Die Ergebnisse einer Trendanalyse zeigen, dass Unternehmen ihre Büros immer häufiger als Open Space [1] gestalten (Kratzer & Lütke Lanfer, 2017). Dabei wird die zur Verfügung stehende offene Bürofläche in verschiedene Zonen aufgeteilt, beispielsweise in offene Bereiche mit mehreren Arbeitsplätzen, Besprechungszellen, Think Tanks sowie in Kommunikations- und Pausenbereiche. Es wird weniger in Arbeitsplätzen als vielmehr in Arbeitswelten gedacht. Damit einher geht auch die Idee der Non-Territorialität: „An [die] Stelle fester, persönlich zugeordneter Arbeitsplätze tritt in Open Space-Büros eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsszenarien, die entsprechend den jeweiligen Arbeitsaktivitäten von den Mitarbeitern ausgewählt werden können“ (Kohlert, 2016, S. 128).
Warum Open Space?
Die Ziele bei der Einführung von Open Space-Strukturen sind vielfältig. Unternehmen wollen mit Hilfe von „Desk Sharing“ – mit einem Verhältnis von 0,7 Arbeitsplätzen je Beschäftigten – ihre Flächen- und Kosteneffizienz steigern. Daneben wollen Unternehmen mit neuen Bürokonzepten aber vor allem auch Kommunikations- und Kooperationsprozesse verbessern, den Informationsfluss beschleunigen, Entscheidungswege verkürzen und Wissen besser verteilen. Sie wollen ihre Arbeitgeberattraktivität erhöhen, indem sie eine moderne, offene und dynamische Arbeitsumgebung bieten. Kratzer und Lütke Lanfer (2017) beobachten ergänzend eine höhere Flexibilität bei Restrukturierungen. Neue Abteilungen und Projektteams können schneller und effizienter zusammengestellt werden, inklusive der Arbeitsflächen und ‑räume, die sie für ihre aktuelle Tätigkeit benötigen. Bezogen auf die Kultur verfolgen die Unternehmen mit der Einführung offener Bürokonzepte das Ziel stärkerer Demokratisierung und Transparenz. Denn mit dem Bürokonzept verändern sich Arbeitsabläufe, Tätigkeiten und soziale Beziehungen, welche die Unternehmenskultur maßgeblich prägen. Aufgrund dieser vielfältigen Auswirkungen sollte die Arbeitsumgebung primär als Investitionsfeld verstanden werden, um Gesundheit und Leistung von Beschäftigten bestmöglich zu unterstützen und die strategischen Ziele des Unternehmens zu erreichen (Windlinger et al. 2016).
Büroräume haben einen entscheidenden Einfluss sowohl auf das psychische Wohlbefinden als auch auf das Arbeitsengagement der Beschäftigten (Schanné, et al., 2018). Allerdings gibt es bisher wenige wissenschaftliche Befunde, die einen Schluss zulassen würden, wie sich Open Space-Bürokonzepte insgesamt auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken (Lütke Lanfer & Pauls, 2017). Obwohl die neue Arbeitsumgebung im Sinne von Ausstattung (Mobiliar, Technik, etc.) an sich positiv bewertet wird, kommt es im Wesentlichen auf Faktoren wie die Funktionalität der physischen Arbeitsumgebung, die Erfüllung sozio-räumlicher Bedürfnisse (Privatheit, Rückzugsmöglichkeit) durch die Arbeitsumgebung und die vorhandene Umweltkontrolle (Einfluss auf Umgebungsfaktoren) an (Windlinger et al., 2016). Entsprechend werden unzureichende Ausprägungen dieser Faktoren (zum Beispiel mangelnde Privatheit, geringe Rückzugsmöglichkeiten, geringe Kontrolle über Beleuchtung und Klima, etc.) häufig als psychische Belastung in Open Space Büros genannt. Hinzu kommen vermehrte Störungen und Unterbrechungen, ein erhöhter Geräuschpegel beziehungsweise hohe Sprachverständlichkeit und erhöhte Selbstkontrollanforderungen (zum Beispiel Ablenkungen zu widerstehen).
Beschäftigte sehen aber auch die Vorteile von Open Space-Bürokonzepten. Dazu gehören gesteigerte Kommunikationsmöglichkeiten, erhöhter Handlungsspielraum und Flexibilität, wann und wo gearbeitet wird, das heißt sich je nach Tätigkeit und individuellen Bedürfnissen den passenden Arbeitsplatz zu wählen (Engelen et al., 2018). In Mitarbeiterbefragungen schneiden Open Space-Büros, im Vergleich zu klassischen Großraumbüros, zwar häufig etwas besser ab, aber trotzdem schlechter als kleine Büroeinheiten für jeweils ein bis drei Personen. Um Privatheit und Konzentration in Open Space-Büros zu ermöglichen ist es daher wichtig, ausreichend Angebote und Rückzugsmöglichkeiten für vertrauliche Gespräche sowie konzentriertes Arbeiten zu schaffen.
Gesunde Büros – was ist wichtig?
Für die Gestaltung gesundheitsförderlicher Büroräume sind folgende Aspekte zu beachten:
- durchdachte Räumlichkeiten
- ein partizipativer Veränderungsprozess und
- die passende Kompetenzentwicklung der Beschäftigten sowie der Führungskräfte.
Zu 1) Wesentlich ist, dass es kein Standardrezept für die Gestaltung eines Open Space gibt. Es gibt verschiedene Konzepte zur Gestaltung, die passend zum Unternehmen, dessen Kultur und vor allem der Tätigkeit der Beschäftigten gewählt beziehungsweise individuell entwickelt werden müssen. Um eine optimale Passung zu erzielen, ist eine strukturierte Bedarfsanalyse unerlässlich. Ziel ist es, das „Angebot“ auf Seiten der Immobilie und die „Nachfrage“ auf Seiten der Nutzenden in Einklang zu bringen. Dafür müssen vor allem die Bedarfe auf der Nachfrageseite verstanden werden. Nur so können für Unternehmen, Abteilungen und Tätigkeiten die richtigen Angebote in der benötigten Qualität und Quantität geschaffen werden. Dazu sollten Unternehmen bereit sein, auf Basis regelmäßiger Evaluationen, im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, Räumlichkeiten an sich verändernde Tätigkeiten und Bedürfnisse anzupassen (Steffen & Schulze, 2017).
Zu 2) Bei der Einführung neuer Bürostrukturen entstehen Erwartungen, aber auch Sorgen und Ängste bei den Beschäftigten. Dabei ist der Ansatz, mit dem offenen Büro auch den eigenen Schreibtisch aufzugeben (Desk Sharing), bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen am umstrittensten. Beschäftigte sollten frühzeitig die Möglichkeit erhalten, sich mit den Veränderungen auseinanderzusetzen. Dafür sind eine frühzeitige und regelmäßige Kommunikation, Möglichkeiten der Beteiligung an der Gestaltung der neuen Bürowelt und eine Pilotierung der neuen Umgebung unerlässlich. Grundsätzlich sollte bei der Einführung von Open Space der Veränderungsprozess partizipativ und systematisch gestaltet werden (Konkol et al., 2017). Hierfür sind ausreichend Zeit und Ressourcen einzuplanen. Eine Bedarfsanalyse bindet Beschäftigte ein und vermittelt ihnen Wertschätzung, was sich positiv auf die Akzeptanz und Offenheit gegenüber den Veränderungen auswirkt. Die Planung beginnt idealerweise auf der obersten Führungsebene – Interviews und Workshops sensibilisieren für die strategische Bedeutung des Büroraums und unterstützen die Verständigung auf langfristige strategische Ziele, die mit dem Büroraum erreicht werden sollen. So können Zielkonflikte vermieden und das Konzept auf die langfristige Unternehmensstrategie ausgerichtet werden (Windlinger et al., 2016).
Zu 3) Die wohl durchdachten Räumlichkeiten und der partizipative Veränderungsprozess sollten durch eine passende Kompetenzentwicklung begleitet und unterstützt werden. Dies zielt auf drei Ebenen ab:
- Büro-Kompetenzen der Beschäftigten (mit dem Ziel der richtigen Nutzung der Büroräume), zum Beispiel:
- Beschäftigte dahingehend qualifizieren, dass sie entscheiden zu können, welcher Ort sich für welche Tätigkeit am besten eignet (Schanné, et al., 2018).
- Einführung eines Verhaltenskodexes, wie ein „Open-Space-Knigge“, und Einführung in die Nutzung der Räumlichkeiten.
- Büro-Kompetenzen der Führungskräfte, zum Beispiel:
- Regeln zur Nutzung des neuen Büroraums gemeinsam mit den Mitarbeitern erarbeiten, deren Einhaltung sicherstellen und diese bei Bedarf anpassen.
- Führungskräften neue Strategien vermitteln, um den Kontakt mit den Beschäftigten herzustellen und eigene Rückzugsmöglichkeiten zu nutzen.
- Change-Kompetenzen der Führungskräfte, zum Beispiel:
- Zwei-Wege-Kommunikation betreiben, Vorbild sein während der Veränderung.
- Struktur der Zusammenarbeit und Führungsstil reflektieren und anpassen.
Dr. Nick Kratzer vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München beschreibt die wesentlichen Anforderungen in einem Open Space-Büro anhand von drei Spannungsfeldern, die sich nicht vollständig auflösen lassen – weshalb die Bedürfnisse der Beschäftigten in diesen Feldern genau ausgelotet werden sollten:
- Konzentration – Kommunikation
- Privatheit – Sichtbarkeit
- Individualisierung – Standardisierung
Jeder Pol hat seine Vorzüge, aber je stärker dieser Pol bedient wird, desto mehr Abstriche müssen bei dem Gegenpol des Spannungsfelds gemacht werden.
Es wird deutlich, dass sich die Belastungsfaktoren in einer Open Space-Büroarbeitswelt, im Vergleich zu anderen Büroformen, nicht unbedingt verringern oder verstärken, sondern verschieben.
Literatur
- Engelen, L., Chau, J., Young, S., Mackey, M., Jeyapalan, D. & Bauman, A. (2019) Is activity-based working impacting health, work performance and perceptions? A systematic –review, Building Research & Information, 47:4, 468–479, DOI: 10.1080/09613218.2018.1440958
- Kohlert, C. (2016). Büro-Flächen-Gestaltung – Trends und Ansätze. In: Klaffke, M. (Hg.), 2016. Arbeitsplatz der Zukunft. Wiesbaden: Springer, S. 119–139.
- Konkol, J., Schanné, F., Lange, S., Weichbrodt, J., Degenhardt, B., Schulze, H., Kleibrink, M., Coradi, A., Schweingruber, D., Metzger-Pegau, L., Neck, R., Gisin, L., Wieser, A., Windlinger, L. (2017). Gesundheitsförderliche Büroräume und Workplace Change Management – ein Leitfaden. Handlungsempfehlungen für Unternehmen in der Schweiz, um bei der Planung, Implementierung und Bewirtschaftung von Büroräumen die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern. Gesundheitsförderung Schweiz, Bern und Lausanne.
- Kratzer, N. & Lütke Lanfer, S. (2017). Open-Space-Büros und psychische Gesundheit – Eine Trendanalyse. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 71.
- Lütke Lanfer, S. & Pauls, N. (2017). Eine systematische Literaturrecherche zu modernen Bürostrukturen und deren Auswirkung auf psychisches Befinden. Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V., Dortmund (Hrsg.), Frühjahrskongress 2017 in Brugg: Soziotechnische Gestaltung des digitalen Wandels – kreativ, innovativ, sinnhaft – Beitrag C.4.2
- Schanné, F., Windlinger, L., Konkol, J., Weichbrodt, J., Schläppi, M., Gisin, L., Meier, G. & Degenhardt, B. (2018). Einfluss des Büroraums und des begleitenden Veränderungsprozesses auf die psychische Gesundheit. Gesundheitsförderung Schweiz, Faktenblatt 31.
- Steffen, M. & Schulze, H. (2017). Multispace funktioniert nur, wenn es ständig optimiert wird. fmpro service. 20–22.
- Windlinger, L., Konkol, J., Janser, M., Schanné, F., Lange, S. & Cui, Y. (2016). Die 20 hartnäckigsten Missverständnisse und Irrtümer zu Büroarbeitswelten.
[1] In diesem Artikel wird der Begriff Open Space verwendet. Es gibt viele weitere Begriffe, die ähnliche Arten von Büroarbeitsplatzkonzepten beschreiben, zum Beispiel Activity Based Working, New/Future Way of Working, Flexible Office, Multi Space usw.
Dr. Nicolas Feuerhahn
VBG, Bezirksverwaltung München,
Abteilung Prävention,
nicolas.feuerhahn@vbg.de
Open Space – das Wichtigste auf einen Blick
- Open Space verändert das Arbeiten – der Büroraum hat Einfluss auf Tätigkeitsabläufe, Führungsverhalten und letztlich die Organisationskultur
- Die Passung muss stimmen – Büroraumangebote müssen die Anforderungen aus der Tätigkeit bedienen
- Es gibt keine Musterlösung – jedes Unternehmen muss für sich, basierend auf einer strukturierten Analyse, ein individuelles Konzept erarbeiten
- Das Bürokonzept sollte adaptiv sein – Büroräume sollten zu einem gewissen Grad immer wieder angepasst werden können um Veränderungen in der Arbeit und der Organisation optimal zu unterstützen
- Gute Bedingungen sind nicht ausreichend – selbst das beste Bürokonzept braucht eine gute Begleitung im Veränderungsprozess und die Beschäftigten und Führungskräfte die entsprechenden Kompetenzen
- Subjektive Bewertungen ernst nehmen – die objektive Bewertung von Büroflächen alleine eignet sich nicht, um daraus auf Wohlbefinden, Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten zu schließen
- Belastungsfaktoren verschieben sich – es wird weder alles schlechter noch alles besser, man muss das veränderte Belastungsspektrum im Blick behalten und Verhältnis- und Verhaltensprävention betreiben
- Weitere Forschung erforderlich – Open Space-Büroräume und ihre Folgen für das Wohlbefinden und die Gesundheit sind noch nicht ausreichend untersucht, um abschließende Aussagen zu treffen