Treppen sind überall frei zugänglich. Hinweisschilder, die auf eine mögliche Sturzgefahr hinweisen, sucht man vergebens. Sind Treppen also überhaupt gefährlich?
Grundsätzlich sind bei der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung folgende Unfallrisiken zu berücksichtigen:
- stürzen und abstürzen
- stolpern und umknicken
- ab- und ausrutschen
- schwere körperliche Anstrengung (zum Beispiel beim Aufstieg über mehrere Geschosse)
Dass Treppen keineswegs ungefährlich sind, zeigen Unfallzahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) aus Berlin. Im Jahr 2021 ereigneten sich in Deutschland etwa 44.000 Treppenunfälle, die meisten davon in
- industriellen, gewerblichen Bereichen (25,7 Prozent) – gefolgt von
- Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen (15,6 Prozent),
- Verwaltungsgebäuden (12,6 Prozent) und auf
- Baustellen (10,2).
Im Berichtsjahr wurden zudem zwei tödliche Treppenunfälle registriert, beide ereigneten sich in Büroräumen. Dadurch wird deutlich, dass sich Treppenstürze nicht nur in Gewerbebetrieben und auf Baustellen, sondern auch in Verwaltungen ereignen.
Den Unfallursachen auf der Spur
Unfalluntersuchungen ergaben, dass in der Vergangenheit technische, organisatorische und / oder persönliche Ursachen zu Treppenstürzen führten. Zu den technischen Unfallursachen zählen bauliche Mängel wie beispielsweise
- zu geringe Auftrittsflächen,
- unzureichende Rutschhemmung der Trittflächen,
- schlechte Beleuchtungen oder
- schwer erreichbare Lichtschalter.
Sicherheitsbeauftragte haben darauf keinen Einfluss, meistens handelt es sich um bestehende bauliche Gegebenheiten. Durch regelmäßige Betriebsrundgänge können sie aber Defizite schnell erfassen und den zuständigen Vorgesetzten informieren. In einigen Betrieben gibt es spezielle Meldesysteme, die übrigens allen Beschäftigten zur Verfügung stehen.
Sind Treppen durch Kisten, Kartons oder anderes zugestellt oder werden sie nicht fachkundig gereinigt, zeigen sich organisatorische Defizite. Sie können durch optimierte Reinigungspläne und die Bereitstellung weiterer Lagerflächen behoben werden. Zu den persönlichen Unfallursachen gehören Eile, Unkonzentriertheit und ungeeignetes Schuhwerk. Nach Aussage der DGUV-Experten hätten außerdem viele Verletzungen vermieden werden können, wenn die Verunfallten zum Unfallzeitpunkt den Handlauf umfasst hätten.
Bauliche Anforderungen an Treppen
Treppen sind bauliche Einrichtungen und unterliegen deswegen dem Bauordnungsrecht der Bundesländer. Zusätzlich enthalten die Arbeitsstättenrichtlinien besondere Anforderungen an Treppen, insbesondere
- die ASR 17/1,2 „Verkehrswege“ und
- die ASR 12/1–3 „Schutz gegen Absturz und herabfallende Gegenstände“.
Weitere Bauanforderungen gelten für spezielle Bauten wie Versammlungsstätten sowie Geschäfts- und Warenhäuser, die hier nicht näher betrachtet werden.
Natürlicher Bewegungsablauf
Um Treppen sicher begehen zu können, müssen sie ausreichend große, ebene und tragfähige Trittstufen besitzen. Die Abmessungen der Treppe sollten dem natürlichen Schrittmaß des Menschen nachempfunden sein. Für Treppen gilt als Beziehung zwischen Schrittlänge, Auftritt und Steigung (siehe Grafik) die sogenannte Schrittmaßformel: Auftritt + 2 x Steigung = 62 Zentimeter ±3 Zentimeter.
Besonders sicher sind Treppen, deren Stufen einen Auftritt von 29 Zentimetern und eine Steigung von 17 Zentimetern besitzen. Außerdem werden Neigungswinkel zwischen 28 und 30 Grad als angenehm empfunden. Der natürliche Bewegungsablauf des Menschen sollte nicht unnötig unterbrochen werden, auch nicht durch die Anwendung von Podesten. Im Verlauf von Treppen sind Zwischenpodeste dann sinnvoll, wenn mehr als 18 Stufen überwunden werden müssen.
Rutschhemmende Oberflächen
Die Oberflächen der Trittstufen müssen rutschhemmend ausgeführt sein. Innerhalb von Gebäuden ist eine Rutschhemmung der Bewertungsgruppe R 9 ausreichend. In Bereichen, in denen mit Ölen, Fetten, Staub oder Abfällen zu rechnen ist, werden höhere Bewertungsgruppen (R 10 bis R 13) gefordert. Bei außenliegenden Treppen muss Regenwasser abfließen können, um Eisglätte im Winter zu vermeiden. Zusätzlich kann die Sicherheit von Außentreppen durch Überdachungen oder Abschirmungen verbessert werden.
Geländer
Die freien Seiten von Treppen, Treppenabsätze und Treppenöffnungen müssen gegen Absturz von Personen durch Geländer gesichert sein. Die Geländerhöhe muss durchgängig mindestens 1,00 Meter betragen, bei Absturzhöhen von mehr als zwölf Metern beträgt die geforderte Geländerhöhe 1,10 Meter. Füllstabgeländer mit senkrechten Stäben sind Knieleistengeländern und vergleichbaren Ausführungen vorzuziehen.
Die Öffnungen der Füllstabgeländer sollten höchstens 18 Zentimeter betragen, bei Anwesenheit von Kindern maximal 12 Zentimeter. In Schulen und Kindertageseinrichtungen sind Knieleistengeländer verboten, denn sie können leicht zum Aufsteigen, Klettern oder Übersteigen missbraucht werden.
Handläufe
Handläufe bieten dem Treppenbenutzenden einen sicheren Halt. Deshalb wird für Treppen mindestens ein Handlauf gefordert, möglichst in Abwärtsrichtung auf der rechte Treppenseite. Beträgt die Stufenbreite mehr als 1,50 Meter, sind beidseitig Handläufe vorzusehen. Treppen mit einer Stufenbreite von mehr als 4,0 Metern benötigen zusätzlich einen in der Mitte angebrachten Zwischenhandlauf.
Handläufe sollten 30 Zentimeter vor der ersten Stufe beginnen und in gleicher Weise über die letzte Stufe hinausgeführt werden. Um den Handlauf sicher umgreifen zu können, sind runde oder elliptische Profilformen anderen Ausführungen wie etwa kantigen Flachmaterialien vorzuziehen. Sicheres Umgreifen des Handlaufes ist möglich, wenn etwa drei Viertel des Handlaufs von Daumen und Zeigefinger einer Hand umschlossen werden kann.
Gute Erkennbarkeit
Um Treppen sicher benutzen zu können, müssen die Stufen und insbesondere die Stufenkanten gut erkennbar sein. Wie bei allen Verkehrswegen ist auch bei Treppen eine ausreichende Beleuchtung erforderlich. Für
- Verkehrsflächen / Flure mit Stufen und Absätzen sowie
- Treppen
sollte die Beleuchtungsstärke innerhalb von Gebäuden mindestens 100 Lux (lx) betragen. Für Verkehrswege auf Baustellen beträgt der Mindestwert 20 lx. Aufgrund der Gefährdungsbeurteilung können sich besonders für Verkehrswege mit Treppen im Freien größere Werte ergeben.
Aus dem Tritt
Aus Untersuchungen ist bekannt, dass sich die meisten Unfälle am Treppenende, das heißt beim Absteigen auf der letzten Stufe (etwa 55 Prozent) ereignen. An zweiter Stelle liegen Stürze am Treppenanfang (etwa 33 Prozent). Die meisten Stürze ereignen sich also dort, wo der natürliche Bewegungsrhythmus des Menschen gestört wird, der Treppenbenutzende also „aus dem Tritt“ kommt. Die optische Wahrnehmung der Stufenkanten ist deshalb wichtig, sie kann durch folgende Maßnahmen verbessert werden:
- farblich unterschiedliche Gestaltung von Tritt- und Setzstufe
- kontrastreiche Stufenkanten, die sich vom übrigen Stufenbelag deutlich absetzen
- grober Oberflächenschliff der Stufenkante bei Beton- und Natursteinstufen
- profilierte Formfliesen als Kante bei Fliesenbelägen
- farblich abgesetzte Kantenprofile bei elastischen Bodenbelägen
Neue Gestaltungsformen erlauben zudem eine Hintergrundbeleuchtung der Setzstufen und verbessern dadurch die visuelle Wahrnehmung der Stufenkanten. Lichtschalter im Bereich von Fluren und Treppen sollten gut sichtbar und leicht erreichbar sein. Beleuchtungskörper, die mithilfe von Bewegungsmeldern gesteuert werden, sind eine gute Alternative zu Schaltersystemen, weil sie willensunabhängig funktionieren. Zur Treppensicherheit gehört außerdem, defekte Leuchtmittel rechtzeitig durch unterwiesenes Personal austauschen zu lassen.
Verhaltensprävention
Unter Verhaltensprävention versteht man vorbeugende Maßnahmen, um sicheres und gesundheitsgerechtes Verhalten der Beschäftigten zu erreichen. Durch Information, Beratung und Motivation können Treppenunfälle vermieden werden. Zur Erinnerung: Die häufigsten verhaltensbedingten Unfallursachen sind
- ungeeignetes Schuhwerk
- nicht beseitigte Verschmutzungen der Treppen, beispielsweise durch Öle oder Flüssigkeiten
- Ausrutschgefahr durch falsche Reinigung und Pflege
- Hindernisse durch abgestellte Waren, Kartons und dergleichen
- Unachtsamkeit, Eile und Hast
- Ablenkungen während des Gehens, zum Beispiel durch den Gebrauch von Mobiltelefonen
- Sichtbehinderung durch das Tragen von Gegenständen
Mit gutem Beispiel voran
Durch betriebliche Unterweisungen besteht die Möglichkeit, sicherheitsgerechtes Verhalten zu erlernen und dauerhaft beizubehalten. Besonders bei Neulingen im Betrieb ist die Information über mögliche Sturzgefahren unverzichtbar. Die sogenannten „alten Hasen“ sollten stets mit gutem Beispiel vorangehen. Vorgesetzte sollten sich nicht scheuen, persönliches Fehlverhalten der Beschäftigten direkt anzusprechen. Schließlich führt wiederholt sicherheitswidriges Verhalten nach einer gewissen Zeit zu unsicheren Gewohnheiten, die schwer zu korrigieren sind.
Ansatz für Sicherheitsbeauftragte
Bei der Verhaltensprävention wird Sicherheitsbeauftragten übrigens eine besondere Rolle zuteil. Zum einen sind sie ständig vor Ort und können mögliches Fehlverhalten der Kolleginnen und Kollegen leicht erkennen. Andererseits verfügen sie über die notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen, um positive Verhaltensweisen bei der Arbeit zu fördern beziehungsweise zu unterstützen.
Auf den Punkt gebracht
- In Deutschland ereignen sich mehr Treppenunfälle in Verwaltungen als auf Baustellen, obwohl die Umgebungsbedingungen dort beispielsweise durch Witterungseinflüsse oder Schmutz oft deutlich schlechter sind.
- Zwischenpodeste bei Treppen mit weniger als 18 Stufen sind nicht empfehlenswert, weil unbewusste Gangumstellungen beim Betreten des Podests zum Stolpern oder Stürzen führt.