Informieren, vorbeugen, schulen, intervenieren, beraten: Dieser Fünfklang beschreibt, wie Unternehmen dem riskanten Konsum von Suchtstoffen und abhängigem Verhalten wirksam und verantwortungsvoll begegnen können. Auf diese Weise tätig zu werden und Hilfe zu bieten, ist Teil des präventiven Arbeitsschutzes.
Eine umfassende Suchtprävention setzt sich aus verschiedenen Maßnahmen zusammen. Am wichtigsten ist dabei, die Mitarbeiter regelmäßig zu informieren und sie umfassend über die verschiedenen Suchtformen und ihre Konsequenzen aufzuklären. Das kann durch Informations- und Aufklärungsveranstaltungen geschehen, über das Intranet, durch Flyer und Aushänge am Schwarzen Brett. Auf diese Weise wird ein Grundstock an Hintergrundwissen geschaffen, der Führungskräften und Mitarbeitern hilft, Auffälligkeiten einzuordnen und Betroffene so früh wie möglich anzusprechen. Zur Prävention gehören aber auch eine veränderte Konsumkultur im Betrieb (z.B. keine Suchtmittel zu verkaufen) sowie physische und psychische Belastungen am Arbeitsplatz abzubauen.
Kleinere Betriebe, die nicht ausreichend aus eigener Kraft für Suchtprävention sorgen können, erhalten Hilfestellung von öffentlichen Beratungsstellen wie zum Beispiel der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS). Eine andere Möglichkeit ist eine Kooperation mit anderen Betrieben.
Aktiv vorbeugen
Ein Suchtpräventionsprogramm wird idealerweise von einer eigenen Arbeitsgruppe entwickelt, durchgeführt und bewertet. Diese setzt sich aus Vertretern der Unternehmensleitung, der Mitarbeiter und Schwerbehindertenvertretung und – sofern vorhanden – der Ansprechperson für Suchtfragen zusammen. Bei Bedarf können weitere interne oder externe Fachkräfte, wie z.B. der Betriebsarzt oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit, hinzugezogen werden.
Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, Ziele und Maßnahmen der Suchtvorbeugung zu erarbeiten und sich über Angebote zur Prävention und Hilfeleistung zu verständigen.
Sie klärt, ob und wie eine interne Einrichtung für Suchtfragen geschaffen werden kann und welche fachliche Unterstützung alternativ zur Verfügung steht. Außerdem organisiert sie Informations- und Schulungsveranstaltungen, erörtert arbeitsplatzbedingte Risiken für den problematischen Umgang mit Suchtmitteln und überlegt, wie diese minimiert werden können. Die beschlossenen Maßnahmen und Regelungen stimmt sie mit der Unternehmensleitung, der Mitarbeitervertretung und den einschlägigen Fachdiensten ab.
Gezielt schulen
Führungskräfte sind beim Thema Suchtprävention besonders gefordert. Als Vorgesetzte tragen sie nicht nur Verantwortung für ihre Mitarbeiter, sondern müssen auch in Problemsituationen reagieren und intervenieren können. Dazu fehlt aber oftmals das nötige Know-how. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, dass speziell für Führungskräfte Fortbildungen zur Prävention und Erkennung von Suchterkrankungen angeboten werden. Dort lernen sie, Auffälligkeiten am Arbeitsplatz sowie riskanten Suchtmittelkonsum oder suchtbedingtes Verhalten zu erkennen und Gespräche mit den Betroffenen zu führen. Eine Teilnahme an derartigen Fortbildungen sollte auch anderen Arbeitnehmern offen stehen. Die jeweiligen Landesstellen für Suchtfragen geben Auskunft über mögliche Anbieter.
Konsequent intervenieren
Wenn Beschäftigte wiederholt im Arbeitsalltag auffallen und vermuten lassen, dass ein riskanter Suchtmittelkonsum die Ursache ist, muss frühzeitig interveniert werden. Das ist Aufgabe des unmittelbaren Vorgesetzten. Er muss den betroffenen Arbeitnehmer direkt ansprechen. Zeigt die direkte Ansprache keine Wirkung, muss der Vorgesetzte weitere Schritte einleiten. Dabei helfen ihm Instrumente wie Interventionsketten und Stufenpläne für Gespräche, die von verschiedenen Suchtberatungen wie zum Beispiel der DHS oder der Universität Freiburg (www.zuv.uni-freiburg.de/formulare/sucht-interventionsleitfaden-schema.pdf) übernommen oder als Vorlage genutzt werden können.
Diese Handlungsleitfäden geben vor, wie bei Auffälligkeiten im Arbeits- und Leistungsverhalten verfahren werden sollte.
Im Verlauf einer derartigen Interventionskette kann der Vorgesetzte den betroffenen Arbeitnehmer auch dazu auffordern, innerhalb einer festgelegten Frist Kontakt mit einem betrieblichen Suchtberater aufzunehmen. Führt auch diese Stufe der Interventionskette nicht zur Besserung, muss eine externe Beratung in Anspruch
genommen werden.
Intern beraten
In größeren Betrieben kann die Suchtprävention von der internen Sozialberatung organisiert und umgesetzt werden. In kleineren Betrieben kann diese Aufgabe ein Mitarbeiter übernehmen, der als betrieblicher Suchtberater ausgebildet ist.
Fortbildungen zum Suchtberater gibt es bei verschiedenen gemeinnützigen Organisationen wie der Diakonie, der Caritas oder den Paracelsus-Schulen, die Kosten übernehmen teilweise die Bundesländer. Auch Weiterbildungseinrichtungen und Hochschulen sind Anlaufstellen. So bietet die Universität Hannover das Weiterbildungsstudium Arbeitswissenschaften an und ermöglicht damit betrieblichen Fachkräften, sich in der Suchtprävention und Gesundheitsförderung fortzubilden.
Wenn es innerbetrieblich keine qualifizierte Beratung und Unterstützung für Vorgesetzte gibt, haben Personalverantwortliche die Möglichkeit, externe Hilfen in Anspruch zu nehmen. Ein Beispiel für eine externe Mitarbeiterberatung ist die AHGAssist.
In Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (TK) hat sie das Beratungs- und Unterstützungsinstrument „Job&Leben“ entwickelt, um die körperliche und psychische Gesundheit von Arbeitnehmern durch psychologische Betreuung, soziales Management und medizinische Beratung langfristig zu sichern.
Der betriebliche Suchtberater versucht in Gesprächen festzustellen, ob der Arbeitnehmer suchtgefährdet ist. Bestätigt sich der Verdacht, erörtert er mit dem Betroffenen konkrete Maßnahmen (z.B. Entgiftung, Therapie, Aufsuchen einer Selbsthilfegruppe etc.), vereinbart Ziele und vermittelt an passende externe Beratungsstellen. Die Gespräche mit dem betroffenen Arbeitnehmer sind stets streng vertraulich, denn betriebliche Suchtberater sind weisungsgebunden und haben eine Vertrauensrolle inne. Aus diesem Grund erhält der Vorgesetzte lediglich Informationen darüber, ob ein Gespräch stattgefunden hat und auf welcher Stufe des Prozesses sich der Betroffene befindet.
Unternehmen in der Verantwortung
Unternehmen stehen in der Verantwortung, vorbeugend gegen Sucht am Arbeitsplatz vorzugehen. Ein Suchtpräventionsprogramm bietet dazu die optimale Möglichkeit.
Es schafft zum einen den organisatorischen Rahmen, um Maßnahmen der Suchthilfe und der Suchtprävention in ein betriebliches Gesundheitsmanagement einzubetten. Zum anderen werden diese Maßnahmen mit dem Arbeitsschutz und der Gesundheitsförderung verknüpft. So wird zugleich eine Schnittstelle zur Personal- und Organisationsentwicklung geschaffen.
Neue Broschüre
„Alkohol in der Arbeitswelt – rechtssicher handeln im Akutfall“ heißt eine neue Broschüre der Unfallkasse Hessen.
Ein Mitarbeiter ist ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage weiterzuarbeiten, ohne sich selbst oder andere zu gefährden. Hat er zu tief ins Glas geschaut, irgendwelche Drogen genommen oder sind gar Medikamente schuld? Wie auch immer, die Führungskraft muss aktiv werden – und zwar sofort. Da es kein Patentrezept gibt, hängt ihr Handeln immer vom Einzelfall ab. Die Broschüre informiert, wie Vorgesetzte im Akutfall rechtssicher handeln, um ihrer Führungsverantwortung und Fürsorgepflicht gerecht zu werden. Zusammengestellt sind in der Broschüre die häufigsten Fragen und Antworten.
Checkliste: Suchtgefährdungen früh erkennen
Nutzt das Unternehmen alle Möglichkeiten, um eine Suchtgefährdung oder ‑entwicklung der Beschäftigten frühzeitig zu erkennen und ihr vorzubeugen? Prüfen Sie das anhand dieser Checkliste der Techniker Krankenkasse (TK)
Finden im Unternehmen regelmäßig Informations- und Aufklärungsveranstaltungen oder Schulungsmaßnahmen statt, in denen sich die Mitarbeiter über die Risiken von Suchtmitteln informieren können?
Tragen die Führungskräfte durch vorbildliches Handeln zum verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln bei?
Bietet das Unternehmen suchtgefährdeten Mitarbeitern frühzeitig Hilfe an?
Sind die Führungskräfte im Betrieb befähigt, bei Auffälligkeiten von Mitarbeitern am Arbeitsplatz sachgerecht zu reagieren?
Zeigen sich Vorgesetzte gegenüber den Mitarbeitern ihrer Abteilung auch bei Suchtgefährdung gesprächsbereit?
Erhalten alle Führungskräfte und die in der internen Suchtberatung tätigen Personen spezielle Qualifizierungen?
Gibt es Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die den Zusammenhang von Suchtmitteln und Arbeitssicherheitsgefährdung erklären können?
Gibt es im Unternehmen eine Beratungsstelle, an die sich suchtgefährdete oder suchtkranke Mitarbeiter vertrauensvoll wenden können?
Gibt es im Betrieb Vereinbarungen zu Gesundheit und Suchtprävention, die Programme und Regelungen zum Umgang mit Sucht enthalten?
Gibt es im Unternehmen einen Arbeitskreis Gesundheit, der unternehmensinterne Ursachen für eine erhöhte Suchtgefährdung überprüft und Maßnahmen zu deren Beseitigung ergreift?
Führen Vorgesetzte Fürsorgegespräche bei Auffälligkeiten im Arbeits- und Leistungsverhalten von Mitarbeitern, die in Verbindung mit gesundheitlichen und sozialen Problemen dieser Person gesehen werden?
Führen Vorgesetzte Klärungsgespräche, wenn es wiederholt zur Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten kommt?
Gibt es im Betrieb eine Suchthilfe, entweder durch interne Ansprechpartner oder durch Vernetzung mit externen professionellen Beratern und Behandlungseinrichtungen?
Unsere Webinar-Empfehlung
22.02.24 | 10:00 Uhr | Das Bewusstsein für die Risiken von Suchtmitteln am Arbeitsplatz wird geschärft, der Umgang mit Suchtmitteln im Betrieb wird reflektiert, sodass eine informierte Entscheidung über Maßnahmen zur Prävention von und Intervention bei Suchtmittelkonsum am Arbeitsplatz…
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