Amerikanische Wissenschaftler behaupten, dass Leitern gefährlicher seien als Motorsägen. Denn vor Motorsägen hat man Respekt. Die Gefahren einer Leiter werden dagegen oft unterschätzt. Und so passieren mit Leitern viele und schwere Unfälle. Doch warum ist das so? Und was kann man dagegen tun?
Bettina Brucker
Leitern und Tritte nutzt man viel zu oft, ohne nachzudenken. Da ist zum Beispiel nur noch schnell etwas an der Wand zu montieren. Eigentlich ist man mit allen Arbeiten schon fertig. Deshalb nicht lang überlegt, her mit der Leiter, sie aufgestellt, hochgestiegen und … runtergefallen. Weil der Untergrund voller Abdeckmaterial war und Dinge im Weg standen, war die Leiter nicht standsicher aufgestellt worden. Die Folge: Sie kippte zunächst nur leicht, kam dann ins Rutschen und schon war der Absturz nicht mehr zu verhindern.
Leichtsinn und Nachlässigkeit sind die häufigsten „Fehltritte“, wenn ein Unfall mit einer Leiter passiert. Die vermeintlich „geringe“ Höhe wird nicht ernst genommen. Jeder denkt, er könne im Falle eines Falles noch schnell abspringen. Wenn die Leiter wackelt oder gar kippt, endet der Sprung aber meist schmerzhaft, manchmal sogar tödlich.
Die meisten Sturzunfälle ereignen sich allerdings nicht aus großer Höhe, sondern von der untersten Sprosse. Denn bei großen Höhen fühlt man sich eher unsicher und passt deshalb besser auf. Die Alarmsignale des eigenen Körpers schützen einen so vor leichtsinnigen Aktionen.
Aber auch Stürze aus geringer Höhe können schwere Folgen haben, unter anderem aus dem Grund, weil man keine Zeit hat, sich vor einem Aufprall abzustützen.
Auch wer zu den Profis zählt und statt Stuhl oder Kiste eine Leiter einsetzt, um nach oben zu steigen, kommt nicht immer heil oben beziehungsweise danach wieder unten an. Denn eine Leiter an sich ist noch keine sichere Aufstiegshilfe. Im gewerblichen Bereich ereignet sich etwa alle 12 Minuten ein Leitersturz. In 95 Prozent der Fälle ist menschliches Fehlverhalten die Ursache.
Zu den häufigsten Fehlern beim Umgang mit Leitern zählen:
- falsches Aufstellen,
- falsche Belastung etwa durch weites seitliches Hinauslehnen,
- der Einsatz von schadhaften Aufstiegshilfen sowie
- das Arbeiten mit hohem Krafteinsatz auf einer ungesicherten Leiter.
Der Arbeitgeber muss für Sicherheit sorgen
Grundsätzlich muss der Arbeitgeber Leitern und Tritte regelmäßig auf Sicherheit hin überprüfen oder überprüfen lassen. Die Prüfung ist von einer befähigten Person durchzuführen und zu dokumentieren. Hierfür hat sich bewährt, die Leitern im Betrieb zu nummerieren und ein Kontrollbuch anzulegen. Beschädigtes Material ist sofort aus dem Verkehr zu ziehen.
Gepflegtes Material ist aber nur die eine Seite, wenn es um die Sicherheit von Leitern und Tritten geht.
Denn nur wenn eine Leiter richtig eingesetzt und ordnungsgemäß damit umgegangen wird, kann man mit ihr sicher in die Höhe steigen.
Damit alle Bescheid wissen, welche Leiter sie wann benutzen dürfen, wie sie diese sicher besteigen und darauf arbeiten, dafür sind Unterweisungen und regelmäßige Schulungen Pflicht.
Hier heißt es aufgepasst!
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- Schadhafte Leitern nicht benutzen!
- Leitern nicht auf unebenen Boden stellen!
- Angebrochene Sprossen nicht flicken!
- Holzleitern nicht deckend anstreichen!
- Leitern nicht überlasten!
- Sich nicht zu weit auf der Leiter hinauslehnen.
- Stehleiter nicht als Anlegeleiter benutzen!
- Oberste Sprosse oder Stufe nicht betreten!
- Keine schweren Arbeiten auf der Leiter ausführen!
- Nie mit Stehleitern wie mit Stelzen durch den Raum marschieren!
- Nie von einer Stehleiter auf einen anderen höheren Arbeitsort steigen!
So ist es besser und sicherer:
- Den Körperschwerpunkt stets zwischen den Holmen halten.
- Immer Sprosse für Sprosse auf- und absteigen.
- Stabile, geschlossene, saubere Schuhe tragen.
- Nur ausreichend hohe Leitern benutzen.
- Leitern standsicher auf ebenem und tragfähigem Boden aufstellen.
- Zur Rutschsicherheit können Antirutschmatten verwendet werden.
Jeder Leitertyp hat seine Eigenart
Prinzipiell unterscheidet man zwei Leitertypen: die Anlegeleiter und die Stehleiter. Je nach Tätigkeit und Umfeld kommt nur die eine oder die andere für die Arbeit in Frage. Folgende Unterschiede sind zu beachten:
Anlegeleiter
- Sie ist geeignet für kurzfristige und leichte Arbeiten.
- Die Aufstiegshöhe sollte bei maximal fünf Metern liegen, die Arbeitshöhe bei maximal sieben Metern.
- Man sollte auf den richtigen Anlegewinkel achten, die Ellenbogenprobe gibt hierfür Orientierung.
- Man darf nur an sicheren Stützpunkten und stabilen Wänden anleitern.
- Die Leiter sollte gegen Wegrutschen und Umkippen etwa durch Anbinden oder Einhakvorrichtungen gesichert werden.
- Mit einer Anlegeleiter kann ein Dach bestiegen werden. Dazu muss die Leiter allerdings lang genug sein, d. h. sie muss mindestens einen Meter – das entspricht etwa drei Sprossen – über die Dachkante hinausragen. Zudem müssen an der Ausstiegsstelle Haltevorrichtungen vorhanden sein.
„Ellenbogenmethode“ zeigt Anlegewinkel
Als Merkhilfe kann man sich 70 Grad merken. Denn bei einer Sprossenleiter darf der Winkel zwischen 65 und 75 Grad und bei einer Stufenanlegeleiter zwischen 60 und 70 Grad liegen.
Mit einem einfachen Trick lässt sich dieser Winkel in der Praxis schnell bestimmen: Man stellt die Leiter auf und stellt sich dann seitlich quer an die Leiter heran, so dass der Holm zwischen den Füßen ist. Die Innenkanten des Fußes, der sich zwischen Leiter und Wand befindet, berühren die Leiter.
Wenn man nun in aufrechter Körperhaltung den Arm seitlich abwinkelt, muss der Ellenbogen den Holm berühren.
Stehleiter
- Stehleitern können freistehend im Raum eingesetzt werden.
- Sie sind nur für kurzfristige und leichte Arbeiten geeignet.
- Stehleitern dürfen nie als Anlegeleitern benutzt werden.
- Man sollte nur Stehleitern mit Spreizsicherung verwenden.
- Die Stehleiter ist so weit zu öffnen, dass die Spreizsicherung gespannt bzw. eingerastet ist.
- Auf Treppen oder schiefen Ebenen dürfen nur Stehleitern mit Holmverlängerungen eingesetzt werden.
Noch ein paar wichtige Tipps
Leitern sind eigentlich nicht zu übersehen, sollte man meinen. Stehen sie allerdings auf den üblichen Verkehrswegen, also da, wo ständig Mitarbeiter, Kunden oder Passanten vorbeigehen, muss der Bereich aus Sicherheitsgründen abgesperrt werden. Jeder kann sich vorstellen, was passieren kann, wenn jemand aus Versehen gegen die Leiter stößt, auf der sich gerade jemand befindet.
Wer Werkzeug mit nach oben nehmen muss, tut gut daran, dieses sicher in einer Umhängetasche zu transportieren.
Damit der Transport nicht aus der Balance gerät, sollte das Gewicht der Tasche inklusive Inhalt zehn Kilogramm nicht überschreiten.
Holzleitern sollten unbedingt so gelagert werden, dass sie vor Nässe, Kälte und Sonne geschützt sind. Nur so lässt sich gewährleisten, dass das Holz nicht aufquillt oder rutschig wird und mit der Zeit verwittert, morsch wird und Risse bekommt.
Für die verschiedenen Untergründe gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, um die Standsicherheit einer Leiter zu erhöhen. Bei einem harten Boden sollten die Füße zum Beispiel Gummistopfen haben, auf Rasen eignen sich dagegen so genannte Fußspitzen.
Holz oder Aluminium
Beide Materialien haben Vor- und Nachteile. Eine Holzleiter ist viel schwerer als eine aus Aluminium. Allerdings ist sie rutschsicherer und griffiger. Eine Alu-Leiter ist pflegeleichter und unempfindlich gegen Feuchtigkeit.
Alternativen fürs Arbeiten in der Höhe
Nicht immer muss es und nicht immer darf es eine Leiter sein. Bei längerer oder kraftaufwändiger Arbeit muss zum Beispiel ein Gerüst oder eine Hubarbeitsbühne eingesetzt werden. Bevor es also nach oben geht, ist zu prüfen, ob die Leiter überhaupt das geeignete Mittel ist. Verantwortlich dafür ist der Unternehmer.
Podestleiter
Eine sichere Alternative zu den herkömmlichen Sprossen- und Stufenstehleitern ist die Podestleiter. Das Arbeitspodest am Ende der Sprossen ist mit einer Absturzsicherung umwehrt. Von dort lassen sich Montagearbeiten sicher ausführen. Mit Rollen versehen ist eine Podestleiter leicht verfahrbar. Ausziehbare Modelle lassen sich auf verschiedene Arbeitshöhen einstellen.
Arbeitsbühnen/Fahrgerüste
Für längerfristige Arbeiten in der Höhe, etwa bei Installationen oder Montage, bietet eine Leiter keinen guten Stand und keine ausreichende Sicherheit. Das Absturzrisiko ist enorm hoch, wie die Statistik zeigt. Eine kleine Arbeitsbühne kann das Unfallrisiko um 400 Prozent senken und die Produktivität bis zu 70 Prozent steigern.
Ob Trockenbauer, Gärtner oder Hausmeister, viele Berufe müssen hoch hinaus. Dabei sind allerdings die Tätigkeiten und das Umfeld sehr unterschiedlich. Damit die Informationen über Leitern auch richtig ankommen, empfiehlt es sich, bei der jeweiligen Berufsgenossenschaft branchenspezifisches Material zum Umgang mit Leitern zu besorgen.
Informationen gibt es unter anderem hier:
- „Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten“, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), www.dguv.de,
- Bausteine/Merkhefte, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), www.bgbau-medien.de
- „Leiternprüfbuch“, Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM), www.bgetem.de
- „Handbuch für Hausmeister, Hausverwalter und Beschäftigte in der Haustechnik“, VGB, www.vbg.de
Unsere Webinar-Empfehlung
Es gibt viele Fälle, in denen die Fallhöhe für eine herkömmliche Absturzsicherung nicht ausreicht. Beispiele für Arbeiten in geringer Höhe sind z.B. der Auf- und Abbau von Gerüsten, die Wartung von Industrieanlagen und Arbeiten in Verladehallen sowie Anwendungen in der Bahn und…
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