Im Laufe des Studiums der Human- und Zahnmedizin gibt es verschiedene gesetzliche Arbeitsschutzregelungen inklusive der verpflichtenden Unterweisungen zu Sicherheit, Gesundheit, Hygiene und Datenschutz zu beachten. Es gelten dabei die staatlichen Vorschriften unmittelbar und direkt, deren Geltungsbereich im jeweiligen Normtext auf Studierende erweitert sind wie zum Beispiel die Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (GefStoffV) oder die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen (BioStoffV). Die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ [1] fordert zusätzlich die Anwendung aller Arbeitsschutzanforderungen auch bei den Studierenden. Regelungen wie das ArbSchG, ArbStättV, ArbMedVV oder JArbSchG gelten somit mittelbar über die Inbezugnahme in § 2 Abs. 1 Satz 3 der DGUV Vorschrift 1 (mittelbar = über den „Umweg“ der DGUV Vorschrift 1). Über diese Inbezugnahme werden die in staatlichen Arbeitsschutzvorschriften geregelten Sachverhalte zum Gegenstand von Unfallverhütungsvorschriften (UVV‘en) gemacht (Ermächtigungsgrundlage ist der § 15 Absatz 1 SGB VII). Alle staatlichen Vorschiften, die nicht unmittelbar für Studierende gelten, haben somit den Status einer UVV. Die Überwachung erfolgt durch die Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger, für Universitäten und Universitätsklinika somit in der Regel die Unfallkassen.
Leider orientiert sich die DGUV Vorschrift 2 [2] in der aktuellen Fassung nur am Begriff des „Beschäftigten“ im Sinne des „Betriebsverfassungsgesetzes“ und nicht am Begriff des „Versicherten“ im Sinne des VII. Sozialgesetzbuches. Universitäten schaffen daher trotz der Möglichkeiten durch den betriebsspezifischen Teil der Vorschrift 2 zwar Ressourcen im Bereich Sicherheit und Gesundheit für die Betreuung ihrer Beschäftigten, aber nur bedingt und nicht im ausreichenden Maße für die geforderte Betreuung der Studierenden, die rein von der Anzahl her die weitaus größere Gruppe in den Universitäten und Universitätsklinika stellen. Bei der Heinrich Heine Universität Düsseldorf beispielsweise stehen 3.954 Mitarbeitern 35.300 Studierende gegenüber, davon sind 3.803 Studierende in der Medizinischen Fakultät (MedFak, Stand 01.12.2017).
Ziel
Im Studiengang Humanmedizin an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf werden die Studierenden in Pflichtveranstaltungen, die in der Studiengangordnung festgeschrieben sind, unterwiesen. Vor Beginn des klinischen Abschnitts müssen die Studierenden auch zur arbeitsmedizinischen Vorsorge zum Betriebsarzt. In einigen Fällen kann bei „Nicht-Teilnahme“ an der Unterweisung das Studium dadurch verzögert werden, da sich die Studierenden bei fehlender Unterweisung nicht zum Folgesemester zurückmelden können. Im Rahmen eines Projekts wurde ein Konzept erstellt, dass die Unterweisung der Studierenden zeitlich und örtlich flexibler ermöglichen soll. In 2019 wurde die Projektphase verlassen und die notwendigen Strukturen in einem Geschäftsprozess „Sicherheit und Gesundheit für Studierende“ für das Managementsystem der Fakultät institutionalisiert.
Umsetzung
Zu Beginn wurden Pflichtunterweisungen zu Sicherheit, Gesundheit, Hygiene und Datenschutz in interaktiven (Selbst-) Lerneinheiten erstellt, um Studierenden, die nicht an der Pflichtveranstaltung teilnehmen konnten, die Möglichkeit zu geben, das Studium ohne Verzögerung fortzusetzen.
Als Nachweis der erfolgreichen Teilnahme dient ein abschließender Online-Test, um die Teilnahme und den Lernerfolg zu dokumentieren.
Bei der Gestaltung der interaktiven (Selbst-)Lerneinheiten dienen auch die Anforderungen der „DGUV Test – Prüf- und Zertifizierungsstelle“ im IAG Dresden zur Orientierung, um eine spätere Zertifizierung der Lerneinheiten grundsätzlich zu ermöglichen. Die interaktiven (Selbst-) Lerneinheiten verstehen sich dabei als Unterweisungen auf das Studium der Humanmedizin bezogener Arbeitsschutzthemen. Orientierend an den von Kirkpatrick [3] postulierten vier Ebenen sollen die Lerneinheiten bei den Studierenden:
- auf Akzeptanz stoßen und als wichtige Maßnahmen im Studium anerkannt werden,
- zu einem Zugewinn an handlungs- und sicherheitsrelevantem Wissen führen,
- die Einstellung der Studierenden zum Arbeitsschutz positiv beeinflussen,
- sicherheitsgerechtes Verhalten der Studierenden über das Studium hinaus fördern und
- zu Veränderungen in arbeitsschutzrelevanten Kennzahlen im Gesundheitswesen beitragen.
Die Studie von Masuhr et al. [4] legt nahe, das elektronische Unterweisungen durchaus unter bestimmten Voraussetzungen in ihrer Wirkung mit persönlichen Unterweisungen mithalten können. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Unterweisungen, ob elektronisch oder persönlich durchgeführt, dazu führen, dass die Mitarbeiter (somit auch Studierende) ihr sicherheitsrelevantes Wissen festigen und ausbauen können. Die relevanten klinischen Fertigkeiten und Techniken wie zum Beispiel Punktionen werden zusätzlich unter Beachtung der Arbeitsschutzvorgaben zum Beispiel im Block „Fertigkeiten und Techniken (FeTe)“ routinemäßig mit den Studierenden eintrainiert. Die arbeitsschutzrelevanten theoretischen Grundlagen werden aber auch hier in den interaktiven (Selbst-)Lerneinheiten vermittelt. Die Arbeit von Wigger-Alberti et al. [5] zeigte am Beispiel des Hautschutzes die Notwendigkeit des praktischen Einübens bestimmter gefahrengeneigter Tätigkeiten.
Das Portal ist Teil eines Gesamtkonzepts zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit der Studierenden während des Studiums. Dabei werden auf Basis der Gefährdungsbeurteilungen der Institute und Kliniken die Studierenden mittels einer Kombination von interaktiven (Selbst-)Lerneinheiten und Face-to-face-Unterweisungen nachhaltig für Sicherheit und Gesundheit während des Studiums sensibilisiert. Face-to-face-Anteile bei den Unterweisungen sind durch die TRGS 555 (Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten) und die TRBA 250 (Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege) vorgegeben.
Weitere Maßnahmen wie die Erweiterung des Internetportals mit weiteren vertiefenden Unterweisungen und Zusatzinformationen sowie die Gründung eines „Runden Tisches“ unter Beteiligung aller Stakeholder inklusive der Unfallkasse runden das Paket ab.
Die Erstellung wird finanziert durch Mittel zur Qualitätsverbesserung der Lehre. Die Studierenden haben in der Bewilligungskommission die Stimmmehrheit. Durch selbsterstellte Medien und direkten Bezug zu Einrichtungen der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf können sich die Studierenden mit den Inhalten optimal identifizieren. Durch den Einsatz des Web-Portals sind die Studierenden zeitlich und räumlich maximal flexibel und können die Inhalte nachhaltig nutzen.
Die gewählte Lösung ist eine praktische und innovative Umsetzung der Präventionskampagne „kommmitmensch“ für den Bildungsbereich zur Etablierung einer Kultur der Prävention, denn: „Was Hänschen schon lernt, brauchen wir Hans nicht mehr beibringen“.
Ausblick
Das Portal steht seit dem WS 2018/ 2019 im Internet frei zugänglich über die Homepage des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf allen Interessierten zur Verfügung (www.medizin.hhu.de/saw). Lediglich der Test-Bereich muss aus Gründen des Datenschutzes hinter einer Firewall versteckt bleiben. Weitere Module werden aktuell erstellt. Als nächster Schritt ist geplant, die Studierenden weiterer Fakultäten mit einzubeziehen.
Literatur
- Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2013). DGUV Vorschrift 1 Grundsätze der Prävention.
- Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2012). DGUV Vorschrift 2 Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
- Kirkpatrick D L (1998). Evaluating Training Programs. The four level. San Francisco: Berret-Koehler Publishers.
- Masuhr K, Golke S, Wetzstein A. (2010). Die Wirkungen unterschiedlicher Unterweisungsformen. DGUV Forum 3/10, 32–33
- Wigger-Alberti W, Maraffio B, Wernli M, Elsner P (1997). Training workers at risk for occupational contact dermatitis in the application of protective creams: efficacy of a fluorescence technique. Dermatology; 195: 129–133.
Autoren:
Silvester Siegmann, Institut für Arbeits‑, Sozial- und Umweltmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Patrick Bergmann, eLearning office medizin, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Inga Wienand, eLearning office medizin, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Christian Herrmann, eLearning office medizin, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Gaby Pfingsten, Ltd. Sicherheitsingenieurin, Universitätsklinikum Düsseldorf
Andreas Palm, Leiter der Stabsstelle Arbeits- und Umweltschutz, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Ute Köhler-Göke, Ltd. Betriebsärztin, Universitätsklinikum Düsseldorf
Lavinia Cioaca, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Ulrich Decking, Geschäftsführer Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf