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Unternehmenskultur: Rückenwind für Arbeitsschützer

Werte sind kein Selbstläufer
Unternehmenskultur: Rückenwind für Arbeitsschützer

Werte sind eine gute Sache für ein Unternehmen. Sie lassen es im Auße­nauftritt glänzen, fördern die Loy­al­ität der Mitar­bei­t­en­den und pushen auf diese Weise auch den wirtschaftlichen Erfolg. Doch es bleibt die Frage, ob und wie der Arbeitss­chutz davon profitiert.

Unter uns gesagt: Am Beginn der Recherche für diesen Text stand eine klare Erwartung: In Unternehmen, die ihre Werte for­muliert haben, läuft der Arbeitss­chutz bestens. Wo dies nicht der Fall ist, dürfte auch die Sicher­heit bei der Arbeit lei­den. Doch Gespräche mit Fachkräften für Arbeitssicher­heit, exter­nen Beratern und ein­er Psy­cholo­gin zeigen: Ganz so ein­fach ist es in der Prax­is nicht.

Entschieden wird vor Ort

Christoph Henke, Geschäfts­führer der eska Inge­nieurge­sellschaft in Ham­burg, betreut seit eini­gen Jahren als Fachkraft für Arbeitssicher­heit Unternehmen ver­schieden­er Größe. Sein Ein­druck – ganz unab­hängig von der Branche, Mitar­beit­erzahl und davon, ob Werte definiert sind oder nicht: „Arbeitss­chutz wird immer noch zu oft als Stör­fak­tor emp­fun­den.“ Nach sein­er Ein­schätzung hat sich auch die Hoff­nung nicht bestätigt, dass in der Pan­demie die Sorge um die Mitar­bei­t­en­den gewach­sen ist. „Die Bedeu­tung ein­er guten Führung ist vor Ort in vie­len Unternehmen noch nicht angekom­men.“ Doch zu schwarz malen will er nicht. Die Fluk­tu­a­tion sei bei „seinen Unternehmen“ ger­ing. Und das ist ja bekan­nter­maßen ein guter Indika­tor für das Kli­ma im Unternehmen.

Henke sieht zudem nicht nur die Geschäft­sleitung in der Ver­ant­wor­tung für eine gute Sicher­heit­skul­tur. Die Hal­tung zum Arbeitss­chutz und die Bere­itschaft, sich zu engagieren, hängt nach sein­er Beobach­tung sehr von den Führungskräften in den Abteilun­gen ab. Und da gebe es große Unter­schiede. „Jed­er arbeit­et anders, aber Sicher­heits­beauf­tragte brauchen immer jeman­den, der ihnen Gehör schenkt.“ Wo das der Fall ist, wo Anre­gun­gen und Bedenken ernst genom­men und Prob­leme gemein­sam bear­beit­et wer­den, bekomme der Arbeitss­chutz einen hohen Stel­len­wert – auch dann, wenn die Unternehmensleitung andere Pri­or­itäten setze.

Ausgangspunkt Zertifizierung

Es gibt ver­schiedene Gründe, sich mit Werten zu beschäfti­gen. Die Bay­ern­wald KG mit Sitz in Hengers­berg ist auf die hochw­er­tige Ver­ar­beitung von Frücht­en spezial­isiert. Für die Zusam­me­nar­beit mit mehreren Kun­den musste das Unternehmen unter anderem eine Zer­ti­fizierung nach dem Code der Eth­i­cal Trad­ing Ini­tia­tive (ETI) nach­weisen. Dieser inter­na­tion­al anerkan­nte Kodex zur Arbeitswelt basiert auf den Kon­ven­tio­nen der Inter­na­tionalen Arbeit­sor­gan­i­sa­tion (ILO). Die dritte von ins­ge­samt neun Regeln fordert: „Die Arbeits­be­din­gun­gen sind sich­er und hygien­isch.“ Diese all­ge­mein gehal­tene Anforderung wird weit­er aus­ge­führt und bezieht sichere Arbeit­splätze und Unter­weisun­gen ein.

Das Unternehmen entwick­elte eigene Leitlin­ien, in denen es auf den ETI ver­weist. Auf diesem Weg wurde ein Beken­nt­nis zum Arbeitss­chutz im Unternehmen ver­ankert, erk­lärt Mar­co Schacherbauer, Assis­tent des Betrieb­sleit­ers und Fachkraft für Arbeitssicher­heit. Schacherbauer bekommt für seine Tätigkeit vor allem Rück­halt durch eine weit­ere „Leitlin­ie Arbeitsschutz/Gesundheit“, in der die Ver­ant­wor­tung der Führungskräfte her­vorge­hoben wird. „Das müssen wir mit Leben füllen”, betont er und zeigt an einem Beispiel, wie dies gelingt: „Wir haben ein Mitar­beit­er­hand­buch entwick­elt, das alle Neue­in­steiger und in ein­er kürz­eren Fas­sung auch die Prak­tikan­ten erhal­ten. In diesem wird der Stel­len­wert, den der Arbeitss­chutz und unsere Werte für uns haben, her­vorge­hoben.” So ist jed­er vom ersten Tag an im Bilde.

Respekt und Freundlichkeit

„Wir fördern ein men­schlich pos­i­tives, offenes und engagiertes Arbeit­skli­ma, in dem Respekt und Fre­undlichkeit großgeschrieben wer­den“, ver­sprechen die Bay­ern­wald-Leitlin­ien. Im täglichen Han­deln heißt das zum Beispiel, die Gefährdungs­beurteilung der psy­chis­chen Belas­tun­gen zu organ­isieren. „Wir machen das nun schon zum zweit­en Mal.“ Ein biss­chen Stolz klingt mit, wenn Schacherbauer davon berichtet – ohne zu ver­schweigen, dass dabei dur­chaus Defizite sicht­bar wer­den. „Kom­mu­nika­tion, Feed­back, Weit­er­gabe von Infor­ma­tio­nen – da müssen wir an manchen Stellen noch nachlegen.“

In der Prax­is gestalte es sich nicht ganz ein­fach, die Erken­nt­nisse aus den Gefährdungs­beurteilun­gen in gute Maß­nah­men umzuset­zen. Für ihn und die Führungskräfte bei Bay­ern­wald sei nun der näch­ste Schritt, 14-tägig kurze Teamge­spräche einzuführen. In diesen sollen die ver­gan­genen Tage bilanziert wer­den, indem sich Führungskraft und Mitar­beit­er darüber aus­tauschen, was gut gelaufen ist und was nicht. Zudem gelte es, die Beschäftigten über Entwick­lun­gen in der Fir­ma, zum Beispiel anste­hende Zer­ti­fizierun­gen zu informieren. Das sei für ihn ein Weg, den Kodex tat­säch­lich mit Leben zu füllen. „Die Teamge­spräche kön­nen auch zu ein­er Lern­phase für die Führungskräfte wer­den“, hofft Schacherbauer. Zuhören, nach­fra­gen, Anre­gun­gen auf­greifen und Feed­back geben – das schwebt ihm vor. Dabei ist er grund­sät­zlich opti­mistisch. Derzeit bildet er ger­ade neue Sicher­heits­beauf­tragte aus, in denen er viel Poten­zial sieht: „Die kün­fti­gen Amtsin­hab­er fra­gen viel nach, machen sich eigene Gedanken.“

Unverzichtbar: Fehlerkommunikation

Antje Schuck-Schmidt ist Psy­cholo­gin und berät als Kom­mu­nika­tion­strainer­in Unternehmen und Führungskräfte. „In Zeit­en, in denen Arbeit­skräfte fehlen, beschäftigten sich die Betriebe inten­siv­er mit ihrem Auße­nauftritt.“ Dazu gehörten klar for­mulierte Werte und Leitlin­ien. Sie emp­fiehlt, die Unternehmenswerte und authen­tis­che Bew­er­tun­gen durch die Mitar­bei­t­en­den von Zeit zu Zeit miteinan­der abzu­gle­ichen. Denn dort klafften immer wieder Lück­en. Hier bringt sie einen Begriff ins Spiel, der irgend­wann in allen Gesprächen rund um Unternehmenswerte auf­taucht: Fehlerkom­mu­nika­tion. Nur in ein­er wertschätzen­den Atmo­sphäre sei es möglich, Verbesserun­gen anzus­toßen. Mitre­den kön­nen, eigene Entschei­dun­gen tre­f­fen, das seien ger­ade für die junge Gen­er­a­tion wichtige Voraus­set­zun­gen am Arbeit­splatz. Ihr Rat an Führungskräfte: „Prüfen Sie immer wieder, ob Sie Ihren Mitar­beit­ern eine Rück­mel­dung zur Arbeit geben – nicht nur zu den Resul­tat­en, son­dern auch zur Sicher­heit bei der Arbeit.“ Das sei ger­ade dann wichtig, wenn Arbeit­en unter Zeit­druck erledigt wer­den müssten.

Von Vorteil: Strukturierte Prozesse

Wertschätzung zeige sich auch im Wis­sens­man­age­ment, im Bemühen, Erfahrun­gen, aber auch Anforderun­gen weit­erzugeben. Hier erlebt die Kom­mu­nika­tion­strainer­in ger­ade in Klein- und mit­tel­ständis­chen Unternehmen zunehmend den Ver­such, struk­turi­ert vorzuge­hen. Wichtige Impulse aus dem Qual­itäts­man­age­ment (QM) kom­men auch dem Arbeitss­chutz zugute. Wiederum fällt das Stich­wort Zer­ti­fizierung. Schuck-Schmidt hat beobachtet, dass auch im Mit­tel­stand die Kom­bi­na­tion von QM, Arbeitssicher­heit und Umweltschutz in einem Man­age­mentsys­tem einen guten Schub für mehr Sicher­heit bringt. Ein hil­fre­ich­es Werkzeug kann dabei die Bal­anced Score­card (BSC) sein, die auch für kleine Unternehmen funk­tion­iert. Hier wer­den strate­gis­che Ziele hand­hab­bar gemacht.

In der BSC wird das Unternehmen­sziel for­muliert, zudem wer­den Check­punk­te und wichtige Kenn­zahlen fest­gelegt. Die Meth­ode bezieht unter­schiedliche Per­spek­tiv­en ein und kann auf diese Weise beispiel­sweise den Blick für das Mitar­beit­er­ver­hal­ten und Lern­prozesse öff­nen. Von ein­er strate­gis­chen Aus­rich­tung, die sich all­ge­mein in Werten und Zie­len aus­drückt, wird so eine Brücke hin zu den alltäglichen Entschei­dun­gen am Arbeit­splatz gebaut.

Wirksames Zusammenspiel

Faz­it: Werte sind kein Selb­stläufer. Sie allein sor­gen noch nicht für mehr Sicher­heit am Arbeit­splatz. Doch ein enges Zusam­men­spiel von Werten, Unternehmens- beziehungsweise Führungskul­tur und Fehlerkom­mu­nika­tion set­zt Impulse, die dem Arbeitss­chutz zugutekom­men. Aber auch Zer­ti­fizierun­gen, die zu ein­er struk­turi­erten Gestal­tung von Prozessen führen, stärken den Arbeitss­chutz in Unternehmen.


Autorin: Uta Fuchs
Fachjournalistin
 
Foto: © privat

 

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