Der Chemikalienmix in modernen Lithium-Ionen-Zellen wird immer leistungsfähiger. Die entzündbaren Bestandteile in einer Lithium-Ionen-Zelle sind in erster Linie die Elektrolytflüssigkeit und das Kathodenmaterial (positive Elektrode). Bei einem Akkubrand passiert jedoch weit mehr, als dass es „nur“ brennt. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und Studien haben sich in den letzten Jahren intensiver damit beschäftigt – vor allem auf Basis von Brandversuchen. Für einen Akkubrand sind demnach folgende Beobachtungen charakteristisch:
- intensive Flammbildung
- rasanter Temperaturanstieg über 1.000 °C
- explosionsartiges Abbrennen
- unter Umständen Gasexplosion unverbrannter Gase
- brennender Trümmerwurf
- starke toxische Rauchentwicklung
Entscheidend für die Brandintensität ist vor allem der Ladestand. Bei Versuchen zeigt sich, dass die erkennbare Reaktion der Zelle, der „Thermal Runaway“, desto heftiger ausfällt, je stärker eine Zelle geladen ist. Da die meisten Brandfälle nachweislich beim Laden entstehen, ist diese Erkenntnis gleich doppelt problematisch.
Besondere Maßnahmen erforderlich
Von Herstellern der akkubetriebenen Geräte werden in den Anwenderinformationen meist vorrangig die Punkte genannt, die für eine lange Lebensdauer notwendig sind. Etwas weiter gehen die Sicherheitshinweise in den Bedienungsanleitungen, mit denen sich die Hersteller bei Schadensfällen rechtlich absichern. Für die betriebliche Verwendung der Energiespeicher sind einige Sicherheitsregeln relevant, die sich aus Empfehlungen vor allem der Feuerwehren, der Versicherungswirtschaft und dem Gesetzgeber zusammensetzen – sowohl aus präventiven als auch schadensmindernden Gesichtspunkten. Als wichtigste Regeln können genannt werden:
- Sicherheitsabstände von 2,5 bis 5 Metern
- nicht brennbare Unterlage und Umgebung
- keine Mischlagerung
- Mengenbegrenzung/-reduktion
- Beaufsichtigung des Ladevorgangs
- Trennung von laden und lagern
- Lagerung nur von UN 38.3 geprüften Batterien (Testnachweis für Transport/Inverkehrbringen)
Zur Umsetzung kommen bauliche, technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen in Frage. Der Umfang des Maßnahmenpakets hängt dabei vor allem von der Menge und Größe der Batterien ab. Nicht zielführend ist es, wenn die oben genannten Regeln außer Acht gelassen werden und sich die Verantwortlichen im Betrieb nur darauf verständigen, dass die Mitarbeitenden bei Gelegenheit eine Sichtkontrolle auf Beschädigungen und Defekte durchführen. Auch Fachleute sehen einem Akku von außen eine innere Schädigung oder Fehlfunktion kaum an!
Akkuschränke bringen Sicherheit
In vielen Branchen werden Akkuschränke als technische Schutzmaßnahme zum sicheren Laden und Lagern von Lithium-Akkus eingesetzt. In einem Brandschutzkonzept sind diese Schränke ein wichtiger Baustein zur Schadensminimierung im Falle einer Havarie oder eines Brandes. Der Markt bietet in diesem Segment mittlerweile eine große Vielfalt an unterschiedlichen Ansätzen, Schutzzielen und Funktionen. Wichtige Merkmale von Akkuschränken sind vor allem:
- ausreichende Feuerfestigkeit
- Rauch- und Branddetektion
- (akustische) Alarmierung
- gegebenenfalls Alarmweiterleitung
- Mobilität im Brandfall
Dabei entwickeln Hersteller ihre Produkte entweder komplett frei nach eigenem Verständnis oder vermitteln ein Gefühl der Sicherheit, indem sie sich auf Produktnormen stützen. Doch gerade in Sachen Normen besteht die Diskrepanz, dass diese allenfalls aus der Gefahrstofflagerung stammen. Sie sind von daher nicht ohne Weiteres auf das Medium Lithium-Batterien anzuwenden beziehungsweise bieten hierfür keine ausreichende Sicherheit.
Zwei weitere Kriterien stehen neuerdings im Fokus der Hersteller:
- spezifischer Brandschutz für Lithium-Batterien
- Explosionsschutz bei Gasexplosion
Während anhand der Produktbeschreibung relativ einfach herauszufinden ist, ob ein Akku-Schrank die erstgenannten Anforderungen erfüllt, gestaltet sich das Abschätzen seiner Eignung für den Brand- und Explosionsschutz deutlich komplizierter. Hier gibt es auch gravierende Unterschiede im Angebot. Einkäufer und Entscheider müssen sich also zwingend etwas mit der Materie auseinandersetzen, da nicht jedes Werbeversprechen im Zweifelsfall eingelöst wird. Denn im täglichen Normalbetrieb werden die Schränke nicht auf Herz und Nieren geprüft, sondern glücklicherweise nur im seltenen Fall des Akkubrands. Dann aber muss alles funktionieren.
Explosion ist nicht gleich Explosion
Ein Batteriebrandversuch ist zwar ein erster Tauglichkeitsnachweis, allerdings wird er von Herstellern fälschlicherweise immer wieder – ob bewusst oder aus Unkenntnis – als „Explosionsversuch“ oder Ähnliches bezeichnet. Im besten Fall kommt es dabei zum explosionsartigen Abbrennen. Im ungünstigsten Fall für den gutgläubigen Anwender gibt sich der Hersteller jedoch im Versuch mit einem Abrauchen und einem eher harmlosen Verlauf des „Thermal Runaway“ zufrieden.
Wenn eine Lithium-Batterie explosionsartig abbrennt und sich mit Knallgeräuschen sowie großer Flammenerscheinung zerlegt, ergibt das eine besondere Beanspruchung, die nur über Batteriebrandversuche getestet werden kann. Schon diese Art Tauglichkeitsversuch weicht in vielerlei Hinsicht vom reinen Brandnachweis am genormten Brandofen ab, wie er etwa bei Sicherheitsschränken mit 90-minütigem Feuerwiderstand erfolgt.
Das größere Problem ist jedoch die Gasentzündung – also die „richtige“ Explosion, wenn die Batterie entzündbare Dämpfe und Gase aus Kathodenmaterial und Elektrolyt in den Schrankinnenraum abbläst, die sich dann durch eine Zündquelle mit lautem Knall entzünden. Diese Beanspruchung stellt den Worst Case dar, weil der Explosionsdruck über fünf bis acht bar betragen und somit zum schlagartigen Versagen des geschlossenen Schranks führen kann. Daher muss gerade dieses Szenario getestet werden. Die tatsächliche Gasexplosion wird bislang jedoch nur von der TÜV Nord Group verlässlich prüfbar gemacht.
Neuer Prüfgrundsatz
Die TÜV Nord Group verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit Lithium-Batterien und entsprechenden Brandversuchen. Vor diesem Hintergrund haben die Experten das aktuell fortschrittlichste Prüfprogramm für Schränke aufgesetzt und bescheinigen die Produktsicherheit mit der Zertifizierung „TÜV Nord Baumuster geprüft“. Herzstück des Nachweises sind sowohl der bewährte Batteriebrandversuch als auch eine herbeigeführte Gasexplosion. Als Äquivalent für die im Versuchsaufbau nur schwer zu provozierende Freisetzung der Batteriegase (vor allem Elektrolytdämpfe) wird ein Propan-Luft-Gemisch eingesetzt. Dieses hat ein vergleichbares Explosionsverhalten und kann daher die maximale Gehäuse- beziehungsweise Türbeanspruchung bei einer Gasexplosion sehr realistisch abbilden. Nur so ist gewährleistet, dass die Batterien nach einer Gasexplosion geschützt im Schrank abbrennen beziehungsweise gefahrlos reagieren und das System somit als batteriebrandtauglich gelten kann.
Nur Brandkammertest unzureichend
Demgegenüber stehen einige ungeeignete Produktqualifizierungen, bei denen nur vom reinen Brennen der Batterien ausgegangen wird. Die Schränke werden daher nur am Brandofen im genormten Brandkammertest erhitzt. Auf diese Weise lässt sich zwar bestens der Feuerwiderstand anhand einer Zeitangabe ermitteln, dies hat aber unter Umständen wenig Aussagekraft für einen realen Batteriebrand. Die Zeitangabe kann auch etwas irreführend sein, weil Zeitdauern im Zusammenhang mit Lithium-Batterien anders einzuschätzen sind und sich beispielsweise viel früher als gedacht die Türen öffnen. Sicherheits- und Budgetverantwortliche sollten also darauf achten, dass die Schränke im Prüfprogramm auch wirklich mit Batterien geprüft wurden und nicht vorrangig die Nachweise vom Brandofen mit dem Brandkammertest stammen.
Schlüssel zur Sicherheit
Die Gefährdungsbeurteilung ist nach wie vor das wichtigste Werkzeug für den Arbeitsschutz und die betriebliche Sicherheit – insbesondere, wenn es wie im Fall der Lithium-Batterien noch an detaillierten Vorschriften mangelt. In der Gefährdungsbeurteilung wird schriftlich herausgearbeitet, welche Gefährdungen vorliegen und mit welchen Schutzmaßnahmen diese reduziert werden sollen. Dies muss für jeden Betrieb individuell erfolgen, hier gibt es leider kein allgemeingültiges Schutzkonzept. Folgende Maßnahmen sind denkbar:
- zertifizierten Akkuschrank beschaffen
- Box für defekte Akkus vorhalten
- Rettungskette verankern
- Havarie-Platz im Außenbereich festlegen
- Ladebereiche definieren (gegebenenfalls Ladeschrank)
- UN 38.3 Nachweise der Batterien abfragen und hinterlegen
- Rauchmelder installieren
- Lagerbereich qualifizieren
Grundsätzlich ist zu empfehlen, einen Lageplan mit den im Betrieb befindlichen Lithium-Batterien zu erstellen. Dieser wird sich erwartungsgemäß mit der Zeit vergrößern und ausweiten. Es lassen sich aber sehr gut die Handlungsbedarfe je Bereich abschätzen, zum Beispiel für die Akkus im Werkstattgebrauch, für Laptops und Handys in Büros, für Defekt-Akkus in der IT-Abteilung, für Prototypen in der Entwicklungsabteilung, für klärungsbedürftige Retouren im Versand, für Neuware im Lager, für Defektware im Kundendienst, für das Laden von E‑Bikes der Mitarbeitenden oder für die Akku-Gartengeräte des Hausmeisters.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Batteriebrandtauglichkeit von Batterie- beziehungsweise Akku-Sicherheitsprodukten eine große Bedeutung zugeschrieben wird. Nur so kann eine gewisse Verlässlichkeit gewährleistet werden und die technischen Lösungen können als wichtiger Baustein in der Gefährdungsbeurteilung dienen. Wenn Betriebe es dann noch schaffen, einen Verantwortlichen und Treiber für die spannenden Aufgaben hinsichtlich Lithium-Batterien zu benennen, ist schon viel gewonnen. Denn Sicherheit ist auch hier durchaus machbar.
Technische Regeln – TRGS 510
In der 2021er-Version der „TRGS 510 – Technische Regeln für Gefahrstoffe in ortsbeweglichen Behältern“ wird beschrieben, dass von Lithium-Batterien aufgrund einer möglichen Selbstentzündung eine Gefahrenerhöhung ausgeht und die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen besteht. Als Lösung wird auf Getrennt- oder Separatlagerung verwiesen, was mittels geprüfter Akkuschränke umgesetzt werden kann.