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Wann gilt Rufbereitschaft als Arbeitszeit?

Umstände im Einzelfall entscheidend
Wann gilt Rufbereitschaft als Arbeitszeit?

Wann gilt Rufbereitschaft als Arbeitszeit?
Foto: © benjaminnolte - stock.adobe.com
Bere­itschaft­szeit­en sind in vie­len Berufen Pflicht. Wann sie als Arbeit­szeit anzuse­hen sind und was für die Vergü­tung gilt, hat der Europäis­che Gericht­shof (EuGH) in einem aktuellen Urteil entsch­ieden. Danach stellt Bere­itschaft­szeit in Form ein­er Ruf­bere­itschaft nur dann in vollem Umfang Arbeit­szeit dar, wenn der Arbeit­nehmer durch die aufer­legten Ein­schränkun­gen ganz erhe­blich in der Gestal­tung sein­er Freizeit beein­trächtigt wird.

In dem zugrun­deliegen­den Fall ging es um einen Feuer­wehrbeamten der Stadt Offen­bach am Main, der neben sein­er reg­ulären Dien­stzeit regelmäßig Bere­itschaft­szeit­en in Form von Ruf­bere­itschaft leis­ten musste. Für diese Zeit­en war ihm zwar kein bes­timmter Aufen­thalt­sort vorgegeben, er musste aber erre­ich­bar sein und im Alarm­fall inner­halb von 20 Minuten in Ein­satzk­lei­dung mit dem Ein­satz­fahrzeug die Stadt­gren­zen von Offen­bach erre­ichen kön­nen. Der Feuer­wehrmann war der Ansicht, dass die Ruf­bere­itschaft wegen der damit ver­bun­de­nen Ein­schränkun­gen als Arbeit­szeit anerkan­nt und entsprechend vergütet wer­den müsse. Weil sein Arbeit­ge­ber seinen Antrag abgelehnt hat­te, lan­dete der Fall vor dem Ver­wal­tungs­gericht Darm­stadt. Dieses wiederum legte den Fall dem EuGH vor.

Bereitschaft am Arbeitsplatz gilt als Arbeitszeit

In sein­er Entschei­dung weist der Gericht­shof ein­lei­t­end darauf hin, dass Bere­itschaft­szeit­en eines Arbeit­nehmers entwed­er als Arbeit­szeit oder als Ruhezeit einzustufen sind, da bei­de Begriffe einan­der auss­chließen. Dabei sei die Zeit, in der der Beschäftigte nicht für seinen Arbeit­ge­ber tätig sei, nicht zwangsläu­fig eine Ruhezeit. Hierzu hat­te der EuGH bere­its früher entsch­ieden, dass Bere­itschaft­szeit automa­tisch als Arbeit­szeit gilt, wenn der Arbeit­nehmer während­dessen verpflichtet ist, sich an seinem Arbeit­splatz zur Ver­fü­gung zu halten.

Nicht jede Einschränkung zählt

Der Gericht­shof urteilte nun, dass darüber hin­aus Bere­itschaft­szeit­en, auch in Form von Ruf­bere­itschaft, als Arbeit­szeit einzustufen sind, wenn die dem Beschäftigten aufer­legten Ein­schränkun­gen die Möglichkeit, seine Freizeit frei zu gestal­ten und sich seinen eige­nen Inter­essen zu wid­men, ganz erhe­blich beein­trächti­gen. Gebe es solche Ein­schränkun­gen nicht, könne nur die Zeit als Arbeit­szeit ange­se­hen wer­den, in der während der Bere­itschaft tat­säch­lich eine Arbeit­sleis­tung erbracht werde. Dabei kön­nen nur solche Ein­schränkun­gen berück­sichtigt wer­den, die durch nationale Rechtsvorschriften, einen Tar­ifver­trag oder den Arbeit­ge­ber aufer­legt wer­den. Rein organ­isatorische Schwierigkeit­en, die eine Bere­itschaft­szeit infolge natür­lich­er Gegeben­heit­en oder der freien Entschei­dung des Arbeit­nehmers für ihn mit sich brin­gen kann, reichen nach Auf­fas­sung der Richter nicht aus, um die Bere­itschaft­szeit als Arbeit­szeit zu werten. Als Beispiel nan­nte der Gericht­shof den Fall, dass der Arbeit­nehmer ein Gebi­et, das nur wenige Möglichkeit­en für Freizeitak­tiv­itäten bietet, wegen der Ruf­bere­itschaft prak­tisch nicht ver­lassen kann.

Zeitfrist und Einsatzhäufigkeit

Der EuGH hob her­vor, dass die nationalen Gerichte unter Gesamtwürdi­gung aller Umstände des Einzelfalls prüfen müssen, ob die Ruf­bere­itschaft als Arbeit­szeit einzustufen ist. Als Wer­tungs­gesicht­spunk­te seien beispiel­sweise die Angemessen­heit der Frist, inner­halb der­er die Arbeit aufgenom­men wer­den müsse, sowie die zu erwartende Häu­figkeit der Ein­sätze während der Bere­itschaft zu berücksichtigen.

Geringere Vergütung möglich

Weit­er stellte der Gericht­shof klar, dass die Vergü­tung der Bere­itschaft­szeit unab­hängig sei von der Frage, ob es sich um Arbeit­szeit han­dele oder nicht. Nationale Regelun­gen, Tarif- oder Arbeitsverträge, die für Bere­itschaft­szeit­en, in denen keine tat­säch­liche Arbeit geleis­tet wird, eine gerin­gere Vergü­tung vorse­hen als für Zeit­en der tat­säch­lichen Arbeit­sleis­tung, seien mit EU-Recht vereinbar.

(Urteil des Europäis­chen Gericht­shofs vom 09.03.2021, Az. C‑580/19)

Autorin: Tan­ja Sautter

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