Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist nach wie vor stark verbreitet. Das zeigt eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Jede elfte erwerbstätige Person (neun Prozent der Befragten) hat demnach in den vergangenen drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Frauen waren mit einem Anteil von 13 Prozent mehr als doppelt so häufig wie Männer (fünf Prozent) betroffen.
Wer belästigt am häufigsten?
Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Belästigungen ging von Dritten – Kundinnen und Kunden, Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten – aus. Bei 43 Prozent der belästigenden Personen handelte es sich um Kolleginnen und Kollegen; bei 19 Prozent waren es Vorgesetzte oder betrieblich höhergestellte Personen.
Sprüche, Blicke und Gesten
Der Studie zufolge wurden von den Betroffenen am häufigsten verbale Belästigungen wie sexualisierte Kommentare (62 Prozent) oder Belästigungen durch Blicke und Gesten (44 Prozent) genannt. Unerwünschte Berührungen oder körperliche Annäherungen erfuhren rund ein Viertel (26 Prozent) der Betroffenen. Bei den meisten Belästigungserfahrungen handelte es sich nicht um einmalige Vorfälle – acht von zehn der Befragten erlebten mehr als eine solche Situation. Darüber hinaus gaben 82 Prozent der Betroffenen ausschließlich oder überwiegend Männer als Täter an.
Erniedrigend, abwertend und bedrohlich
Die Studie zeigt außerdem, dass die Betroffenen sexuelle Belästigung vielfach als erniedrigend und abwertend sowie auch als bedrohlich empfanden. So sagten 48 Prozent der betroffenen Frauen, sie hätten sich durch die Belästigung mittel bis sehr stark erniedrigt und abgewertet gefühlt (Männer 28 Prozent). Von mittelstarken bis sehr starken psychischen Belastungen berichteten 41 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer. 30 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer empfanden die Situation als mittel bis stark bedrohlich.
Die meisten wehren sich
Die Mehrheit der Betroffenen gab an, sich unmittelbar nach der Belästigung verbal gewehrt zu haben (66 Prozent). In späterer Folge wandten sich vier von zehn Betroffenen sexueller Belästigung an Dritte, davon am häufigsten an Kolleginnen und Kollegen (47 Prozent), Vorgesetzte (36 Prozent), Freundinnen/Freunde oder Familie (15 Prozent) oder Beratungsstellen beziehungsweise therapeutische Einrichtungen (elf Prozent). Umgerechnet auf alle Betroffenen haben damit nur vier Prozent eine professionelle Unterstützung in Beratungsstellen und anderen Einrichtungen gesucht.
Mehr als 40 Prozent aller Beschäftigten hatten keine Kenntnis über betriebsinterne Beschwerdestellen bei Diskriminierung und sexueller Belästigung. Gesetzlich sind nach § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) alle Arbeitgeber verpflichtet, eine betriebsinterne Beschwerdestelle einzurichten und Informationen über solche Stellen bekannt zu machen.
Informationskampagne #betriebsklimaschutz
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes startet zeitgleich zur Veröffentlichung der Studie die Informationskampagne #betriebsklimaschutz, die Arbeitgebern Hilfestellungen gibt, wie sie effektiv ihren Schutzpflichten nachkommen und sexueller Belästigung vorbeugen können.
Über die Studie
Die Studie „Strategien im Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention“ wurde von Juni 2018 bis Mai 2019 durchgeführt, geleitet von Vertr. Prof. Dr. Monika Schröttle am Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg (ifes). Sie beinhaltet eine vom Bielefelder SOKO Institut durchgeführte repräsentative Telefonbefragung von 1.531 Personen, die in den vergangenen drei Jahren beschäftigt waren (inklusive Auszubildenden, Praktikantinnen/Praktikanten und Selbständigen), einen qualitativen Studienteil mit Vertiefungsinterviews von Betroffenen sowie Fokusgruppendiskussionen mit verschiedenen Zielgruppen. Daneben wurden Rechtsfälle ausgewertet.
Die vollständigen Studie kann hier eingesehen werden.
Eine Kurzfassung gibt es hier.
https://www.antidiskriminierungsstelle.de