Halbwaisenrente – nur unter bestimmten Bedingungen
Problematisch war das in einem Fall, den das baden-württembergische Landessozialgericht im Rahmen einer Klage zweier Söhne eines tödlich verunglückten Lkw-Fahrers auf Gewährung von Halbwaisenrente zu entscheiden hatte. Der Vater der Jungen war am Unfalltag mit schweren Kopfverletzungen an seinem Lkw liegend aufgefunden worden, als er bei einer Firma auf die Beladung wartete. Niemand hatte den Vorfall beobachtet. Bei der Aufnahme im Krankenhaus hatte der Versicherte angegeben, plötzlich unter Kopfschmerzen und Schwindel gelitten zu haben. An den konkreten Unfallhergang konnte er sich aber nicht erinnern. Knapp zwei Wochen später verstarb der Mann an einem Hirninfarkt aufgrund eines schweren Schädel-Hirn-Traumas. Seine beiden Söhne beantragten bei der zuständigen Berufsgenossenschaft Halbwaisenrente, die jedoch abgelehnt wurde. Ein Arbeitsunfall stehe nicht fest, lautete die Begründung. Ein Sturz aus der Fahrerkabine sei nicht bewiesen. Zudem sprächen die Angaben des Versicherten bei der Aufnahme im Krankenhaus für eine innere Ursache. Diese sei nicht versichert. Das Stuttgarter Sozialgericht schloss sich dieser Auffassung noch an und wies die Klage der Kinder ab.
Berufungsverfahren erfolgreich
Im Berufungsverfahren holte das Landessozialgericht ein pathologisches Gutachten ein und zog die Akten der Staatsanwaltschaft bei. Nach Auswertung der Unterlagen sah sich der Senat davon überzeugt, dass der Versicherte einen Arbeitsunfall erlitten hatte. Er sei aus unbekannter Ursache circa aus Höhe des Einstiegs zum Fahrerhaus von seinem Lkw auf den Boden gestürzt und habe sich dabei schwerwiegende Kopfverletzungen zugezogen, in deren Folge er verstarb.
Maßgeblich war die Aussage des Sachverständigen, der aus dem Ausmaß und dem Muster der Schädelverletzungen auf einen Sturz aus großer Höhe geschlossen hatte. Bereits die erstbehandelnde Ärztin war von einem Sturz aus größerer Höhe oder aber einer gewalttätigen Einwirkung ausgegangen, weshalb sie die Polizei informiert hatte.
Anspruch auf Halbwaisenrente
Die Staatsanwaltschaft schloss später jedoch eine Verursachung durch einen Dritten aus. Letztlich ergab sich auch aus den Aussagen der Kollegen, dass der Verstorbene neben seinem Lkw, unterhalb der Fahrertür, und nicht etwa vor dem Fahrzeug aufgefunden worden war. Die Angaben des Versicherten bei der Aufnahme im Krankenhaus sah das Gericht als nicht hinderlich an. Der Mann sei so schwer verletzt gewesen, dass die Aussagen nicht unbedingt richtig waren und zudem offenließen, ob er vor oder nach dem Sturz Kopfschmerzen und Schwindel verspürt hatte. Damit haben die Kinder des Verstorbenen nun einen Anspruch auf Halbwaisenrente.
(Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.06.2022, Az. L 1 U 377/21)