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Eine Strategie setzt sich durch

Grundlage der Verkehrssicherheitsarbeit
Eine Strategie setzt sich durch

Eine Strategie setzt sich durch
Nina Sawodny
Der Begriff Vision Zero ist in aller Munde – doch wo liegen eigentlich seine Ursprünge? Dieser Artikel skizziert die Meilen­steine ein­er Strate­gie, die aus der Fach­welt nicht mehr wegzu­denken ist.

Ameri­ka im frühen 19. Jahrhun­dert: Der franzö­sis­che Chemik­er Eleuthère Irénée du Pont de Nemours erwirbt ein Grund­stück im Bun­desstaat Delaware. Hier, am Brandy­wine Riv­er, will er Schießpul­ver und Sprengstoff pro­duzieren. 1802 begin­nt du Pont mit dem Bau der ersten Pul­ver­müh­le. Doch gle­ich in den ersten Jahren gibt es mehrere schwere Explo­sio­nen: Tote und Ver­let­zte sind zu bekla­gen, viele Gebäude wer­den zer­stört. 1818 ste­ht das Unternehmen sog­ar vor dem Ruin. Du Pont reagiert auf diese Ereignisse mit Weit­blick. Die ersten Sicher­heit­sregeln für die Pro­duk­tion wer­den aufgestellt: Alko­hol ist streng ver­boten, eben­so wie das Tra­gen von Stre­ich­hölz­ern auf dem Werks­gelände. Mehr noch: Nicht nur die Fam­i­lie du Pont wohnt auf dem Werks­gelände, son­dern auch alle Führungskräfte – die Ver­ant­wor­tung für das Leben und die Gesund­heit der Beschäftigten wird der Unternehmensleitung übertragen.1 Bis heute ist der weltweit tätige Chemiekonz­ern für seine nach­haltige Sicher­heit­skul­tur bekan­nt, die alle Beschäftigten und Führungskräfte bei der Entwick­lung von sicheren Ver­hal­tensweisen unter­stützt. Dazu zählt auch die Her­stel­lung ein­er fehler­tol­er­an­ten Arbeit­sumwelt – ein Aspekt, der mit­tler­weile als beson­ders wichtiger Bestandteil der Vision Zero gilt.
Die Geburtsstunde der Vision Zero
Deren Geburtsstunde schlug jedoch erst Ende der 1990er Jahre. Die Ursprünge liegen in Skan­di­navien: Seit 1997 stellt die Vision Zero offiziell die Grund­lage der Verkehrssicher­heit­sar­beit in Schwe­den dar. In ein­er Pub­lika­tion des Schwedis­chen Zen­tralamtes für Straßen­we­sen (Vägver­ket) find­et sich die bis heute gültige Def­i­n­i­tion: „Die Nul­lvi­sion ist das Bild ein­er Zukun­ft, in der nie­mand im Straßen­verkehr getötet oder so schw­er ver­let­zt wird, dass er lebenslange Schä­den davonträgt.“
Vision Zero in Deutschland
In den fol­gen­den Jahrzehn­ten bre­it­et sich die Vision Zero auch in anderen Län­dern wie Däne­mark, Nor­we­gen, Finn­land, der Schweiz, den Nieder­lan­den und Großbri­tan­nien aus. In Deutsch­land gehört der Deutsche Verkehrssicher­heit­srat (DVR) zu den Vor­re­it­ern: Er wirbt seit 2007 ver­stärkt in der Öffentlichkeit für die Strate­gie. Das Recht auf Leben und kör­per­liche Unversehrtheit, das in der Def­i­n­i­tion der Vision Zero zum Aus­druck kommt, hat der DVR in einem Logo mit dem Claim „Kein­er kommt um. Alle kom­men an.“ präg­nant zusam­menge­fasst. Mit­tler­weile ist die Strate­gie der Vision Zero im Eck­punk­tepa­pi­er „Verkehrssicher­heit 2020“ des DVR ver­ankert: So soll die Zahl der im Straßen­verkehr getöteten Per­so­n­en bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gesenkt wer­den. Auf poli­tis­ch­er Ebene erfährt die Vision Zero seit Jahren zunehmend pos­i­tive Res­o­nanz. So bekan­nte sich im Okto­ber 2008 erst­mals die Verkehrsmin­is­terkon­ferenz der Län­der zur Vision Zero: Diese sei eine geeignete Grund­lage, um langfristig als qual­i­ta­tives Ziel der kün­fti­gen Verkehrssicher­heit­sar­beit zu dienen. Auch mehrere Bun­deslän­der haben die Vision Zero zur Grund­lage ihrer Verkehrssicher­heit­sar­beit gemacht; der wis­senschaftliche Beirat beim Bun­desmin­is­ter für Verkehr, Bau und Stad­ten­twick­lung hat in seinen Empfehlun­gen vom Juli 2010 die Vision Zero als „zukun­ftsweisendes Konzept“ beze­ich­net. Auch die Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung (DGUV) hat die Vision Zero in ihre Präven­tion­s­grund­sätze über­nom­men. Im Posi­tion­spa­pi­er der Selb­stver­wal­tung der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung zur Präven­tion aus dem Jahr 2008 heißt es dazu: „Arbeitswelt und Bil­dung­sein­rich­tun­gen sind so zu gestal­ten, dass Arbeits‑, Schul- und Wege­un­fälle, Beruf­skrankheit­en und arbeits­be­d­ingte Gesund­heits­ge­fahren mit allen geeigneten Mit­teln ver­hin­dert wer­den (Vision Zero)…“.
Null Unfall-Poli­tik bei der BG RCI
Ihr Präven­tion­shan­deln ganz auf die Vision Zero aus­gerichtet hat die Beruf­sgenossen­schaft Rohstoffe und chemis­che Indus­trie (BG RCI). Seit 2015 ste­ht ihre neue Präven­tion­sstrate­gie unter dem Mot­to „Vision Zero. Null Unfälle – gesund arbeit­en!“ Dabei legt die BG RCI sieben quan­ti­ta­tive und qual­i­ta­tive Ziele fest, die in den kom­menden zehn Jahren umset­zbar erscheinen: Sie sollen durch zehn Maß­nah­men­pakete bis 2024 umge­set­zt wer­den. Für die ver­sicherten Unternehmen wird es einen Leit­faden geben, der die Erfol­gs­fak­toren bei der Umset­zung der Vision Zero auf der betrieblichen Ebene beschreibt. Um die Sicher­heit im Straßen­verkehr sys­tem­a­tisch voranzutreiben, ist als weit­eres Teil­pro­jekt ein Baukas­ten geplant, der den Unternehmen Empfehlun­gen für die Wege­un­fall­präven­tion gibt.
Die Kraft ein­er Vision
Auch wenn die Vision Zero immer weit­er um sich greift, gibt es kri­tis­che Stim­men, die nach ihrer Umset­zbarkeit fra­gen: Kann es eine Welt ohne Unfälle tat­säch­lich geben? Der DVR geht in seinem Inter­ne­tange­bot auf diese Fra­gen ein und betont, dass die Vision Zero ein zu erre­ichen­des Ziel – keine Toten oder Schw­erver­let­zten – vorgebe. Diese Zielvor­gabe sei mit dem Grundge­setz ver­gle­ich­bar, in dem es in Artikel 1 Absatz 1 heißt: „Die Würde des Men­schen ist unan­tast­bar.“ Obwohl gegen dieses Ziel jeden Tag in Deutsch­land ver­stoßen werde, sei nicht vorstell­bar, diesen Satz umzu­for­mulieren und abzuschwächen („Die Würde des Men­schen sollte unan­tast­bar sein“). Ein ganz prak­tis­ches Beispiel für die Umset­zung der Vision Zero sind der Luft- oder Bah­n­verkehr: Kaum ein Pas­sagi­er würde bei ein­er Flugge­sellschaft eincheck­en, die nicht eine „Null Unfall“-Strategie verfolgt.
Weltkongress 2014 als Meilenstein
Die Vision Zero hat in den ver­gan­genen Jahren zunehmend die Fachdiskus­sio­nen geprägt. So stand bere­its die Arbeitss­chutz Aktuell 2012 in Augs­burg unter dem Mot­to „Sich­er und gesund arbeit­en – Vision Zero in der Prax­is“ und auch beim XX. Weltkongress für Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit 2014 in Frank­furt nahm die Vision Zero einen promi­nen­ten Platz ein. Eines der drei Haupt­the­men lautete: „Präven­tion­skul­tur – Präven­tion­sstrate­gien – Vision Zero“.
Eine Welt ohne Unfälle ist möglich
Eine Welt ohne tödliche und schwere Arbeit­sun­fälle ist möglich: Diese zen­trale Botschaft wurde von den Organ­isatoren des Weltkon­gress­es gle­ich zum Auf­takt kommuniziert.2 Mit Ver­weis auf die Arbeit­sun­fall­sta­tis­tik der Beruf­sgenossen­schaften und Unfal­lver­sicherungsträger hob DGUV-Haupt­geschäfts­führer Dr. Joachim Breuer her­vor, dass es in Deutsch­land vor hun­dert Jahren noch etwa 10.000 Tote pro Jahr bei der Arbeit gegeben habe, 2013 seien es erst­mals weniger als 500 Men­schen gewe­sen: „Dieser Erfolg ist keine deutsche Spezial­ität – er ist wieder­hol­bar. Das zeigen uns Erfahrun­gen und viele Beispiele aus unser­er inter­na­tionalen Zusam­me­nar­beit.“ Der Präsi­dent des Weltkon­gress­es, Dr. Wal­ter Eichen­dorf, fügte hinzu, dass weltweit Lösun­gen für Arbeitss­chutzprob­leme entwick­elt wür­den: „Der Aus­tausch auf dem Weltkongress ver­hin­dert, dass jed­er wieder bei null begin­nt.“ In zahlre­ichen Ver­anstal­tun­gen wur­den Best Prac­tice-Beispiele vorgestellt, darunter auch in einem inter­na­tionalen Sym­po­sium, das von DVR und der Sek­tion Trans­portwe­sen der Inter­na­tionalen Vere­ini­gung für Soziale Sicher­heit (IVSS) aus­gerichtet wor­den war. Hier ging es um die Frage „Wodurch wird die Vision Zero zum Erfol­gsmod­ell für Arbeitss­chutz und Verkehrssicher­heit?“. Dabei berichteten die Ref­er­entin­nen und Ref­er­enten, die aus fast allen großen Wel­tre­gio­nen kamen, über ihre spez­i­fis­chen Erfahrun­gen mit der Umset­zbarkeit der Vision Zero. Auch nach Abschluss des Weltkon­gress­es bleibt die Vision Zero ein wichtiges Diskus­sion­s­the­ma. Wet­tbe­werbe wie „Unter­wegs – aber sich­er!“ leis­ten einen kleinen, aber wichti­gen Beitrag dazu, diese Strate­gie weit­er in die Arbeitswelt und Fachöf­fentlichkeit zu tragen.
  • 1 Darstel­lung mit Infor­ma­tio­nen von Käfer, Mar­tin: Das Arbeitss­chutzsys­tem bei Dupont de Nemours (= Arbeitspa­pi­er 10, Hrsg.: Hans-Böck­ler-Stiftung), Düs­sel­dorf 1999, S. 7; www.wikipedia.de; Stich­wort: Eleuthère Irénée du Pont de Nemours, gese­hen am 29.01.2014; Vor­trag von Dr. Wal­ter Eichen­dorf (Down­load unter www.dguv.de, Web­code d54589).
  • 2 Vgl. Pressemit­teilung der DGUV vom 28.08.2014 (www.dguv.de, Web­code dp 87110).

Tipps und Links zum Weiterlesen:
    • DVR (Hrsg.): Vision Zero – Grund­la­gen und Strate­gien (= Schriften­rei­he Verkehrssicher­heit, Bd. 16). Bonn, 2012. (Down­load unter www.dvr.de/download2/p3042/3042_0.pdf )
    • www.dvr.de/presse/informationen/vision_zero.html (weit­er­führende Infor­ma­tio­nen und Broschüren zur Vision Zero sowie FAQ)
    • www.dguv.de, Web­code d54589 (Vor­trag von Dr. Wal­ter Eichen­dorf zur Vision Zero, Posi­tion­spa­pi­er der Selb­stver­wal­tung der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung zur Präven­tion sowie weit­ere Infor­ma­tio­nen und Videos)
    • „Vision Zero: Null Unfälle – gesund arbeit­en!“ In: BG RCI.magazin, Aus­gabe November/Dezember 2014, S. 10–13 (www.bgrci.de, Seit­en-ID #S4BA)

Vier zentrale Botschaften
      • 1. Das Leben ist nicht ver­han­del­bar: Kein anderes Gut ist wichtiger als das men­schliche Leben.
      • 2. Der Men­sch ist fehlbar: Fehler im Straßen­verkehr oder am Arbeit­splatz kön­nen nicht voll­ständig ver­mieden werden.
      • 3. Die tolerier­baren Gren­zen liegen in der physis­chen Belast­barkeit des Men­schen: Ger­ade weil Men­schen Fehler machen, muss sichergestellt wer­den, dass die Unfälle nicht zu ern­sthaften Schä­den oder sog­ar zum Tode führen.
      • 4. Die Men­schen haben ein Recht auf ein sicheres Verkehrssys­tem und sichere Arbeitsplätze.
(Quelle: Schriften­rei­he Verkehrssicher­heit, S. 4 – 8)
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