge­hen, dass diese Arbeitsmit­tel hin­sichtlich Kon­struk­tion, Bau und weit­er­er Schutz­maß­nah­men den für sie im Zeit­punkt des Inverkehrbrin­gens gel­tenden Rechtsvorschriften über Sicher­heits- und Gesund­heit­san­forderun­gen entsprechen“.

Eine solche „Ver­mu­tungswirkung“ regelt aus Behör­den­sicht ähn­lich Art. 7 Abs. 1 Maschi­nen­richtlin­ie [15]: „Die Mit­glied­staat­en betra­cht­en eine Mas­chine, die mit der CE-Kennze­ich­nung verse­hen ist und der die EG-Kon­for­mität­serk­lärung beige­fügt ist, als den Bes­tim­mungen dieser Richtlin­ie entsprechend.“ Aber das ist die Behör­den- und Betreiber­sicht. Und wenn die CE-Kennze­ich­nung aus dieser jew­eili­gen Blick­rich­tung fehlt, dann kann der Betreiber eben nicht ver­trauen, und der Her­steller prof­i­tiert nicht von der Ver­mu­tungswirkung gegenüber Behörden.

Aus Her­steller­sicht hat die CE-Kennze­ich­nung ihren Zweck indes nach dem Inverkehrbrin­gen erfüllt. Der Her­steller hat in diesem Augen­blick entwed­er recht­skon­form verkauft – oder eben rechtswidrig die Mas­chine auf dem Gemein­schafts­markt bere­it­gestellt. Die Maschi­nen­richtlin­ie erfasst zwar auch die Inbe­trieb­nahme: das ist aber eine Regelung im Zusam­men­hang mit der Her­stel­lung für den Eigenge­brauch (siehe noch IV.2), so dass diese Inbe­trieb­nahme nur eine des Her­stellers ist – und sich die Vorschrift nicht an Betreiber generell richtet [16].

Und die europäis­chen Har­mon­isierungsrichtlin­ien gel­ten jeden­falls nicht mehr für den Maschi­nen­be­trieb. Die Inbe­trieb­nahme ist let­zlich nur eine „logis­che Sekunde“: sie ist die „erst­ma­lige bes­tim­mungs­gemäße Ver­wen­dung“ (Art. 2 k Maschi­nen­richtlin­ie), also die „erst­ma­lige Benutzung eines Pro­duk­ts für den beab­sichtigten Zweck durch den End­be­nutzer“[17].

Dem Län­der­auss­chuss für Arbeitss­chutz und Sicher­heit­stech­nik (LASI) war es wegen der Bedeu­tungslosigkeit der CE-Kennze­ich­nung nach Inverkehrbrin­gen beziehungsweise Inbe­trieb­nahme sog­ar ein Anliegen klarzustellen, dass es „kein Ent­fer­nungs­ge­bot für eine vorhan­dene CE-Kennze­ich­nung“ gibt [18] – und ergänzte fol­gen­den „Hin­weis: Eine Erneuerung der CE-Kennze­ich­nung ist unzulässig“.

Ausnahmesituationen: Herstellerpflichten der Betreiber

Es gibt drei Aus­nahme­si­t­u­a­tio­nen, in denen der Betreiber zum Her­steller wird und damit die Her­stellerpflicht­en bekommt – beim Import aus Drit­tlän­dern (dazu 1.), bei Her­stel­lung für den Eigenge­brauch (dazu 2.) und bei wesentlich­er Verän­derung (dazu 3.).

1. Import aus einem Drittland

Eine „Aus­nahme von der Grun­dregel“, dass die EG-Maschi­nen­richtlin­ie nur für neue Pro­duk­te gilt (siehe III.), schildert die EU-Kom­mis­sion so: „Die Maschi­nen­richtlin­ie find­et Anwen­dung auf gebrauchte Maschi­nen, die erst­mals für den Ver­trieb oder die Nutzung außer­halb der EU in Verkehr gebracht wur­den, wenn diese Maschi­nen in der Folge erst­mals in der EU in Verkehr gebracht oder in Betrieb genom­men wer­den.“[19]

Let­ztlich ist das aber keine Aus­nahme von der Grun­dregel. Denn der Grund­satz ist, dass das europäis­che Maschi­nen­sicher­heit­srecht gel­ten soll, wenn die Mas­chine neu in den Gemein­schafts­markt kommt, was auch der Fall ist, wenn sie schon in einem Drit­t­land gebraucht wurde und dann in die Gemein­schaft importiert wird. Das Euro­parecht will alle Maschi­nen erfassen – eben in dem Zeit­punkt, in dem sie auf den Gemein­schafts­markt gelan­gen. § 2 Nr. 15 des deutschen Pro­duk­t­sicher­heits­ge­set­zes sagt das so: „die Ein­fuhr in den Europäis­chen Wirtschaft­sraum ste­ht dem Inverkehrbrin­gen eines neuen Pro­duk­ts gle­ich.“ Wenn der Geset­zge­ber sagt, dass etwas „gle­ich­ste­ht“, obwohl es nicht gle­ich ist, ist das eine geset­zliche Fiktion.

In Öster­re­ich wird das­selbe Ergeb­nis erre­icht über eine Her­steller­fik­tion in § 2 i) Maschi­nen-Sicher­heitsverord­nung (MSV), der eins-zu-eins den entsprechen­den Art. 2 i) Maschi­nen­richtlin­ie umset­zt: „Wenn kein Her­steller im Sinne der vorste­hen­den Begriffs­bes­tim­mung existiert, wird jede natür­liche oder juris­tis­che Per­son, die eine von dieser Richtlin­ie erfasste Mas­chine in Verkehr bringt oder in Betrieb nimmt, als Her­steller betrachtet“.

Diese Fik­tion gemäß Art. 2 i) Maschi­nen­richtlin­ie macht aber einen Betreiber im hier zu besprechen­den Fall nicht zum Hersteller:

  • Erstens gibt es doch einen Her­steller, der aber nur nicht CE-gekennze­ich­net hat: und dann müsste dieser – und es kön­nte auch nur dieser – wegen ein­er fehlen­den CE-Kennze­ich­nung in Anspruch genom­men wer­den (siehe im übernäch­sten Heft).
  • Zweit­ens hat der Betreiber die Mas­chine i.S.d. Art. 2 i) Maschi­nen­richtlin­ie und Art. 2 i) MSV wed­er in Verkehr gebracht noch nach Her­stel­lung für den Eigenge­brauch in Betrieb genom­men (siehe III. und IV.2).
  • Drit­tens beschränkt die EU-Kom­mis­sion, für was die Vorschrift gilt20: Sie „soll den Sachver­halt abdeck­en, der sich bei der Ein­fuhr bes­timmter Maschi­nen in die EU ergibt. Wer der­ar­tige Maschi­nen in der EU in Verkehr bringt, kann möglicher­weise sich­er­stellen, dass der Her­steller seine Pflicht­en entsprechend der Richtlin­ie erfüllt. Ist dies jedoch nicht gewährleis­tet, muss der­jenige, der die Mas­chine in der EU in Verkehr bringt, diese Pflicht­en selb­st erfüllen“. Art. 2 i) Maschi­nen­richtlin­ie (und entsprechend § 2 i) MSV) meint also nichts weit­er als die Ver­ant­wor­tung des Impor­teurs. Deutsch­land erre­icht das gle­iche Ziel eben nicht wie in Öster­re­ich durch wörtliche Umset­zung der Maschi­nen­richtlin­ie, son­dern durch die Benen­nung des Ein­führers im ProdSG.

Außer­dem: es geht nur um den Akt des Inverkehrbrin­gens beziehungsweise hier der Ein­fuhr. Dauer­hafte Pflicht­en (des Betreibers) regelt die Maschi­nen­richtlin­ie nicht (siehe oben III.), die ergeben sich nur aus Arbeitss­chutzrecht (siehe im übernäch­sten Heft). Und die EU-Kom­mis­sion stellt noch klar: Die Betra­ch­tung des Impor­teurs als Her­steller „kann von einem Her­steller in der EU oder einem Her­steller außer­halb der EU, der das Inverkehrbrin­gen ein­er Mas­chine in der EU ver­an­lasst, nicht gel­tend gemacht wer­den, um die Pflicht­en gemäß der Maschi­nen­richtlin­ie zu umge­hen“[21].

2. Her­stel­lung für den Eigengebrauch

Auch wenn es für die konkrete Mas­chine zuvor noch keinen Betreiber gab, der zum Her­steller wird, kann man hier auch die Her­stel­lung für den Eigenge­brauch nen­nen. Ein Betreiber wird auch Her­steller, wenn er eine Mas­chine kon­stru­iert und dann nicht verkauft, son­dern bei sich selb­st nutzt. Denn die Maschi­nen­richtlin­ie erfasst auch die Inbe­trieb­nahme, ohne dass es ein Inverkehrbrin­gen gab (s. III.).

3. Wesentliche Veränderung

Einen weit­eren Fall der Gel­tung des Inverkehrbrin­gen­srechts für den Betreiber schildert die EU-Kom­mis­sion so: „Die Maschi­nen­richtlin­ie gilt für Maschi­nen, die auf gebraucht­en Maschi­nen basieren, welche der­art tief greifend umge­baut oder über­holt wor­den sind, dass sie als neue Maschi­nen gel­ten kön­nen“ – und die EU-Kom­mis­sion geste­ht ein: „Es ist nicht möglich, präzise Kri­te­rien zu for­mulieren, mit denen diese Frage in jedem Einzelfall beant­wortet wer­den kann“[22], und es „ist von Fall zu Fall zu entschei­den“[23]. § 10 Abs. 4 Betr­SichV stellt klar: Der Arbeit­ge­ber muss „beurteilen, ob er bei den Änderun­gen von Arbeitsmit­teln Her­stellerpflicht­en zu beacht­en hat, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben“. Das ist aber nur ein „deklara­torisch­er Hin­weis“[24]: es wird nur „deklar­i­ert“, was ohne­hin gilt, weil es eben aus dem Pro­duk­t­sicher­heit­srecht fol­gt, also eben­so in Öster­re­ich gilt.

Zu beto­nen ist, dass im Sinne des Inverkehrbrin­gen­srechts nach dem (wesentlichen) Umbau eine „neue Mas­chine“ entste­ht. Und für Neues muss es einen neuen Her­steller geben, der selb­stver­ständlich das kom­plette Kon­for­mitäts­be­w­er­tungsver­fahren inklu­sive der Risikobeurteilung durch­führen muss. Im Zuge dieser Arbeit­en hat der Her­steller zu entschei­den, ob es möglich ist, mit mehr oder weniger vie­len alten Teilen eine „neue Mas­chine“ zu bauen, die (danach) allen Anforderun­gen des Inverkehrbrin­gen­srechts zum Zeit­punkt des neuer­lichen Inverkehrbrin­gens entspricht. Nach der Betr­SichV hat der­jenige, der umbaut, dann eben „Her­stellerpflicht­en“ zu erfüllen – und die sind im Inverkehrbrin­gen­srecht geregelt. Die Maschi­nen­richtlin­ie macht an kein­er Stelle Abstriche bei den sicher­heit­stech­nis­chen Anforderun­gen, nur weil die neue Mas­chine das Ergeb­nis ein­er wesentlichen Verän­derung ist.

Fazit zur CE-Kennzeichnung

Es gibt nur drei Aus­nahme­si­t­u­a­tio­nen, in denen der Betreiber zum Her­steller ein­er Mas­chine wird:

  • beim Import aus Drittländern
  • bei Her­stel­lung für den Eigengebrauch
  • bei wesentlich­er Veränderung

Nur in diesen drei Fällen muss der Betreiber das Pro­duk­t­sicher­heit­srecht anwen­den und CE-kennze­ich­nen. Anson­sten ist er kein Wirtschaft­sak­teur im Sinne des Inverkehrbrin­gen­srechts mit Produktsicherheitspflichten.

Teil zwei des Beitrags in Sicher­heitsin­ge­nieur 4/2019 erläutert, dass sich auch aus dem Arbeitss­chutzrecht und der Betrieb­ssicher­heitsverord­nung (Betr­SichV) beziehungsweise Arbeitsmit­telverord­nung (AM-VO) keine Pflicht des Betreibers ergibt, eine durch den Her­steller ver­säumte Kon­for­mitäts­be­w­er­tung gemäß EG-Maschi­nen­richtlin­ie nachzu­holen und eine CE-Kennze­ich­nung anzubringen.

 


[1] Siehe Art. 13 Nr. 2 der Richtlin­ie 89/392/EWG des Rates vom 14. Juni 1989 zur Angle­ichung der Rechtsvorschriften der Mit­glied­staat­en für Maschinen.

[2] EG-Kom­mis­sion, Erläuterun­gen zur Maschi­nen­richtlin­ie 1989, Aus­gabe 1993, S. 33.

[3] Abgekürzt in Deutsch­land ProdSG, in Öster­re­ich PSG 2004.

[4] Abgekürzt in Deutsch­land Arb­SchG, in Öster­re­ich ASchG.

[5] In Deutsch­land und Öster­re­ich ist das fast eins-zu-eins so in 3 Abs. 2 Maschi­nen­verord­nung (9. ProdSV) und § 5 Abs. 1 Maschi­nen-Sicher­heitsverord­nung 2010 (MSV 2010) umgesetzt.

[6] Alois Hüning/Siegfried Kirchberg/Marc Schulze, Die neue EG-Maschi­nen­richtlin­ie, 3. Aufl. 2011, S. 42.

[7] In Deutsch­land auch § 2 Nr. 7 ProdSG.

[8] Dirk Moritz/Joachim Geiß, Pro­duk­t­sicher­heits­ge­setz, 2. Aufl. 2012, 2.4.9, S. 71.

[9] In Deutsch­land auch § 2 Nr. 29 ProdSG.

[10] EU-Kom­mis­sion, Leit­faden für die Umset­zung der Pro­duk­tvorschriften der EU („Blue Guide“), 2016, 3.6.

[11] EU-Kom­mis­sion, Anwen­der-Leit­faden Maschi­nen­richtlin­ie, 2. Aufl. 2010, § 39 und § 72; EU-Kom­mis­sion, Leit­faden für die Umset­zung der Pro­duk­tvorschriften der EU („Blue Guide“), 2016, 2.1.

[12] EG-Kom­mis­sion, Erläuterun­gen zur Maschi­nen­richtlin­ie 1998, Anhang „Der Rechtssta­tus gebrauchter und wieder­aufgear­beit­eter Maschi­nen“, Nr. 3.2, S. 248.

[13] Klindt, GPSG, 2006, § 6 Rn. 26 – zum bis 2011 gel­tenden Gesetz.

[14] Siehe hierzu – und zu den Gren­zen –aus­führlich Wilrich, Prax­isleit­faden Betrieb­ssicher­heitsverord­nung (2015), Kapi­tel 4.2.2 und 4.2.3, S. 102 ff.

[15] In Öster­re­ich auch § 7 Abs. 1 Maschi­nen-Sicher­heitsverord­nung (MSV 2010).

[16] EU-Kom­mis­sion, Anwen­der-Leit­faden Maschi­nen­richtlin­ie, 2. Aufl. 2010, § 73 und 80.

[17] EU-Kom­mis­sion, Leit­faden für die Umset­zung der Pro­duk­tvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), 2.5.

[18] LASI, Leitlin­ien zum Pro­duk­t­sicher­heits­ge­setz, 3. Aufl. 2013, Anm. 7/1, S. 27; so auch Geiß/Doll, GPSG, § 6 Rn. 26.

[19] EU-Kom­mis­sion, Anwen­der-Leit­faden Maschi­nen­richtlin­ie, 2. Aufl. 2010, § 72; siehe schon EG-Kom­mis­sion, Erläuterun­gen zur Maschi­nen­richtlin­ie 1998, Anhang „Der Rechtssta­tus gebrauchter und wieder­aufgear­beit­eter Maschi­nen“, Nr. 3.1.1, S. 247; vgl. auch EU-Kom­mis­sion, Leit­faden für die Umset­zung der Pro­duk­tvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), 2.1 und 2.4.

[20] EU-Kom­mis­sion, Anwen­der-Leit­faden Maschi­nen­richtlin­ie, 2. Aufl. 2010, § 81.

[21] EU-Kom­mis­sion, Anwen­der-Leit­faden Maschi­nen­richtlin­ie, 2. Aufl. 2010, § 81.

[22] EU-Kom­mis­sion, Anwen­der-Leit­faden Maschi­nen­richtlin­ie, 2. Aufl. 2010, § 72; siehe schon EG-Kom­mis­sion, Erläuterun­gen zur Maschi­nen­richtlin­ie 1998, Anhang „Der Rechtssta­tus gebrauchter und wieder­aufgear­beit­eter Maschi­nen“, Nr. 3.1.2, S. 247 f.

[23] EU-Kom­mis­sion, Leit­faden für die Umset­zung der Pro­duk­tvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), 2.1.

[24] BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 88.


Um Missverständnissen vorzubeugen

Wir, die Autoren dieses Beitrags, sind glühende Ver­fechter präven­tiv­er Maß­nah­men zur Ver­mei­dung von Unfällen an Maschi­nen und Anla­gen. Daher liegt uns, um eventuellen Missver­ständ­nis­sen vorzubeu­gen, die Klarstel­lung dieser wichti­gen Punk­te beson­ders am Herzen:

  • Es wird aus­drück­lich darauf hingewiesen, dass Maschi­nen nur betrieben wer­den dür­fen, wenn sie aus­re­ichend sich­er sind.
  • Es wird in unserem Beitrag an kein­er Stelle behauptet, dass eine nachträgliche Risikobeurteilung an ein­er beste­hen­den Mas­chine rechtlich nicht zuläs­sig ist.
  • Es wird eben­so nicht behauptet, dass sicher­heit­stech­nis­che Verbesserun­gen an beste­hen­den Maschi­nen oder Anla­gen nicht sin­nvoll bzw. nicht möglich sind.
  • Es wird an kein­er Stelle nahe gelegt, dass Betreiber keine Dien­stleis­ter damit beauf­tra­gen sollen, eventuelle Gefährdun­gen an Maschi­nen aufzudeck­en und entsprechende Sicher­heits­maß­nah­men umzusetzen.

Ing. Helmut Frick
Ing. Hel­mut Frick; Foto: privat

Autor:
Ing. Hel­mut Frick
Geschäfts­führer IBF – Automa­tisierungs- und Sicher­heit­stech­nik GmbH


Prof. Dr. Thomas Wilrich
Prof. Dr. Thomas Wilrich; Foto: privat

Autor:
Recht­san­walt Prof. Dr. Thomas Wilrich
Hochschule München, Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen

Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 3
Ausgabe
3.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de