Der Gesetzgeber verpflichtet die Unternehmer dazu, aus dem Kreis der Beschäftigten geeignete Personen zu finden und sie als Sicherheitsbeauftragte zu benennen. Die gesetzlich festgelegten Aufgaben der Sicherheitsbeauftragten sind zunächst einmal ganz grundlegender Natur: Sie sollen als Kolleginnen und Kollegen sozusagen von gleich zu gleich zu sicherem und gesundem Verhalten bei der Arbeit beraten und motivieren sowie sich vom Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung von Schutzeinrichtungen überzeugen.
Die Sicherheitsbeauftragten machen diesen Job freiwillig und aus innerem Antrieb – auch das ist voll im Sinne des Gesetzgebers im Sozialgesetzbuch VII. Der Unternehmer darf daher nicht einfach Beschäftigte zu Sicherheitsbeauftragten ernennen, sondern muss Beschäftigte finden, die diese Rolle aus eigenen Stücken übernehmen wollen. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung unterstützen hier, indem sie zum Beispiel die Ausbildung der Sicherheitsbeauftragten übernehmen. Ihre Arbeit als Sicherheitsbeauftragte erledigen die Beschäftigten dann zusätzlich zu ihren eigentlichen arbeitsvertraglichen Aufgaben, ohne dafür zusätzliches Entgelt oder eine Aufwandsentschädigung zu erhalten. Die Funktion der Sicherheitsbeauftragten ist somit ein wichtiges Ehrenamt und trägt in hohem Maße auch zu sozialem Frieden im Betrieb bei.
Keine formale Verantwortung
Der Gesetzgeber hat diese Funktion ganz bewusst nicht mit einer formalen Verantwortung für die Umsetzung von Maßnahmen versehen, damit Sicherheitsbeauftragte ihre wichtige Aufgabe frei und außerhalb von betrieblichen Zwängen ausführen können. Dem Unternehmer stehen damit engagierte und qualifizierte Beschäftigte zur Seite, die den betrieblichen Arbeitsschutz nicht nur als gesetzliche Pflichtveranstaltung oder als Maßnahme zur Arbeitsverhinderung betrachten, sondern denen die Sicherheit und Gesundheit ihrer Kolleginnen und Kollegen ein echtes Anliegen ist.
Durch ihre Einbindung in alltägliche Arbeitsabläufe leisten die Sicherheitsbeauftragten als Bindeglied zwischen Belegschaft und Führungsverantwortlichen einen wichtigen Beitrag zum sogenannten Arbeitsschutztransfer. Neben dieser Bindegliedfunktion spielen sie bei wichtigen Kernprozessen des betrieblichen Arbeitsschutzes eine zentrale Rolle: So können sie zum Beispiel in allen Phasen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen wichtige Aspekte aus der direkten Sicht der Betroffenen und vor allem als Experten für die jeweils betreffenden Arbeitsplätze beitragen.
Gefährdungsbeurteilung aus 1. Hand
Das gilt auch für eine wirksame und nachhaltige Unterweisung der Beschäftigten. Sicherheitsbeauftragte verfügen durch ihre Ausbildung über die erforderlichen Qualifikationen und Kenntnisse für eine darüber hinaus gehende aktive Mitarbeit an der nach dem Arbeitsschutzgesetz erforderlichen Beurteilung der Arbeitsbedingungen, besser bekannt als „Gefährdungsbeurteilung“. Zudem können Sicherheitsbeauftragte eventuell vorhandene Qualifizierungsbedarfe ihrer Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen und weitergeben. Bei Betriebsbegehungen können sie wichtige Hinweise aus der alltäglichen Arbeitspraxis liefern oder reale und gegebenenfalls neue Gefährdungen bei der Arbeit direkt erkennen und an die zuständige Führungskraft herantragen. Diese Aufzählung ist sicherlich nicht erschöpfend. Der Beitrag der Sicherheitsbeauftragten zur Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Würdigung beim A+A Kongress
Bei einer Gesamtzahl von mehr als 700.000 Sicherheitsbeauftragten ist eine individuelle Anerkennung und Würdigung des Engagements jedes und jeder Einzelnen außerhalb des eigenen Unternehmens leider nicht möglich. Der „Tag der Sicherheitsbeauftragten“, der im Rahmen des A+A Kongresses alle zwei Jahre in Düsseldorf stattfindet, wendet sich daher in diesem Sinne stellvertretend an alle Sicherheitsbeauftragten, auch wenn nicht alle teilnehmen können. An diesem besonderen Tag werden ausgewählte und für Sicherheitsbeauftragte besonders interessante oder relevante Themen tiefergehend und in direkter Kommunikation mit den Teilnehmenden behandelt und in die Fachöffentlichkeit gespiegelt. Dieses Mal wurde die Veranstaltung auch erstmalig online gestreamt, um einen noch größeren Kreis anzusprechen. Ein Veranstaltungsmodell, das sich sicherlich auch in Zukunft einen festen Platz erobern und auch durch interaktive Formate einen noch größeren Kreis von Sicherheitsbeauftragten ansprechen wird.
Nachlese aus dem Programm
Mit dem vorliegenden „Spezial“ werden die Themen und Ergebnisse des vergangenen „Tages der Sicherheitsbeauftragten“ im Rahmen des A+A Kongresses 2021 sowohl denjenigen Sicherheitsbeauftragten, die nicht selbst dabei sein konnten, als auch einer breiteren interessierten Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die breite Themenpalette reicht von der positiven Wirkung und Wirksamkeit der Tätigkeit von Sicherheitsbeauftragten im Betrieb, über den Einblick in Fragen der Verantwortung in dieser Rolle aus juristischer Sicht und das große Thema Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen sowie Führungskräften bis hin zu interessanten Erfahrungsberichten aus der alltäglichen Praxis. Spielerisch aufgelockert wurden diese Darstellungen durch Betrachtungen aus der Perspektive der am „Tag der Sicherheitsbeauftragten 2021“ beteiligten Schauspieler.
Die Zukunft: Aufgabenerweiterung
Die Arbeitswelt wandelt sich derzeit dramatisch. Alle wissen das. Die Megatrends wie unter anderem Digitalisierung und Anwendung künstlicher Intelligenz auch im Arbeitsschutz schlagen voll durch. Auf der anderen Seite stabilisiert sich auch ein nicht geringer Anteil sogenannter Basisarbeit: Einfache Tätigkeiten, die relativ unausgeprägte Qualifikationen erfordern, aber bei denen neben hoher körperlicher Belastung auch stressbedingte psychische Gefährdungen hinzukommen. Ebenso ist der demographische Wandel hier kein Thema von gestern.
Die fast schon explosionsartige Zunahme des mobilen Arbeitens von zu Hause (das sogenannte Homeoffice), unterstützt durch die kürzliche Aufnahme im Koalitionsvertrag als erstrebenswerte Arbeitsform, wenn keine betrieblichen Belange entgegenstehen, erfordert erweiterte Ansätze der Prävention. Dies wird in der Folge deshalb auch auf die Tätigkeiten und die Qualifikationen der Sicherheitsbeauftragten Einfluss nehmen. Führungskräfte, die bislang in den Sicherheitsbeauftragten nur Beschäftigte gesehen haben, die schadhafte Leitern am Arbeitsplatz anzeigen oder die Kolleginnen und Kollegen anhalten, den Gehörschutz aufzusetzen, werden am Ende also eine weitere positive Erfahrung machen.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen des folgenden „Spezials“. Und: Wir dürfen schon jetzt auf den nächsten „Tag der Sicherheitsbeauftragten“ im Jahr 2023 gespannt sein!
Christian Felten
Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft
für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (Basi e.V.).
Dr. Markus Kohn
Referent Betriebliche Organisation von Sicherheit und Gesundheit
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
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