Für elektrische Arbeitsmittel gilt, wie für alle Arbeitsmittel, die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) vom 3. Februar 2015 (BGBl. I S. 49 – zuletzt geändert mit Verordnung vom 18. Oktober 2017, BGBl. I S. 3584). Weiterhin ist die Unfallverhütungsvorschrift DGUV-Vorschrift 32 des Unfallversicherungsträgers einschlägig. Hinzu treten das unter anderem vom Hersteller des Arbeitsmittels zu beachtende Produktsicherheitsgesetz mit den jeweils einschlägigen Verordnungen sowie das im Schadensfall eine gewisse Kompensation gewährende Produkthaftungsgesetz.
Prüfpflichten
Die Prüfpflichten für Arbeits- beziehungsweise Betriebsmittel, die Beschäftigten zur Verwendung bei der beziehungsweise zur Arbeit zur Verfügung gestellt werden, aus den zuvor genannten Arbeitsschutz- beziehungsweise Unfallverhütungsvorschriften richten sich an den Arbeitgeber (BetrSichV) beziehungsweise den Unternehmer (DGUV-Vorschrift 3). Im vorliegenden Kontext können beide Begrifflichkeiten – die weitergehende Bedeutung des Unternehmerbegriffs vernachlässigend – als übereinstimmend betrachtet werden. Im weiteren Verlauf wird daher allein vom Arbeitgeber gesprochen, wenn damit auch zeitgleich der Unternehmer gemeint ist.
Allerdings muss der Arbeitgeber nicht selbst prüfen, sondern hat für die Prüfung zu sorgen. Daraus ergibt sich, dass er die Durchführung der Prüfung an geeignete weitere Personen delegieren kann, um sich letztlich nur das Prüfergebnis zu Eigen zu machen. Damit ist der Weg frei, Prüfungen beim Hersteller oder bei anderen Personen durchführen zu lassen.
Sicherstellung des Schutzziels
Das Schutzziel bei der Verwendung von Arbeitsmitteln ist in §4 Abs. 1 Nr. 3 BetrSichV definiert: Arbeitsmittel müssen nach dem Stand der Technik sicher sein. Während Prüfungen für einen präventiven Ansatz stehen, gehen die Maßnahmen bei Verletzungen des Produktsicherheitsgesetzes sowie bei Anwendbarkeit des Produkthaftungsgesetzes eher in Richtung Repression. Bei Letzterem wird davon ausgegangen, dass ein Hersteller sich zur Vermeidung juristischer und letztlich wirtschaftlicher Unbill proaktiv regelkonform verhält, während bei Ersterem die richtige Anwendung der Regeln überwacht wird. Der repressive Ansatz verhindert allerdings Unfälle nicht, sondern sorgt neben seine regativ-generalpräventiven Wirkung lediglich dafür, dass ein Instrumentarium zur Wiedergutmachung, sofern dies aufgrund der Natur des Ereignisses überhaupt möglich ist, bereitsteht.
Prüfungen sind dagegen ein anerkanntes Mittel, den Zustand eines Arbeitsmittels zu beurteilen und unter Berücksichtigung der zu erwartenden Nutzung und Beanspruchung, insbesondere des Verschleißes, die Aussage des Prüfergebnisses mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit auf einen zukünftigen Zeitpunkt zu interpolieren. Dabei darf auch nicht verkannt werden, dass das Prüfergebnis nur im Moment der Prüfung zutreffend sein kann und sich die Unsicherheit, mit der es behaftet ist, mit jeder Zeiteinheit in Richtung Zukunft erhöht. Daher sind Aussagen zum richtigen Zeitpunkt der nächsten Prüfung ausnahmslos Prognosen, die auf Annahmen beruhen, die ihrerseits maximal auf der Auswertung der zum Zeitpunkt der Prognose vorliegenden Informationen basieren.
Der sich aus der BetrSichV in Verbindung mit dem Arbeitsschutzgesetz für den Arbeitnehmer ergebende Anspruch auf sichere Arbeitsmittel richtet sich nicht gegen den Hersteller, sondern gegen den Arbeitgeber. Dieser muss durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung des Schutzziels sicherstellen.
Eine Maßnahme kann sein, vom Hersteller einen geeigneten Nachweis darüber zu verlangen, dass das Arbeitsmittel sicher ist. Ist vom Hersteller kein geeigneter Nachweis zu bekommen oder bestehen selbst beim Vorliegen eines solchen berechtigte Zweifel, dann führt kein Weg an einer Prüfung, für die der Arbeitgeber zu sorgen hat, vorbei.
Prüfforderungen
Eine Erst- oder Inbetriebnahmeprüfung sehen aktuell folgende Vorschriften vor:
- §4 Abs. 5 BetrSichV: Überprüfung von Schutzmaßnahmen
- §14 Abs. 1 BetrSichV: wenn die Sicherheit von den Montagebedingungen abhängt
- §5 Abs. 1 Nr. 1 DGUV-Vorschrift 3: immer
Dagegen lassen folgende Vorschriften ein Absehen von der Erstprüfung zu:
- §3 Abs. 4 BetrSichV: Vertrauen auf die vom Hersteller gelieferten Informationen
- §5 Abs. 4 DGUV-Vorschrift 3: Vorliegen einer Herstellererklärung
Im §3 Abs. 1 BetrSichV wird klargestellt, dass eine am Arbeitsmittel angebrachte CE-Kennzeichnung keine ausreichende Arbeitsschutzqualität hat. Es ist in jedem Fall eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.
Daraus ergibt sich zusammenfassend: Das von §4 Abs. 5 Betr SichV verlangte Überprüfen der Schutzmaßnahmen, welches grundsätzlich nicht zwingend durch befähigte Personen erfolgen muss, ist für elektrische Arbeitsmittel nur mittels Einsatz von geeigneten Prüfgeräten möglich. Die elektrotechnischen Schutzmaßnahmen lassen sich nicht vollumfänglich durch laienhafte Inaugenscheinnahme verifizieren. Daher ist bei elektrischen Arbeitsmitteln immer eine Erstprüfung nach §4 Abs. 5 BetrSichV zum Beispiel durch eine Elektrofachkraft erforderlich. Diese Prüfung kann nur aufgrund einer vorliegenden Herstellererklärung nach §5 Abs. 4 DGUV-Vorschrift 3 in Verbindung mit §3 Abs. 4 BetrSichV entfallen.
Herstellererklärung
Ein Muster einer nach der Regelung des §5 Abs. 4 DGUV-Vorschrift 3 als Ersatz für eine Prüfung vor Inbetriebnahme geeigneten Herstellererklärung bietet der DGUV-Grundsatz 303–003 (GUV‑G/BGG 960). Hierin soll der Hersteller erklären, dass das elektrische Arbeitsmittel (dort Betriebsmittel genannt) entsprechend den Bestimmungen der Unfallverhütungsvorschrift „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ DGUV-Vorschrift 3 beschaffen ist.
Interessanterweise enthält die DGUV-Vorschrift 3 keine direkt genannten Beschaffenheitsanforderungen, sondern stellt nur in §3 Abs. 1 Satz 2 fest, dass
- „… Betriebsmittel den elektrotechnischen Regeln entsprechend betrieben“ werden müssen.
Wenn sie also den elektrotechnischen Regeln entsprechend betrieben werden müssen, dann müssen sie zunächst den elektrotechnischen Regeln entsprechen. Dies wird untermauert durch Abs. 2, in dem festgehalten ist, dass sofern ein Mangel vorliegt, das Arbeitsmittel nicht (mehr) den Regeln entspricht. Ein mangelfreies elektrisches Arbeitsmittel muss also den elektrotechnischen Regeln entsprechen.
Welche Regeln das sind, wird ebenfalls zunächst nicht erwähnt. Hierzu wird in §2 Abs. 2 DGUV-Vorschrift 3 global auf die allgemein anerkannten Regeln der Elektrotechnik, die in den Bestimmungen des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) enthalten sind und auf die der Unfallversicherungsträger verwiesen hat, hingewiesen. Die einschlägigen VDE-Bestimmungen sind in Anhang 3 der DGUV-Vorschrift 3 aufgeführt. Anhang 3 verweist auf die Bestimmungen DIN VDE 0105–100, DIN VDE 0104 und DIN VDE 0800–1. Von Interesse ist die DIN VDE 0105–100 „Betrieb von elektrischen Anlagen“. Diese verweist ihrerseits in Abschnitt 4.1.101 auf alle Errichter- das heißt Herstellerbestimmungen. Mit dem Verweis auf die DIN VDE 0105–100 hat der Unfallversicherungsträger alle Herstellerbestimmungen, sofern es sich dabei um allgemein anerkannte Regeln der Technik handelt, als im Sinne der Beschaffenheitsanforderungen der DGUV-Vorschrift 3 inkorporiert und demzufolge als anzuwenden erklärt.
Erklärt also der Hersteller auf der Vorlage des DGUV-Grundsatzes 303–003, dass sein Arbeitsmittel den Beschaffenheitsanforderungen der DGUV-Vorschrift 3 entspricht, so erklärt er dadurch, dass sie den für dieses Produkt geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik in den jeweiligen Errichter-/Herstellerbestimmungen des VDE entsprechen. Ein Umkehrschluss dürfte zulässig sein.
Aufgrund des zu beachtenden Produktsicherheitsgesetzes in Verbindung mit der 1. Produktsicherheitsverordnung (Niederspannungsverordnung) hat der Hersteller für die meisten elektrischen Arbeitsmittel (Ausnahmen siehe §2 1. ProdSV) in einer Konformitätserklärung die Beachtung der Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) sowie die Übereinstimmung mit den Schutzzielen des Anhangs I der Richtlinie zu bestätigen. Darüber hinaus sind die angewendeten harmonisierten, internationalen oder nationalen Normen, auf die sich die Konformitätsvermutung zurückführen lässt, aufzuführen. Es wird dadurch gemäß §3 1. ProdSV weiterhin bestätigt, dass
- das elektrische Arbeitsmittel entsprechend dem in der EU geltenden Stand der Sicherheitstechnik hergestellt wurde und
- bei ordnungsgemäßer Installation und Instandhaltung und bei bestimmungsgemäßer Verwendung die Gesundheit und Sicherheit von Menschen, Haus- und Nutztieren sowie Gütern nicht gefährden.
Diese Erklärung entspricht damit dem, was §5 Abs. 4 DGUV-Vorschrift 3 als Herstellererklärung fordert. Bemerkenswert dürfte sein, dass der Hersteller mit einer Erklärung entsprechend DGUV-Grundsatz 303–003 nicht bestätigt, dass er das Arbeitsmittel geprüft hätte, sondern nur behauptet, dass es den Beschaffenheitsanforderungen entspricht – nichts anderes erklärt er mit der Konformitätserklärung. Da beide Erklärungen im Grunde und in diesem Kontext dasselbe aussagen, dürften sie zumindest in dieser Hinsicht äquivalent sein (was ausdrücklich nicht heißen soll, dass die Herstellererklärung ein Ersatz für die Konformitätserklärung sein kann).
Die Niederspannungsrichtlinie gilt für elektrische Arbeitsmittel in den Spannungsgrenzen 50V bis 1000V AC beziehungsweise 75V bis 1500V DC, die nicht aufgrund §2 1. ProdSV ausgenommen wurden. Für elektrische Arbeitsmittel unterhalb dieser Grenzen würde vorstehende Argumentation nicht gelten. Allerdings ist unterhalb von 50V AC und 60V DC bei üblichen Einsatzbedingungen meist nicht mit einer elektrischen Gefährdung zu rechnen.
Im Ergebnis ist festzustellen: Eine Konformitätserklärung, die die Beachtung der Niederspannungsrichtlinie sowie der für das jeweilige Arbeitsmittel einschlägigen allgemein anerkannten Regeln der Technik dokumentiert, kann als Herstellererklärung im Sinne der DGUV-Vorschrift 3 und damit als Ersatzmaßnahme für eine Inbetriebnahmeprüfung angesehen werden.
Wird das elektrische Arbeitsmittel innerhalb seines Einsatzbereichs installiert, dann wäre vom Errichter/Installateur lediglich noch die ordnungsgemäße Installation zu bestätigen und vom Betreiber die ordnungsgemäße Instandhaltung sowie der bestimmungsgemäße Gebrauch sicherzustellen.
Gefährdungsbeurteilung
Jedoch sei angemerkt: Bevor sich über Prüfungen oder deren Substitution Gedanken gemacht werden, ist es notwendig, eine Gefährdungsbeurteilung gemäß §3 Abs. 1 BetrSichV durchzuführen, in der notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten wären. Zu den Schutzmaßnahmen gehört insbesondere eine den zu erwartenden Umgebungseinflüssen und der örtlichen Gemengelage angepasste Auswahl des elektrischen Arbeitsmittels. Anhaltspunkte dazu gibt die DGUV-Information 203–005 (BGI 600). Der Ansatz sei also nicht, zuerst zu klären, welche Prüfungen durch wen durchzuführen sind, sondern festzustellen, welche Gefährdungen vom Arbeitsmittel ausgehen und festzulegen, wie diesen beizukommen ist. Prüfungen können dann eine Maßnahme dazu sein.
Bedeutung des Einkaufs
Zur Umsetzung der Maßnahmen aus der Gefährdungsbeurteilung kommt dem Einkauf sowohl als Stelle als auch als betrieblicher Funktion entscheidende Bedeutung zu. Der Einkauf hat nämlich neben einer kostengünstigen Beschaffung vor allem auf die Sicherheit der zu beschaffenden Arbeitsmittel zu achten. Hierbei hat er sich an den in der Gefährdungsbeurteilung für den jeweiligen Einsatzzweck festgelegten Ausstattungsmerkmalen zu orientieren. Wurde aufgrund der zu erwartenden mechanischen Beanspruchung des Arbeitsmittels eine Anschlussleitung nach H07RN‑F oder H07BQ‑F vorgegeben, so darf nicht – weil es billiger scheint und die Funktion zunächst nicht direkt beeinträchtigt – H05VV‑F eingekauft werden.
Gerade solche Merkmale kann aber auch der Laie, dem eine aussagefähige Checkliste an die Hand gegeben wurde, bei der Übernahme vom Lieferanten prüfen. Die Leitungsqualität ist wie auch die Ausführung und der Querschnitt (zum Beispiel 3x1,5G) auf der Leitung aufgedruckt. Auch einen sachgerechten Knickschutz erkennt der Laie durch einfaches Probieren. Die IP-Schutzart, die einen Rückschluss auf die Umgebungsbedingungen zulässt, kann er genauso am Typenschild ablesen wie das Vorhandensein eines GS-Zeichens. Die Konformitätserklärung liegt dem Gerät bei und sollte im Rahmen der Geräteinventarisierung auffindbar abgelegt werden. Eine am Einsatzzweck und den Einsatzbedingungen orientierte Gefährdungsbeurteilung verbunden mit für den elektrotechnischen Laien am Wareneingang verständlichen Checklisten sollte die oben erwähnte Pflicht aus §4 Abs. 5 BetrSichV erfüllen. Werden Prüfpunkte der Checkliste nicht erfüllt, so muss der Arbeitsmittel zurückgehalten und vor einem eventuellen Einsatz einer befähigten Person oder verantwortlichen Elektrofachkraft zu Begutachtung vorgelegt werden.
Fazit
Auf die Inbetriebnahmeprüfung kann also unter Übernahme der oben geführten Argumentation beim Vorliegen einer aussagekräftigen Konformitätserklärung nach Niederspannungsrichtlinie verzichtet werden, wenn
- das Arbeitsmittel zu den Umgebungsbedingungen passt und
- verschleißorientiert Instandhaltungsmaßnahmen und insbesondere der Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung festgelegt wurden.
Bestehen dennoch berechtigte Zweifel, so führt an einer vom Arbeitgeber/Betreiber zu organisierenden Erstprüfung kein Weg vorbei.
1 In anderen Bereichen sind entsprechende Parallelvorschriften bereits vollständig harmonisiert, meist zugunsten des staatlichen Rechts weggefallen oder sahen nie Inbetriebnahmeprüfungen vor.
2 Im Bereich der Unfallkassen DGUV-Vorschrift 4
Autor: Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH), Master of Laws (LL.M.) Markus Klar
EABCon-Ingenieurbüro, Greiz
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