Ehrenamtlich engagierte Personen dürfen beim Schutz ihrer Gesundheit nicht schlechter gestellt werden als regulär Beschäftigte. Dies wurde in der Neufassung der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ deutlich herausgestellt. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Freiwilligen Feuerwehren? Was muss der jeweilige Träger beurteilen und wie geht er sinnvollerweise vor?
Dipl.-Geogr. Thomas Rhiel Unfallkasse Hessen t.rhiel@ukh.de
Die Verpflichtung, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten verlässlich sicherzustellen, hat der Gesetzgeber mit dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) weitestgehend in die Hände der Verantwortlichen in den Unternehmen (Arbeitgeber bzw. Unternehmer) gelegt. Der Unternehmer hat alle Gefährdungen zu ermitteln, zu bewerten und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung festzulegen. Dies sollte sinnvollerweise nach dem TOP-Prinzip („Technische Maßnahme“ vor „Organisatorische Maßnahme“ vor „Persönliche Maßnahme“) erfolgen.
Die Wirksamkeit der Maßnahmen muss der Unternehmer regelmäßig kontrollieren und gegebenenfalls dem aktuellen Stand der Technik anpassen. Außerdem wird eine Dokumentationspflicht formuliert. Der Unternehmer muss über die „(…) erforderlichen Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind“ (§ 6 ArbSchG). Es handelt sich hier um nicht weniger als einen grundsätzlichen Systemwandel – weg von eher starren Vorgaben hin zu größerer Flexibilität, aber auch zu mehr Eigenverantwortung. Die Rahmenbedingungen in Bezug auf Beschäftigte sind somit klar.
Wie sieht es aber für das Ehrenamt, speziell für den Bereich der Freiwilligen Feuerwehr aus? Hier geht es nicht um Beschäftigte. Müssen auch deren Gefährdungen bei Einsatz- und Tätigkeitsbereichen beurteilt werden? Und wer ist eigentlich für die Durchführung der Beurteilung verantwortlich? Und wer für das Ergebnis? Fragen, die insbesondere für Ehrenbeamte eine hohe Relevanz haben können.
Rechtlicher Rahmen
Unstrittig ist, dass ehrenamtlich engagierte Personen nicht schlechter gestellt werden dürfen als Beschäftigte. Dieser Anspruch ist in § 3 (5) der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ eindeutig formuliert. Daraus ergibt sich folgerichtig, dass auch deren Tätigkeitsbereiche beurteilt werden müssen.
Bei den Feuerwehren ist die Lage aber komfortabel, weil die Durchführungsanweisung zu § 3 (5) DGUV Vorschrift 1 klarstellt:
„Bei den Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz (zum Beispiel Freiwilligen Feuerwehren, THW, Rettungsdiensten) entsprechen die nach dem spezifischen Vorschriften- und Regelwerk der DGUV für diese Betriebsart und den Dienstvorschriften zu ergreifenden Maßnahmen in der Regel den Maßnahmen, die infolge einer Gefährdungsbeurteilung zu ergreifen wären. Ihre Beachtung erfüllt daher im Allgemeinen die Gleichwertigkeit im Sinne des § 3 Abs. 5 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“.
Somit sind die Tätigkeiten und Situationen, für die es klare Regelungen in den Dienstvorschriften gibt, von der Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung ausgenommen. Die Einsatzsituationen werden detailliert in den Feuerwehr-Dienstvorschriften (FwDV), viele andere Aspekte im Regelwerk der DGUV beschrieben. Folgerichtig sind die Bereiche, für die eine Gefährdungsbeurteilung erforderlich wird, relativ überschaubar.
Bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung kann die DGUV-Information 205–021 (ehemals DGUV I 8663) „Leitfaden zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung im Feuerwehrdienst“ wertvolle Hilfestellung bieten. In Hessen hat man den Leitfaden auf landesspezifische Anforderungen angepasst und als Broschüre mit dem Titel „Die Gefährdungsbeurteilung im Feuerwehrdienst“ veröffentlicht.
Was „beurteilt“ werden muss
Alle Tätigkeiten der Freiwilligen Feuerwehr, die nicht den unmittelbaren Vorgaben der Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV) oder den Schriften der DGUV entsprechen, müssen beurteilt werden. Ein Beispiel dafür ist die von manchen Feuerwehren betriebene Werkstatt für einfache Reparaturarbeiten. In den FwDV werden diese Tätigkeiten nicht berücksichtigt. Die dort verwendeten Arbeitsmittel und Geräte müssen somit hinsichtlich ihrer Gefährdungen beurteilt und geeignete Maßnahmen abgeleitet werden. Auch bei manchen Übungen können durch die örtlichen Gegebenheiten besondere Risiken auftreten. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sollte man deshalb konkret festlegen, welche allgemeinen und welche besonderen Bedingungen für die Übungsdurchführung zwingend erfüllt sein müssen. Hat man diese Festlegungen aber einmal getroffen und beispielsweise der Einsatzleitung als Handlungsanweisung zur Verfügung gestellt, so sind die wesentlichen Aspekte der Gefährdungsbeurteilung erfüllt.
Ein weiteres Beispiel ist der Umgang mit den Vorgaben in Bezug auf die „Persönliche Schutzausrüstung“. Unter Umständen kann es aufgrund des Einsatzszenarios möglich sein, von grundsätzlich geforderten Standards abzuweichen. Dies ist zum Beispiel bei Schutzhandschuhen denk- bar. In Hessen beispielsweise werden in Anlage 1 der Feuerwehrbekleidungs- und Dienstgradverordnung bestimmte Leistungsstufen vorgegeben. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man Handschuhe, die den geforderten Leistungsstufen nicht entsprechen, grundsätzlich nicht verwenden darf. Man muss jedoch wissen, wann und wo man sie verwenden kann, und diese Möglichkeiten sollten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zunächst ermittelt und dann für die Einsatzkräfte nachvollziehbar festgelegt werden.
Besonders wichtig wird die Gefährdungsbeurteilung, wenn im Feuerwehrhaus Maßnahmen erforderlich werden, die kurzfristig nicht umgesetzt werden können. Bis die umfassenden technischen Maßnahmen tatsächlich realisiert werden, müssen übergangsweise organisatorische oder in Einzelfällen auch persönliche Maßnahmen festgelegt werden, um die Sicherheit und Gesundheit der Einsatzkräfte zu gewährleisten. Diese Maßnahmen sind dann in der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren. Beispiele sind fehlende Sicherheitsabstände und insbesondere die nicht zulässige DME-Exposition (DME = Dieselmotoremission) von Einsatzkleidung. DME sind als krebserzeugend eingestuft. Hier heißt die kurzfristige – und für eine Übergangszeit häufig auch alternativlose – organisatorische Lösung: Die Einsatzkleidung muss aus der Fahrzeughalle entfernt werden. Eine beispielhafte Dokumentation ist der Tabelle auf dieser Seite zu entnehmen. Wichtig: Ob damit (Nr. 1 in der Tabelle) auf die weitergehenden technischen Maßnahmen (Nr. 2) verzichtet werden kann, muss stets im Einzelfall beurteilt und entschieden werden.
Es gibt sicher noch viele weitere, zum Teil auch regional sehr unterschiedliche Beispiele, die im Rahmen der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung erfasst werden müssen und wo Maßnahmen festzulegen und zu dokumentieren sind.
Wer führt die Gefährdungsbeurteilung durch und wer haftet für das Ergebnis?
Die Verpflichtung liegt grundsätzlich beim Träger der Feuerwehr, also der Institution mit der Unternehmerverantwortung. In Bezug auf die Freiwilligen Feuerwehren ist dies, trotz länderspezifischer Unterschiede in Detailregelungen, üblicherweise die Gemeinde. Die Freiwillige Feuerwehr ist somit wie Verwaltung, Bauhof, Kita, Schwimmbad, Bürgerhaus usw. eine Einrichtung der Kommune. Diese betreibt in jedem Fall die Liegenschaften, die Geräte und ihr gehört das Material. Daraus ergibt sich für die Kommune die Verpflichtung, wie bei den anderen oben genannten Einrichtungen die Gefährdungsbeurteilung auch für die Freiwillige Feuerwehr durchzuführen.
In Hessen z.B. regelt das „Hessische Brand- und Katastrophenschutzgesetz (HBKG) die Aufgaben und Organisation der Feuerwehren. Gemäß § 12 (6) HBKG ist die Gemeindebrandinspektorin oder der Gemeindebrandinspektor „für die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr verantwortlich und hat den Gemeindevorstand in allen Fragen des Brandschutzes und der Allgemeinen Hilfe zu beraten.“ Die Einsatzsituation aber wird im Wesentlichen durch die Feuerwehr-Dienstvorschriften erfasst. In Bezug auf die Gefährdungsbeurteilung liegen somit den Einsatzdienst betreffend nur interne „Sonderregelungen“ explizit im Verantwortungsbereich von Stadt- beziehungsweise Gemeindebrandinspektor. Alles andere ist eine originäre Aufgabe der Kommune beziehungsweise des Unternehmers, also der Kommune, vertreten durch den Bürgermeister.
Sinnvoll ist es natürlich, die Führungskräfte der Feuerwehr an der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung für den Feuerwehrbereich angemessen zu beteiligen. Auch die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsarzt sollten eingebunden werden. Das Thema „Feuerwehr“ ist aber sehr speziell, sodass hier auch sehr spezielle Fachkenntnisse erforderlich sind. Diese Fachkenntnisse sind kein originärer Bestandteil der Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft. In Hessen berät deshalb – auf Nachfrage oder im Rahmen des 5‑jährigen Revisionszyklus – bei technischen Fragestellungen der gemeinsam von der Unfallkasse Hessen und dem Hessischen Innenministerium finanzierte „Technische Prüfdienst Hessen (TPH)“.
Synergien nutzen
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schreibt keine verbindliche Form vor. Allerdings hat sich eine Vorgehensweise bewährt, wie sie beispielsweise in den Schriften der DGUV zum Thema beschrieben wird und wie sie auch im DGUV-Leitfaden konkret dargestellt wird. Dazu gehört, dass man die Gefährdungen ermittelt, das Risiko beurteilt, sich (Schutz-) Ziele setzt, Maßnahmen festlegt, diese umsetzt und anschließend auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegebenenfalls nachbessert (siehe auch Beispiel Tabelle).
Häufig ist es sinnvoll, die bestehende Gefährdungsbeurteilung der Kommune (diese wird sich üblicherweise an dem o.g. Aufbau orientieren) auch auf den Feuerwehrbereich zu übertragen. Dabei lassen sich Synergien nutzen. Wichtige Einzelbausteine der Gefährdungsbeurteilung sind beispielsweise Prüfungen inklusive der Festlegung der Prüffristen und der Qualifikation von sogenannten „Befähigten Personen“ gemäß Betriebssicherheitsverordnung. Jede Kommune ist gut beraten, sich hierfür eine geeignete Organisation zu schaffen, die alle Bereiche der Kommune einbezieht. Elektrische Betriebsmittel, technische Arbeitsmittel und ‑geräte, Gefahrstoffe (die Aufzählung ließe sich noch fortführen) gibt es in vielen Einrichtungen einer Kommune. Somit kann vieles zusammengefasst werden und sollte kein „Fall für die Feuerwehr“ sein, nur weil sich das zu prüfende Objekt im Feuerwehrhaus befindet.
Ob man in der Dokumentation aber immer die übliche Form mit detaillierter Gefährdungserfassung – Risikobewertung – Maßnahmenableitung – Verantwortliche nennen und Fristen setzen – wählt, ist nicht entscheidend. Manchmal reicht es aus, den Beurteilungsweg zu protokollieren und das Ergebnis per Dienstanweisung an die Ausführenden zu übermitteln. In letzter Konsequenz zählt nämlich allein das Ergebnis.
Fazit
Als Verantwortlicher in der Feuerwehr sollte man keine Berührungsängste mit dem Thema Gefährdungsbeurteilung haben. Die Verpflichtung sich darum zu kümmern liegt gemäß Arbeitsschutzgesetz beim Arbeitgeber/Unternehmer, also beim Bürgermeister beziehungsweise der Kommunalverwaltung. Auch wenn es vermutlich nicht ohne Mitarbeit gehen wird, der Aufwand für die ehrenamtliche Arbeit der Gemeindebrandinspektorinnen und Gemeindebrandinspektoren sollte mittelfristig nicht größer werden. Im Gegenteil, die Gefährdungsbeurteilung ist für die Kommune das zentrale Steuerungsinstrument in Sachen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Zu wissen, wie das System funktioniert, macht es nutzbar und hilft dafür zu sorgen, dass die Gesundheit der ehrenamtlichen Kräfte auch bei denjenigen Aufgaben angemessen berücksichtigt wird, die mit dem üblichen Einsatz- und Übungsgeschehen allenfalls am Rande zu tun haben.
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