Schonung war gestern. So muss es wohl gemeint sein, wenn heute von Ärzten aller Fachrichtungen gepredigt wird „Bleiben Sie in Bewegung“ und „Bleiben Sie mobil“. Ob es eine gerade überstandene Operation ist, ein Bandscheibenvorfall, ein Herzinfarkt oder eine Krebserkrankung – Sport ist ein Allheilmittel, das immer für positive Effekte sorgt!
Britta Surholt
Am besten wäre es wohl, Bewegung könnte auf Krankenschein verordnet werden. Denn: Bewegung trainiert nicht nur das Herz- und Kreislaufsystem, sondern auch die Immunabwehr. Somit sind auch chronische Erkrankungen besser in den Griff zu kriegen und wirken sich weniger belastend aus. Hauptsache die Sport-Bilanz stimmt.
Sport gegen Krebs
Als wissenschaftlich erwiesen gilt mittlerweile, dass Menschen, die sich viel bewegen, weitaus seltener an Dick- und Enddarmkrebs erkranken, auch Brustkrebs tritt bei sportbegeisterten Menschen signifikant seltener auf. Heidelberger Krebsforscher können diese optimistisch stimmenden Ergebnisse zu Krebsneuerkrankungen statistisch belegen: So lässt sich das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken um zwanzig bis dreißig Prozent reduzieren; das für Brustkrebs um etwa zehn bis zwanzig Prozent vor der Menopause und um bis zu dreißig Prozent nach der Menopause.
In der Forschung noch nicht sicher belegt (aber wahrscheinlich) ist, dass Bewegung auch dem Krebs der Gebärmutter, der Prostata, der Lunge und der Bauchspeicheldrüse vorbeugt.
Bitte nicht schonen
Die anstrengende Therapie einer Krebserkrankung war bislang häufig der Grund, Sport lieber aufzugeben und sich zu schonen. Heute weiß man: Bewegung tut nicht nur dem Körper gut, sondern er hilft auch der Seele! Patienten, die an Krebs erkrankt sind und bereits therapiert werden, leiden häufig unter dem sogenannten Fatigue-Syndrom. Ständige, extreme Müdigkeit überkommt sie. Wird eine Chemo-Therapie durchgeführt, ist Übelkeit der ständige Begleiter. All diese unangenehmen Begleiterscheinungen können durch Bewegung abgemildert werden. Die Erkrankten fühlen sich besser, sind positiver und lebensbejahender eingestellt. So können sie aktiv an der Heilung mitwirken. Auch der körperliche Zustand wird durch Sport rasch (und deutlich spürbar!) stabiler.
Medizinisch nachgewiesen werden konnte zudem Folgendes: Bei Sport treibenden Krebspatienten wurde eine höhere Immunabwehr und gleichzeitig eine niedrigere Infektionsschwelle festgestellt. Krebs abwehrende Zellen werden – so die Mutmaßung – vor allem dann in besonderem Maße produziert, wenn man sportlich an seine Grenzen geht. Besondere sportliche Herausforderung ist demnach nicht „schädlich“ fürs Immunsystem, sondern sie setzt – ganz im Gegenteil – sogar noch mal ganz besondere Kräfte frei.
Bis an die Grenze gehen
Dies hat sich Dr. Freerk Baumann von der Deutschen Sporthochschule Köln zu Nutze gemacht – und Männer und Frauen nach überstandener Krebserkrankung bis an ihre äußerste Leistungsgrenze herausgefordert. Frauen, die Brustkrebs hatten, wanderten zur Rehabilitation den Jakobsweg, Männer, die zuvor ihren Prostatakrebs besiegt hatten, überquerten ärztlich und wissenschaftlich begleitet die Alpen. „Die sportliche Herausforderung hat nicht nur das psychische, sondern auch das physische Wohlbefinden signifikant verbessert“, erklärt Dr. Baumann. „Zuvor schlummernde Potenziale wurden mit der Wanderung quasi geweckt. Die Betroffenen fühlten sich stark und leistungsfähig – obwohl sie vorher kaum an sich und ihre Leistungskraft geglaubt hatten.“
Das neueste Projekt in Köln: An Krebs erkrankte Kinder werden sportlich auf Trab gehalten und regelmäßig trainiert. Mit dabei sind ihre Eltern und Geschwister. So bleibt den kleinen Patienten immer noch ein wenig Normalität im Alltag erhalten – sie tun etwas für sich und ihr Selbstbewusstsein, fühlen sich besser, haben weniger Schmerzen und kommen bestenfalls auch mit kürzeren Krankenhausaufenthalten aus.
Gut fürs Herz
Viel Bewegung kräftigt das Herz und das Adersystem. Außerdem senkt Sport den Ruhepuls, senkt den Blutdruck, baut überschüssige Fette im Kreislauf ab, mildert Ärger und andere Stress-Symptome. Das Beste aber: Wer sich ausreichend bewegt, ist auf gesunde Art und Weise „ausgelastet“ und hat dadurch auch noch gute Laune!
Mehr als 40 Prozent aller Todesfälle in Deutschland gehen auf Herz-Kreislauf-Leiden zurück. Kein anderes Krankheitsbild hat derart drastische Auswirkungen. Umso bedeutsamer ist es, seinem Herzen Beachtung zu schenken; dem Motor des Lebens die Fürsorge zukommen zu lassen, die er verdient hat! Herzinfarkte, koronare Herzkrankheit – Hunderttausende Menschen hierzulande leiden bereits an Vorboten und leben mit hohem Risiko. Da Stressfaktoren eine bedeutende Rolle spielen, wenn es um die Gesundheit des Herzens geht, sollte Stressabbau – in Form von Sport – regelmäßig in den Tagesablauf eingeplant werden. Nur mit dem richtigen Quantum an Bewegung bleiben Leib und Seele gesund und leistungsfähig. Sind psychische Risikofaktoren in der Überzahl vorhanden, hat das Einfluss auf das Immunsystem und auch auf Prozesse des Energiestoffwechsels. Es entsteht ein Teufelskreis von Funktionsstörungen, die sich gegenseitig bedingen. Sogar Depressionen stehen in engem Zusammenhang mit dem Herzen. Denn das Herz vergisst nichts: Trauer, Angst, Anstrengung, Überforderung, Stress. Der Motor unseres Lebens reagiert auf mindestens 200 verschiedene Risikofaktoren – körperliche und seelische.
Was spricht also dagegen, sich künftig mehr zu bewegen? Eigentlich nichts – werden Sie sagen, zumal Bewegungsmangel allerhand verschiedene Leiden fördert. Laufen Sie Herz-Kreislauf-Krankheiten lieber heute als morgen davon. Es muss auch gar nicht der Hochleistungs-Sport sein, der Sie vor einem Herzinfarkt schützt. Schon eine halbe Stunde Sport mindestens drei Mal die Woche – wie etwa zügiges Walken – senkt das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, erheblich. Auch dann, wenn Sie erst im Alter damit starten, öfter mal eine flotte Runde durch den Park zu drehen.
Erst mit dem Arzt sprechen
Wichtig zu wissen: Rund um eine Operation ist für Patienten Sport fast immer tabu. Je nach Konstitution erhalten Betroffene heute aber oft schon im Krankenhaus Physiotherapie und können unter Anleitung erste Bewegungsübungen machen. Besprechen Sie unbedingt mit Ihrem Arzt, welche Art von Bewegung und wie viel körperliche Aktivität in Ihrem Fall möglich ist.
Wird beispielsweise eine Chemotherapie durchgeführt, sind oft Erholungszeiten vorgeschrieben. Auch sollten bestrahlte Patienten beachten, dass empfindliche Hautpartien möglichst nicht schwitzen dürfen und scheuernde Kleidung vermieden werden sollte.
Bedenken Sie: Sport verbraucht Kalorien! Die abgebauten Energiespeicher müssen über die Ernährung wieder aufgefüllt werden. Wenn das schwer fällt, ist auch in diesem Fall ärztlicher Rat einzuholen.
Ob Rheuma oder Arthrose, Bewegung ist das A und O in der Behandlung. Auch wenn es oft schmerzhaft ist und es regelrecht Überwindung kostet, die schmerzenden Gelenke zu bewegen. Aber: Übertreiben Sie nicht und legen Sie keinen falschen Ehrgeiz an den Tag. Übermäßige Beanspruchung tut dem Krankheitsverlauf nicht gut, ohnehin geschädigtes Gewebe darf nur vorsichtig und in einer Art „Schongang“ belastet werden. Ein Ausdauertraining kann bei der Rheumatoiden Arthritis sehr hilfreich sein. Radfahren, Wandern oder Schwimmen sorgen dafür, dass die Schmerzschwelle gesenkt wird und Wohlgefühl und Zufriedenheit wieder steigen.
Lassen Sie sich zeigen, welche Bewegungsabläufe besonders gut sind und welche Übungen für Ihre speziellen Belange besonders hilfreich sein könnten.
Oder: Sie schließen sich einer Sportgruppe Gleichgesinnter an. In Sportvereinen, Schwimmbädern und Fitnessclubs annoncieren Sportgruppen für Rheuma-Patienten oftmals ihre Kursstunden.
Geistig fit – dank körperlichem Training
Nicht ganz unwichtig: Wer sich körperlich fit hält, dem bleiben auch seine geistigen Fähigkeiten länger erhalten. So ergab eine Analyse von 22 Studien mit über 33.000 Teilnehmern, dass die Bewegungsfreudigen ein um bis zu 39 Prozent geringeres Risiko haben, kognitive Beeinträchtigungen zu entwickeln als körperlich Inaktive. Aber Sport wirkt nicht nur präventiv – also vorbeugend. Auch Menschen, die bereits an Demenz erkrankt sind, profitieren in jedem Fall von einem regelmäßigen Bewegungsprogramm.
Weitere Informationen unter
www.krebshilfe.de (Kampagne „Bewegung gegen Krebs“)
www.diabetes-ratgeber.net (Herzinfarkt vorbeugen)
Was bedeutet was:
Koronare Herzkrankheit: Führt zu Ablagerungen in den Herzkranz- gefäßen
Herzinfarkt: es verstopft eine Arterie und der zu versorgende Bereich des Herzmuskels droht wegen Sauerstoffmangels abzusterben
Kammerflimmern: das Herz schlägt mehr als 350 Mal pro Minute, aber pumpt kein Blut mehr
Sportliche Kettenreaktion
Was Bewegung im Körper und im Gehirn auslöst, ist eigentlich eine Kettenreaktion. Ein ganzes Feuerwerk an Reaktionen wird in Trab gesetzt: Es kommt zu einer erhöhten Hormonausschüttung. Es wird verstärkt Adrenalin und Noradrenalin gebildet. Zusätzlich wird das Herz-Kreislaufsystem angeregt und zu besonders intensiver Tätigkeit angespornt. Im Gehirn werden zudem größere Mengen Endorphine freigesetzt. Diese „Glückshormone“ machen sich auf die Reise quer durch das Nervensystem und sorgen für ein „rundum-glücklich-Gefühl“. Ein Erfolgserlebnis der besonderen Art, das Sportler nach vollbrachtem Training quasi für ihren Eifer belohnt. „Runners High“ wird diese positive Bestätigung bei Läufern genannt. Sportler können regelrecht süchtig danach werden, mit Endorphinen belohnt zu werden.
Ideen entwickeln – beim Sport
Sie haben die besten Einfälle, wenn Sie ins Fitnessstudio gehen oder im Schwimmbad ihre Bahnen kraulen? Das geht nicht nur Ihnen so: Bewegung bringt die Kreativität auf Touren. Weil vermehrt ACTH (Adreno-CorticoTropes Hormon) ausgeschüttet wird, und dieses die Weiterleitung und den Transport unserer Gedanken beschleunigt.
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