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Abenteuer Wanderritt

Nachgefragt bei Katja Schlingmann
Abenteuer Wanderritt

Das Gespräch führte Petra Jauch
Auf­brechen, unter­wegs sein und ankom­men, um am näch­sten Tag wieder weit­erzuziehen – das ist für Kat­ja Schling­mann die schön­ste Art zu reisen. Für den gewis­sen Aben­teuer­fak­tor ihrer Frei­heits- und Natur­erleb­nisse set­zt sie dazu wed­er auf Wan­der­schuhe noch aufs Fahrrad, son­dern auf tierische Gesellschaft: Stets mit zwei Islandpfer­den, teils noch zusät­zlich mit Hund, untern­immt die 62-Jährige seit fünf Jahren regelmäßig kürzere und län­gere Wan­der­ritte. Immer im Gepäck: Die griff­bere­ite Klapp­säge, Hafer­flock­en und ein Wanderreitpaddock.

Frau Schling­mann, wie kamen Sie zu Ihren Islandpfer­den und darauf, mit ihnen Wan­der­ritte zu unternehmen?

Schon als Kind habe ich die Liebe zu diesen Pfer­den ent­deckt. Mein Eltern­haus liegt an einem Wal­drand. Den angren­zen­den Wald habe ich gemein­sam mit mein­er Fre­undin erkun­det. Wir sind aber nicht wie die anderen Kinder darin herumge­tollt, son­dern auf dem Rück­en der Islandpferde ihrer Fam­i­lie zu Aben­teuern in die Natur aufge­brochen. Wir sind ohne Sat­tel gerit­ten, meist auch ohne Trense, haben die Pferde in den Aach­en­er Wäldern grasen lassen, um dann selb­st auf Bäume zu klet­tern. Ein­fach bilder­buch­mäßig. Der Vater mein­er Fre­undin, ein ganz uner­schrock­en­er und unternehmungslustiger Men­sch, hat uns zudem schon damals zu einem großen Wan­der­ritt ermuntert: Er schlug uns vor, in ein­er Woche von Aachen um den Ruhrsee und wieder zurück zu reit­en. Meine Fre­undin war damals 13, ich 14. Die Unterkün­fte für die Nacht hat er organ­isiert, alles andere mussten wir allein man­a­gen. Schwierig wurde es gle­ich am ersten Tag: Wir stießen auf ein Drehkreuz, das nur für Wan­der­er passier­bar war, nicht aber für Pferde. Später wiederum lagen Bäume im Weg. Wir sind aber immer ans Ziel gekom­men. Dass wir das geschafft haben, mit allen Höhen und Tiefen, hat mich unfass­bar gestärkt, für mein ganzes Leben.

Dieses frühe Aben­teuer hat mich zudem so geprägt, dass ich etliche Jahrzehnte später den ganz großen Wun­sch hat­te, noch ein­mal daran anzuknüpfen. Nach ein­er län­geren Reit­pause habe ich nach der Geburt unseres vierten Kindes wieder mit dem Reit­en ange­fan­gen. Einige Jahre später kaufte ich mir mein erstes eigenes Islandpferd. Als dann die Kinder immer selb­st­ständi­ger wur­den und wed­er eine Hochzeit, Abitur­prü­fung noch die Geburt eines Enkelkindes anstanden, erwachte in mir wieder diese Sehn­sucht nach Auf­bruch und Frei­heit. Das war 2017.

Da waren Sie kein Teenag­er mehr, son­dern 57. Wie sind Sie die Sache angegangen?

Für mich ist es ganz wichtig, dass ich völ­lig autark bin. Dass ich alles dabei habe, was ich für mich und die Tiere brauche. Deshalb nehme ich immer ein Packpferd mit. Es gibt dafür aber noch einen Grund, der mir per­sön­lich noch wichtiger ist: Pferde sind Her­den­tiere und ich möchte keins mein­er Pferde in der Fremde allein ste­hen lassen.

Um mich für mein Vorhaben zu rüsten, habe ich mir von vie­len Leuten Tipps einge­holt. Zum Beispiel bei der Organ­i­sa­tion Eifel zu Pferd, die schöne Streck­en für Wan­der­ritte aus­gear­beit­et hat und darauf spezial­isiert ist, Wan­der­re­it­er und ihre Pferde über Nacht aufzunehmen. Die habe ich gelöchert, was brauche ich, wie geht das, wie mache ich das?

Dann bin ich in Trekkinglä­den gegan­gen. Sobald ich erzählt habe, wofür ich zum Beispiel Span­ngurte oder ein möglichst kleines, leicht­es Zelt brauche, waren die Leute sehr inter­essiert und hil­fs­bere­it. Mit vie­len Tipps und Empfehlun­gen habe ich eine Stan­dar­d­aus­rüs­tung zusam­mengestellt, die jet­zt immer ein­satzbere­it im Keller liegt. Dazu gehören ein Schlaf­sack, eine Iso­mat­te, ein Zelt, ein kleines auf­blas­bares Kopfkissen, eine kleine Tasche mit Medika­menten und ein klein­er Kos­metik­beu­tel – ganz min­i­mal­is­tisch. Für die Pferde habe ich ein soge­nan­ntes Wan­der­re­it­pad­dock dabei. Sie müssen ja nachts irgend­wo gesichert ste­hen, wenn wir nicht bei einem Bauern oder Pri­vat­per­so­n­en unterkom­men, die eingezäunte Wei­de­flächen oder Ställe haben.

Was meine eigene Verpfle­gung ange­ht, bin ich ziem­lich anspruch­s­los, wenn ich so unter­wegs bin. Ich nehme immer einen Kocher mit, um Wass­er erhitzen zu kön­nen. Zur Not weiche ich dann ein­fach Hafer­flock­en in heißem Wass­er auf – mor­gens mit Obst und Nüssen, abends mit ein­er Gemüse­brühe. Damit komme ich schon über den Tag. Für schwierige Sit­u­a­tio­nen habe ich eine Klapp­säge dabei, die in ein­er Vorder­pack­tasche immer griff­bere­it ist. Genau­so wie ein schar­fes Mess­er, Panz­er­tape, Näh- und Flickzeug – so kleine handw­erk­liche Dinge. Weil immer mal was reißt oder kaputt geht.

Sie sprechen von schwieri­gen Sit­u­a­tio­nen, in denen eine Klapp­säge gebraucht wird. Haben Sie dafür ein Beispiel?

Ich verirre mich ziem­lich oft. Das liegt vor allem daran, dass Wege, die sowohl in mein­er Wan­derkarte als auch in mein­er App angezeigt wer­den, nicht mehr existieren oder ges­per­rt sind. So lande ich mit den bei­den Pfer­den nicht sel­ten irgend­wo im Dic­kicht. Dann ist es gut, wenn man sich freis­chnei­den kann. Ein­mal bin ich cir­ca fünf Kilo­me­ter lang auf einem schmalen Pfad in Rich­tung Tal gewan­dert, bis plöt­zlich ein riesen­großer Baum mit vie­len Ästen das let­zte Wegstück versper­rte. Ich habe mir dann über­legt, wenn ich alle Äste absäge, unter dem Baum eine Kuh­le grabe und das ganze Gepäck ablade, passen die Pferde vielle­icht unten durch. Genau­so habe ich es gemacht, Schritt für Schritt. Auf diese Weise kon­nte ich die Sit­u­a­tion bewälti­gen. Das war dann ein sehr eupho­risch­er Moment.

Wichtig ist, immer die Ruhe zu bewahren. Bei den ersten Malen, in denen ich mit­ten im Gebüsch gelandet bin, hat mir das noch völ­lig den Boden unter den Füßen wegge­zo­gen. Und ich habe für mich gedacht: „Kat­ja, was zur Hölle machst du hier? Warum bist du so blöd und bringst dich und die Pferde in Gefahr?“ Auf diesen Wan­der­rit­ten ist nicht immer alles nur schön und ide­al. Alle Stim­mungen, die ein Men­sch haben kann, habe ich auf diesen Reisen durchlebt.

Trotz­dem brechen Sie immer wieder auf. Die pos­i­tiv­en Erfahrun­gen über­wiegen dem­nach deutlich?

Das ist wie ein Naturge­setz: Es gibt keine Reise ohne Schwierigkeit­en. Aber es gibt auch keine Reise, in der nicht im richti­gen Moment Men­schen wie von Zauber­hand auf­tauchen und mir weit­er­helfen. Wenn ich nicht mehr weit­er­weiß, hil­ft es erfahrungs­gemäß oft, ein­fach abzuwarten. Dann set­ze ich mich beispiel­sweise auf den Boden zu meinen Pfer­den und wenig später kommt jemand vor­bei, etwa ein Bauer mit einem Trak­tor. Dadurch entwick­elt sich eine Art Urver­trauen. Das steckt zwar sowieso schon in mir, aber es wird durch diese großar­ti­gen Begeg­nun­gen auf meinen Reisen nochmal sehr gestärkt.

Ich gehe auch selb­st sehr viel auf die Men­schen zu und frage zum Beispiel nach Möglichkeit­en zum Über­nacht­en. Ich bin für jede Unterkun­ft offen: ein Stall, eine Sche­une, ein Bauwa­gen oder auch eine Garage. Oft bekomme ich auch viel mehr, als ich erwarte: Ich werde zum Aben­dessen oder Früh­stück ein­ge­laden, erhalte Fut­ter für die Tiere oder liebevoll gepack­te Pakete mit Wegzehrung. Manche Men­schen bekom­men dafür Geld von mir, die meis­ten wollen keins. Zweifel­los liegt es auch an meinen Tieren, dass mir immer alle Türen und Herzen offen­ste­hen. Aber wenn man drei Wochen am Stück so viel Hil­fs­bere­itschaft erfährt, lässt sich der Glaube an die Men­schheit nicht ver­lieren. Den wichtig­sten Rück­halt für meine Aben­teuer bekomme ich jedoch von meinem Mann. Der ist zwar nicht dabei, aber im Zweifels­fall sofort zur Stelle, wenn ich Unter­stützung brauche. Das zu wis­sen, gibt mir unendlich viel Sicherheit.

Wie gut kön­nen Sie sich denn auf Ihre Tiere ver­lassen: Pferde sind schreck­haft. Im unbekan­nten Ter­rain kön­nten sie zum Beispiel scheuen oder durchge­hen. Wie gehen Sie damit um?

Das ist tat­säch­lich schon passiert. Sog­ar noch im let­zten Jahr, als ich dachte, wir haben zusam­men schon alle Erfahrun­gen der Welt gemacht. Da ging es einen sehr steilen Hang in der Eifel bergauf. An solchen Stellen steige ich immer ab. Auf dem schmalen Weg hat­te ich also ein Pferd neben mir und ein Pferd hin­ter mir. Plöt­zlich sprang hin­ter uns ein Reh über den Weg und das hin­tere Pferd hat sich so erschreckt, dass es mir mit aller Wucht in den Rück­en gesprun­gen ist. Da bin ich richtig schlimm nach vorn auf die Knie gek­nallt. Let­ztlich hat­te ich aber nicht mal einen blauen Fleck, nur der Schock saß tief.

Pferde sind von ihrem Instinkt und von ihrem Ver­hal­ten her an das Leben in der Natur gewöh­nt. Sie sind Nomaden und ziehen von sich aus gerne weit­er. Das spüre ich immer im Früh­ling, wenn wir unsere Aus­ritte zunehmend aus­dehnen. Da wir regelmäßig in unbekan­ntem Gebi­et unter­wegs sind, stärkt das auch ihr Nervenkostüm.

Wir haben inzwis­chen schon viele ver­schiedene Auf­gaben zusam­men gemeis­tert. Je erfahren­er die Pferde sind, desto weniger stark aus­geprägt sind ihr Fluchtin­stinkt und ihre Schreck­haftigkeit. Zudem wächst das gegen­seit­ige Ver­trauen zwis­chen Men­sch und Tier – das ist etwas ganz Wun­der­bares. Manch­mal sind meine Isis zöger­lich, aber sie ver­trauen mir und lassen sich vor­sichtig weit­er­führen. Ganz sel­ten streiken sie auch mal richtig, stem­men die Hufe in den Boden und gehen nicht mehr weit­er. Das nehme ich dann aber ernst. Ich würde die Pferde nie zu etwas zwin­gen, denn ihr Ver­hal­ten hat immer einen Grund. Dann suche ich ein­fach nach anderen Möglichkeiten.


Steckbrief

  • geboren 1960 in Aachen
  • Musik­erin und Musiklehrerin
  • hat ein Faible für Island-Pferde
  • besitzt derzeit vier eigene „Isis“
  • untern­immt seit 2017 regelmäßig Wanderritte
  • gibt Kindern und Erwach­se­nen Reitunterricht
  • trifft sehr viele fre­undliche und hil­fs­bere­ite Menschen
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