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Lärm- und Schallschutz am Arbeitsplatz

Lärm- und Schallschutz am Arbeitsplatz
Grenzwerte und Maßnahmen

Dr.-Ing. Benedikt Kohout
Akustis­che Reize am Arbeit­splatz sind all­ge­gen­wär­tig und man­nig­faltig. Ob in der Indus­triehalle, im Büro oder im Kreißsaal – die Belas­tung von Beschäftigten durch Lärm hat viele For­men. Um die Sicher­heit und Gesund­heit am Arbeit­splatz zu wahren, stellt sich unmit­tel­bar die Frage: Wann und wie muss ein Men­sch vor der akustis­chen Belas­tung am Arbeit­splatz geschützt wer­den? Welche Maß­nah­men zum Lärm- und Schallschutz sind zu ergreifen?

Wann Schutz­maß­nah­men vor Lärm­be­las­tung notwendig sind, zeigt eine Gefährdungs­beurteilung. Sie ist im All­ge­meinen die sys­tem­a­tis­che Ermit­tlung und Bew­er­tung von Gefahren für Beschäftigte am Arbeit­splatz. Das Ziel dieser Beurteilung ist, die erforder­lichen Maß­nah­men zum Lärm- und Schallschutz festzule­gen, um die Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit zu gewährleisten.

Gefahren erkennen

Akustis­che Ereignisse sind unsicht­bar. Infolgedessen sind sie oft­mals in ihrer Wirkung auf die Gesund­heit des Men­schen nicht direkt greif­bar und wer­den dadurch häu­fig unter­schätzt. Während gegen laut­en Lärm Gehörschutz einge­set­zt wer­den sollte, kön­nen auch bei ver­gle­ich­sweise weniger laut­en Geräuschen gesund­heitliche Risiken beste­hen, wie beispiel­sweise in Mehrper­so­n­en­büros oder Kindertage­sein­rich­tun­gen. Aus diesem Grund müssen für jede beschäftigte Per­son die Risiken der Lärmwirkung unter­sucht und ein­ge­ord­net wer­den. Dies geschieht im Rah­men ein­er Gefährdungsbeurteilung.

Informationen zur Situation

Im ersten Schritt der Gefährdungs­beurteilung wer­den Infor­ma­tio­nen zur akustis­chen Sit­u­a­tion am Arbeit­splatz ermit­telt. Die genaueste Möglichkeit hierzu bietet das Messen und Auswerten der akustis­chen Para­me­ter, bei der die Lärm­be­las­tung auf die Beschäftigten und die rau­makustis­chen Gegeben­heit­en fest­gestellt werden.

Darüber hin­aus kön­nen tabel­lar­ische Werte für beru­fliche Tätigkeit­en, Berech­nun­gen oder Her­stellerangaben für Maschi­ne­nar­beit­splätze sowie Infor­ma­tio­nen der arbeitsmedi­zinis­chen Vor­sorge herange­zo­gen wer­den. Auch lärm­be­zo­gene Arbeit­splatzbege­hun­gen zur Beschrei­bung der akustis­chen Sit­u­a­tion kön­nen erforder­lich werden.

Zweck dieser Infor­ma­tion­ser­mit­tlung ist die objek­tive Quan­tifizierung der akustis­chen Ein­flüsse am Arbeit­splatz. Diese wer­den je nach Fragestel­lung und Anwen­dungs­bere­ich in den akustis­chen Ken­ngrößen Tages-Lärm­ex­po­si­tion­spegel (LEx,8h) und Spitzen­schall­druck­pegel (LC, peak) oder Beurteilungspegel (Lr) und Nach­hal­lzeit (T) dargestellt.

Schutzmaßnahmen ableiten

Anhand dieser Ken­ngrößen kann die Beurteilung der Gefährdung durch Lärm mit­tels eines Ver­gle­ichs mit den geset­zlichen Gren­zw­erten erfol­gen. Darauf auf­bauend kön­nen ziel­gerichtete Maß­nah­men zum Schutz der Beschäftigten erar­beit­et werden.

Die Über­prü­fung der Wirk­samkeit von bere­its etablierten Maß­nah­men zum Lärm- und Schallschutz stellt eben­falls einen Teil der Gefährdungs­beurteilung dar. Eine gewis­senhafte Doku­men­ta­tion der Aus­gangslage, der gemesse­nen Para­me­ter und deren Beurteilung sowie der emp­fohle­nen Maß­nah­men ist auss­chlaggebend für einen erfol­gre­ichen Prozess. Das tur­nus­mäßige Fortschreiben, beziehungsweise die Über­ar­beitung der Beurteilung bei Änderun­gen der akustis­chen Sit­u­a­tion (beispiel­sweise durch den Ein­satz neuer Maschi­nen und Arbeitsver­fahren), ist der let­zte Prozesss­chritt bei der Durch­führung der Gefährdungsbeurteilung.

Kenngrößen und Grenzwerte

In der Beurteilung der Gefährdung durch Lärm wird grundle­gend zwis­chen zwei Anwen­dungs­bere­ichen unterschieden:

  • Zum einen bet­rifft dies Tätigkeit­en mit der Gefahr der auralen, sprich physis­chen, Schädi­gung des Gehörs bis hin zur Ertaubung.
  • Zum anderen han­delt es sich um Arbeit­splätze ohne Gefahr der Beein­träch­ti­gung des Höror­gans, dafür allerd­ings mit extra-auralen, das heißt psy­chis­chen, psy­cho­so­ma­tis­chen und sozialen Fol­gen von Lärm.

Die Gren­ze zwis­chen diesen bei­den Gefährdungs­bere­ichen richtet sich nach der Stärke der Schallereignisse am Arbeit­splatz und wird vom Geset­zge­ber auf einen Wert äquiv­a­len­ten Dauer­schallpegels (LAeq) von 80 dB(A) fest­gelegt. Dieser Wert wird mit­tels der A‑Bewertung her­aus­ge­fun­den. Die A‑Bewertung beschreibt ein in der akustis­chen Messtech­nik ver­wen­detes Ver­fahren zur Anpas­sung der gemesse­nen Werte des Schall­druck­pegels an das men­schliche Hörempfinden.

Technische Regeln

Ab Werten von LAeq ≥ 80 dB(A) find­en die „Technische[n] Regeln zur Lärm- und Vibra­tions-Arbeitss­chutzverord­nung“ (TRLV Lärm) Anwen­dung, um eine schlimm­sten­falls irrepara­ble Schädi­gung des Gehörs zu ver­hin­dern. Hier­bei sind der Tages-Lärm­ex­po­si­tion­spegel (LEx,8h) und der Spitzen­schall­druck­pegel (LC, peak) die zu beach­t­en­den Ken­ngrößen für die Lärmwirkung auf eine Person.

Anhand dieser Ken­ngrößen kann ein Ver­gle­ich mit den in der TRLV Lärm definierten Gren­zw­erten erfol­gen, welche bei Über­schre­itung ver­schiedene Schutz­maß­nah­men auslösen.

Die Aus­lösew­erte sind definiert als:

  1. Obere Aus­lösew­erte: LEx,8h = 85 dB(A) beziehungsweise LC, peak = 137 dB©
  2. Untere Aus­lösew­erte: LEx,8h = 80 dB(A) beziehungsweise LC, peak = 135 dB©

Für gerin­gere Werte als die unteren Aus­lösew­erte sind keine Schutz­maß­nah­men zu ergreifen.

Die TRLV Lärm wird auf­grund der beschriebe­nen Wer­te­bere­iche in einem laut­en Arbeits­feld angewen­det. Dazu gehören häu­fig Tätigkeit­en auf Baustellen, Indus­triean­la­gen und Schießstän­den sowie Maschi­ne­nar­beit­splätze. Es kön­nen allerd­ings auch an eher uner­warteten Orten hohe Schallpegel auftreten, so dass auch in Küchen, Kreißsälen oder Kindergärten die TRLV Lärm zum Ein­satz kom­men kann, um die Beschäftigten vor ein­er Schädi­gung zu schützen.

Akustische Ereignisse

Für Arbeit­splätze und Tätigkeit­en mit einem Wert klein­er als LAeq = 80 dB(A), wie beispiel­sweise in Büros, Lab­o­ra­to­rien oder Schulen, ist mit kein­er dauer­haften Schädi­gung des Höror­gans zu rech­nen. Allerd­ings kön­nen akustis­che Ereignisse auch störend auf den Men­schen wirken, wenn diese als eher leise emp­fun­den wer­den. So kann bei ein­er konzen­tri­ert auszuführen­den Tätigkeit ein leis­es, aber den­noch ver­ständlich­es Gespräch oder Tele­fon­klin­geln als sehr belas­tend wahrgenom­men wer­den. Stress und eine erhöhte Fehlerquote bei der auszuführen­den Arbeit sind mögliche Fol­gen. Eben­so kann es auf­grund unzure­ichen­der, rau­makustis­ch­er Bedin­gun­gen zu ein­er Beein­träch­ti­gung der Sprachver­ständlichkeit und ein­er schlecht­en akustis­chen Ori­en­tierung kom­men, was sich auf das Unfall­risiko auswirkt.

Zur Beurteilung dieser extra-auralen Gefährdung wer­den in der Technische[n] Regel für Arbeitsstät­ten ASR A3.7 „Lärm“ zwei akustis­che Ken­ngrößen definiert: der Beurteilungspegel (Lr) und die Nach­hal­lzeit (T).

Beurteilungspegel und Nachhallzeit

Der Beurteilungspegel berück­sichtigt sowohl die Stärke aller Schallereignisse am Arbeit­splatz als auch zusät­zlich das Stör­poten­zial durch impul­shalti­gen Schall (zum Beispiel Tele­fon­klin­geln, Türen­schla­gen) sowie den Ton- und Infor­ma­tion­s­ge­halt des Lärms (beispiel­sweise Sprache im Hin­ter­grund, Sur­ren der Lüf­tung). Die Nach­hal­lzeit charak­ter­isiert die Akustik eines Raumes, bed­ingt durch die Bauart und Ein­rich­tung. Je nach Tätigkeit definiert die ASR A3.7 drei Pegel-Gren­zw­erte, die nicht über­schrit­ten wer­den dürfen:

  1. Für Tätigkeit­en mit hoher Konzen­tra­tion oder hoher Sprachver­ständlichkeit: Lr ≤ 55 dB(A).
  2. Für Tätigkeit­en mit mit­tlerer Konzen­tra­tion oder mit­tlerer Sprachver­ständlichkeit: Lr ≤ 70 dB(A).
  3. Für Tätigkeit­en mit geringer Konzen­tra­tion oder geringer Sprachver­ständlichkeit: Lr ist soweit wie möglich zu reduzieren.

Eben­falls gel­ten je nach Raum-Nutzungsart unter­schiedliche Anforderun­gen an die Nachhallzeit:

Für Büros mit kom­mu­nika­tions­basierten Dien­stleis­tun­gen („Call­cen­ter“) gilt T ≤ 0,5 s, während beispiel­sweise für Ein- und Zweiper­so­n­en­büros T ≤ 0,8 s in den entsprechen­den Fre­quenzbere­ichen einzuhal­ten ist.

Maßnahmen zum Lärm- und Schallschutz

Sind Gren­zw­erte nach ASR A3.7 oder TRLV über­schrit­ten, müssen in der Gefährdungs­beurteilung Maß­nah­men zum Lärm- und Schallschutz der Beschäftigten aufge­führt wer­den. Diese sind vielfältiger Natur, wobei tech­nis­che (etwa Ersatz von laut­en Maschi­nen oder rau­makustis­che Verbesserun­gen) vor organ­isatorischen (zum Beispiel räum­liche Tren­nung von laut­en und leisen Arbeit­splätzen) vor per­sön­lichen (beispiel­sweise Gehörschutz) Maß­nah­men zu ergreifen sind.


Begriffserklärungen

  • dB: „Dez­i­bel“ ist eine Hil­f­s­größe zur Quan­tifizierung der Stärke des Schalldrucks.
  • A‑bewerteter äquiv­a­len­ter Dauer­schallpegel LAeq: ist der zeitlich ener­getisch gemit­telte, mit der Fre­quenzbe­w­er­tung A aufgenommene Schalldruckpegel.
  • Tages-Lärm­ex­po­si­tion­spegel LEx,8h: beschreibt die Lärmein­wirkung auf einen Beschäftigten für einen repräsen­ta­tiv­en Arbeitstag.
  • Spitzen­schall­druck­pegel LC, peak: ist der Höchst­wert des Schall­druck­pegels mit der Fre­quenzbe­w­er­tung „C“ und der Zeit­be­w­er­tung „peak“.
    Er dient der Erfas­sung und Beurteilung akut gehörge­fährden­der Schallereignisse (z.B. Knalle, Explosionen).
  • Beurteilungspegel Lr: ist eine Größe zur Kennze­ich­nung der typ­is­chen Schal­lim­mis­sion für eine Tätigkeit, unter Berück­sich­ti­gung von Zuschlä­gen für die Impul­shaltigkeit sowie Ton- und Informationshaltigkeit.
  • Nach­hal­lzeit T: ist die Zeitspanne, während der Schall­druck­pegel in einem Raum nach Been­den der Schallfel­dan­re­gung um 60 dB abfällt.

Wichtige Regeln zum Lärm- und Schallschutz


Dr.-Ing. Benedikt Kohout
Dr.-Ing. Benedikt Kohout; Foto: © Auri Akustik

Autor:
Dr.-Ing. Benedikt Kohout wid­met sich mit seinem Inge­nieur­büro Auri Akustik der wis­senschaftlich fundierten Gestal­tung der Rau­makustik. In diesem Rah­men hält er Vorträge zum The­ma Lärm am Arbeit­splatz und ist Dozent an der UKBW Akademie.

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