Industrieroboter, die sich einen Arbeitsraum ohne trennende Schutzeinrichtungen mit Menschen teilen und mit ihnen zusammenarbeiten (kollaborieren), bezeichnet man als kollaborative Roboter oder kurz Cobots (Kurzform von Kollaboration und Roboter). Die enge Zusammenarbeit von Mensch und Roboter an einem Arbeitsplatz wird in Deutschland vor allem als Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) bezeichnet. Zweck dieser Kooperation soll nicht sein, dass der Roboter die Arbeit des Menschen künftig vollständig übernimmt, sondern dass die speziellen Fähigkeiten von Mensch und Roboter optimal miteinander verknüpft werden: Roboter besitzen Kraft, Genauigkeit und endlose Ausdauer, während der menschliche Kollege mit seinen geistigen Kompetenzen und Erfahrungen den Arbeitsprozess voranbringt.
Überschaubares Unfallgeschehen
Für den Arbeitsschutz erscheint eine solche Kooperationsform als eine gigantische Herausforderung. Denn früher war die Arbeit von Industrierobotern nur durch Schutzgitter getrennt von den menschlichen Arbeitern denkbar. Die teilweise großen Befürchtungen bei Aufhebung dieser Grenzen erwiesen sich aber erst einmal als unbegründet: Die Mensch-Roboter-Kollaboration ist – zumindest bislang – kein Unfallschwerpunkt. Dies hat zum einen damit zu tun, dass aktuell lediglich leichte und kleine Maschinen hierfür im Einsatz sind. Zum anderen haben die Unternehmen, die kollaborierende Roboter in den vergangenen Jahren eingeführt haben, die Sicherheitsanforderungen sehr gewissenhaft umgesetzt.
Hinzu kommt: Eingesetzt werden Cobots bislang vorwiegend in der Montage oder Verpackung, für Arbeitsvorgänge wie Schraub- und Klebearbeiten, Palettieren, Etikettieren und die Qualitätskontrolle – also Prozesse von eher geringer Gefährdung. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ist auch nicht ganz so eng, wie oft gedacht. Der Roboter legt ein Bauteil auf einem Werktisch ab. Erst wenn sich der Roboterarm vom Werktisch entfernt hat, übernimmt der Mitarbeiter das Teil. Nachdem er es händisch bearbeitet hat, platziert er das fertige Bauteil wieder auf dem Werktisch. Von dort greift es der Roboter mit genügend zeitlichem Abstand erneut auf, um es in die Verpackungseinheiten zu befördern.
Eine Unfallstatistik speziell zu kollaborierenden Robotern gibt es (noch) nicht. Die Experten des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der DGUV sprechen von einem „tolerierbaren Verletzungsniveau“. Im Bereich der Robotik im weitesten Sinne – dies schließt automatische Maschinen und Fertigungsstraßen aufgrund der speziell bei Werkzeugmaschinen mittlerweile weitgehend „robotisierten“ Arbeitsweise mit ein – gab es zwischen 2016 und 2020 mehr als 2.000 Unfälle. Bei den eigentlichen Industrierobotern waren es 771, wovon drei einen tödlichen Ausgang für einen Mitarbeitenden hatten.
Dabei ist ein Restrisiko für Kollisionen nie ganz auszuschalten. Schwere Unfälle gab es in der bisherigen „Experimentierphase“ mit kollaborierenden Robotern bislang kaum. Die wenigen schweren Unfälle, die sich bis dato in Deutschland ereigneten und öffentlich bekannt geworden sind – einer davon mit tödlichem Ausgang – ereigneten sich während Wartungs- und Reparaturarbeiten. Sie waren offenbar ausschließlich Folge menschlicher Fehler. Auch wenn das Gefährdungspotenzial von Cobots im Vergleich zu großen Industrierobotern also relativ gering ist, so sind die Gefahren groß genug, um im ungünstigen Fall Menschen schwer zu verletzen oder sogar zu töten. Um das Risiko so niedrig wie möglich zu halten, müssen eine Reihe von Schutzmaßnahmen durch Hersteller, Betreiber und Beschäftigte beherzigt werden. Grundsätzlich lässt sich zwischen den technischen Schutzmaßnahmen des Herstellers, den arbeitsorganisatorischen und arbeitsgestalterischen Maßnahmen des Betreibers sowie den Schutzmaßnahmen, welche die Beschäftigten selbst beachten und umsetzen müssen, unterscheiden.
Schutzpflichten von Herstellern und Betreibern
Die Cobots sind rechtlich nicht exakt definiert. Im industriellen Umfeld müssen sie die Anforderungen erfüllen, die auch für alle anderen Industrieroboter gelten. Die Hersteller müssen zertifizieren lassen, dass die Sicherheitsfunktionen die normativen Anforderungen erfüllen. Zu einem Gesamtsystem gehört, wie bei jeder Maschine, immer eine Risikobeurteilung und eine entsprechende CE-Kennzeichnung; dieses kann auch durch den Hersteller (oder einen Integrator beziehungsweise Lieferanten) erfolgen.
Womit ein Cobot hantieren darf
Der Betreiber des Cobots, also der Unternehmer, ist in der oben beschriebenen „Schutzkette“ aber wohl das wichtigste Glied. Seine Verantwortung beginnt bereits vor Betriebsaufnahme, wie Jan Zimmermann, Experte aus der Abteilung für Unfallprävention des IFA, erläutert: „Häufig wird der Cobot als unvollständige Maschine verkauft, sodass der Betreiber zunächst einmal nachweisen muss, dass er den Roboter richtig eingebaut hat und die Sicherheitsfunktionen funktionieren.“ Der Betreiber muss jedoch vor allem die Arbeit mit dem Cobot im Unternehmen so organisieren, dass Beschäftigte nicht gefährdet werden können. Hierfür müssen alle relevanten Normen und Gesetze umgesetzt beziehungsweise zumindest ein Schutzkonzept realisiert werden, was für die Mitarbeitenden den von den Regelwerken geforderten Sicherheitsstandard garantiert. Die technische Herausforderung für den Arbeitgeber ist es, die richtigen Bauteile und Werkzeuge für den Cobot auszuwählen. Scharfe und eckige Kanten sowie ätzende und heiße Substanzen sind von ihm ebenso zu meiden wie der Ein- und Anbau von Schneidewerkzeugen oder spitzen und heißen Werkzeugen (zum Beispiel Lötvorrichtungen).
Ergonomische Aspekte
Besonders wichtig in der Zusammenarbeit mit dem Roboter sind ergonomische Gesichtspunkte. Keinesfalls darf die Arbeit den Beschäftigten Probleme für Muskeln und Skelett bereiten. Um derartige Belastungen zu verhindern, muss der Arbeitgeber den Roboter richtig positionieren.
Zwei Punkte sind hierbei zu beachten: Zum einen muss ein angemessener Abstand zwischen Mensch und Maschine eingehalten werden. Zum anderen sollte der Roboter geringfügig unter Augenhöhe des Mitarbeiters angebracht werden. Eine Anbringung über dem Kopf oder hinter der Position des Beschäftigten sollte vermieden werden.
Kollisionsauswirkungen reduzieren
Hin und wieder kann es trotz aller Vorsichtmaßnahmen zu Kollisionen zwischen Maschine und Mensch kommen. Neben der im Infokasten „Technische Eigenschaften“ beschriebenen Gewichtsreduzierung des Roboters muss der Unternehmer zur Minimierung der gesundheitlichen Folgen für den Beschäftigten insbesondere alle relevanten medizinischen und biomechanischen Schwellenwerte berücksichtigen. Mit diesen wissenschaftlich ermittelten Schmerz- und Verletzungsgrenzwerten für jeden Körperbereich kann das Unternehmen auch die Effekte der Stoß‑, Klemm‑, Quetsch- und Druckkräfte genauer einschätzen, die durch die technischen Einstellungen des Roboters auf den Arbeitnehmer im Kollisionsfall einwirken – und dementsprechend präventive Sicherheitsvorkehrungen treffen.
Optimale Roboterprogrammierung
Eine der wichtigsten präventiven Sicherheitsvorkehrungen ist die Programmierung des Roboters. Damit kann das Unternehmen gewissermaßen das Verhalten des Cobots steuern. Hierzu zählt vor allem die Geschwindigkeit der Roboterbewegungen. In der Regel werden diese allein schon aus Vorsicht langsamer eingestellt, als für den Roboter technisch leistbar wäre. Auch die möglichst gleichmäßige und daher für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin besser berechenbare Beschleunigung der Roboterarme lässt sich im Vorfeld im Zusammenhang mit der Robotergeschwindigkeit einstellen. Darüber hinaus ist es auch möglich, für bestimmte Arbeitsprozesse, die in höherer Geschwindigkeit ausgeführt werden müssen – etwa Schrauben- oder Hebevorgänge –, Sicherheitsmechanismen zu programmieren. Damit der Roboter nicht die Schrauben mit den Händen und Armen der kollaborierenden Person verwechselt, muss entweder die Sensorik der Maschine so genau eingestellt werden, dass der Roboter eigenständig ein Bauteil oder Werkzeug erkennt und diese von menschlichen Körperteilen unterscheiden kann, oder aber die Mitarbeitenden selbst müssen größere Beschleunigungen des Roboters durch einen Schalter manuell einstellen können. Schließlich muss durch Laser- und Radareinstellung gesichert sein, dass der Cobot generell die nötigen Sicherheitsabstände einhält.
Grundlage für Sicherheit gelegt
Ein weiteres wichtiges Thema für den Betreiber ist die Ausbildung und kontinuierliche Schulung der Beschäftigten, die mit dem Roboter arbeiten oder zumindest in dessen unmittelbarem Umfeld ihrer Beschäftigung nachgehen. Inwiefern für die Mensch-Roboter-Kollaboration auch in Zukunft nur leichte und daher ungefährlichere Maschinen eingesetzt werden, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Auf viele rechtliche Fragen gibt es immer noch keine verbindlichen Antworten, so beispielsweise, wen im Falle eines Unfalls die Verantwortung und damit die Haftung trifft? Eventuell sogar den Roboter?
Abschließend lässt sich aber feststellen, dass die Grundvoraussetzungen für eine sichere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter aus Sicht von Experten (erst einmal) gelöst zu sein scheinen. Jan Zimmermann meint: „Ein sicherer Betrieb ist im aktuellen Rechtsrahmen, also unter anderem durch die Maschinenrichtlinie und die Betriebssicherheitsverordnung, möglich.“ Eine Nachjustierung des Gesetzgebers erscheint den Experten des IFA daher zurzeit nicht notwendig.
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Autor:
Dr. Joerg Hensiek
Fachautor und freier Journalist