Die Unfallversicherungsträger (UVT) sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Derzeit gibt es 33 Unfallversicherungsträger, neun gewerbliche und 24 der öffentlichen Hand. Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG).
Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) den Auftrag, mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen.
Unter dem Dach der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) als Spitzenverband der Unfallversicherungsträger sind die Expertinnen und Experten der Unfallversicherungsträger in 15 Fachbereichen mit 100 Sachgebieten organisiert. In den Fachbereichen sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände ebenso vertreten wie Staat, Länder sowie ausgewiesene Fachleute des betrieblichen Arbeitsschutzes. Die Fachbereiche haben die zentrale Aufgabe, eine für alle Unfallversicherungsträger verbindliche, einheitliche und gesicherte Fachmeinung zu Präventionsthemen zu bilden und diese in Publikationen wie der „Branchenregel“ zu veröffentlichen. Auch die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) werden in den Fachbereichen der DGUV erarbeitet.
Unfallverhütungsvorschriften
Um ihrem Präventionsauftrag nachzukommen, erlassen die Unfallversicherungsträger im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts Unfallverhütungsvorschriften, die auch als autonomes Recht bezeichnet werden. Unfallverhütungsvorschriften sind verbindliche Rechtsnormen. Ein Verstoß gegen eine Unfallverhütungsvorschrift begründet eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann, soweit die UVV für einen bestimmten Tatbestand auf die Bußgeldvorschrift des § 209 SGB VII verweist.
Die Aufsicht und Beratung der Betriebe erfolgt zum einen durch die Gewerbeaufsichtsbeamtinnen und ‑beamten der zuständigen staatlichen Aufsichtsbehörden (Länder) und zum anderen durch die Aufsichtspersonen der UVT.
Zentrale DGUV Vorschriften sind die Vorschriften 1 und 2. Die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ nimmt wesentliche Teile des staatlichen Arbeitsschutzrechts in Bezug. So können die Aufsichtsdienste der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Einhaltung dieser Teile des staatlichen Arbeitsschutzrechts mitüberwachen. Da Versicherte, die keine Beschäftigten sind, vom staatlichen Arbeitsschutzrecht nicht erfasst werden, wird in DGUV Vorschrift 1 ausdrücklich klargestellt, dass die im staatlichen Recht bestimmten Maßnahmen auch zu ihrem Schutz gelten. Hierunter fallen etwa ehrenamtliche Kräfte, wie zum Beispiel Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren und freiwillige Helfer im Pflegebereich, Kinder, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende. Die DGUV Vorschrift 1 regelt auch Aufgaben und Bestellung der Sicherheitsbeauftragten, die nach § 22 SGB VII zu bestellen sind.
Mit der DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ existiert seit dem 1. Januar 2011 erstmals eine einheitliche und gleich lautende Vorgabe zur Konkretisierung des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) für die Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Betriebe, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen mit mehr als zehn Beschäftigten haben einen Gestaltungsspielraum bei der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung und können diese den jeweiligen betrieblichen Erfordernissen anpassen. Maßstab sind die konkreten Risiken im Betrieb.
Verhältnis zum staatlichen Recht
Zur Gewährleistung von Kooperation, Koordination und Fokussierung der Präventionsaktivitäten im dualen Arbeitsschutzsystem wurde 2008 mit der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) ein gesetzlicher Handlungsauftrag für Bund, Länder und gesetzliche Unfallversicherung im Arbeitsschutzgesetz und im SGB VII verankert. Beide Seiten haben sich zu einem arbeitsteiligen und aufeinander abgestimmten Vorgehen verpflichtet.
Ein Kernelement der GDA ist die Herstellung eines verständlichen, überschaubaren und abgestimmten Vorschriften- und Regelwerks. Der Rechtsetzungsauftrag der Unfallversicherungsträger ist seit der Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz an restriktive Voraussetzungen geknüpft. Grundsätzlich sind staatliche Vorschriften sowie das Regelwerk staatlicher Ausschüsse vorrangige Instrumente zur Förderung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Die Zahl der Unfallverhütungsvorschriften hat sich dementsprechend deutlich reduziert. Weitere Muster UVV sind zur Außerkraftsetzung empfohlen und werden nach und nach von den UVT außer Kraft gesetzt (z. B. DGUV Vorschriften 50 und 51 „Chlorung von Wasser“).
In einigen Bereichen besteht aber auch zukünftig Bedarf an Unfallverhütungsvorschriften. Dies ist der Fall, wenn staatliche Vorschriften nicht zweckmäßig sind und eine Bedarfsprüfung ergeben hat, dass eine Unfallverhütungsvorschrift das geeignete Regelungsinstrument ist (zum Beispiel DGUV Vorschrift 84 See/Seeschifffahrt, deren überarbeitete Fassung in Kürze veröffentlicht wird).
Unterhalb dieser Vorschriftenebene haben die UV-Träger zudem ein umfassendes Regelwerk (Regeln, Informationen und Grundsätze) insbesondere zur Unterstützung der Unternehmer und Versicherten bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz erarbeitet.
DGUV Regeln
Die DGUV Regeln sind fachliche Empfehlungen zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit. Sie bieten Hilfestellung bei der Umsetzung der Pflichten aus staatlichen Arbeitsschutzvorschriften und Unfallverhütungsvorschriften und zeigen Wege auf, wie Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren vermieden werden können.
Eine besondere und neue Form von DGUV Regeln sind Branchenregeln. Sie sind als übersichtliches tätigkeits‑, arbeitsplatz- oder arbeitsverfahrensbezogenes Gesamtkompendium für Betriebe einer bestimmten Branche konzipiert und stellen alle maßgeblichen Informationen zum Arbeitsschutz einer Branche bereit.
Die Branchenregeln richten sich in erster Linie an Unternehmerinnen und Unternehmer in kleinen und mittleren Betrieben. Gleichzeitig geben sie Hilfestellungen für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragte. Im März 2016 veröffentlichte der Fachbereich „Rohstoffe und Chemische Industrie“ der DGUV die erste Branchenregel. Inzwischen wurden mehr als vierzig Branchenregelvorhaben beschlossen, acht sind bereits veröffentlicht.
DGUV Informationen enthalten Hinweise und Empfehlungen für die praktische Anwendung von Arbeitsschutzregelungen zu einem bestimmten Sachgebiet oder Sachverhalt und stellen beispielsweise konkrete praxisgeeignete Arbeitsschutzmaßnahmen vor. Dagegen sind DGUV Grundsätze Maßstäbe für bestimmte Verfahrensfragen, beispielsweise hinsichtlich der Durchführung von Prüfungen (zum Beispiel: DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen).
Autorin: Martina Nethen-Samimy
Abteilung Sicherheit und Gesundheit
Referat Vorschriften und Regeln
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
Link-Tipps
- Die derzeit gültigen Vorschriften, Regeln, Informationen und Grundsätze der DGUV finden Sie in der DGUV Datenbank Publikationen unter www.dguv.de, Webcode d32811.
- Eine Übersicht über die aktuellen Mustervorschriften der Unfallversicherung kann heruntergeladen werden unter www.dguv.de, Webcode d57322.
Grundlagen des Vorschriften- und Regelwerks der Unfallversicherungsträger
- Der Präventionsauftrag der Unfallversicherungsträger (UVT) ist in § 14 ff. SGB VII normiert.
- Unfallverhütungsvorschriften (UVV) werden von den UVT gemäß § 15 SGB VII als verbindliches Satzungsrecht erlassen.
- Die Aufsicht und Beratung durch die Aufsichtspersonen der UVT ist in § 19 SGB VII geregelt.
- Die Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern wurde im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) neu definiert.