Mit dem 6. Juni 2012 ist auch die letzte Frist für die Verwendung von dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln abgelaufen: Seitdem dürfen in den EU-Mitgliedsstaaten gewerbliche Verwender, beispielsweise Malerbetriebe, diese Abbeizer nicht mehr einsetzen.
Bereits ab 6. Dezember 2011 durften Farbabbeizer, die Dichlormethan (DCM) in einer Konzentration von 0,1 % oder mehr enthielten, nicht mehr in den Verkehr gebracht werden; für Hersteller und Importeure griff das Verbot für diese Abbeizer-Formulierungen noch ein Jahr früher, schon am 6. Dezember 2010.
Die Grundlage für das in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gültige Verbot lieferte die Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur „Änderung der Richtlinie 76/769/EWG in Bezug auf Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von Dichlormethan“.
EU-weites Verbot
„Es ist ein gutes Ergebnis, dass in Europa niemand mehr diesem großen Gefahrenpotential ausgesetzt ist“, sagt Dr. Gerald Altnau, Vorsitzender von EASCR, einem europäischen Verband, der sich intensiv für den Einsatz DCM-freier Abbeizer engagiert hat. Mit leicht skeptischem Unterton fügt er dann allerdings hinzu: „Hoffentlich bleibt das auch so.“ Hintergrund für dieses EU-weite Verbot ist, dass es bei Arbeiten mit DCM-Abbeizern in der Vergangenheit immer wieder schwere Unfälle bis hin zu Todesfällen gab, sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich. DCM verdunstet sehr schnell, wirkt wie ein Narkosemittel und kann zur Bewusstlosigkeit und im schlimmsten Fall zum Tode führen. DCM-Dämpfe sind schwerer als Luft und verbleiben somit am Verarbeitungsort, falls nicht für intensives Durchlüften gesorgt wird. Wird der Verwender an einem solchen Arbeitsplatz bewusstlos, besteht die Gefahr des Erstickens. Für DCM besteht zudem der Verdacht auf krebserzeugende Wirkung.
„Es ist auch ein gutes Zeichen, dass bisher kein Mitgliedsstaat eine Ausnahmeregelung für sein Hoheitsgebiet erteilt hat. Zumindest hat die Kommission bislang auf keine diesbezügliche Anzeige eines EU-Landes hingewiesen“, so Altnau. Grundsätzlich kann ein Mitgliedsstaat Ausnahmen von diesem DCM-Abbeizerverbot zulassen, allerdings nur für speziell geschulte gewerbliche Anwender. Gleichzeitig sind dafür umfassende Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheits- und Personenschutzes einzuhalten, nachzuweisen und staatlicherseits zu kontrollieren. Arbeitsplatzgrenzwerte und Vorschriften über Schutzmaßnahmen, die beim Verarbeiten von DCM-Abbeizern zu befolgen waren, gab es auch bereits vor dem Verbot, nur wurden diese in der Regel ignoriert. – Eine Ausnahmeregelung ist der EU-Kommission offiziell anzuzeigen, die dies dann veröffentlicht.
„Prinzipiell kann jedes Land diese Ausnahmegenehmigung zu jedem beliebigen Zeitpunkt erlassen – also auch noch nach Jahren“, begründet Gerald Altnau seine zuvor angedeutete Skepsis. „Dabei wurde offiziell festgestellt, dass sich alle Beschichtungen inzwischen problemlos mit geeigneten dichlormethanfreien Abbeizmitteln entfernen lassen. Eine Rückkehr zur Dichlormethan-Gefahr wäre somit äußerst fatal“, meint er und empfiehlt hierzu einen Blick auf die DCM-Unfallstatistik, systematisch dokumentiert auf der Website www.eascr.com.
Todesfälle dokumentiert
Die Unfallstatistik auf der EASCR-Website weist insgesamt 781 Unfälle – davon allein 71 Todesfälle – beim Umgang mit DCM-Abbeizern aus. Hierunter sind auch 13 Todesfälle aus den USA in den Jahren 2000 bis 2011, durchgängig aufgetreten im professionellen Bereich beim Abbeizen von Badewannen mit DCM-haltigen Mitteln. Die erst Anfang dieses Jahres dazu veröffentlichte Untersuchung amerikanischer Gesundheitsorganisationen richtet in den USA erstmals den Fokus auf die Gefährdung durch DCM-Abbeizer. Die Studie weist auch darauf hin, dass dichlormethanhaltige Abbeizer heute nach wie vor selbst für den Do-it-Yourself-Bereich in vielen US-amerikanischen Verkaufsregalen angeboten werden. Gefordert wird eine umfassende Aufklärungskampagne über die Gefahren von Dichlormethan und die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen.
Europa ist mit dem DCM-Abbeizerverbot inzwischen deutlich weiter, allerdings waren dem viele Schritte und Initiativen vorausgegangen. Auch hier hatte die überwiegende Mehrheit der Malerbetriebe nicht das notwendige Wissen, wie sie ihre Mitarbeiter vor den DCM-Gefahren adäquat schützen sollten, was zudem noch sehr viel teurer ist als bei DCM-freien Produkten. Die Kenntnis über alternative Produkte war häufig gar nicht vorhanden. Um diese Informationslücke zu schließen, hatten führende europäische Hersteller von anwenderfreundlichen Abbeiz- und Reinigungsmitteln Ende Januar 2006 EASCR gegründet. Der Verband hatte sich zum Ziel gesetzt, Unternehmen, Behörden und Verbraucher über die Gefahren beim Arbeiten mit dichlormethanhaltigen Abbeizern aufzuklären und wirksame, sichere Alternativen europaweit bekannt zu machen, deren Entwicklung und Markteinführung zu fördern. Die EASCR-Website bietet hierzu umfangreiche, ständig aktualisierte Informationen.
„Mit dem Inkrafttreten des DCM-Abbeizerverbots ist eines der großen Ziele von EASCR erreicht. Damit wird unser Engagement allerdings keinesfalls überflüssig“, resümiert Gerald Altnau: „Farbabbeizer enthalten immer Lösemittel. Auch wenn DCM hierfür nicht mehr verwendet werden darf, heißt dies keinesfalls, dass alle anderen Formulierungen ungefährlich wären. Abbeizer sind immer auch chemische Produkte, die so reaktiv sein müssen, dass sie Farboberflächen angreifen. Zurzeit machen wir uns im Verband darüber Gedanken, wie man Abbeizer-Formulierern und Anwendern bei der Auswahl der Lösemittel helfen kann, um effektive Abbeizer mit möglichst geringem Risiko zu entwickeln oder zu erkennen. Das Wissen über die verwendeten Substanzen wird durch REACH immer umfangreicher und sollte darum auch genutzt werden. – Und natürlich werden wir die Umsetzung des DCM-Abbeizerverbots in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten auch weiterhin aufmerksam verfolgen.“
Weitere Informationen: Dr. Gerald G. Altnau EASCR European Association for Safer Coatings Removal www.eascr.com Tel.: 0171–9919831 E‑Mail: Gerald.Altnau@eascr.com
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