Die Menschen an der Küste wissen: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, braucht‘s einen, der die Sache regelt.“ Dieser Spruch gilt aber nicht nur für die hohe See, sondern auch im Binnenland. Auch auf jedem „Unternehmens-Schiff“ muss es jemanden geben, der oder die Verantwortung übernimmt: die Arbeitgeber.
Fürsorgepflicht
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitnehmenden. Im betrieblichen Umfeld geht es bei der Fürsorge darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Arbeit vor Unfällen und gesundheitsgefährdenden Belastungen zu schützen. Jede und jeder soll das Ende des Arbeitstages und Berufslebens bei guter Gesundheit erreichen. Dazu legt § 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) die Grundpflichten des Arbeitgebers fest.
Er muss
- die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen
- dabei die Umstände berücksichtigen, welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen
- die Wirksamkeit der Maßnahmen prüfen und bei Bedarf nachbessern
- für eine geeignete Organisation sorgen
- erforderliche Mittel bereitstellen.
Die betrieblichen Führungsstrukturen sollen beachtet werden und die Beschäftigten müssen ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.
Solide Basis für Prävention
Doch wie findet ein Arbeitgeber nun heraus, wie er seinen Beschäftigten sichere und gesunde Arbeitsbedingungen schaffen kann? Viel hilft viel? Das gilt im Arbeitsschutz nicht. Es wäre auch nicht wirtschaftlich. Damit präventive Maßnahmen zielgerichtet und effizient wirken, werden sie auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung entwickelt. Auch für die Gefährdungsbeurteilung sind Arbeitgeber verantwortlich, geregelt ist das in § 3 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Arbeitgeber müssen – unabhängig von Art und Größe des Unternehmens – vor Beginn einer Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen Gefährdungen beurteilen beziehungsweise eine fachkundige Person beauftragen.
Darauf müssen Arbeitgeber achten
Folgende Aspekte müssen Arbeitgeber im Detail beachten:
- Ausstattung des Arbeitsplatzes: In der ArbStättV wird unter anderem gefordert, dass Arbeitgeber dafür sorgen, dass Arbeitsstätten insgesamt instandgehalten und Mängel unverzüglich beseitigt werden. Können Mängel, von denen eine unmittelbare erhebliche Gefahr ausgeht, in einer Arbeitsstätte beziehungsweise an einem Arbeitsplatz nicht sofort beseitigt werden, hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die gefährdeten Beschäftigten ihre Tätigkeit unverzüglich einstellen. Ein weiterer Punkt ist die Reinigung: Arbeitsstätten müssen hygienischen Anforderungen entsprechen. Verunreinigungen und Ablagerungen, die zu Gefährdungen führen können, müssen beseitigt werden.
- Physikalische, chemische und biologische Risikofaktoren: Arbeitsmittel, ‑stoffe, ‑methoden und ‑prozesse müssen systematisch auf Risiken untersucht werden. So sind unter dem Sammelbegriff „physikalische Risikofaktoren“ mechanische, thermische, elektrische und durch nichtionisierende Strahlung hervorgerufene Wirkungen zusammengefasst. Dabei geht es unter anderem um Lärm und Vibration sowie das Raumklima. Wichtige Regelungen für den Arbeitgeber in diesem Zusammenhang sind die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung sowie die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) zu den Bereichen Beleuchtung, Raumtemperatur, Lüftung, Lärm.
- Psychische Belastungen: Auch die psychischen Belastungen müssen seitens des Arbeitgebers erfasst werden. Dabei ist er auch dafür verantwortlich, dass Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmenden geschützt werden und dass Diskriminierung, sexuelle Belästigung oder Mobbing im Unternehmen nicht vorkommen. Ziel ist ein fairer Umgang unter den Mitarbeitenden sowie zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften.
- Arbeitszeiten: Jeder Arbeitnehmende hat nach einer bestimmten Arbeitszeit Anspruch auf Pausen sowie grundsätzlich Urlaubsanspruch. Die rechtliche Basis liefert das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Es fordert vom Arbeitgeber, das Gesetz, weitere für den Betrieb geltende Rechtsverordnungen sowie Tarifverträge und Betriebs- oder Dienstvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsichtnahme auszulegen oder auszuhängen. Außerdem sind Arbeitgeber verpflichtet, Überstunden aufzuzeichnen und zu verzeichnen, welche Arbeitnehmenden in eine Arbeitszeitverlängerung eingewilligt haben. Die Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
- Qualifikation und Unterweisung: Arbeitgeber müssen bei der Übertragung von Aufgaben sicherstellen, dass die Beschäftigten für die jeweilige Tätigkeit qualifiziert sind. Zudem müssen die Arbeitnehmenden in der Lage sein, die Vorgaben zum Arbeitsschutz zu beachten. Dazu müssen sie vor Tätigkeitsbeginn zum Arbeitsschutz unterwiesen werden. Die Unterweisungen müssen regelmäßig wiederholt werden.
Wenn doch etwas passiert
Die Anforderungen aus dem vorangegangenen Abschnitt umfassen präventive Maßnahmen für den Normalbetrieb. Doch damit ist es noch nicht getan. Denn Arbeitgeber haben auch die Verantwortung für Prävention in puncto Erste Hilfe und Brandschutz.
Im Fokus steht dabei eine gute Notfallplanung. Dazu gehört:
- Mittel und Einrichtungen zur Ersten Hilfe zur Verfügung zu stellen, regelmäßig auf Vollständigkeit und Einsatzbereitschaft zu prüfen.
- Sicherheitseinrichtungen, unter anderem Beleuchtung, Brandmelde- und Feuerlöscheinrichtungen, sowie raumlufttechnische Anlagen instandzuhalten und die Funktionsfähigkeit regelmäßig prüfen zu lassen.
- Dafür zu sorgen, dass Verkehrswege, Fluchtwege und Notausgänge ständig freigehalten werden.
- Flucht- und Rettungspläne aufzustellen, wenn Lage, Ausdehnung und Art der Benutzung der Arbeitsstätte dies erfordern. Der Plan ist an geeigneten Stellen in der Arbeitsstätte auszulegen und Übungen in angemessenen Zeitabständen durchzuführen.
Änderungen vorbehalten
Nicht genug damit, dass die Aufgaben umfangreich sind, sie sind nicht „in Stein gemeißelt“. Vielmehr müssen sie immer wieder an die aktuelle Situation angepasst werden. Das Stichwort lautet hier: Stand der Technik. Auch neue Erkenntnisse aus der Arbeitswissenschaft und Medizin sorgen für Bewegung in den Vorschriften. So sind zum Beispiel in den vergangenen Jahren die Anforderungen im Zusammenhang mit den psychischen Belastungen gewachsen. Manchmal erwirken auch Gerichtsurteile veränderte Arbeitgeber-Pflichten, wie das Urteil zur Arbeitszeiterfassung in 2022.
Und auch die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen: So standen Arbeitgeber durch die „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“ plötzlich vor neuen Anforderungen zum Infektionsschutz.
Aufgaben übertragen
Die lange Liste von Aufgaben lässt sich nur rechtssicher erfüllen, wenn die jeweils zuständige Person auf ein umfangreiches, detailliertes und aktuelles Fachwissen zugreifen kann. Und da sind andere Bereiche wie Datenschutz, Compliance, Umweltschutz noch gar nicht berücksichtigt. Damit Arbeitgeber trotz ihrer umfassenden Verantwortung noch ruhig schlafen können, gibt es die Möglichkeit, einige Pflichten zu delegieren. Für bestimmte Aufgaben fordert der Gesetzgeber sogar, dass Beauftragte sie beraten und somit entlasten.
Hier hilft ein Blick in das Arbeitssicherheitsgesetz (ASig). Es legt gleich in § 1 fest, dass Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit bestellt werden. Diese sollen Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und der Unfallverhütung unterstützen.
Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass
- die Vorschriften zum Arbeitsschutz und zur Unfallverhütung den besonderen Betriebsverhältnissen entsprechend angewandt werden,
- gesicherte arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erkenntnisse genutzt werden, um den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung zu verbessern und
- die Maßnahmen für Arbeitsschutz und Unfallverhütung möglichst wirksam sind.
Details zu den Voraussetzungen und Anforderungen sind im berufsgenossenschaftlichen Regelwerk festgehalten. Basis sind hier die DGUV Vorschrift 1 – Grundsätze der Prävention und DGUV Vorschrift 2 – Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
Weitere Beauftragungen ergeben sich aus anderen staatlichen Vorschriften, zum Beispiel ist in der Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV) die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten und in § 10 Abs. 1 ArbSchG die Bestellung von Ersthelfern geregelt.
Bei der Beauftragung gelten folgende Grundregeln:
- Beauftragte sind schriftlich zu bestellen
- der Behörde ist die Bestellung anzuzeigen (nur für bestimmte Beauftragte gefordert, zum Beispiel Datenschutzbeauftragte)
- Betriebs- beziehungsweise Personalrat ist über die Bestellung zu unterrichten
- Beauftragten sind die technischen, personellen und finanziellen Hilfsmittel bereitzustellen, die sie benötigen, und sie sind bei der Wahrnehmung der Aufgaben zu unterstützen.
Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass den Beauftragten durch ihre zusätzliche Funktion keine Nachteile entstehen. Bei Beauftragungen gilt ein Benachteiligungsverbot.
Hilfe von außen
Einige Beauftragten-Funktionen sind unbedingt mit eigenen Mitarbeitenden zu besetzen, zum Beispiel Sicherheitsbeauftragte und Ersthelfer. Doch für andere Bereiche können auch externe Fachleute als Betriebsbeauftragte eingesetzt werden, zum Beispiel Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Gefahrgutbeauftragte. Die Vorteile des Einsatzes externer Beauftragter für die Arbeitgeber liegen auf der Hand: Sie müssen sich nicht um die Aus- und Weiterbildung dieser Beratenden kümmern. Sie können davon ausgehen, dass diese Dienstleister als Spezialisten in mehreren Unternehmen aktiv sind. Dadurch bringen sie häufig viel Erfahrung auf ihrem speziellen Gebiet mit und können effizientere Lösungen anbieten als zum Beispiel ein angestellter Mitarbeiter, der die Beauftragung neben seiner eigentlichen Tätigkeit erledigen muss.
Ein weiteres Plus aus Arbeitgebersicht: Externe Beauftragte haften bei schlecht und fehlerhaft ausgeführter Tätigkeit in vollem Umfang, sofern vertraglich nicht etwas anderes vereinbart ist. Interne Beauftragte haften als Arbeitnehmende ausschließlich für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.
Eigene Mitarbeitende kennen allerdings den Betrieb, die täglichen Abläufe und eventuelle Probleme sehr genau. Dieses Know-how müssen sich externe Beauftragte erst aneignen. Auch hier sind die Arbeitgeber gefordert, sie dabei zu unterstützen. Das Wissen über Interna unterliegt einer Geheimhaltungspflicht und kann zusätzlich durch eine Verschwiegenheitserklärung der Beauftragten abgesichert werden.
Gemeinsam geht es besser
Auch die Koordination der unterschiedlichen Akteure im Arbeits- und Gesundheitsschutz liegt in Arbeitgeberhand: Sie müssen in Betrieben mit mehr als zwanzig Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss bilden.
Dort verständigen sich
- Arbeitgeber oder von ihm Beauftragte
- zwei Betriebsratsmitglieder
- Betriebsarzt
- Fachkraft für Arbeitssicherheit und
- Sicherheitsbeauftragte
über Aufgaben, Probleme, Projekte rund um Arbeitsschutz und Unfallverhütung.
Um zu dem eingangs erwähnten „dampfenden Schiff“ zurückzukehren: Der Arbeitgeber als Kapitän ist auf eine Crew angewiesen, in der jede und jeder seine Aufgaben gut kennt und das Wissen und die Möglichkeiten hat, sie zuverlässig zu erfüllen. Dann kommt auch der „Unternehmensdampfer“ sicher und mit gesunder Besatzung ans Ziel.
Acht Grundsätze für Arbeitgeber gemäß ArbSchG
- Arbeit wird so gestaltet, dass das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit der Beschäftigten möglichst nicht gefährdet und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.
- Gefahren werden an der Quelle bekämpft.
- Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse werden berücksichtigt.
- Für alle Arbeitsschutz-Maßnahmen werden Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Umwelteinflüsse berücksichtigt und sachgerecht verknüpft.
- Maßnahmen werden in der Reihenfolge des STOP-Prinzips entwickelt und umgesetzt. Das heißt, Substitution, technische und organisatorische Lösungen haben (in genau dieser Reihenfolge) Vorrang vor individuellen Schutzmaßnahmen.
- Spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen wie Jugendliche oder werdende Mütter werden berücksichtigt.
- Die Beschäftigten erhalten stets geeignete Anweisungen.
- Es gibt nur dann mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist, zum Beispiel beim Bewegen von Lasten.
Verantwortung liegt beim Arbeitgeber
Mit einer Bestellung von Beauftragten sind Arbeitgeber nicht von ihren Pflichten entbunden. Es bleibt dabei, dass sie für die Einhaltung der Vorschriften in ihrem Unternehmen verantwortlich sind!
Sonderfall: kleine Betriebe
In kleinen Betrieben kann der Arbeitgeber die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung in den eigenen Händen behalten. Dieses „Unternehmermodell“ – oder „alternative Betreuung“ in Abgrenzung zur „Regelbetreuung“ – ist je nach zuständiger Berufsgenossenschaft für Betriebe mit maximal 30 beziehungsweise 50 Beschäftigten zulässig. Eine weitere Voraussetzung: Hier muss der Arbeitgeber selbst an einer Ausbildung und im Abstand von jeweils fünf Jahren an einer Weiterbildung teilnehmen. Wer sich dazu entschließt, muss außerdem aktiv in die betrieblichen Prozesse eingebunden sein. Sind diese Voraussetzungen gegeben, muss der Arbeitgeber
- eine Arbeitsschutz-Organisation für den Betrieb aufbauen,
- Gefährdungspotenziale erkennen,
- geeignete Lösungen zur Minimierung von Risiken entwickeln und
- sich bei Bedarf durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit oder einen Betriebsarzt beraten lassen,
- einen Betriebsarzt und eine Sicherheitsfachkraft für seinen Betrieb benennen, damit die Beschäftigten wissen, wen sie ansprechen können.
Autorin:
Uta Fuchs
Fachjournalistin