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Präventionskultur: Implementierung und Nachhaltigkeit

Präventionskultur: Implementierung und Nachhaltigkeit
Immer in Bewegung bleiben

Immer in Bewegung bleiben
Foto: © Jacob Lund - adobe.stock.com
Wie lässt sich eine Präven­tion­skul­tur im Unternehmen etablieren, obwohl die Entwick­lung von Kul­tur per se ein evo­lu­tionär­er Prozess ist? Aus der per­sön­lichen Sichtweise ein­er Fachkraft für Arbeitssicher­heit beschreibt der Beitrag die Her­aus­forderun­gen, Herange­hensweisen und die Meilen­steine zur Imple­men­tierung ein­er an gän­zlich neue Rah­menbe­din­gun­gen anzu­passende Präven­tion­skul­tur am Beispiel der BASF.

Albert Ein­stein wusste es bere­its vor vie­len Jahren: „Das Leben ist wie Fahrrad fahren. Um die Bal­ance zu hal­ten, musst Du in Bewe­gung bleiben.“

Zitate von Ein­stein haben mich schon immer motiviert bei mein­er Arbeit. Und dieses Zitat beschreibt exakt, wie wir Arbeitss­chützer die Sit­u­a­tion während und auch nach der Coro­na-Pan­demie erlebt und wie wir darauf reagiert haben: Dynamis­che Prozesse benöti­gen dynamis­ches Han­deln, um dem kon­tinuier­lichen Verbesserung­sprozess gerecht zu werden.

Als Fachkraft für Arbeitssicher­heit in der BASF am Stan­dort Lud­wigshafen berate ich Führungskräfte und Mitar­bei­t­ende aus Ver­wal­tung­sein­heit­en im Arbeits- und Gesund­heitss­chutz. Der Schw­er­punkt mein­er Beratung liegt in der Ergonomie am Bild­schir­mar­beit­splatz bei neuen Arbeits­for­men wie mobiles Arbeit­en im Home­of­fice und bei Desk-Sharing.

Präven­tion­skul­tur: Men­schen motivieren, sich­er zu arbeiten

Die Coro­na-Pan­demie mit dem Grund­prinzip Home­of­fice war für viele Unternehmen neu, natür­lich auch für die BASF. Und nun – 3 Jahre später – sind wir mit­ten­drin im New-Work-Zeital­ter: Es wird weit­er­hin hybrid gear­beit­et, dank neuer Arbeits­for­men. Zeit- und orts­flex­i­bel zu arbeit­en, liegt voll im Trend und hält auch nach der Coro­na-Pan­demie weit­er an.

Neue Arbeitsformen – neue Angebote

Wer als Unternehmen bei den neuen Arbeits­for­men die Bal­ance für seine Mitar­bei­t­en­den in Sachen Sicher­heit und Gesund­heit hal­ten möchte, der muss in Bewe­gung bleiben und auch seine Präven­tion­skul­tur an die neuen struk­turellen dig­i­tal­en Änderun­gen anpassen. Denn neue Arbeits­for­men benöti­gen auch neue Präven­tion­sange­bote. Doch zunächst: Was ist mit Präven­tion gemeint?

Das Bun­desmin­is­teri­um für Gesund­heit (BMG) definiert Präven­tion wie fol­gt: „Präven­tion ist im Gesund­heitswe­sen ein Ober­be­griff für ziel­gerichtete Maß­nah­men und Aktiv­itäten, um Krankheit­en oder gesund­heitliche Schädi­gun­gen zu ver­mei­den, das Risiko der Erkrankung zu ver­ringern oder ihr Auftreten zu verzögern.“ Die Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung (DGUV) ergänzt, dass zeit­gemäße Präven­tion einem ganzheitlichen Ansatz fol­gt, der sicher­heit­stech­nis­che und arbeitsmedi­zinis­che Maß­nah­men genau­so ein­schließt wie den Gesundheitsschutz.

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Unter dem Mot­to „Ergonomie erleb­bar machen“ wur­den unter­schiedliche Präven­tion­sange­bote sowohl online als auch ana­log imple­men­tiert.
Foto: © BASF

Was sind nun die Her­aus­forderun­gen, Herange­hensweisen und Meilen­steine ein­er solchen Präven­tion­skul­tur? Wie kann sich Präven­tion­skul­tur inhaltlich und strate­gisch weit­er­en­twick­eln, in ein­er sich schnell wan­del­nden Arbeitswelt?

Seit der Grün­dung der BASF im Jahr 1865 durch Friedrich Engel­horn hat sich der Stan­dort Lud­wigshafen zum größten zusam­men­hän­gen­den Chemie- are­al der Welt entwick­elt. Gut ein Drit­tel der BASF-Mitar­bei­t­en­den arbeit­et hier. Neben 200 Pro­duk­tions­be­trieben brin­gen Ver­wal­tung­sein­heit­en unter anderem in den Bere­ichen Per­son­al, Finanzen, Recht, Kom­mu­nika­tion sowie Umwelt, Gesund­heit und Sicher­heit Leis­tun­gen für die gesamte BASF-Gruppe.

Die BASF kann auf­grund ihres über 150-jähri­gen Beste­hens auf einen großen arbeitsmedi­zinis­chen Erfahrungss­chatz unter anderem auch im Bere­ich der Präven­tion­skul­tur zurück­greifen. Die Inanspruch­nahme des medi­zinis­chen Ange­bots wuchs stetig mit den Bedürfnis­sen der Mitarbeitenden.

Knapp 70.000 Untersuchungen

Das 1953 errichtete Ambu­lanzge­bäude ist nun nach 78 Jahren Nutzungs­dauer reif für einen Restart mit inno­v­a­tiv­en Gesund­heit­skonzepten für Mitar­bei­t­ende und Nach­barn: dem Med­ical Cen­ter. Die Inbe­trieb­nahme des Med­ical Cen­ters mit fachärztlichen Ein­rich­tun­gen und ein­er phys­io­ther­a­peutis­chen Prax­is ist für Mitte 2023 geplant.

Knapp 70.000 arbeitsmedi­zinis­che Unter­suchun­gen und Vor­sorge­maß­nah­men wer­den pro Jahr in der BASF-Ambu­lanz durchge­führt. Dazu kom­men noch rund 33.000 Mitar­beit­er jährlich, die die Aku­tam­bu­lanz in Anspruch nehmen.

2022 wurde der BASF durch den Dachver­band der Betrieb­skrankenkassen ein her­vor­ra­gen­des Betrieblich­es Gesund­heits­man­age­ment attestiert und dem Unternehmen das Deutsche Siegel Unternehmensge­sund­heit in Gold ver­liehen. Dieser Erfolg beruht wesentlich darauf, dass das Zusam­men­spiel der einzel­nen Diszi­plinen Arbeitsmedi­zin, Arbeitssicher­heit, HR, BEM-Team und der BASF-Stiftung funktioniert.

Ein konkretes Beispiel für die gute Zusam­me­nar­beit ist die Begleitung des Wan­dels von „Präsenz vor Ort“ zu „Flex­Work“. Alle BASF-Arbeitss­chutza­k­teure zogen hier­bei an einem Strang – mit dem Ziel, präven­tiv die Sicher­heit und Gesund­heit der Mitar­bei­t­en­den zu erhal­ten und zu fördern.

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Hil­festel­lun­gen und Beratun­gen zu ergonomis­chen The­men vor Ort
Foto: © BASF

Gefährdungsbeurteilung im Homeoffice

Den Startschuss gab der Betrieb­srat mit der Ver­ab­schiedung von zwei neuen Betrieb­svere­in­barun­gen, die dem notwendi­gen Wan­del hin zu neuen Arbeits­for­men einen rechtlichen Rah­men gegeben haben: erstens Regelun­gen zum mobilen Arbeit­en im Home­of­fice und zweit­ens die flex­i­ble Nutzung von Desk-Shar­ing-Büroar­beit­splätzen. In bei­den Doku­menten ist die Beurteilung der Gefährdun­gen und Belas­tun­gen – ins­beson­dere der ergonomis­chen und psy­chis­chen Fak­toren – gefordert.

Als Arbeitss­chützer war ich bei der Ausar­beitung der entsprechen­den BASF-inter­nen Muster-Gefährdungs­beurteilun­gen beteiligt. Hier­bei han­delt es sich um eine Hand­lung­shil­fe für diszi­pli­nar­ische Führungskräfte zur Umset­zung und Durch­führung der Gefährdungs­beurteilun­gen. Gefährdun­gen und Maß­nah­men, die sich aus den neuen Arbeits­for­men ergaben, wur­den im risikobasierten Unter­weisungskonzept mit aufgenom­men, welch­es bere­its bei BASF seit län­ger­er Zeit etabliert ist.

Wichtige Komponente Kompetenzentwicklung

Die Kom­pe­ten­zen­twick­lung der Mitar­bei­t­en­den stellt eine wichtige Kom­po­nente in der verän­derten Arbeit­sor­gan­i­sa­tion dar. Am Beispiel der Ergonomie ist leicht ersichtlich, dass Unken­nt­nisse über ergonomis­che Grun­dausstat­tun­gen zu Fehlhal­tun­gen, Beschw­er­den und schlimm­sten­falls zu lang­wieri­gen Erkrankun­gen führen können.

Gemein­sam mit meinem Kol­le­gen Andreas Eichel­berg­er-Jaudes (Ergo­PhysCon­sult der arbeitsmedi­zinis­chen Abteilung) erkan­nten wir den Bedarf an Qual­i­fizierung der Mitar­bei­t­en­den im Bere­ich der Ergonomie erkan­nt und schufen schnell Abhilfe.

Unter dem Mot­to „Ergonomie erleb­bar machen“ haben wir unter­schiedliche Präven­tion­sange­bote aus­gear­beit­et und direkt umge­set­zt. Wir haben bei der Umset­zung des Mot­tos den Fokus ins­beson­dere darauf gelegt, dass die Befähi­gung der Mitar­bei­t­en­den ein­fach und prag­ma­tisch erfol­gen kann.

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Unter­schiedliche Arbeitsmit­tel laden zum Aus­pro­bieren ein.
Foto: © BASF

Hybride Beratungsformate

Zusät­zlich soll­ten die Ange­bote an die neuen Arbeits­for­men angepasst sein, sprich: Eine Teil­nahme an Beratung sollte auch online möglich sein. Und für die Mitar­bei­t­en­den vor Ort sollte an zen­traler Stelle ein Ort des Ler­nens und der Befähi­gung zu ergonomisch richtigem Ver­hal­ten geschaf­fen werden.

Unser Ziel war, dass jed­er Mitar­bei­t­ende die Umset­zung der indi­vidu­ellen ergonomis­chen Voraus­set­zun­gen bei sich täglich ändern­den Arbeit­splatzbe­din­gun­gen bewälti­gen kann, um sich­er und gesund den Bild­schir­mar­beit­splatz-All­t­ag zu meistern.

So errichteten wir einen inter­ak­tiv­en Ergonomie-Ausstel­lungsraum, der alle Mitar­bei­t­en­den aus Büro, Labor und Mess­warte dazu ein­lädt, sich rund um das The­ma Ergonomie zu informieren. Ergonomis­che Hil­f­s­mit­tel wie zum Beispiel die Ver­tikalmaus kön­nen getestet wer­den und Stan­dard­drehstüh­le laden zum Probe­sitzen ein. Infor­ma­tion­stafeln erläutern die unter­schiedlichen Ein­stell­funk­tio­nen der Stühle.

Dieses Ange­bot ist für den Mitar­bei­t­en­den nieder­schwellig nutzbar. So liegt der Raum in der Nähe von Ambu­lanz und Kan­tine, so dass die Örtlichkeit im Rah­men der Mit­tagspause besucht wer­den kann. Alle Infor­ma­tio­nen aus dem Ausstel­lungsraum sind auch online ver­füg­bar und kön­nen gegebe­nen­falls am Arbeit­splatz noch ein­mal nachge­le­sen wer­den. Eine indi­vidu­elle Beratung vor Ort ist eben­falls möglich.

Verhältnis- und Verhaltensergonomie

Gle­ichzeit­ig wurde ein Ergonomie-Video-Kanal ein­gerichtet. Dieser ergänzt das Ange­bot um dig­i­tale Bedi­enungsan­leitun­gen der Stan­dard­stüh­le, die jed­erzeit abgerufen wer­den kön­nen. Das Anpassen des Stuhls an die indi­vidu­ellen kör­per­lichen Voraus­set­zun­gen gelingt somit einfach.

Als zusät­zlich­es Ange­bot haben wir ein Online- Sem­i­nar ins Leben gerufen, welch­es von den Mitar­bei­t­en­den gut angenom­men wurde. „Ergonomie bei mobil­er Arbeit und Desk-Shar­ing“ ver­mit­telt Grund­ken­nt­nisse der Ver­hält­nis­er­gonomie und gibt Tipps und Tricks zur Verhaltensergonomie.

Neben dem Fach­wis­sen zu den ergonomis­chen Grund­ken­nt­nis­sen woll­ten wir Inhalte auch mit einem Augen­zwinkern ver­mit­teln. Und so ist ein inter­ak­tives Quiz ent­standen, und humor­volle Videos wur­den gedreht, die den Umgang mit Ergonomie aus einem anderen Blick­winkel beleuchten.

Zusät­zlich haben wir auch auf bere­its beste­hende For­mate zurück­ge­grif­f­en, wie zum Beispiel auf die dig­i­tal­en Wim­mel­bilder der Beruf­sgenossen­schaft Rohstoffe und Chemis­che Indus­trie (BG RCI). In den unter­halt­samen Comicze­ich­nun­gen gibt es für den Betra­ch­t­en­den typ­is­che Fehlhand­lun­gen in Bezug auf Arbeitssicher­heit und Gesund­heitss­chutz zu entdecken.

Die enthal­te­nen Fehler müssen in ein­er vorgegebe­nen Zeit gefun­den und angek­lickt wer­den. Dieses For­mat kann auch als Sicher­heit­skurzge­spräch oder für Unter­weisun­gen ver­wen­det werden.

Auch weitere Fachstellen aktiv

Als ver­sichertes Mit­glied­sun­ternehmen kon­nte die BASF SE auch von den Bewe­gungskarten der BG RCI prof­i­tieren. Zur Stärkung des Herz-Kreis­lauf-Sys­tems und um kör­per­lich im Home­of­fice fit zu bleiben, eignen sich die abwech­slungsre­ichen Übun­gen ideal.

Aber auch weit­ere BASF-Fach­stellen waren aktiv. Der werk­särztliche Dienst ergänzte sein Beratungsange­bot um eine medi­zinis­che Tele­sprech­stunde, so dass auch aus dem Home­of­fice her­aus auf Fra­gen der Mitar­bei­t­en­den einge­gan­gen wer­den kann. Eine Online-Beratung zur ergonomis­chen Ein­rich­tung im Home­of­fice wurde über den Ergo­PhysCon­sult zur Ver­fü­gung gestellt.

Die Abteilung Fit­ness and Pre­ven­tion bot und bietet nach wie vor Online-Rück­enkurse an, die in der Pause von den Mitar­bei­t­en­den genutzt wer­den kön­nen, um Hal­tungss­chä­den vorzubeugen.

Zurück zu Ein­stein – von ihm stammt näm­lich auch dieses Zitat: „Die rein­ste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und zu hof­fen, dass sich etwas ändert.“ Deshalb belassen wir nichts beim Alten, son­dern passen unsere Präven­tion­sange­bote beständig an die Anforderun­gen an. Denn: Die Sicher­heit und Gesund­heit der Mitar­bei­t­en­den sind das höch­ste Gut, das es zu schützen und zu fördern gilt.

Quellen:
DGUV (2022). Sta­tis­tik – Arbeit­sun­fallgeschehen 2021. Hrsg. DGUV, Berlin.

DIN EN ISO 9241–210 (2010). Ergonomie der Men­sch-Sys­tem-Inter­ak­tion Teil 210: Prozess zur Gestal­tung gebrauch­stauglich­er inter­ak­tiv­er Sys­teme. Berlin: Beuth.
Mörbe, S. et al. (2011). Mine: Unechte Mitar­beit­er-Par­tizipa­tion. Erfol­gs­fak­tor Change Com­mu­ni­ca­tions: Klas­sis­che Fehler im Change-Man­age­ment ver­mei­den, 83–90.
Nagel, S. (2017). Orga­ni­za­tion­al Cit­i­zen­ship Behav­ior und Mitar­beit­er­par­tizipa­tion: eine empirische Unter­suchung mit­tels Mitar­beit­er­be­fra­gung und Labor­ex­per­i­ment. Cuvil­li­er Verlag.


Autorin: Anja Rieder­er
Fachkraft für Arbeitssicherheit
BASF SE
 
Foto: © privat
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