Gefahren bei Sanierungsarbeiten können sich zum einen aus baulichen Gegebenheiten wie statischen Problemen und unsachgemäßer Bauausführung, zum anderen aus äußeren Einflüssen auf das Bauwerk wie dem Baugrund oder Nachbarobjekten ergeben. Sie können sich aber auch aus den vorhandenen Baumaterialien oder im Laufe der Nutzung in das Gebäude eingebrachten Stoffen oder Ablagerungen entwickeln.
Ein Risiko stellen insbesondere chemische Gefährdungen dar. Bekannt für ihr großes gesundheitsschädigendes Potenzial sind:
- Holzschutzmittel (Lindan, DDT, PCB, PCP),
- Kohlenwasserstoffe (zum Beispiel Mineralöle, Benzin, Teer-PAK, Bitumen)
- Farben und Lacke (bleihaltige Anstrichstoffe, Formaldehyde),
- Schwermetallablagerungen aus der Gebäudenutzung (Arsen, Quecksilber, Blei und andere),
- sowie künstliche Mineralfasern und Asbest.
Hinzu kommen biologische Gefährdungen durch
- tierische Hinterlassenschaften (Taubenkot, Kadaver),
- Insekten (Milben, Zecken, Wespen, Hornissen und Bienen),
- und Kleinnager (Mäuse und Ratten.
Sanierung von Bestandsgebäuden
Solche potenziellen Risiken müssen schon vor Beginn der Arbeiten erkannt werden beziehungsweise bekannt sein, um ihnen mit geeigneten Schutzmaßnahmen begegnen zu können. Das folgende Praxisbeispiel zeigt, was für Probleme sich andernfalls einstellen können: In einer Kleinstadt mit einem wertvollen historischen Stadtkern sollte ein aus dem 16. Jahrhundert stammendes und für die Stadtgeschichte bedeutsames Fachwerkhaus einer neuen Nutzung als museales Objekt zugeführt werden. Als erste Arbeit wurde das Gebäude von dem eingelagerten Taubenkot gereinigt, um danach Arbeiten am Dachstuhl und den anderen Holzeinbauten ausführen zu können.
Beschäftigte leiden unter Kopfschmerzen und Übelkeit
Bei den Arbeiten an den Altholzteilen der Dachgauben stellten sich bei den im Gebäude tätigen Beschäftigten zeitweise Kopfschmerzen und Übelkeit ein. Da diese Beschwerden aber nach kurzer Zeit wieder abklangen, suchte keiner von ihnen einen Arzt auf. Als in den folgenden Wochen weitere Arbeiten an den Holzkonstruktionen ausgeführt wurden – beispielsweise an den Fußböden und Deckenbalken in den Geschossen – traten zwar vereinzelt wieder Beschwerden auf, aber auch diese wurden nicht ärztlich abgeklärt.
In der fünften Arbeitswoche am Gebäude sollten umfangreiche Arbeiten an den Decken sowie im Dachgeschoss ausgeführt werden, wozu das Unternehmen weitere Beschäftigte auf die Baustelle schickte. Diese klagten bereits unmittelbar nach dem Betreten des Objektes über gesundheitliche Probleme wie Schwächegefühle, Übelkeit und Schwindelattacken. Sie nahmen aber trotzdem die Arbeiten auf.
Stärkere gesundheitliche Probleme
Bei den Arbeiten, bei denen an der Holzkonstruktion des Dachgebälks Balken ausgetauscht werden sollten und dazu mit Handmaschine gesägt und gebohrt wurde, kam es zur Verstärkung der gesundheitlichen Probleme; einer der Beschäftigten bekam zusätzlich noch Nasenbluten. Daraufhin wurden die Arbeiten eingestellt und die Beschäftigten suchten ihre Hausärzte an den jeweiligen Wohnorten auf. Diese stellten im Rahmen der Behandlung unter anderem Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus.
Durch die Firmenleitung wurden sofort der Bauherr und die Bauüberwachung sowie die zuständige BG BAU informiert. Im Rahmen eines Vor-Ort-Termins wurde die Einstellung der Arbeiten angeordnet und die Untersuchung der Holzkonstruktion durch einen Sachverständigen veranlasst. Die Vermutung war, dass die gesundheitlichen Beschwerden durch auf das Holz aufgebrachte Holzschutzmittel beziehungsweise im Liegestaub abgelagerte Schimmelpilze verursacht worden waren.
Dachreinigung unter Atemschutz
Laut dem Sachverständigengutachten konnten keine Holzschutzmittel nachgewiesen werden, es wurde lediglich eine hohe Belastung des Staubs mit Schimmelpilz festgestellt. Daraufhin erfolgte eine Reinigung des Dachbereiches mit Persönlicher Schutzausrüstung, insbesondere unter Einsatz von Atemschutz, in diesem Fall Halbmasken mit P2-Filter. Dabei traten bei den eingesetzten Beschäftigten wieder die bereits bekannten gesundheitlichen Probleme auf. Die Arbeiten wurden erneut eingestellt.
Durch die Messtelle der BG BAU erfolgten daraufhin ergänzende Messungen und Untersuchungen. So wurden Proben zur Feststellung von Gefahrstoffen in der Luft und in den Materialien genommen. Zusätzlich wurden auch Untersuchungen beim Schneiden der Holzbalken auf entstehende Sägestäube durchgeführt. Diese Untersuchungen ergaben aber keine Anhaltspunkte für eine Gefahrstoffbelastung im Gebäude.
Belastung durch Schimmelpilze
Als mögliche Ursache für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen wurde daher die Belastung des Staubs mit Schimmelpilzen angenommen. Die Schutzmaßnahmen wurden daher an den Vorgaben des Sachverständigengutachtens ausgerichtet. Es erfolgte nochmals eine umfassende Absaugung der Liegestäube. Alle eingesetzten Arbeitsmittel wurden nur mit geeigneter Absaugung der anfallenden Stäube betrieben und es erfolgte eine technische Belüftung der Arbeitsbereiche. Zudem wurden die Beschäftigten angehalten, konsequent die bereitgestellte PSA zu benutzen.
Lehren aus diesem Vorfall
Insbesondere bei der Sanierung von Bestandsgebäuden ist es notwendig, im Vorfeld der Planung, Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen eine umfassende Erkundung nicht nur auf bauliche Mängel, sondern auch auf mögliche chemische und biologische Gefahren durchzuführen. Gemäß § 15 Absatz 5 ist der Auftragnehmer – das ausführende Unternehmen – verpflichtet, sich vom Auftraggeber/Bauherrn umfassende Informationen über mögliche aus der Nutzungs- oder Baugeschichte des Objektes resultierende chemische Gefahren einzuholen, um eine sachgerechte Gefährdungsbeurteilung erstellen zu können.
Umdenken erforderlich
Dies gilt im Übrigen auch für alle anderen möglichen Gefahren, zum Beispiel mechanische oder elektrische. Dazu muss der Auftraggeber/Bauherr jedoch über die entsprechenden Informationen verfügen, da er diese sonst nicht weitergeben kann. Hier bedarf es eines Umdenkens sowohl bei Auftraggebern (Bereitstellungsverpflichtung) als auch Auftragnehmern (Einholungsverpflichtung). Generell gilt: Nur wer umfassend über die möglichen Gefahren Bescheid weiß, kann sachlich und fachlich richtige und geeignete Schutzmaßnahmen bei der Sanierung von Bestandsgebäuden festlegen und umsetzen. Hilfestellungen bieten hierzu viele Informationen der BG BAU.
Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
SIMEBU Thüringen GmbH
Weitere Informationen
- Gefahrstoffverordnung
- TRGS 505 „Blei“
- TRGS 519 „Abbruch‑, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten – Asbest“
- TRGS 521 „Abbruch‑, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit alter Mineralwolle“
- TRGS 524 „Arbeiten in kontaminierten Bereichen“
- TRGS 551 „Teer und andere Pyrolyseprodukte aus organischem Material“
- DGUV Information 201–028 (bisher BGI 858) Gesundheitsgefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe bei der Gebäudesanierung
- DGUV Information 201–031 (bisher BGI 892) Gesundheitsgefährdungen durch Taubenkot
- DGUV Information 209–043 (bisher BGI 736) Holzschutzmittel – Handhabung und sicheres Arbeiten
- DGUV Information 212–019 (bisher BGI/GUV‑I 8685) Chemikalienschutzkleidung bei der Sanierung von Altlasten, Deponien und Gebäuden
- DGUV Information 213–031 Tätigkeiten mit Mineralwolle-Dämmstoffen (Glaswolle, Steinwolle)
- Abbruch und Asbest – Informationen und Arbeitshilfen für Planung und Ausschreibung (BG BAU Abrufnummer: 622)
- Sanierung PAK-haltiger Klebstoffe – Handlungsanleitung zum Entfernen PAK-haltiger Klebstoffe für Holzfußböden (BG BAU – nur als PDF-Download)