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Lithium-Batterien: Akkubrände beherrschen

Neuer Prüfgrundsatz für Sicherheitsschränke
Lithium-Batterien: Akkubrände beherrschen

Laut Sta­tis­tiken wird davon aus­ge­gan­gen, dass in Deutsch­land und Öster­re­ich der Anteil der durch Lithi­um-Bat­te­rien verur­sacht­en Brand­fälle bei etwa 10 bis 15 Prozent liegt. Die Bedeu­tung für den betrieblichen Brand­schutz ist somit groß und der Hand­lungs­be­darf offen­sichtlich. Nach­dem Teil 1 dieses Beitrags in Aus­gabe 1–2/2023 wichtiges Basiswis­sen zur Brandge­fahr ver­mit­telt hat, befasst sich Teil 2 mit neuen Erken­nt­nis­sen, unter anderem zum Schutzver­sprechen tech­nis­ch­er Lösungen.

Der Chemikalien­mix in mod­er­nen Lithi­um-Ionen-Zellen wird immer leis­tungs­fähiger. Die entzünd­baren Bestandteile in ein­er Lithi­um-Ionen-Zelle sind in erster Lin­ie die Elek­trolyt­flüs­sigkeit und das Kath­o­den­ma­te­r­i­al (pos­i­tive Elek­trode). Bei einem Akkubrand passiert jedoch weit mehr, als dass es „nur“ bren­nt. Zahlre­iche wis­senschaftliche Arbeit­en und Stu­di­en haben sich in den let­zten Jahren inten­siv­er damit beschäftigt – vor allem auf Basis von Brand­ver­suchen. Für einen Akkubrand sind dem­nach fol­gende Beobach­tun­gen charakteristisch:

  • inten­sive Flammbildung
  • ras­an­ter Tem­per­at­u­ranstieg über 1.000 °C
  • explo­sion­sar­tiges Abbrennen
  • unter Umstän­den Gas­ex­plo­sion unver­bran­nter Gase
  • bren­nen­der Trümmerwurf
  • starke tox­is­che Rauchentwicklung

Entschei­dend für die Brand­in­ten­sität ist vor allem der Lade­stand. Bei Ver­suchen zeigt sich, dass die erkennbare Reak­tion der Zelle, der „Ther­mal Run­away“, desto heftiger aus­fällt, je stärk­er eine Zelle geladen ist. Da die meis­ten Brand­fälle nach­weis­lich beim Laden entste­hen, ist diese Erken­nt­nis gle­ich dop­pelt problematisch.

Besondere Maßnahmen erforderlich

Von Her­stellern der akku­be­triebe­nen Geräte wer­den in den Anwen­der­in­for­ma­tio­nen meist vor­rangig die Punk­te genan­nt, die für eine lange Lebens­dauer notwendig sind. Etwas weit­er gehen die Sicher­heit­shin­weise in den Bedi­enungsan­leitun­gen, mit denen sich die Her­steller bei Schadens­fällen rechtlich absich­ern. Für die betriebliche Ver­wen­dung der Energiespe­ich­er sind einige Sicher­heit­sregeln rel­e­vant, die sich aus Empfehlun­gen vor allem der Feuer­wehren, der Ver­sicherungswirtschaft und dem Geset­zge­ber zusam­menset­zen – sowohl aus präven­tiv­en als auch schadens­min­dern­den Gesicht­spunk­ten. Als wichtig­ste Regeln kön­nen genan­nt werden:

  • Sicher­heitsab­stände von 2,5 bis 5 Metern
  • nicht brennbare Unter­lage und Umgebung
  • keine Mis­chlagerung
  • Men­gen­be­gren­zung/-reduk­tion
  • Beauf­sich­ti­gung des Ladevorgangs
  • Tren­nung von laden und lagern
  • Lagerung nur von UN 38.3 geprüften Bat­te­rien (Test­nach­weis für Transport/Inverkehrbringen)

Zur Umset­zung kom­men bauliche, tech­nis­che, organ­isatorische und per­sön­liche Schutz­maß­nah­men in Frage. Der Umfang des Maß­nah­men­pakets hängt dabei vor allem von der Menge und Größe der Bat­te­rien ab. Nicht zielführend ist es, wenn die oben genan­nten Regeln außer Acht gelassen wer­den und sich die Ver­ant­wortlichen im Betrieb nur darauf ver­ständi­gen, dass die Mitar­bei­t­en­den bei Gele­gen­heit eine Sichtkon­trolle auf Beschädi­gun­gen und Defek­te durch­führen. Auch Fach­leute sehen einem Akku von außen eine innere Schädi­gung oder Fehlfunk­tion kaum an!

Akkuschränke bringen Sicherheit

In vie­len Branchen wer­den Akkuschränke als tech­nis­che Schutz­maß­nahme zum sicheren Laden und Lagern von Lithi­um-Akkus einge­set­zt. In einem Brand­schutzkonzept sind diese Schränke ein wichtiger Baustein zur Schadens­min­imierung im Falle ein­er Havarie oder eines Bran­des. Der Markt bietet in diesem Seg­ment mit­tler­weile eine große Vielfalt an unter­schiedlichen Ansätzen, Schutzzie­len und Funk­tio­nen. Wichtige Merk­male von Akkuschränken sind vor allem:

  • aus­re­ichende Feuerfestigkeit
  • Rauch- und Branddetektion
  • (akustis­che) Alarmierung
  • gegebe­nen­falls Alarmweiterleitung
  • Mobil­ität im Brandfall

Dabei entwick­eln Her­steller ihre Pro­duk­te entwed­er kom­plett frei nach eigen­em Ver­ständ­nis oder ver­mit­teln ein Gefühl der Sicher­heit, indem sie sich auf Pro­duk­t­nor­men stützen. Doch ger­ade in Sachen Nor­men beste­ht die Diskrepanz, dass diese allen­falls aus der Gefahrstof­flagerung stam­men. Sie sind von daher nicht ohne Weit­eres auf das Medi­um Lithi­um-Bat­te­rien anzuwen­den beziehungsweise bieten hier­für keine aus­re­ichende Sicherheit.

Zwei weit­ere Kri­te­rien ste­hen neuerd­ings im Fokus der Hersteller:

  • spez­i­fis­ch­er Brand­schutz für Lithium-Batterien
  • Explo­sion­ss­chutz bei Gasexplosion

Während anhand der Pro­duk­tbeschrei­bung rel­a­tiv ein­fach her­auszufind­en ist, ob ein Akku-Schrank die erst­ge­nan­nten Anforderun­gen erfüllt, gestal­tet sich das Abschätzen sein­er Eig­nung für den Brand- und Explo­sion­ss­chutz deut­lich kom­pliziert­er. Hier gibt es auch gravierende Unter­schiede im Ange­bot. Einkäufer und Entschei­der müssen sich also zwin­gend etwas mit der Materie auseinan­der­set­zen, da nicht jedes Wer­bev­er­sprechen im Zweifels­fall ein­gelöst wird. Denn im täglichen Nor­mal­be­trieb wer­den die Schränke nicht auf Herz und Nieren geprüft, son­dern glück­licher­weise nur im sel­te­nen Fall des Akkubrands. Dann aber muss alles funktionieren.

Explosion ist nicht gleich Explosion

Ein Bat­teriebrand­ver­such ist zwar ein erster Tauglichkeit­snach­weis, allerd­ings wird er von Her­stellern fälschlicher­weise immer wieder – ob bewusst oder aus Unken­nt­nis – als „Explo­sionsver­such“ oder Ähn­lich­es beze­ich­net. Im besten Fall kommt es dabei zum explo­sion­sar­ti­gen Abbren­nen. Im ungün­stig­sten Fall für den gut­gläu­bi­gen Anwen­der gibt sich der Her­steller jedoch im Ver­such mit einem Abrauchen und einem eher harm­losen Ver­lauf des „Ther­mal Run­away“ zufrieden.

Wenn eine Lithi­um-Bat­terie explo­sion­sar­tig abbren­nt und sich mit Knall­geräuschen sowie großer Flammen­er­schei­n­ung zer­legt, ergibt das eine beson­dere Beanspruchung, die nur über Bat­teriebrand­ver­suche getestet wer­den kann. Schon diese Art Tauglichkeitsver­such weicht in viel­er­lei Hin­sicht vom reinen Brand­nach­weis am genormten Brand­ofen ab, wie er etwa bei Sicher­heitss­chränken mit 90-minütigem Feuer­wider­stand erfolgt.

Das größere Prob­lem ist jedoch die Gasentzün­dung – also die „richtige“ Explo­sion, wenn die Bat­terie entzünd­bare Dämpfe und Gase aus Kath­o­den­ma­te­r­i­al und Elek­trolyt in den Schrank­in­nen­raum abbläst, die sich dann durch eine Zündquelle mit lautem Knall entzün­den. Diese Beanspruchung stellt den Worst Case dar, weil der Explo­sions­druck über fünf bis acht bar betra­gen und somit zum schla­gar­ti­gen Ver­sagen des geschlosse­nen Schranks führen kann. Daher muss ger­ade dieses Szenario getestet wer­den. Die tat­säch­liche Gas­ex­plo­sion wird bis­lang jedoch nur von der TÜV Nord Group ver­lässlich prüf­bar gemacht.

Neuer Prüfgrundsatz

Die TÜV Nord Group ver­fügt über umfan­gre­iche Erfahrun­gen mit Lithi­um-Bat­te­rien und entsprechen­den Brand­ver­suchen. Vor diesem Hin­ter­grund haben die Experten das aktuell fortschrit­tlich­ste Prüf­pro­gramm für Schränke aufge­set­zt und bescheini­gen die Pro­duk­t­sicher­heit mit der Zer­ti­fizierung „TÜV Nord Bau­muster geprüft“. Herzstück des Nach­weis­es sind sowohl der bewährte Bat­teriebrand­ver­such als auch eine her­beige­führte Gas­ex­plo­sion. Als Äquiv­a­lent für die im Ver­such­sauf­bau nur schw­er zu provozierende Freiset­zung der Bat­ter­ie­gase (vor allem Elek­trolyt­dämpfe) wird ein Propan-Luft-Gemisch einge­set­zt. Dieses hat ein ver­gle­ich­bares Explo­sionsver­hal­ten und kann daher die max­i­male Gehäuse- beziehungsweise Tür­beanspruchung bei ein­er Gas­ex­plo­sion sehr real­is­tisch abbilden. Nur so ist gewährleis­tet, dass die Bat­te­rien nach ein­er Gas­ex­plo­sion geschützt im Schrank abbren­nen beziehungsweise gefahr­los reagieren und das Sys­tem somit als bat­teriebrand­tauglich gel­ten kann.

Nur Brandkammertest unzureichend

Demge­genüber ste­hen einige ungeeignete Pro­duk­tqual­i­fizierun­gen, bei denen nur vom reinen Bren­nen der Bat­te­rien aus­ge­gan­gen wird. Die Schränke wer­den daher nur am Brand­ofen im genormten Brand­kam­mertest erhitzt. Auf diese Weise lässt sich zwar bestens der Feuer­wider­stand anhand ein­er Zei­tangabe ermit­teln, dies hat aber unter Umstän­den wenig Aus­sagekraft für einen realen Bat­teriebrand. Die Zei­tangabe kann auch etwas irreführend sein, weil Zeit­dauern im Zusam­men­hang mit Lithi­um-Bat­te­rien anders einzuschätzen sind und sich beispiel­sweise viel früher als gedacht die Türen öff­nen. Sicher­heits- und Bud­getver­ant­wortliche soll­ten also darauf acht­en, dass die Schränke im Prüf­pro­gramm auch wirk­lich mit Bat­te­rien geprüft wur­den und nicht vor­rangig die Nach­weise vom Brand­ofen mit dem Brand­kam­mertest stammen.

Schlüssel zur Sicherheit

Die Gefährdungs­beurteilung ist nach wie vor das wichtig­ste Werkzeug für den Arbeitss­chutz und die betriebliche Sicher­heit – ins­beson­dere, wenn es wie im Fall der Lithi­um-Bat­te­rien noch an detail­lierten Vorschriften man­gelt. In der Gefährdungs­beurteilung wird schriftlich her­aus­gear­beit­et, welche Gefährdun­gen vor­liegen und mit welchen Schutz­maß­nah­men diese reduziert wer­den sollen. Dies muss für jeden Betrieb indi­vidu­ell erfol­gen, hier gibt es lei­der kein all­ge­me­ingültiges Schutzkonzept. Fol­gende Maß­nah­men sind denkbar:

  • zer­ti­fizierten Akkuschrank beschaffen
  • Box für defek­te Akkus vorhalten
  • Ret­tungs­kette verankern
  • Havarie-Platz im Außen­bere­ich festlegen
  • Lade­bere­iche definieren (gegebe­nen­falls Ladeschrank)
  • UN 38.3 Nach­weise der Bat­te­rien abfra­gen und hinterlegen
  • Rauch­melder installieren
  • Lager­bere­ich qualifizieren

Grund­sät­zlich ist zu empfehlen, einen Lage­plan mit den im Betrieb befind­lichen Lithi­um-Bat­te­rien zu erstellen. Dieser wird sich erwartungs­gemäß mit der Zeit ver­größern und ausweit­en. Es lassen sich aber sehr gut die Hand­lungs­be­darfe je Bere­ich abschätzen, zum Beispiel für die Akkus im Werk­stattge­brauch, für Lap­tops und Handys in Büros, für Defekt-Akkus in der IT-Abteilung, für Pro­to­typen in der Entwick­lungsabteilung, für klärungs­bedürftige Retouren im Ver­sand, für Neuware im Lager, für Defek­t­ware im Kun­den­di­enst, für das Laden von E‑Bikes der Mitar­bei­t­en­den oder für die Akku-Gartengeräte des Hausmeisters.

Zusam­men­fassend lässt sich sagen, dass der Bat­teriebrand­tauglichkeit von Bat­terie- beziehungsweise Akku-Sicher­heit­spro­duk­ten eine große Bedeu­tung zugeschrieben wird. Nur so kann eine gewisse Ver­lässlichkeit gewährleis­tet wer­den und die tech­nis­chen Lösun­gen kön­nen als wichtiger Baustein in der Gefährdungs­beurteilung dienen. Wenn Betriebe es dann noch schaf­fen, einen Ver­ant­wortlichen und Treiber für die span­nen­den Auf­gaben hin­sichtlich Lithi­um-Bat­te­rien zu benen­nen, ist schon viel gewon­nen. Denn Sicher­heit ist auch hier dur­chaus machbar.


Foto: © privat

Autor: Andreas Schneider

Pro­duk­t­man­ag­er bei CEMO GmbH


Technische Regeln – TRGS 510

In der 2021er-Ver­sion der „TRGS 510 – Tech­nis­che Regeln für Gefahrstoffe in orts­be­weglichen Behäl­tern“ wird beschrieben, dass von Lithi­um-Bat­te­rien auf­grund ein­er möglichen Selb­stentzün­dung eine Gefahren­er­höhung aus­ge­ht und die Notwendigkeit von Schutz­maß­nah­men beste­ht. Als Lösung wird auf Getren­nt- oder Sep­a­rat­lagerung ver­wiesen, was mit­tels geprüfter Akkuschränke umge­set­zt wer­den kann.

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